Manifestationen an der Haut und den hautnahen Schleimhäuten werden bei etwa 80 % aller Patienten mit systemischem Lupus erythematodes (SLE) beobachtet.
Fragestellung
Welche weiteren Hautveränderungen können beim SLE zusätzlich zu den als SLE-Kriterien des American College of Rheumatism (ACR) klassifizierten (Schmetterlingserythem, chronisch kutaner Lupus erythematodes, Schleimhautulzera und erhöhter Photosensitivität) beobachtet werden?
Material und Methode
Es erfolgten eine ausführliche Literaturrecherche in Peer-Reviewed-Journalen und eine Analyse der an unserer Abteilung verifizierten mukokutanen Manifestation von SLE-Patienten sowie eine Darstellung besonderer Krankheitsverläufe.
Ergebnisse
Berichtet wird über die Vielfalt unspezifischer, aber für den SLE typischen Hautveränderungen: periunguale Erytheme, periunguale Teleangiektasien und periunguale Splitterblutungen, Papeln an den Dorsalseiten der Finger und Hände, schuppende Erytheme, gelegentlich verbunden mit Nekrosen v. a. an den Ohren bei Komplementdefizienz und die bizarren Nekrosen des Antiphospholipidsyndroms. Anhand ausgewählter Patienten demonstrieren wir ungewöhnliche und seltene Krankheitsbilder, die mit einem SLE assoziiert auftreten können: die neutrophile urtikarielle Dermatose, den bullösen SLE und eine schwerwiegende Sepsis durch Neisseria flavescens bzw. Neisseria macacae.
Schlussfolgerung
Aufgezeigt werden zahlreiche unspezifische Hautveränderungen, die typischerweise mit einem SLE-assoziiert sind, und komplexe, teils schwerwiegende Krankheitsbilder, die ausschließlich beim SLE und anderen Immunfunktionsstörungen auftreten.
Viele Patienten mit systemischem Lupus erythematodes (SLE) entwickeln neben den klassischen 4 Hautmanifestationen – Schmetterlingserythem, chronisch kutaner Lupus erythematodes, orale Ulzera und erhöhte Photosensitivität – vielfältige andere entzündliche Veränderung an Haut und hautnahen Schleimhäuten. Diese sind oft sehr typisch und können daher wegweisend für eine frühe Diagnose sein. Daneben können beim SLE seltene und ungewöhnliche urtikarielle und Blasen bildende Haut-/Schleimhautmanifestation beobachtet werden, selten auch bedrohliche Infektionen mit wenig aggressiven Mikroorganismen.
Der SLE ist eine chronisch rezidivierend verlaufende Autoimmunkrankheit, die durch zahlreiche Krankheitssymptome an sämtlichen Organsystemen und verschiedene pathologische Veränderungen serologischer Parameter definiert wird. Die genaue Ätiologie des SLE ist unbekannt, im Zentrum der Pathobiologie steht ein Verlust der „Toleranz“ gegen Selbstantigene, die zur B‑Zell-Aktivierung und Autoantikörperproduktion führt. Mitverantwortlich für die Entstehung eines SLE sind verschiedene genetische und epigenetische Phänomene (Hormone, Infektionen, Medikamente, UV-Licht etc.) [1‐3]. Ausprägung und Verlauf der Erkrankung sind ausgesprochen variabel. Akut lebensbedrohliche Erstmanifestationen und Krankheitsschübe erfordern rasches, fächerübergreifendes, diagnostisches und therapeutisches Handeln. Aber auch „mildere“, chronisch verlaufende Krankheitsformen müssen immer in einer engen fachlichen Zusammenarbeit betreut werden.
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Um den behandelnden Ärzten eine klare und rasche Diagnose zu erleichtern, wurden 1982 vom American College of Rheumatism (ACR) die ACR- (vormals ARA-)Kriterien, definiert und 1997 reevaluiert. Bei Vorhandensein von 4 der 11 ACR-Kriterien, gleichzeitig oder zeitversetzt kann mit einer Sicherheit von 96 % die Diagnose eines SLE gestellt werden ([4, 5]; Tab. 1).
