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11.01.2023 | Device-Infektion | Nachrichten

Device-Infektionen: Evtl. gibt’s eine Alternative zur Extraktion

verfasst von: Veronika Schlimpert

Laut Leitlinien stellt die vollständige Entfernung des Gerätes die einzige effektive Therapie bei lokalen Tascheninfektionen von Schrittmachern/ICD dar. Inzwischen gibt es aber eine alternative Methode – und die geht neusten Daten zufolge mit deutlich weniger Komplikationen einher.

Ärzte müssen bei Schrittmacher/ICD-Infektionen womöglich bald nicht mehr „gezwungenermaßen“ eine Geräteextraktion veranlassen, jedenfalls bei lokalen Infektionsherden nicht. Eine solche Perspektive unterbreiten Kardiologen um Prof. Mori Topaz vom Sourasky Tel Aviv Medical Center aktuell in der Fachzeitschrift JACC.

Lokale Hochdosis-Antibiotika-Therapie

Topaz hat im Jahr 2007 nämlich eine alternative Methode entwickelt, die weniger invasiv ist und die neuesten Daten zufolge im Vergleich zur Device/Sondenextraktion auch mit deutlich weniger Komplikationen einhergeht. Das Prinzip: Sehr hohe Konzentrationen von Antibiotika werden kontinuierlich über einen perkutanen Dauerkatheter direkt in die subkutan gelegene Devicetasche appliziert. Vor diesem Schritt erfolgt ein Debridement der umgegebenen Wundränder und der Bindegewebskapsel sowie eine Sanierung der Gerätetasche mit Wasserstoffperoxid und Povidon-Iod. Die Antibiotika-Behandlung (Vancomycin 40–80 mg/Stunde und Gentamycin 3–10 mg/Stunde) wird bei anhaltend positiven Kulturbefunden bis zu 14 Tage fortgesetzt, anderenfalls wird sie nach 10 Tagen beendet. Durch die Methode ist es also möglich, lokal sehr hohe Antibiotika-Konzentrationen zu erzeugen, ohne dadurch toxische Serumspiegel zu generieren.  

Initial getestet wurde das als CITA abgekürzte Verfahren an Patientinnen und Patienten, die angesichts eines als zu hoch eingeschätzten operativen Risikos nicht für eine Sondenextraktion infrage kamen. Nachdem diese Ergebnisse erfreulich ausfielen, wurde das Programm ausgeweitet auf Patienten, die eine weniger invasive Intervention bevorzugten. Im Vorfeld wurden die Patienten darüber aufgeklärt, dass die Leitlinien in solchen Fällen die Extraktion als einzige Therapie mit bestätigter Wirksamkeit empfehlen.

Erfahrungen der letzten 14 Jahre

In der aktuellen Studie berichten Topaz und Kollegen nun über ihre 14-jährige Erfahrung mit der CITA-Methode an ihrer Klinik. Insgesamt 80 Patientinnen und Patienten, bei denen eine lokale Tascheninfektionen des ICD/Schrittmachers festgestellt wurde, erhielten im Zeitraum von 2007 und 2021 eine CITA-Prozedur. Bei neun Patienten entschied man sich wegen eines untragbar hohen OP-Risikos dafür, in sechs Fällen votierte man für die Antibiotika-Therapie, weil die Indikation für eine Deviceextraktion als strittig betrachtet wurde. Bei den restlichen Patienten wäre eine Entfernung des Gerätes möglich gewesen, die betroffenen Personen hatten sich aber dagegen entschieden. Diese 65 Personen bezogen die Studienautoren in die Fall-Kontroll-Studie ein und verglichen deren Ergebnisse mit denen von 81 Patienten, die sich wegen einer Tascheninfektion einer Device/Sondenextraktion in einem anderen erfahrenen Zentrum (Sheba Medical Center) unterzogen hatten und die vergleichbare Patientencharakteristika aufwiesen.

