In sechs Wochen weg vom Kindheitstrauma

Mit zwölf Therapiesitzungen in sechs Wochen gelingt es sowohl mit EMDR als auch Imagery Rescription, Kindheitstraumata ohne stabilisierende Vorbehandlung wirksam zu überwinden. Darauf deutet eine kontrollierte Vergleichsstudie. Kindheitstraumata haben oft besonders gravierende Folgen, ereignen sie sich doch in kritischen Entwicklungsphasen: Probleme mit der Emotionsregulation, mit Beziehungen sowie ein negatives Selbstkonzept machen vielen Patienten schwer zu schaffen. Die Betroffenen gelten im Vergleich zu Patienten mit Traumata im Erwachsenenalter entsprechend als relativ schwierig zu behandeln, erläuterte Dr. Eva Faßbinder vom Zentrum für Integrative Psychiatrie an der Universität Lübeck. Oft seien daher vor einer traumafokussierten Psychotherapie stabilisierende Vorbehandlungen nötig, damit die Patienten die Therapie nicht vorzeitig abbrechen oder akut suizidal werden. Weniger belastend seien Verfahren wie EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) und Imagery Rescription, so Faßbinder auf dem DGPPN-Kongress. Beide Methoden haben sich in den vergangenen Jahren in der Traumatherapie etabliert, sind vom Konzept her aber sehr unterschiedlich: Beim EMDR fahren die Patienten gedanklich wie auf einer Zugreise in die Vergangenheit, gleichzeitig folgen sie mit den Augen der Fingerbewegung des Therapeuten. Ähnlich wie im REM-Schlaf soll so die Erinnerung reprozessiert werden, nun allerdings aus einer sicheren Distanz. Der schnelle Wechsel von Sinneseindrücken, Affekten und Gedanken soll zu einer Entlastung führen, der Druck der Erinnerungen verkraftbar bleiben. Beim Imagery Rescription (ImRs) wird der Patient in eine belastende Situation in der Vergangenheit geführt. Die Szene wird aber mit Hilfe des Therapeuten oder einer anderen Person in der Vorstellung umgeschrieben: Der Therapeut weist etwa den wütenden Vater zurecht, der das Kind beschimpft. Empfehlung der Redaktion Posttraumatische Belastungsstörung – Themenseite Was es zur Therapie und Diagnostik der Posttraumatischen Belastungsstörung zu wissen gilt – CME-Arbeiten, Übersichtsbeiträge, Kasuistiken, Nachrichten und mehr – finden Sie auf der Themenseite. Für das EMDR gebe es zwar gute Daten zur Therapie bei Traumata im Erwachsenenalter, nicht aber in der Kindheit, und für das ImRs lägen bislang kaum kontrollierte Studien vor, so Faßbinder. Effektstärken von rund 2,0 Beide Verfahren wurden nun in der Studie IREM mit 155 erwachsenen Patienten aus Deutschland, den Niederlanden und Australien verglichen. Alle Teilnehmer hatten Traumata vor dem 16. Lebensjahr erlitten und eine posttraumatische Belastungsstörung nach DSM-IV. Ausgeschlossen wurden Patienten mit Suchterkrankungen, Psychosen, Bipolarstörungen sowie akuter Suizidalität. Nach einer dreiwöchigen Wartephase erhielten die Patienten entweder die EMDR- oder die ImRs-Therapie, und zwar zwölf Sitzungen à 90 Minuten in sechs bis acht Wochen. Als primären Endpunkt wählten die Therapeuten Veränderungen im Traumascore CAPS 5. Zu Beginn lag der Wert in beiden Gruppen bei rund 40 von maximal 80 möglichen Punkten, zum Ende war er mit ImRs auf etwa 25 Punkte, mit EMDR auf 20 Punkte gefallen. Die Nachuntersuchung nach acht Wochen ergab in beiden Gruppen einen vergleichbaren Wert von knapp unter 20 Punkten, dieser blieb bis zur Folgeuntersuchung nach einem Jahr weitgehend konstant. Das EMDR schien etwas schneller zu wirken, das ImRs etwas nachhaltiger, letztlich waren die Unterschiede aber gering und zu keinem Zeitpunkt statistisch signifikant. Ein Jahr nach Therapiebeginn ergab sich für das ImRs eine Effektstärke (Cohen’s d) von knapp über 2,0, mit dem EMDR von knapp unter 2,0 – beide Kurzzeittherapien zeigten also eine sehr starke und anhaltende therapeutische Wirksamkeit. Die Remissionsraten erreichten in beiden Gruppen nach acht Wochen rund 70%, nach einem Jahr über 80%, und nur etwa 8% brachen die Behandlung vorzeitig ab. Sowohl die hohen Effektstärken als auch die geringen Drop-out-Raten seien überraschend gewesen, erläuterte die Therapeutin. Gewisse Unterschiede fanden die Forscher bei Patienten mit begleitenden Depressionen: Hier verbesserte sich der CAPS-5-Wert mit dem ImRs von rund 20 Punkten zum Therapieende weiter auf etwa 10 Punkte nach einem Jahr, blieb mit dem EMDR aber konstant bei 20 Punkten. Ein umgekehrtes Bild ergab sich für Patienten ohne Depressionen: Hier wirkte das EMDR schneller und nachhaltiger. Diese Resultate müssten aber erst in weiteren Studien bestätigt werden. Empfehlung der Redaktion Berichte vom hybriden DGPPN-Kongress Das Dossier zum Psychiatrie-Kongress 2021 Warum sind Wut, Neid und Eifersucht zu Unrecht verpönt? Wie ist das Intensivpersonal psychisch durch die Pandemie gekommen? Und was haben Personen, die an einer Paranoia leiden und Menschen, die an Verschwörungstheorien glauben, gemeinsam? In unserem Dossier finden Sie unsere Highlights vom DGPPN-Kongress. basierend auf: Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), Berlin und virtuell, 24.11.– 27.11.2021. Symposium 126 Fortschritte der Schematherapie: neue Studienergebnisse zu Depression und PTBS und Leitlinienevidenz. Eva Faßbinder: Imagery Rescripting im Vergleich zu EMDR zur Behandlung von PTBS nach Kindheitstrauma – Ergebnisse aus einer internationalen Multicenterstudie.

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