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Open Access 24.10.2023 | Originalarbeit

Die psychische Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland

verfasst von: Dr. rer. nat. Lars König, Tim Hamer, M.Sc., PD Dr. med. Ralf Suhr

Erschienen in: Prävention und Gesundheitsförderung

Zusammenfassung

Hintergrund

Die Förderung der psychischen Gesundheitskompetenz könnte helfen, die psychische Gesundheit der Bevölkerung zu stärken und psychischen Erkrankungen entgegenzuwirken. Die vorliegende Studie untersucht die psychische Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland anhand einer bevölkerungsrepräsentativen Stichprobe.

Methoden

Neben der psychischen Gesundheitskompetenz wurden die physische und psychische Gesundheit, die Lebenszufriedenheit sowie das Gesundheitsverhalten erfasst. Es wurden Subgruppenvergleiche durchgeführt und Zusammenhänge zwischen psychischer Gesundheitskompetenz und gesundheitsrelevanter Konstrukte untersucht.

Ergebnisse

Insbesondere Männer, Personen jungen und mittleren Alters sowie Personen mit einem niedrigen und mittleren Sozialstatus könnten von Interventionsangeboten zur Förderung der psychischen Gesundheitskompetenz profitieren. Zudem sollten Personen adressiert werden, die selbst bisher nicht wegen psychischen Erkrankungen behandelt wurden. Eine höhere psychische Gesundheitskompetenz ging schwach mit einer höheren Lebenszufriedenheit, einem besseren psychischen Gesundheitszustand und einem überwiegend förderlicheren Gesundheitsverhalten einher.

Schlussfolgerung

Gerade vulnerable Personengruppen sollten bei der Entwicklung von Interventionsangeboten zur Förderung der psychischen Gesundheitskompetenz adressiert werden.
Hinweise
Die Originalversion dieses Beitrags wurde korrigiert: In diesem Artikel waren die Daten zur institutionellen Zugehörigkeit für Tim Hamer falsch angegeben. Statt „Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland“ hätte sie „Stiftung Gesundheitswissen, Berlin, Deutschland“ lauten sollen.
Zu diesem Beitrag ist ein Erratum online unter https://​doi.​org/​10.​1007/​s11553-023-01090-z zu finden.

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

Hintergrund

Psychische Gesundheitskompetenz beschreibt das Wissen einer Person über die Entstehung und Aufrechterhaltung von psychischer Gesundheit, über psychische Erkrankungen und deren Behandlungsmöglichkeit und über Strategien zur Förderung der psychischen Gesundheit und zur Prävention psychischer Erkrankungen [2, 10, 11, 14, 15, 20, 23]. Innerhalb der Gesundheitskompetenzforschung nimmt die psychische Gesundheitskompetenz bereits heute eine zentrale Rolle ein [17]. Gründe hierfür sind, dass sich psychische Erkrankungen bereits in frühen Lebensphasen manifestieren können und ein weltweites Problem darstellen [4, 19]. In Deutschland liegt die 12-Monats-Prävalenz psychischer Erkrankungen beispielsweise bei ca. 28 % und nur wenige Betroffene befinden sich in Behandlung [8, 9]. Neben den individuellen Beeinträchtigungen der Betroffenen verursachen psychische Erkrankungen zudem enorme wirtschaftliche Schäden [3, 12, 26]. Psychische Erkrankungen haben inzwischen eine solche gesellschaftliche Relevanz erreicht, dass das Robert-Koch-Institut vom Bundesgesundheitsministerium beauftragt wurde, eine Mental Health Surveillance zur Beobachtung der psychischen Gesundheit der Bevölkerung aufzubauen [21].
Ein zentraler Ansatzpunkt, um die psychische Gesundheit der Bevölkerung zu stärken und psychischen Erkrankungen entgegenzuwirken, ist die Förderung der psychischen Gesundheitskompetenz [10, 11]. Dieser Ansatz wird auch von der Weltgesundheitsorganisation aufgegriffen, welche die Förderung der psychischen Gesundheitskompetenz empfiehlt [24, 25]. International wurden bereits verschiedene Interventionen mit teils vielversprechenden Ergebnissen zur Förderung der psychischen Gesundheitskompetenz entwickelt [15, 16]. Um die Förderung der psychischen Gesundheitskompetenz in Deutschland effektiv zu gestalten, sollten zielgruppenspezifische Interventionsangebote entwickelt und insbesondere vulnerable Personengruppen adressiert werden. Um dies zu ermöglichen, bedarf es einer repräsentativen Bestandsaufnahme der psychischen Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland. Eine solche Bestandsaufnahme wäre zudem eine sinnvolle Ergänzung zum Health Literacy Survey Germany (HLS-GER), welches bereits heute qualitativ hochwertige Informationen zur allgemeinen Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland bereitstellt [18].
Ziel der vorliegenden Studie ist es, die psychische Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland anhand einer bevölkerungsrepräsentativen Stichprobe zu erfassen. Die Ergebnisse sollen als Grundlage dienen, um vulnerable Personengruppen zu identifizieren und darauf aufbauend zielgruppespezifische Interventionsangebote zur Förderung der psychischen Gesundheitskompetenz zu entwickeln. Da die psychische Gesundheitskompetenz ein junges Forschungsfeld darstellt, ist wenig darüber bekannt, inwieweit sie mit der Gesundheit und dem Gesundheitsverhalten der Bevölkerung in Deutschland in Beziehung steht. Um diese Forschungslücke zu schließen, wurde zudem untersucht, inwieweit ein Zusammenhang zwischen psychischer Gesundheitskompetenz und physischer Gesundheit, psychischer Gesundheit, Lebenszufriedenheit und Gesundheitsverhalten besteht.

