Vorbemerkungen
Operationsprinzip und -ziel
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Wenig invasive Stabilisierung von Acetabulumfrakturen insbesondere der vorderen Säule und vorderen Wand, mit Dislokation der quadrilateralen Fläche und mit Impaktion des Pfannendachs über den Pararectus-Zugang
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Darstellung der externen Iliakalgefäße, der unteren Bauchwandgefäße, der Obturatorgefäße und der Corona mortis, bis die Fraktur gut eingesehen werden kann
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Reposition der Fragmente unter Sicht und Stabilisierung mit anatomisch präkonturierter Kleinfragmentplatte und ggf. Einzelschrauben
Vorteile
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Möglichkeit einer Reposition, die der Richtung der Frakturdislokation direkt entgegenwirkt
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Möglichkeit, den nach zentral gerichteten Frakturkräften unter direkter Sicht durch den zwischen Peritoneum und lateraler Bauchmuskulatur entwickelten Zugang entgegenzuwirken, was die Reposition deutlich erleichtert
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Verbesserte Repositionsqualität mit mehr als 90 % stufenfreien Repositionsergebnissen [19]
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Ausgeprägte anatomische Vorteile, die zu einem geringeren Zugangstrauma und einer sehr guten anatomischen Freilegung der Fraktur führen
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Limitierte und ästhetisch ansprechende Inzision mit einer durchschnittlichen Länge von nur etwa 10 cm
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Klare anatomische Ebene und gute Übersicht und Kontrolle der wichtigen Blutgefäße und Nerven auf direktem Operationsweg
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Geringe intraoperative Expositionszeit und einfache Progression zum Geweberaum neben dem M. rectus abdominis und dem Retroperitoneum [3]
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In der Regel nur etwa 10 Minuten, um das Peritoneum zu erreichen und den Beckenring freizulegen
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Reposition und Fixierung von Frakturen des medialen Darmbeins, des Beckenrings und der quadrilateralen Fläche unter direkter Sicht durch verschiedene Operationsfenster [2]
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Sehr gute direkte mediale Übersicht insbesondere auf zentral gelegene Frakturfragmente
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Wenig iatrogene Verletzungen der längs verlaufenden Gefäße und Nerven [1]
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Zügige postoperative Genesung und geringes Auftreten von Leistenhernien [20].
Nachteile
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Potenzielle Verletzung des Peritoneums infolge der Zugangslokalisation zwischen Peritoneum und seitlichen Bauchmuskeln
Indikationen
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Frakturen mit Beteiligung der quadrilateralen Fläche
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Frakturen der vorderen Wand
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Frakturen des vorderen Pfeilers
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Vordere Pfeiler/hintere Hemiquerfrakturen
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Frakturen mit zentraler Impression von Domfragmenten
Kontraindikationen
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Fraktur des hinteren Pfeilers
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Fraktur der hinteren Wand
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Kombinierte Fraktur der hinteren Wand und des hinteren Pfeilers
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Querfraktur mit Dislokation vorwiegend des hinteren Pfeilers oder kombiniert mit Fraktur der hinteren Wand
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T‑Fraktur mit Dislokation vorwiegend im Bereich des hinteren Pfeilers oder kombiniert mit Fraktur der hinteren Wand
Patientenaufklärung
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Infektion
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Verletzung von Muskeln, Nerven und Gefäßen
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Intraoperative Fraktur
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Gelenkluxation
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Sekundäre Dislokation bzw. Repositionsverlust
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Osteosynthesematerialversagen
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Verzögerte Frakturheilung
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Pseudarthrose
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Subfasziales Hämatom insbesondere bei Frakturmustern mit schwerer Dislokation
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Venöse Thrombembolie
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Kardiale und/oder pulmonale Komplikationen
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Unklares postoperatives Schmerzsyndrom
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Affektion des Nervus (N.) obturatorius
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Affektion des N. cutaneus femoris lateralis
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Affektion der Arteria (A.) und Vena (V.) iliaca, N. femoralis
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Kompressionsbedingte Thrombose der V. iliaca
Operationsvorbereitung
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Frakturklassifikation
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Wahl und Lage der Osteosynthesematerialien
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Computertomographie inklusive dreidimensionalen (3-D) Rekonstruktionen