Tab. 1
ACR (American College of Rheumatism)-Kriterien des systemischen Lupus erythematodes [4, 5]
1
Schmetterlingserythem
2
Diskoider Lupus erythematodes
3
Photosensitivität
4
Schleimhautulzeration in Mund und/oder Nase
5
Gelenkschmerzen (nicht erosiv) (Anmerkung: In der englischsprachigen Literatur wird der Begriff Arthritis für Gelenkschmerzen unabhängig von deren Ursache verwendet)
6
Nephritis (Zylinder- oder Proteinurie >500 mg/Tag)
7
Enzephalopathie (zerebrale Krampfanfälle oder Psychosen)
8
Pleuritis oder Perikarditis
9
Anämie, Leukopenie oder Thrombopenie
10
Nachweis antinukleärer Antikörper (ANA)
11
Nachweis von Antikörpern gegen Doppelstrang-DNA (Anti-ds-DNA-AK) oder gegen Smith-Antigen (Anti-Sm-AK) oder Antiphospholipidantikörper (Anticardiolipinantikörper, Anti-β2-Glykoprotein, Lupus-Antikoagulans)
Der Umstand, dass in den ACR-Kriterien 4 Manifestationen am Hautorgan definiert sind, spiegelt die wichtige Rolle der Dermatologen bei Diagnose, aber auch Therapie des SLE wider. Dazu kommt eine Reihe anderer klinischer Phänomene an der Haut und den hautnahen Schleimhäuten, die charakteristischerweise mit einem SLE assoziiert, aber nicht als ACR-Kriterium definiert sind. So entwickeln sich bei bis zu 80 % aller SLE-Patienten im Lauf ihrer Erkrankung dermatologische Symptome. Einige dieser klinischen Charakteristika sollen hier aufgezeigt werden:
a)
Periunguale Erytheme, Teleangiektasien und periphere Vaskulitis (Abb. 1a und c): Besonders gut werden diese Veränderungen in der Kapillarmikroskopie detektiert. Hier können bei einem Lupus eine Vielzahl von Veränderungen der Kapillare auftreten wie Kaliberschwankungen bei 85 %, Verzweigungen bei 63 %, Sludge in 83 % und Elongationen in 51 % [6, 7].
b)
Papulöse Exantheme (Abb. 1b) über den Dorsalseiten der Finger (und Hände), nicht unähnlich den Gottron-Papeln der Dermatomyositis. Diese unterscheiden sich beim SLE jedoch dadurch, dass typischerweise die Interphalangealgelenke ausgespart bleiben [8, 9].
c)
Bizarr konfigurierte Erytheme, Papeln und Nekrosen (Abb. 1d) treten typischerweise an akraler Lokalisation, oft an den Ohren, v. a. bei Komplement-defizienten SLE-Varianten auf [9].
d)
Antiphospholipidsyndrom (APS) (Abb. 2): Dieses Autoimmunsyndrom ist durch das Auftreten von Phospholipidantikörpern (Anticardiolipinantikörper, Anti-β2-Glykoprotein und Lupus-Antikoagulans) definiert, die eine Hyperkoagulabilität bedingen, die zu arteriovenösen Thromboembolien und v. a. zu wiederholten Aborten führen kann. Das APS betrifft bis zu 36 % der SLE-Patienten [10]. Da auch Infekte oder Tumoren zur Ausbildung von Antiphospholipidantikörpern führen können, werden diese bei 10–15 % gesunder älterer Personen nachgewiesen. Die Diagnose wird klinisch und serologisch gestellt: Dazu wurden die Sidney-Kriterien [11] etabliert. Diese setzen sich aus klinischen (Thromboembolien und Schwangerschaftskomplikationen) und serologischen Parametern (Antiphospholipidantikörper) zusammen. Für die Diagnose eines APS müssen sowohl ein klinischer als auch ein serologischer Parameter vorliegen. Des Weiteren werden Thrombopenien und Herzklappenläsionen beschrieben. An der Haut kann sich ein APS sehr unterschiedlich manifestieren: Neben einem Raynaud-Phänomen können uncharakteristische Petechien und „Nagelsplitterblutungen“ vorliegen, typischer ist eine Livedo racemosa, v. a. aber „blitzfigurenartige“ Purpura und Nekrosen, die an eine Purpura fulminans erinnern ([12]; Tab. 2).
