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Erschienen in: Der Gynäkologe 11/2013

01.11.2013 | Medizinrecht

Strafbarkeit des deutschen Arztes bei Eizellspenden im Ausland

verfasst von: G. Conte

Erschienen in: Die Gynäkologie | Ausgabe 11/2013

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Auszug

Nach aktuellen Schätzungen sind in Deutschland ca. 3 bis 9% aller Paare ungewollt kinderlos.1 Obwohl sich die Eizellspende international längst zu einem Standardverfahren entwickelt hat,2 ist dieses Verfahren in Deutschland durch das Embryonenschutzgesetz (ESchG) untersagt. Daher wählen viele Patientinnen den Weg ins Ausland. Einer im Jahr 2010 veröffentlichten internationalen Studie zufolge ergeben vorsichtige Schätzungen, dass sich in Europa jährlich mindestens 11.000 bis 14.000 Patientinnen ins europäische Ausland begeben, um sich reproduktionsmedizinisch behandeln zu lassen. Davon kommen 14,4% aus Deutschland. Von den deutschen Patientinnen nahmen 44,6% eine Eizellspende in Anspruch. 35,6% dieser Patientinnen wählten das ausländische Behandlungszentrum auf Empfehlung ihres hiesigen Arztes aus, und 81,7% erhielten in Deutschland medizinische Unterstützungsbehandlungen,3 obwohl in diesen Fällen die Gefahr besteht, dass sich die deutschen Ärzte strafbar machen. …
Fußnoten
1
Wischmann, Einführung Reproduktionsmedizin, 2012, S. 27 m.w.N.
 
2
Hierzu Depenbusch/Schultze-Mosgau, in: Diedrich/Ludwig/Griesinger (Hrsg.), Reproduktionsmedizin, 2013, S. 287, 288 m.w.N.
 
3
Hierzu insgesamt Shenfield et al., Human Reproduction 2010, S. 1361 ff.
 
4
Tathandlung ist das Verbringen einer unbefruchteten Eizelle von außerhalb des Körpers in die Leibeshöhle der Frau, vorausgesetzt diese Eizelle stammt nicht von der Frau, der sie eingesetzt wird. Keller, in: ders./Günther/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, 1992, § 1 Abs. 1 Nr. 1 Rn. 11 ff; Taupitz, in: Günther/Taupitz/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, 2008, § 1 Abs. 1 Nr. 1 Rn. 14 ff.
 
5
Keller (Fn. 4), § 1 Abs. 1 Nr. 1 Rn. 1, 3 f. m.w.N.
 
6
Tathandlung ist eine Befruchtung, die mit Hilfe technischer Mittel erfolgt, und die der Täter mit der Absicht vornimmt, die künstlich befruchtete Eizelle nicht auf die Frau zu transferieren, von der die Eizelle stammt. Günther, in: ders./Taupitz/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, 2008, § 1 Abs. 1 Nr. 2 Rn. 14 ff. Zudem wird § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG durch § 1 Abs. 2 ESchG ergänzt, indem dessen Schutz auch auf die Vorstadien der Entstehung menschlichen Lebens ausgedehnt wird (ders., § 1 Abs. 2 Rn. 1 ff.).
 
7
Günther (Fn. 6), § 1 Abs. 1 Nr. 2 Rn. 1.
 
8
Zur Vereinfachung der Abgrenzung von den im Ausland praktizierenden Kollegen, wird im Folgenden für in Deutschland niedergelassene Ärzte der Begriff „deutscher Arzt“ und für die im Ausland tätigen Kollegen der Begriff „ausländischer Arzt“ verwendet. Die Bezeichnung „deutsche Patientin“ meint Patientinnen, die sich von einem in Deutschland niedergelassenen Arzt behandeln lassen.
 
9
Hierzu insgesamt Günther (Fn. 6), Vor § 1 Rn. 16 ff.
 
10
Vgl. Koch, in: Spannungsfeld“Reproduktives Reisen” und Konsequenzen für die KlientInnenaufklärung, 2010, S. 12, 15 (abrufbar unter: http://www.profamilia.de/fileadmin/publikationen/Fachpublikationen/ExpertInnengespraech_Reproduktives_Reisen.pdf).
 
11
Die Verbote der §§ 1-7 ESchG richten sich in erster Linie an Ärzte und Naturwissenschaftler, hierzu Günther (Fn. 6), Vor § 1 Rn. 21.
 