Methoden

Befragungsmethodik, Stichprobengewichtung, Ethikkommission

Die Befragung wurde von der forsa Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analysen mbH unter Rückgriff auf das repräsentative Online-Panel forsa.omninet durchgeführt (Befragungszeitraum: 22. September 2022 bis zum 12. Oktober 2022). Die Bevölkerungsfortschreibung des statistischen Bundesamtes diente als Basis für die Gewichtung der Stichprobe (Stand 31.12.2020). Für die Gewichtung wurden verschiedene Parameter berücksichtigt (z. B. Geschlecht, Alter, Region). Die Ethikkommission der Ärztekammer Berlin hatte keine berufsethischen und berufsrechtlichen Bedenken gegenüber der Studie (Antragsnummer: Eth-39/22).

Erhebungsinstrumente

Zur Erfassung der psychischen Gesundheitskompetenz wurde eine adaptierte Version des deutschsprachigen Mental Health Literacy Tool for the Workplace (MHL-W-G) verwendet (Minimalpunktzahl/geringe psychische Gesundheitskompetenz: 16 Punkte; Maximalpunktzahl/hohe psychische Gesundheitskompetenz: 80 Punkte; [13, 27]). Die physische und psychische Gesundheit wurde über die Fragen „Wie beurteilen Sie gegenwärtig, alles in allem, Ihre physische Gesundheit?“ und „Wie beurteilen Sie gegenwärtig, alles in allem, Ihre psychische Gesundheit?“ erfasst (0 = sehr schlecht; 10 = sehr gut). Die Lebenszufriedenheit wurde über die Kurzskala zur Erfassung der allgemeinen Lebenszufriedenheit (L-1) erfasst (0 = überhaupt nicht zufrieden; 10 = völlig zufrieden; [1]). Das Gesundheitsverhalten wurde erfasst, indem nach der Häufigkeit verschiedener gesundheitsrelevanter Verhaltensweisen innerhalb einer durchschnittlichen Woche gefragt wurde (0 = 0 Tagen; 7 = 7 Tagen). Die berichteten Items und Instrumente waren Teil einer groß angelegten Befragung, in der diverse Fragestellungen behandelt wurden.

Statistische Analysen

Die statistischen Analysen wurden mit SPSS Version 29.0.0.0 (IBM Corporatio, Armonk, New York, United States of America) berechnet. Subgruppenvergleiche wurden anhand zweiseitiger t‑Tests für unabhängige Stichproben bei ungleichen Varianzen (Welch-Tests) berechnet. Zusammenhänge zwischen psychischer Gesundheitskompetenz und anderen Konstrukten wurden durch Pearson-Korrelationen untersucht. In die statistischen Analysen wurden die Daten der n = 1994 Befragten aufgenommen, die alle Items des MHL-W‑G beantwortet hatten.