Tab. 2
Lupus-erythematodes-unspezifische Hautmanifestationen. (Adaptiert nach [13])
Periunguale Teleangiektasien, Splitterblutungen und Erytheme
Nicht vernarbende Alopezie
Blitzfigurenartige Purpura und Nekrosen sowie eine Livedo racemosa bei assoziiertem Antiphospholipidsyndrom
„Pseudo-Gottron-Papeln“ über den Phalangen der Fingerknochen
Bizarr konfigurierte Erytheme, Papeln und Nekrosen an akraler Lokalisation, v. a. den Ohren bei Komplementdefizienz
Neutrophile urtikarielle Dermatose bei SLE
Bullöser SLE
×
×
Neben diesen „klassischen“ dermatologischen Manifestationen, die im Verlauf eines SLE auftreten können, entwickeln diese Patienten weitere, ungewöhnliche mukokutane Hautveränderungen, die zwar selten, aber oft wegweisend für die Diagnose SLE sind [13, 14].
Dazu zählen die
„neutrophile urtikarielle Dermatose“,
der „bullöse SLE“ und
Infektionen mit ungewöhnlichen, oft als apathogen beschriebenen Keimen.
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Diese 3 seltenen mukokutanen Symptome des SLE sollen anhand von Fallbeispielen im Folgenden diskutiert werden.
Neutrophile urtikarielle Dermatose
Fallbericht
Berichtet wird über einen 42-jährigen männlichen Patienten mit urtikariellem Exanthem.
Anamnese
Seit einigen Monaten litt der Patient an ausgedehnten, „wandernden“ Polyarthralgien mit eingeschränkter Beweglichkeit, einer rezidivierenden Iridozyklitis und Uveitis anterior beidseits sowie einem ausgeprägten Fatigue-Syndrom. Zusätzlich waren Konzentrations- und Gedächtnisstörungen bekannt, zuletzt war außerdem eine psychotische Persönlichkeitsstörung diagnostiziert worden. Der Patient war bisher von Ophthalmologen und Rheumatologen behandelt worden, die aktuelle Therapie wurde mit Prednisolon 6,25 mg/Tag sowie Ultracortenol®- und Voltaren®-Augentropfen durchgeführt. 4 Wochen zuvor war unter laufender Therapie erstmals ein Exanthem aufgetreten, das in Ausdehnung und entzündlicher Intensität progredient war.
Befunde
Dermatologischer Lokalstatus.
Klinisch zeigte der Patient das Bild einer generalisierten Urtikaria, allerdings ohne Juckreiz und ohne Zeichen einer Purpura (Abb. 3). Charakteristischerweise bestanden die Einzelläsionen über 2 bis 3 Tage in situ, sie „wanderten“ nicht. Dazu beklagte der Patient eine beträchtliche Lichtempfindlichkeit, wobei auch kurzfristige UV-Exposition zu Allgemeinbeschwerden, subfebrilen Temperaturen und Müdigkeit führte. Schließlich bestanden eine starke Rötung der Konjunktiven sowie eine Schwellung der Augenlider beidseits.
Unauffällige Befunde: Blutchemie – Elektrolyte, Leber- und Nierenwerte, Antistreptolysin O (ASLO), Rheumafaktor und Anti-ds-DNA-Antikörper.
Dermatohistopathologie.
Das gesamte Korium und oberflächliche Anteile der Subkutis waren von einem dichten, diffus verteilten Infiltrat aus Lymphozyten, v. a. aber neutrophilen Granulozyten erfüllt; gelegentlich fand sich Kernstaub, jedoch keine Zeichen einer Vaskulitis. Entlang der Basalmembran zeigten sich einige Eosinophile, fokal in einem linearen Muster, dazu fand sich ein interstitielles Ödem (Abb. 4).
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Direkte Immunfluoreszenz.
In läsionaler Haut vom Unterarm fand sich IgM bandförmig entlang der Basalmembranzone; andere Immunglobuline und C3 waren negativ.
Lupus-Bandtest von klinisch unauffälliger, UV-geschützter glutealer Haut: unauffällig.
Diagnose
Neutrophile urtikarielle Dermatose (NUD) bei SLE mit 4 ACR-Kriterien: Polyarthritis, Photosensitivität, Psychosen, ANA positiv.