Hohe Heilungsraten, aber…

In der Gesamtgruppe hat die CITA-Prozedur in 85% der damit behandelten Patienten eine Heilung gebracht: Bei ihnen kam es während des durchschnittlich dreijährigen Follow-up zu keinen weiteren Infektionen. Dabei sollte man nicht verschweigen, dass die Heilungsraten in der Fall-Kontroll-Studie in der CITA-Gruppe im Vergleich zur Extraktions-Gruppe signifikant niedriger waren (84,6% vs. 96,2%; p=0,027). Ernsthafte Komplikationen wie Schlaganfälle, Thorakotomien, dringende Bluttransfusionen oder schwere Gefäßschäden kamen in der CITA-Gruppe wiederum deutlich seltener vor als in der Extraktions-Gruppe (1,5% vs. 14,8%; p=0,005). Sprich, die Gerätentfernung ist zwar die effektivere, aber auch die riskantere Behandlungsmethode.

Erfreulich ist auch, dass eine Deviceextraktion bei 90,8% der mit CITA behandelten Patienten tatsächlich vermieden werden konnte. Die Sterblichkeit nach einem Monat und einem Jahr unterschied sich nicht signifikant zwischen beiden Gruppen (0,0% vs. 3,7%; p=0,25 bzw. 12,3% vs. 13,6%; p=1,00).

„Sichere und effektive Alternative“

„Die CITA-Therapie ist eine sichere und effektive Alternative für Patienten mit Tascheninfektionen, die für eine Extraktion ungeeignet sind oder einer solchen Prozedur nicht einwilligen“, schließen Topaz und Kollegen aus diesen Ergebnissen.

Diese Einschätzung teilen im Grunde auch Dr. Anne Curtis und Dr. Aamir Ahmed, die ein Editorial zur Studie verfasst haben. Die beiden US-Kardiologen können sich darüber hinaus vorstellen, die CITA als Überbrückungstherapie zur kurzfristigen Infektionskontrolle einzusetzen: bei Patienten, deren Risiko für eine Deviceextraktion aufgrund ihres momentan kritischen klinischen Zustandes als untragbar hoch eingeschätzt wird.

Vollständige Geräteentfernung bleibt aber der Goldstandard

Trotz ihrer optimistischen Einschätzung schlagen Curtis und Ahmed auch kritische Töne an. Eine Limitation ist etwa, dass die Methode in der Studie nur unter bestimmten Voraussetzungen zum Einsatz kam: Es durften keine Anzeichen einer systemischen Infektion wie Fieber, positive Blutkulturen oder Sonden-Vegetationen vorliegen. Ebenso waren Patienten ausgeschlossen, bei denen in der Devicetasche ein S. aureus-Wachstum nachweisbar war, selbst wenn keine systemische Infektion vorhanden war (Fälle, in denen die Kultur erst während der CITA-Prozedur positiv auf S. aureus ausfiel, wurden trotzdem berücksichtigt). Letztlich hatten deshalb nur 6% der Patienten eine S. aureus-Infektion. Dieser Umstand ist unter klinischen Gesichtspunkten insofern als relevant einzuschätzen, weil 30% der ICD/Schrittmacher-Infektionen durch S. aureus verursacht werden. 

Wie Curtis und Ahmed weiter ausführen, sollte in größeren Studien außerdem geklärt werden, welche Patienten von der CITA profitieren und welche nicht. Denn, wie sich an dieser Untersuchung gezeigt habe, scheinen nicht alle Patienten auf die Behandlung gut anzusprechen, machen sie deutlich. Bis dahin bleibt ihrer Ansicht nach die vollständige Entfernung jeglicher Hardware der „Goldstandard“ im Falle von Tascheninfektionen.

Literatur

Topaz M et al. Regional Antibiotic Delivery for Implanted Cardiovascular Electronic Device Infections. J Am Coll Cardiol 2023;81:119–133

Curtis AB, Ahmed A. Treatment of Localized Implantable Cardiac Device Pocket Infections. J Am Coll Cardiol 2023;81:134–135

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