Erschienen in:
16.11.2018 | Schwieriger Atemweg | Originalien
Übertragung einer „Cockpit-Strategie“ in die Anästhesie
Klinisches Beispiel: Einführung von „canned decisions“ zur Lösung von Atemwegsnotfällen
verfasst von:
Dr. med. H. Vogelsang, N. M. Botteck, J. Herzog-Niescery, J. Kirov, D. Litschko, T. P. Weber, P. Gude
Erschienen in:
Die Anaesthesiologie
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Ausgabe 1/2019
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Zusammenfassung
Hintergrund
Sicherheitsstrategien in der zivilen Luftfahrt sind weit entwickelt. Die Autoren stellen eine Möglichkeit vor, Anästhesieeinleitungen so zu strukturieren, dass sie mehrere Elemente einer „Cockpit-Strategie“ enthalten. Ziel ist es, die anästhesiebedingte Mortalität im Rahmen des unerwartet schwierigen Atemwegs durch frühzeitiges Erkennen und Lösen der Situation „cannot intubate – cannot oxygenate“ (CICO) zu senken.
Methode
Nach Zustimmung der zuständigen Ethikkommission wurde eine Pilotstudie zur Analyse der Prozessabläufe unkomplizierter Anästhesieeinleitungen am Simulator anhand audiovisueller Aufzeichnungen durchgeführt. Eine Auswerteliste mit 44 Items, die nach gängiger Lehrmeinung während einer Einleitung zu beachten sind, einer Videoanalyse zugängig und dichotom auswertbar sind, wurde zur Analyse der Prozessqualität erstellt. Die Anästhesieeinleitung wurde durch mehrere „Crew-resource-management“-Elemente ergänzt („Cockpit-Strategie“). Zwei „canned decisions“ (CD; CD 1: etCO2 < 10 mm Hg, CD 2: SpO2 < 80 %) signalisieren den Notfall „unerwartet schwieriger Atemweg“ bzw. „CICO und Notkoniotomie“. Das Konzept wurde repetitiv geschult und in den Klinikalltag überführt. Eine Kontrolle der Prozessqualität erfolgte nach 6 Monaten in entsprechenden Simulationsszenarien. Um zu überprüfen, ob die Cockpit-Strategie mit den CD zur Lösung von CICO-Situationen beitragen kann, wurden retrospektiv alle Notkoniotomien bei unerwartet schwierigem Atemweg zwischen 2010 und 2016 in der eigenen Klinik ausgewertet.
Ergebnisse
Durch die Cockpit-Strategie konnte die Prozessqualität während der simulierten Anästhesieeinleitungen signifikant gesteigert werden (78 % vs. 36 % erfüllte Items), während sich die Dauer der Einleitung um 36 % verkürzte. In dem anschließenden 6‑jährigen Untersuchungszeitraum traten 7 CICO-Situationen mit Notkoniotomie auf. Es kam zu keiner hypoxischen oder sonstigen Schädigung der Patienten. Alle Teams handelten konform zum Algorithmus und beachteten die CD.
Schlussfolgerung
Die Implementierung einer Cockpit-Strategie in die Anästhesiologie zur Verbesserung der Patientensicherheit ist möglich. Voraussetzung ist die Akzeptanz der Sicherheitsphilosophie der Luftfahrt in der Medizin. Zudem müssen eine fundierte Ausbildung in technischen und nichttechnischen Fertigkeiten sowie regelmäßige Team-Trainings des schwierigen Atemwegs in die anästhesiologische Weiterbildung integriert werden.