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Markierung des Operationssitus durch den Operateur
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Breitbandantibiotikumgabe einmalig etwa 30 Minuten vor Operationsbeginn, Wiederholung nach 3 Stunden Operationszeit
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Steriles Anzeichnen der Landmarken und der geplanten Schnittführung
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Team-Time-out
Instrumentarium
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Routineinstrumente und -implantate für die Osteosynthese von Acetabulumfrakturen in den entsprechenden Zentren standardmäßig vorrätig (Abb. 1)
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Verwendung eines röntgendurchlässigen Karbontisches erleichtert die primäre Implantation einer Hüftgelenkendoprothese über einen minimal-invasiven direkten anterioren Zugang, wenn bei älteren Patienten bereits initial erkannt wird, dass eine Hüftpfannenfraktur nicht mehr anatomisch rekonstruierbar ist
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Statt Seitenstützen Verwendung einer röntgendurchlässigen Vakuummatratze empfehlenswert
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Spezielle röntgendurchlässige Wundhaken in langer Ausführung optional erhältlich
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LED-Einweglampen zur besseren Ausleuchtung des Operationssitus als Aufsatz für die Wundhaken der neuesten Generation optional verfügbar
Anästhesie und Lagerung
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Vollnarkose für die Osteosynthese von Acetabulumfrakturen erforderlich
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Lagerung des Patienten in Rückenlage auf dem Karbontisch
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Vorbereitung eines Beckensiebs mit Standard- und Spezialinstrumentarium, speziellen Platten und Schrauben der neuesten Generation und Lagerungsdreieck zur Neutralisierung des Musculus (M.) iliopsoas und zur intraoperativen Erleichterung der Frakturreposition und -retention über Beugung im Kniegelenk (Abb. 1)
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Sterile Abdeckung des präoperativ markierten und frei gelagerten verletzten Beins, um intraoperativ Traktion am Bein oder ggf. eine zusätzlich erforderliche Schanz-Schraube über einen T‑Handgriff eindrehen zu können (Abb. 2)
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Relaxation des M. iliopsoas zur zeitweisen intraoperativen Neutralisierung der Hüftbeugekraft insbesondere während des Frakturrepositionsmanövers
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Operationsteam: Operateur und 2 Assistenten
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Position des Operateurs auf der verletzten Seite und der beiden Assistenten auf der Gegenseite
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Platzierung des Bildverstärkers auf der unverletzten Seite
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Ausreichende Muskel(nach)relaxation für das Repositionsmanöver dringend erforderlich
Postoperative Behandlung
Fehler, Gefahren, Komplikationen und ihre Behandlung
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Protrusion des Hüftkopfs nicht korrigierbar → Schanz-Schraube in den Schenkelhals und Reposition
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Operationsgebiet nicht gut einsehbar → maximale Nachrelaxation. Trotz guter Werte im Relaxometer ist der M. psoas oft erst durch eine Nachrelaxation ausreichend mobilisierbar
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Operationsgebiet nicht gut einsehbar → Flexion des Beines und Unterpolsterung, z. B. mittels Lagerungsdreiecks zur Entspannung des M. psoas
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Thrombose postoperativ → leitliniengerechtes Vorgehen
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Blutung/Gefäßläsion intraoperativ → Abstopfen mit Bauchtüchern und Blutungskontrolle, ggf. mit Clips
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Sekundäre Dislokation – sorgfältige Analyse mit CT und ggf. Revision, bei Beteiligung des hinteren Pfeilers Revision von dorsal erwägen
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Während des Zuganges Eröffnung des Peritoneums → Naht des Peritoneums
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Dehnung des N. obturatorius während der Freilegung der quadrilateralen Fläche → Dehnung vermeiden, Vorsicht bei Platzierung des Hohmann Hakens nach medial. Bei akzidentieller Dehnung am Ende der Operation Integrität des Nerven überprüfen, im Operationsbericht vermerken, postoperativ mit dem Patienten besprechen, dokumentieren und abwarten
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Traktionsverletzungen des N. cutaneus femoralis lateralis und/oder des N. femoralis → erhaltene Integrität im Operationsbericht dokumentieren, mit dem Patienten besprechen, zuwarten, ggf. neurologisches Konsil zur Verlaufskontrolle
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Intraoperative Einschätzung des Grades der Wiederherstellung des Hüftgelenkes unsicher → Neben Ala- und Obturatoraufnahmen ist die Durchführung eines intraoperativen CT-Scans oder einer sonstigen 3‑D-Bildgebung hilfreich
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Schraubenpositionierung so wählen, dass bei sekundärer Koxarthrose eine Hüft-TEP problemlos und ohne Schraubenbehinderung platziert werden kann
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Intraoperative Reposition bei fortgeschrittener Osteoporose erschwert → zuerst Auflegen der Platte und Reposition des vorderen gegen den hinteren Pfeiler mit Verwendung einer kollinearen Repositionszange