Therapie und Verlauf
Es wurde eine kombinierte, immunsuppressive Therapie aus Glukokortikoiden (Aprednisolon®, Initialdosis 1 mg/kg Körpergewicht/Tag langsam reduzierend) und Azathioprin (2-mal 50 mg/Tag) eingeleitet und wegen der Dominanz neutrophiler Granulozyten im Exanthem zusätzlich Diaminodiphenylsulfon (DADPS [Dapson], 50 mg/Tag) verabreicht. Die Hautveränderungen besserten sich innerhalb weniger Wochen, allerdings blieben Uveitis und Arthritis nahezu unverändert, sodass Azathioprin durch Mycophenolat-Mofetil (MMF) (1500 mg/Tag, in 2 Dosen zu je 500 und 1000 mg) ersetzt wurde.
Unter dieser Behandlung wurde der Patient weitgehend erscheinungsfrei. Die Reduktion der täglichen Kortikosteroiddosierung unter die Cushing-Schwelle gestaltete sich schwierig, da alle 3 klinischen Symptome mild rezidivierten.
Diskussion
Die NUD wurde als flüchtiges Exanthem, dessen histologisches Substrat ein Ödem sowie eine Infiltration der Dermis mit Neutrophilen, fokal auch Leukozytoklasie ohne Vaskulitis, darstellt, 2009 erstmals von Kieffer et al. [15] beschrieben. Bei den meisten Patienten entwickelte sich eine NUD im Rahmen zugrunde liegender Systemkrankheiten, wie z. B. einem adulten Still-Syndrom, dem Schnitzler-Syndrom, bei den Cryopyrin-assoziierten periodischen Syndromen (CAPS) oder einem SLE [15, 16]. Selten wurde die NUD auch als kutane Erstmanifestation eines SLE beschrieben. Derzeit wird die NUD im Spektrum der neutrophilen Dermatosen (ND) subklassifiziert. Sie tritt wie auch andere „neutrophile Dermatosen“, z. B. das Pyoderma gangraenosum, das Sweet-Syndrom, die amikrobielle pustulöse Dermatose der Hautfalten, die subkorneale Pustulose etc., häufig in Assoziation mit einem SLE auf ([17, 18]; Tab. 3).
Klinik, Histopathologie und serologische Befunde erlauben meist eine eindeutige Diagnose
Beim SLE tritt die NUD unabhängig von einer UV-Exposition, meist disseminiert am Stamm auf, kann aber auch über das gesamte Integument generalisieren. Da die Manifestationen der NUD häufig von Fieberschüben und Gelenkschmerzen begleitet sind, werden die Symptome oft falsch als Exazerbation des SLE gedeutet.
Klinik, Histopathologie und serologische Befunde erlauben meist eine rasche und eindeutige Diagnose einer NUD. Dennoch müssen eine idiopathische, klassische Urtikaria, Urtikariavaskulitis und ein Sweet-Syndrom ausgeschlossen werden [15]. Weitere Differenzialdiagnosen sind das Schnitzler-Syndrom, dessen monoklonale Gammopathie wegweisend ist, der Morbus Still, aber auch Krankheiten aus dem Formenkreis der Cryopyrin-assoziierten Fiebersyndrome, v. a. das Muckle-Wells-Syndrom.
Die Ursache der neutrophilen Komponente wird derzeit sehr widersprüchlich diskutiert und bleibt noch zu klären, vermutet wird eine Stimulierung durch derzeit noch unbekannte Mechanismen der „innate immunity“ [20].
Die Therapie gestaltet sich gelegentlich schwierig, da Neutrophile oft nicht auf die etablierte SLE-Systemtherapie ansprechen. Gute Erfahrungen wurden kasuistisch beim Einsatz von Colchicin oder DADPS (Dapson) beschrieben [15].
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Bullöser Lupus erythematodes
Fallbericht
Berichtet wird über eine 35-jährige SLE-Patientin mit Blasenbildung an mechanisch belasteten Lokalisationen.
Anamnese
Seit 2003 war ein SLE bekannt und durch Photosensitivität, Arthritiden, psychotische Schübe, Thrombopenie, positive antinukleäre Antikörper (ANAs) und Anti-ds-DNA-Antikörper definiert. Bis zum Zeitpunkt der Blasenschübe war die Patientin systemisch mit 7,5 mg Prednisolon/Tag symptomfrei. Seit einigen Wochen beobachtete die Patientin eine zunehmende Verletzlichkeit der Haut mit Ausbildung von Bläschen, Blasen und schmerzhaften Erosionen, insbesondere an den mechanisch belasteten Arealen (Füße, Knie, Hände, Ellbogen) und an den hautnahen Schleimhäuten orogenital. Diese beeinträchtigten einerseits die Nahrungs-und Flüssigkeitsaufnahme, aufgrund der genitalen Manifestationen und deren Schmerzhaftigkeit hat die Patientin jegliche sexuelle Aktivität eingestellt. Zudem haben sich dystrophe Veränderungen an den Finger- und Zehennägeln sowie Narben und Milien entwickelt.