12
Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, 4. Aufl. 2012, § 45 Rn. 75 f.; hierzu ausführlich Nydegger, Zurechnungsfragen der Anstiftung im System strafbarer Beteiligung, S. 162 ff. Vgl. zu den Straftatbeständen des ESchG Günther (Fn. 6), Vor § 1 Rn. 26.
 
13
Da für die Patientin als Empfängerin der Eizellspende gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 ESchG ein persönlicher Strafausschließungsgrund für die Straftatbestände der § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ESchG gilt, ist diese nicht als Anstifterin nach §§ 26, 9 Abs. 2 StGB i. V. m. den einschlägigen Normen des ESchG strafbar, auch wenn sie diejenige ist, die die Behandlung bei dem ausländischen Arzt einfordert. Wird die Patientin von ihrem Partner begleitet und wirkt dieser auf den ausländischen Arzt ein, ist er allerdings als Anstifter strafbar. Der Strafausschließungsgrund gilt nicht für ihn und der durch Art. 6 Abs. 1 GG gewährleistete Schutz der familiären Privatsphäre gilt nur zwischen den Eheleuten bzw. innerhalb der Familie, jedoch nicht gegenüber Dritten, siehe hierzu Günther (Fn. 6), Vor § 1 Rn. 27 ff., 94.
 
14
Vgl. Rengier (Fn. 12), § 45 Rn. 76 m.w.N.; Kühl, Strafrecht Allgemeiner Teil, 7. Aufl. 2012, § 20 Rn. 193.
 
15
Da es sich bei § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ESchG nicht um Verbrechen i. S. d. § 12 Abs. 1 StGB handelt, läge auch keine versuchte Anstiftung, sondern allenfalls psychische Beihilfe vor. Vgl. hierzu insgesamt Kühl (Fn. 14), § 20 Rn. 177; Heine, in: Schönke/Schröder (Hrsg.), Strafgesetzbuch, 28. Aufl. 2010, § 26 Rn. 7.
 
16
Hierzu Schild, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen (Hrsg.), Strafgesetzbuch, 4. Aufl. 2013, § 26 Rn. 8 m.w.N.
 
17
Heine (Fn. 15), § 26 Rn. 7; vgl. BGHSt 45, 373, 374; Schild (Fn.16), § 26 Rn. 9.
 
18
Sollte man hingegen der Auffassung sein, der ausländische Arzt sei zur Vornahme der Eizellspende bereits fest entschlossen, würde der deutsche Arzt in jedem Fall wegen psychischer Beihilfe nach § 27 Abs. 1 StGB i. V. m. den einschlägigen Normen des ESchG strafbar sein, weil er durch die Patientin, welche die Vornahme der Behandlung verlangt, den ausländischen Kollegen zumindest in seiner Entscheidung bestärkt hätte. Hierzu Kühl (Fn. 14), § 20 Rn. 177; strenger insofern Welz, Zum Verhältnis von Anstiftung und Beihilfe, 2010, S. 143 ff.
 
19
Vgl. Frister, Strafrecht Allgemeiner Teil, 5. Aufl. 2011, 28. Kap. Rn. 28; Rengier (Fn. 12), § 14 Rn. 29 f.
 
20
Rengier (Fn. 12), § 45 Rn. 82 m.w.N.; BGHSt 46, 107, 109 m.w.N.
 
21
Rengier (Fn. 12), § 45 Rn. 83.
 
22
Vgl. Koch (Fn. 10), S. 12, 15.
 
23
BGH NStZ 1994, 29, 30; Kudlich, in: von Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar StGB, 22. Edition 2013, § 26 Rn. 29.
 
24
Vgl. Ulsenheimer, Arztstrafrecht in der Praxis, 4. Aufl. 2008, § 7 Rn. 358g.
 
25
BGHSt 49, 34, 41.
 
26
Vgl. BGHSt 49, 166, 170 f.; Frister/Lindemann/Peters, Arztstrafrecht, 2011, 1. Kap. Rn. 44 m.w.N; Rengier, Strafrecht Besonderer Teil II, 14. Aufl. 2013, § 20 Rn. 2 ff.
 
