23.03.2020 | Suizid | Leitthema
Freiwilliger Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit – ethische Herausforderung aus Sicht der professionellen Pflege
verfasst von:
K. Selge, M.A.S. (Pall. Care), PM.ME. (Medical-Ethic), M. Haas
Erschienen in:
Die Onkologie
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Ausgabe 5/2020
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Zusammenfassung
Hintergrund
Die Entscheidung eines irreversibel erkrankten Menschen, freiwillig auf Nahrung und Flüssigkeit zu verzichten (FVNF), um das eigene Sterben zu beschleunigen, kann zu einer ethischen Herausforderung für professionell Pflegende werden. Oft werden Befürchtungen geäußert, die Begleitung eines FVNF sei unvereinbar mit einem Pflegeverständnis, nach dem das Leben eines Pflegebedürftigen – auch unter den christlichen Werten von Dienen und Nächstenliebe – ungeachtet der Umstände mit allen gebotenen Pflegemaßnahmen zu erhalten sei.
Pflegeethische Analyse
Pflegeethik, wie Ethik als „praktischer“ Teil der Philosophie insgesamt, bleibt nicht unbeeinflusst vom gesellschaftlichen Wandel. Es kann aber aus der Literatur zur Ethik und zum Pflegeverständnis dargelegt werden, dass FVNF nicht im Widerspruch zur Tradition der Pflegeethik steht, die mit den Veränderungen einer demokratischen und säkularen Gesellschaft korreliert und damit Patientenautonomie befürwortet und sich mit der Care-Ethik verbindet. Dabei ist in diesem Kontext die Frage zu beantworten, ob FVNF bei fortgeschrittener nicht heilbarer Erkrankung als Variante eines Suizids zu verstehen ist. Mit Recht wird dies verneint.
Schlussfolgerung
Pflegeethik folgt der Einschätzung der palliativen Medizin, dass FVNF – zumindest im Fall fortgeschrittener Erkrankung – ein Handlungsmodus eigener Art ist und nicht gleichzusetzen mit einem Suizid. Die sorgende und professionelle Begleitung eines FVNF kann so zu den ethisch vertretbaren Formen der Sterbebegleitung gerechnet werden.