Befunde
Dermatologischer Lokalbefund.
Es fanden sich multiple, unterschiedlich große, pralle, aber auch schlaffe, seröse, aber auch hämorrhagische Bläschen und Blasen v. a. an Händen und Füßen, dazu Erosionen, Narben, Milien und Nageldystrophien (Abb. 5). Am weichen Gaumen und der Genitalschleimhaut imponierten zahlreiche, sehr schmerzhafte Erosionen.
Unauffällige Befunde: CRP, Elektrolyte, Niere, Leberwerte, 24-h-Eiweißausscheidung im Harn, Gesamtporphyrine im Harn.
Dermatohistopathologie.
Die Hautbiopsie zeigte eine subepidermale Blase mit intakter Epidermis am Blasendach. Die Blase war erfüllt von seröser Flüssigkeit und reichlich neutrophilen und eosinophilen Granulozyten, die sich in die papilläre und retikuläre Dermis fortsetzten, zusätzlich reichlich Kernstaub. In der periläsionalen Haut waren die Granulozyten fokal perlschnurartig entlang der dermoepidermalen Grenzzone verteilt (Abb. 6).
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Direkte Immunfluoreszenz (Direkte IF; Abb. 7): Lineare junktionale Ablagerung von IgG und C3, in einem „u-serrated“ Muster.
Lupus-Bandtest: positiv – breit-bandförmig entlang der Basalmembranzone: IgM, IgA, IgG und C3.
Indirekte Immunfluoreszenz (Indirekte IF) auf humaner Spalthaut: zirkulierende Autoantikörper binden an den Blasenboden der künstlich gebildeten subepidermalen Blase (Titer 1:320).
Indirekte IF (Universitätsklinik für Dermatologie, Groningen, Abb. 8) durchgeführt auf normaler menschlicher Haut, Kollagen-Typ-VII-defizienter Haut eines Patienten mit Epidermolysis bullosa hereditaria dystrophicans Hallopeau-Siemens und Laminin-332- (früher als Laminin 5 bezeichnet) defizienter Haut eines Patienten mit Epidermolysis bullosa hereditaria junctionalis Typ Herlitz.
Die Kontrollseren waren von Gesunden sowie von Patienten mit Anti-Laminin-332-Pemphigoid und Epidermolysis bullosa acquisita. Die zirkulierenden IgG-Autoantikörper unserer Patientin banden linear entlang der Basalmembran normaler menschlicher Haut (a), zeigten aber keine Reaktivität sowohl mit Kollagen-Typ-VII-defizientem (b) wie auch Laminin-332-defizientem Substrat (c).
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Immunoblot und ELISA (Universitätsklinik für Dermatologie, Lübeck).
Wiederholte Untersuchungen mehrerer Serumproben von verschiedenen Zeitpunkten der Erkrankung blieben negativ; es konnten keine zirkulierenden Autoantikörper gegen Kollagen Typ VII, Laminin-332 und die bullösen Pemphigoidantigene I und II nachgewiesen werden.
Diagnose
Das „u-serrated“ Muster in der direkten IF war nahezu beweisend für in vivo gebundene Autoantikörper gegen Kollagen Typ VII und damit für die Diagnose eines bullösen SLE (BSLE).
Therapie und Verlauf
Die weitere Therapie gestaltete sich schwierig: Mehrere Medikamente erwiesen sich als wirkungslos in der Behandlung der Blasenschübe: MMF wurde von der Patientin abgelehnt, Azathioprin hatte bereits in früheren Phasen des SLE zu einer Leberfunktionsstörung geführt, und DADPS (Dapson 2-mal 50 mg/Tag) verursachte eine Thrombopenie und ein makulopapulöses Exanthem. Auch nach 2 Zyklen Rituximab (2-mal 1000 mg 14-tägig) im Abstand von 6 Monaten blieben die Blasenschübe weitgehend unverändert, erst mit Einleitung einer Immunapherese mit 2 Therapien pro Woche konnten weitere Blasenschübe verhindert werden. Derzeit erhält die Patientin 1 Immunapherese pro Woche.
