Die Otolithen sind Schuld! – BPLS nach Schädel-Hirn-Trauma

Jeder Fünfte mit Schädel-Hirn-Trauma entwickelt in den ersten zwei Wochen nach dem Ereignis einen gutartigen Lagerungsschwindel. Das Vertigorisiko steigt mit der Schwere der Gehirnerschütterung und ist in den ersten Tagen nach dem Trauma am höchsten. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Ein Schädel-Hirn-Trauma (SHT) kann gelegentlich auch zu einem benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel (BPLS) führen. Das Trauma löst offenbar Otolithen, die schließlich aus dem Utriculus in die Bogengänge fallen und die Beschwerden verursachen. Ist ein BPLS traumatisch bedingt, sollten die Symptome daher zeitnah zum Trauma auftreten. Wann von einem traumatischen BPLS auszugehen ist und wann der Schwindel wohl eher nichts mit dem SHT zu tun hat, ist aber umstritten. Einige HNO-Experten führen einen BPLS noch bis zu drei Monate nach einem SHT auf das Trauma zurück, andere höchstens in den ersten zwei Wochen. Ein Team um Dr. Helene Andersson von der Universität in Oslo kommt nach einer eigenen Untersuchung zu dem Schluss, dass fast alle traumatisch bedingten BPLS-Episoden in den ersten zwei Wochen nach dem SHT auftreten. Das Risiko für einen BPLS hängt dabei stark von der Schwere des Traumas ab. Die HNO-Ärzte um Andersson untersuchten insgesamt 117 Patienten nach einem SHT, alle waren aufgrund ihres Traumas in die Orthopädie oder Neurochirurgie der Osloer Uniklinik aufgenommen worden und in den Wochen zuvor nicht durch Schwindel oder HNO-Probleme aufgefallen. 51 von ihnen hatten ein sehr leichtes SHT ohne Bewusstseinsverlust und Amnesie, ebenso viele eine mildes SHT mit Bewusstseinsverlust über maximal fünf Minuten, die übrigen 15 wiesen ein moderates SHT mit einer Bewusstseinstrübung oder Amnesie über fünf Minuten oder mit fokalen neurologischen Defiziten auf. Patienten mit schwerem SHT (Glasgow-Coma-Skala mit acht oder weniger Punkten) wurden ausgeschlossen. 40% mit moderatem SHT entwickeln einen Lagerungsschwindel Alle wurden so früh wie möglich (im Schnitt nach fünf Tagen) auf einen BPLS untersucht und anschließend dazu angehalten, sich bei Schwindel und Benommenheit auch nach der Klinikentlassung sofort zu melden. Zudem fragte das Team um Andersson bis zu drei Monate regelmäßig per Telefon nach Schwindelattacken. Innerhalb von zwölf Wochen konnten die Ärzte bei 24 Patienten (21%) einen BPLS klar diagnostizieren. Betroffen waren sechs der 15 Patienten mit moderatem SHT (40%), zwölf mit mildem (24%) und sechs mit leichtem SHT (12%). Das BPLS-Risiko scheint danach mit der Schwere des SHT zuzunehmen. Gleichzeitig nimmt es mit zeitlichem Abstand zum SHT ab: Acht Patienten entwickelten am Tag des SHT auch einen BPLS, sechs am Folgetag, zwei am zweiten Tag nach dem Trauma. Bei sieben Patienten trat der BPLS erstmals zwischen Tag 3 und 14 nach dem SHT auf, nur ein einziger Patient entwickelte zu einem späteren Zeitpunkt noch einen Lagerungsschwindel (an Tag 25), alle übrigen Patienten blieben auch in den folgenden Wochen davon verschont. Einen Zusammenhang mit Alter und Geschlecht konnten die HNO-Ärzte nicht feststellen. Zu den 24 Patienten mit nachgewiesenem BPLS gesellten sich ebenso viele mit wahrscheinlichem oder möglichem Lagerungsschwindel – der genaue Anteil der BPLS-Patienten könnte als noch unterschätzt worden sein. Insgesamt klagten knapp 80% der SHT-Patienten in den Tagen und Wochen nach dem Trauma über irgendeine Form von Schwindel und Benommenheit, und auch dieser Anteil nahm mit der Schwere des SHT zu. Die Ärzte um Andersson weisen aber darauf hin, dass selbst bei sehr leichtem SHT das Risiko für einen BPLS deutlich über der Inzidenz der altersentsprechenden Bevölkerung liegt, bei Patienten mit BPLS könnte sich also auch die Frage nach einem leichten SHT als Ursache lohnen. Zwei Wochen nach einem SHT sei bei neu auftretenden BPLS-Beschwerden aber nicht mehr sicher von einer traumatischen Ursache auszugehen, da das Risiko für den Lagerungsschwindel im Wesentlichen in den ersten Tagen nach dem Ereignis erhöht sei und danach rapide falle, schreiben die Ärzte aus Oslo. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie hoch ist das Risiko für einen benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel (BPLS) nach einem Schädel-Hirn-Trauma (SHT)? Antwort: In den ersten zwei Wochen entwickelt etwa jeder Fünfte mit SHT einen BPLS. Bedeutung: Das BPLS-Risiko ist vor allen in den ersten Tagen nach einem SHT erhöht, danach nimmt es schnell ab. Einschränkung: Studie mit wenigen Patienten.

Springer Medizin

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