27
Gegen eine Sittenwidrigkeit der Einwilligung aufgrund eines Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz Frister/Lindemann/Peters, (Fn. 26), 1. Kap. Rn. 46 m.w.N. A.A.: Ulsenheimer (Fn. 24), § 1 Rn. 234b m.w.N; Kühl, in: Dölling (Hrsg.), FS Lampe, 2003, S. 439, 452 m.w.N.
 
28
Vgl. BGHSt 49, 34, 42 f. m.w.N.; Frister/Lindemann/Peters (Fn. 26), Kap. 1 Rn. 47.
 
29
LG Berlin, Urt. v. 09.08.2011, Az.: 15 O 474/10 (nicht rechtskräftig) m.w.N.; LG Berlin BeckRS 2008, 25853, m.w.N.
 
30
Aus den Vorschriften des ESchG folgt daher ebenfalls kein Sittenverstoß nach § 228 StGB. Hardtung, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, Band 4, 2. Aufl. 2012, § 228 Rn. 45.
 
31
Vgl. Hardtung (Fn. 30), § 228 Rn. 45; Günther, in: ders./Keller (Hrsg.), Fortpflanzungsmedizin und Humangenetik – Strafrechtliche Schranken?, 2. Aufl. 1991, S. 137, 152 f.; a.A. Paeffgen, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch, 4. Aufl. 2013, § 228 Rn. 104; vgl. auch Ulsenheimer (Fn. 24), § 7 Rn. 358g.
 
32
Vgl. Rengier (Fn. 12), § 6 Rn. 10 m.w.N.
 
33
Ambos, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, Band 1, 2. Aufl. 2011, § 9 Rn. 9 m.w.N.; Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379, 408 ff. m.w.N.
 
34
Taupitz (Fn. 4), § 1 Abs. 1 Nr. 1 Rn. 14; Günther (Fn. 6), § 1 Abs. 1 Nr. 2 Rn. 8.
 
35
Nimmt der deutsche Arzt für die Vermittlung Geld, ist er nach derzeit geltender Rechtslage auch nicht wegen Bestechlichkeit nach dem StGB strafbar, BGHSt 57, 202 ff. Allerdings können berufsrechtliche Sanktionen drohen, vgl. hierzu Ries et al., Arztrecht, 3. Aufl. 2012, S. 97.
 
36
An diesem Ergebnis ändert sich auch dann nichts, wenn die Initiative zur Tatbegehung vom ausländischen Arzt ausging. Denn auch derjenige kann noch zur konkreten Tat angestiftet werden, der sich selbst grundsätzlich zur Tatbegehung erboten hat, vgl. BGHSt 45, 373, 374; Joecks, in: ders./Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, Band 1, 2. Aufl. 2011, § 26 Rn. 29 m.w.N.
 
37
Vgl. hierzu LG Berlin, BeckRS 2008, 25853 m.w.N.; LG Berlin, Urt. v. 09.08.2011, Az.: 15 O 474/10 (nicht rechtskräftig) m.w.N.
 
38
LG Berlin BeckRS 2008, 25853.
 
39
LG Berlin, Urt. v. 09.08.2011, Az.: 15 O 474/10 (nicht rechtskräftig).
 
40
Zu den Gründen siehe insgesamt Koch (Fn. 10), S. 12, 15; Frommel, Reproduktionsmedizin 2002, 158, 181.
 
41
Vgl. Miller/Rackow (Fn. 33), S. 379, 388 m.w.N., die darüber hinaus bei Distanzdelikten von geringfügiger Strafwürdigkeit die analoge Anwendung der Strafmilderungsmöglichkeit des § 23 Abs. 2 StGB vorschlagen und zudem darauf hinweisen, dass bei Vergehen i. S. d. § 12 Abs. 2 StGB, welches die einschlägigen Normen des ESchG sind, für die Staatsanwaltschaft auch nach §§ 153, 153a StPO Möglichkeiten zur Einstellung des Verfahrens bestehen, dieselben, S. 404 f.
 
Metadaten
Titel
Strafbarkeit des deutschen Arztes bei Eizellspenden im Ausland
verfasst von
G. Conte
Publikationsdatum
01.11.2013
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Erschienen in
Die Gynäkologie / Ausgabe 11/2013
Print ISSN: 2731-7102
Elektronische ISSN: 2731-7110
DOI
https://doi.org/10.1007/s00129-013-3264-1

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