Diskussion
Der bullöse SLE ist außerordentlich selten, klinisch dominieren Blasen und Erosionen auf erythematösem Grund v. a. an mechanisch exponierter Haut und den hautnahen Schleimhäuten. Die Blasen heilen mit Hyperpigmentierung, oft unter Ausbildung von Milien und meist mit zarten Narben [21‐25].
Als Ursache der Blasenbildung wurden Kollagen-Typ-VII-Autoantikörper nachgewiesen, wie sie auch typisch für die Epidermolysis bullosa acquisita sind [26]. Diese binden an die NC1-Domäne von Kollagen Typ VII, ein wichtiges Protein der Ankerfibrillen und der Ankerplatten in der Dermis. Die Ankerfibrillen entstehen in den Ankerplatten der oberen Dermis, steigen u‑förmig („u-serrated-Muster“) zur Epidermis auf, und werden in der Lamina densa der Basalmembran verankert. Sie bilden daher einen wesentlichen funktionellen Mechanismus der dermoepidermalen Adhäsion [27, 28]. Nur ganz selten werden beim bullösen SLE andere Autoantigene der Basalmembran als Zielstrukturen von zirkulierenden Autoantikörpern nachgewiesen, dazu zählen Laminin-332, Laminin-311 (früher als Laminin 6 bezeichnet) oder das bullöse Pemphigoidantigen II (BP-230-Antigen) [29]. Gelegentlich misslingt allerdings ein eindeutiger Nachweis des Autoantigens. Auch wir können hier nicht eindeutig beweisen, dass Kollagen Typ VII das Autoantigen darstellt, allerdings ist das „u-serrated-Muster“ der direkten IF ein sehr starker Hinweis darauf. Für manche Autoren gilt diese diagnostische Methode als Goldstandard der Epidermolysis bullosa acquisita/ des bullösen SLE [30‐33]. Die Ergebnisse der indirekten IF auf Kollagen Typ VII- und Laminin 332-defizienter Haut lassen vermuten, dass die Autoantikörper ein gemeinsames Epitop auf beiden Basalmembranproteinen erkennen. Ein ähnliches Reaktionsmuster wurde kürzlich bei einem indischen Kind mit einer Pemphigoiderkrankung, die klinisch der klassischen Form einer Epidermolysis bullosa acquisita entsprach, beschrieben [34].
Bläschen und Blasen können beim SLE verschiedene Ursachen haben und müssen daher differenzialdiagnostisch exakt abgegrenzt werden. Dazu zählen Bläschen als Folge ausgeprägter vakuoliger Degeneration basaler Keratinozyten, wie sie v. a. beim Schmetterlingserythem vorkommen, eine Koinzidenz mit anderen Krankheiten wie dem Pemphigus erythematodes, das Rowell-Syndrom bzw. bullöse Arzneimittelreaktionen [35, 36].
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In der Regel sprechen die bullösen Läsionen gut auf DADPS (Dapson) an
Etablierte Therapien des SLE (Kortikosteroide, kombinierte Immunsuppression und Antimalariamedikamente) sind bei den Blasenschüben oft wirkungslos. In der Regel wird ein gutes Ansprechen der bullösen Läsionen auf DADPS (Dapson) beobachtet, dessen Wirksamkeit auch bei niedriger Dosierung (25–50 mg/Tag) beschrieben wurde [28, 37, 38]. Auch erfolgreiche Behandlungen mit Methotrexat und Rituximab wurden kasuistisch erwähnt. Wir konnten die Blasenschübe allerdings erst mit einer Immunapherese beherrschen, da DADPS (Dapson) nicht vertragen wurde.
Sepsis mit Neisseria macacae/flavescens und systemischem Lupus erythematodes
Fallbericht
Berichtet wird über eine 32-jährige, hoch fiebernde Patientin in deutlich reduziertem Allgemeinzustand und einem generalisierten pustulösen Exanthem.
