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07.02.2017 | Atemwegsmanagement | Nachrichten

Endotracheale Intubation

Videolaryngoskopie: Schöne Bilder, aber mehr Komplikationen

verfasst von: Thomas Müller

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Eine Videolaryngoskopie hat bei der endotrachealen Intubation offenbar mehr Nach- als Vorteile: Die Erfolgsrate beim ersten Versuch ist nicht höher als bei einer direkten Laryngoskopie, es drohen aber häufiger schwere Komplikationen.

Die Ende des vergangenen Jahrhunderts eingeführte Videolaryngoskopie hat die endotracheale Intubation bei schwierigen anatomischen Verhältnissen sicher erleichtert; ob sie jedoch auch in Notsituationen zur Routineintubation von Vorteil ist, bleibt umstritten. Fallstudien deuten auf Vorteile unabhängig von der individuellen Anatomie, andere Untersuchungen legen eine erhöhte Rate von Komplikationen, eine längere Dauer der Prozedur und eine erhöhte Mortalität bei der orotrachealen Intubation per Videolaryngoskopie auf der Intensivstation nahe. Darauf verweisen Ärzte um Dr. Jean Baptiste Lascarrou vom Centre Hospitalier in La Roche-sur-Yon.

Als Gründe vermuten Notfallmediziner um Dr. Brian O’Gara von der Harvard Medical School in Boston, dass die indirekte Videolaryngoskopie dank der Kamera an der Spitze des Geräts zwar exzellente Bilder liefert, aber auch zu „visuellen und kognitiven blinden Flecken“ führt. So sind Pharynx und Hypopharynx während der Laryngoskopie nicht im Blickfeld der Kamera, der Tubus wird daher weitgehend blind bis zum Kehlkopf geführt, was zu Gewebeschäden und einer längeren Prozedur führen kann, sofern die Ärzte nicht gut zielen oder die Anatomie Probleme verursacht. Zudem brechen Ärzte die Prozedur vielleicht nicht rechtzeitig ab, wenn es Probleme gibt, da sie ja klare Bilder vom Larynx bekommen und vielleicht glauben, das Problem im Griff zu haben, schreiben die US-Ärzte in einem Editorial. Viele lassen sich daher vielleicht von den schönen Bildern täuschen und bemerken Komplikationen nicht rasch genug.

Ob dies tatsächlich der Fall ist, haben Lascarrou und Mitarbeiter in einer randomisiert-kontrollierten Studie untersucht. Die Resultate scheinen die Befürchtungen zu bestätigen: Die Erfolgsquote bei einer Intubation per Videolaryngoskopie ist nicht höher als beim direkten Verfahren, die Rate lebensbedrohlicher Komplikationen aber schon. 

Bei rund 70% klappt der erste Versuch

In ihre multizentrische Studie mit der Bezeichnung MACMAN* haben die Ärzte 371 Patienten einbezogen, die auf der Intensivstation eine endotracheale Intubation benötigten. Bei 186 erfolgte der Eingriff mit einem McGrath Mac Videolaryngoskop, die übrigen 185 wurden klassisch per Macintosh-Laryngoskop intubiert. Die Ärzte hatten sich für das McGrath-Videolaryngoskop entschieden, weil die Intubationstechnik einer direkten Laryngoskopie mit dem Macintosh-Gerät entspricht.

Alle beteiligten Ärzte wurden vor Studienbeginn mit den Geräten vertraut gemacht. Vor dem Eingriff erfolgte eine Präoxygenierung, die Intubation geschah unter Generalanästhesie und neuromuskulärer Blockade.

Im Schnitt waren die Patienten 63 Jahre alt, bei fast der Hälfte war ein plötzlicher Atemstillstand Grund für den Eingriff. Wie üblich machten erfahrene Ärzte nur einen Bruchteil der Intubationen, über 80% wurden von Ärzten in der Ausbildung eingeleitet – in allen Fällen jedoch unter Aufsicht eines Experten.

Als primären Endpunkt hatten die Studienautoren die Erfolgsquote beim ersten Intubationsversuch definiert. Der Erfolg musste kapnografisch bestätigt werden.

Wie sich zeigte, erreichten die Ärzte mit Videolaryngoskopie nicht häufiger ihr Ziel beim ersten Versuch als mit direkter Laryngoskopie (68 versus 70%). Daran änderte sich auch nichts, wenn die Expertise der Ärzte, der Zustand der Patienten und Risikofaktoren für Komplikationen berücksichtigt wurden. Bei der direkten Laryngoskopie scheiterten die Ärzte häufig deshalb, weil sie die Glottis nicht sehen konnten, beim Videoverfahren gab es Probleme mit der Einführung des Tubus in die Luftröhre.

Klappte es beim ersten Versuch nicht, übernahm in der Regel ein erfahrener Arzt und führte den Tubus beim zweiten Versuch erfolgreich ein. Bei allen Patienten gelang früher oder später die Intubation.

Für einen Erfolg beim ersten Versuch benötigten die Ärzte mit Videolaryngoskopie rund zwei Minuten, zweieinhalb waren es mit dem Macintosh-Gerät, der Unterschied war nicht signifikant. Wurden sämtliche Versuche berücksichtigt, dauerte es in beiden Gruppen im Schnitt drei Minuten bis zur gelungenen Intubation. 

Mehr Herzstillstände

Komplikationen traten unter Videolaryngoskopie zwar tendenziell, aber nicht signifikant häufiger auf (bei 13,3 versus 9,5%). Schauten sich die Studienärzte hingegen schwere lebensbedrohliche Komplikationen an, so lag die Rate bei der Videolaryngoskopie mit 9,5 versus 2,8% mehr als dreifach höher. Vier Patienten erlitten unter der Videokontrolle einen Herzstillstand, ein weiterer starb. Dagegen gab es mit direkter Laryngoskopie weder Todesfälle noch Herzversagen. Schwere Hypoxämien traten bei sechs Patienten mit Videolaryngoskopie auf, aber nur bei einem mit direkter Beobachtung.

Bei der Dauer der mechanischen Beatmung, der Dauer des Aufenthalts auf der Intensivstation und der Sterberate im Laufe eines Monats gab es hingegen keine signifikanten Unterschiede.

Alles in allem steige mit der Videolaryngoskopie zwar nicht die Erfolgsquote, jedoch das Risiko für schwere Komplikationen, stellen Lascarrou und Mitarbeiter fest.

Auch die Harvard-Mediziner um O’Gara sehen keinen Grund für die Videolaryngoskopie als Routineverfahren bei der Intubation auf der Intensivstation. Sie sollte ihrer Auffassung nach nur bei solchen Patienten angewandt werden, bei denen von einem schlecht sichtbaren Kehlkopf auszugehen ist – also bei der Gruppe von Patienten, für die das Verfahren ursprünglich gedacht war.

 

*MACMAN: McGrath Mac Videolaryngoscope Versus Macintosh Laryngoscope for Orotracheal Intubation in the Critical Care Unit

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