Anamnese
Seit 1 Woche hatte die Patientin eine sehr schmerzhafte Tonsillitis und seit 3 Tagen bis zu 40° Fieber, begleitet von Polyarthralgien und Myopathien. Wegen der Tonsillitis war von den Hals-Nasen-Ohren-Ärzten bereits ein orales Aminopenicillin und topisches Xylocain®-Gel verordnet worden. Als frühere Krankheiten gibt sie einen Morbus Crohn an, der allerdings nie pharmakologisch behandlungspflichtig war.
Befunde
Dermatologischer Lokalstatus.
Es zeigte sich ein generalisiertes, disseminiertes, pustulöses Exanthem v. a. im Bereich von Stamm und Gesicht (Abb. 9). Auffallend war die teilweise herpetiforme Gruppierung der Pusteln. Außerdem bestand eine asymmetrische Gesichtsschwellung mit beträchtlichem Ödem der Oberlippe rechts und der Augenlider links.
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Mikroskopische Befunde.
Exfoliativzytologie einer Pustel (Tzanck-Test): nur Neutrophile, keine mehrkernigen, akantholytischen epithelialen Riesenzellen, keine Akantholyse.
Dermatohistopathologie einer Biopsie einer Pustel (Abb. 10): Es zeigten sich eine intraepidermale Pustel, ein beträchtliches subepidermales Ödem und ein perivaskulär akzentuiertes entzündliches Infiltrat, dominiert von Neutrophilen, das bis in die Subkutis reichte. Die Blutgefäße des oberen Gefäßplexus zeigten Gefäßwandnekrosen und Fibrinausgüsse, um die Gefäße fanden sich Kernstaub und Erythrozytenextravasate.
Direkte IF: IgG bandförmig entlang der Basalmembranzone; IgM und C3 um einzelne papilläre und retikuläre Gefäße.
Unauffällige Befunde: Leukozyten, Niere, Elektrolyte, Leberwerte, HIV-Test, Granulozytenfunktionstest, zellulärer Immunstatus, Test auf Mannose bindendes Lektin.
Mikrobiologie.
Immunfluoreszenz und Polymerasekettenreaktion (PCR) auf Herpes-simplex- und Varicella/Zoster-Virus: negativ.
Blutkulturen, Abstriche von Pusteln, Pharynx, Zervix, Vagina, Urethra sowie Harnkultur: kein Nachweis pathologischer Keime.
Liquorpunktion: unauffällig.
Punktion Kniegelenk: Neisseria flavescens und Neisseria macacae.
Klinische Befunde.
HNO: Ausdehnung von Pusteln und Erosionen über den hinteren Gaumenbogen links bis in den Bereich des Oropharynx.
Neurologie: Gesichtsasymmetrie mit Verdacht auf Fazialisparese. Liquorpunktion und Magnetresonanztomographie (MRT) empfohlen.
Bildgebende Diagnostik.
Sonographie der Lymphknoten, MRT des Schädels: unauffällig bis auf vergrößerte Lymphknotenpakete retropharyngeal und beidseits zervikal.
MRT des Knies: ausgeprägter Erguss und minimale degenerative Meniskusveränderungen.
Autoimmundiagnostik: ANA positiv (1:2560), gesprenkeltes Fluoreszenzmuster, SS-A/Ro-Antikörper
>240 U/ml (<10 U/ml), SS-B/La-Antikörper >320 U/ml (<10 U/ml), Komplementfaktoren im Normbereich.
Enddiagnose.
Sepsis mit Neisseria flavescens und Neisseria macacae bei SLE (Polyarthritis, Schmetterlingserythem, Ulzera an der Mundschleimhaut, ANA).
Therapie und Verlauf
Fieber, schlechter Allgemeinzustand und Histologie einer Pustel wiesen auf ein bakterielles septisches Geschehen hin, allerdings gelang vorerst kein Erregernachweis. Der Zustand der Patientin verschlechterte sich und wurde bedrohlich: Die Gesichtsschwellung nahm zu, das Exanthem breitete sich aus, die Pusteln wurden nekrotisch und bildeten tiefe, ausgestanzte Ulzera. Schließlich entwickelte die Patientin eine schmerzhafte Arthritis des linken Kniegelenkes. Die Gramfärbung des Punktats zeigte gramnegative Diplokokken, weshalb wir unter der Annahme einer Gonokokkensepsis die Antibiose auf Ceftriaxon (2 g, 1‑mal täglich) umstellten. Innerhalb von 12 h kam es zu einer dramatischen Besserung des klinischen Zustandes, das Fieber blieb aus, die Pusteln trockneten ein, und die Arthritis bildete sich zurück, nach 3 Tagen wirkte die Patientin wieder fast völlig hergestellt. Das Ergebnis der Bakterienkultur zeigte zu unserer Überraschung ein Wachstum der Diplokokken Neisseria flavescens und Neisseria macacae. Beide werden als apathogene Keime klassifiziert und nicht selten als Kommensale des oberen Respirationstraktes nachgewiesen.
Diskussion
Der hier beschriebene, ungewöhnliche und äußerst dramatische Krankheitsverlauf bestätigt frühere Beobachtungen, dass schwere und ungewöhnliche Infektionen (Pseudomonas, Salmonellen, Kryptokokken) häufig auf eine Immunsuppression hinweisen und nicht selten zur Diagnose eines zugrunde liegenden SLE führen [39‐44]. Bei Immunsupprimierten wurden auch wiederholt schwere Infektionen durch Neisseria flavescens mit Sepsis, Meningitis und Endokarditis nachgewiesen [45, 46]. Neisseria macacae wurde erstmalig 1983 aus dem Oropharynx von Rhesusaffen isoliert, es gibt lediglich einen Fallbericht einer Neisseria-macacae-Bakteriämie eines 5 Monate alten Säuglings mit mildem Verlauf [47, 48]. Ganz besonders wichtig erscheint uns im Zusammenhang mit dem hier geschilderten Verlauf die Beobachtung eines erhöhten Risikos für Infektionen mit Neisserien beim SLE [49].
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Beim systemischen Lupus erythematodes besteht ein erhöhtes Risikos für Infektionen mit Neisserien
Auch bei unserer Patientin wurde niemals der Verdacht auf eine Immunsuppression geäußert oder gar nachgewiesen: Im Gegenteil, sie hatte bis zu dieser Krankheitsepisode ein nahezu unbekümmertes Leben einer jungen, unabhängigen Frau geführt, auch der nie behandelte Morbus Crohn schien uns eher als Anekdote denn wirkliche Krankheit. Überraschend waren daher die Ergebnisse der serologischen Autoimmundiagnostik, die eindeutig auf einen SLE hinwiesen und die wiederholten, schmerzhaften Gelenkentzündungen und Symptome eines Fatigue-Syndroms in einem anderen Licht erscheinen ließen. Allerdings dauerte es weitere 4 Wochen, bis die Patientin ein klassisches Schmetterlingserythem entwickelte und schließlich 4 ACR-Kriterien eines SLE erfüllt waren. Zusammenfassend erklären wir die massive Erkrankung mit einem grundsätzlich als apathogen beschriebenen (nosokomialen) Keim mit einer Immundysregulation, die schon einige Wochen vor der eindeutigen klinisch-serologischen Diagnose eines SLE bestanden haben muss. Schwere systemische Infektionen können bei SLE-Patienten häufig auch tödlich verlaufen [50].
Fazit für die Praxis
Neben den klassischen mukokutanen ACR-Kriterien gibt es zahlreiche mukokutane Manifestationen, die typisch für einen SLE sind.
Gelegentlich können diese, z. B. die NUD, hinweisend auf die Diagnose SLE sein.
Die Blasenbildung beim SLE ist nahezu immer durch Autoantikörper gegen Kollagen Typ VII bedingt.
Diese ungewöhnlichen SLE-assoziierten Dermatosen erfordern häufig ungewöhnliche Therapiemaßnahmen: geänderte kombinierte Immunsuppression, DADPS (Dapson), Rituximab und Immunapherese sind die Therapieoptionen.
Beim SLE können ungewöhnliche und als apathogen beschriebene Erreger zu schweren Infektionen führen.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
T. Stockinger, L. Richter, M. Kanzler, M. Melichart-Kotik, H. Pas, K. Derfler, E. Schmidt und K. Rappersberger geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine von den Autoren durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren. Alle Patienten, die über Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts zu identifizieren sind, haben hierzu ihre schriftliche Einwilligung gegeben. Im Falle von nicht mündigen Patienten liegt die Einwilligung eines Erziehungsberechtigten oder des gesetzlich bestellten Betreuers vor.
Open Access. Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de) veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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