Subgruppen

Um die Vergleichbarkeit verschiedener Gesundheitskompetenzstudien zu erleichtern, wurden ähnliche Subgruppen wie beim HLS-GER 2 gewählt [18]. Der Sozialstatus wurde anhand der deutschen Version der MacArthur Scale erfasst und in die Kategorien niedrig (1–4), mittel (5–7) und hoch (8–10) eingeteilt [6]. Das Bildungsniveau wurde anhand der erreichten Bildungsabschlüsse erfasst und in die Kategorien niedrig (ohne Haupt‑/Volksschulabschluss; Haupt‑/Volksschulabschluss; Mittlere Reife, Realschulabschluss, Fachschulreife; Abschluss der Polytechnischen Oberschule), mittel (Fachhochschulreife, Abschluss einer Fachoberschule; Abitur, allgemeine oder fachgebundene Hochschulreife) und hoch (Fach‑/Hochschulstudium) eingeteilt.

Ergebnisse

Bevölkerung in Deutschland

Im Durchschnitt erreichten die Studienteilnehmenden 52 Punkte (M = 52,03; SD = 11,02; Minimum = 16; Maximum = 80) in der adaptierten deutschsprachigen Version des MHL-W‑G. Tab. 1 zeigt eine Gesamtübersicht der Mittelwerte und Standardabweichungen der psychischen Gesundheitskompetenz unterteilt nach den untersuchten Subgruppen.
Tab. 1
Psychische Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland
  
n
Mittelwert
Standardabweichung
Bevölkerung in Deutschland
Insgesamt
1994
52,03
11,02
Geschlecht
Männer
977
50,70
11,07
Frauen
1017
53,31
10,82
Alter
16–29 Jahre
355
50,44
10,66
30–45 Jahre
475
51,11
11,14
46–64 Jahre
654
53,05
11,21
65 Jahre und älter
510
52,69
10,73
Bildungsniveau
Niedrig
1103
52,12
10,79
Mittel
373
51,59
10,92
Hoch
510
52,06
11,54
Migrationshintergrund
Nein
1870
51,98
10,97
Ja
124
52,77
11,78
Chronische Erkrankung
Nein
1229
51,63
10,89
Ja
741
52,80
11,27
Sozialstatus
Niedrig
313
50,62
11,76
Mittel
1386
51,94
10,67
Hoch
295
53,92
11,60
Behandlung wegen psychischer Erkrankung
Nein
1373
50,79
10,79
Ja
596
55,04
10,89
Behandlung wegen psychischer Erkrankung in der Familie
Nein
1049
50,81
11,29
Ja
877
53,51
10,60
Aufgrund der Stichprobengewichtungen und von Rundungen können die Stichprobenfallzahlen variieren und Prozentanteile 100 % sowohl überschreiten als auch unterschreiten

Geschlecht

Frauen hatten eine signifikant höhere psychische Gesundheitskompetenz als Männer (t(5,32) = 1984,26, p < 0,001, d = 0,24).

Alter

Personen im Alter von 65 Jahren und älter hatten eine signifikant höhere psychische Gesundheitskompetenz als Personen im Alter von 16–29 Jahren (t(3,04) = 764,86, p < 0,01, d = 0,21) und 30–45 Jahren (t(2,27) = 971,86, p = 0,02, d = 0,14). Es zeigte sich kein signifikanter Unterschied in der psychischen Gesundheitskompetenz zwischen Personen im Alter von 65 Jahren und älter und Personen im Alter von 46–64 Jahren (t(−0,56) = 1115,53, p = 0,57, d = −0,03). Personen im Alter von 46–64 Jahren hatten eine signifikant höhere psychische Gesundheitskompetenz als Personen im Alter von 16–29 Jahren (t(3,65) = 758,68, p < 0,001, d = 0,24) und 30–45 Jahren (t(2,89) = 1025,31, p < 0,01, d = 0,17). Es zeigte sich kein signifikanter Unterschied in der psychischen Gesundheitskompetenz zwischen Personen im Alter von 30–45 Jahren und 16–26 Jahren (t(0,88) = 779,73, p = 0,38, d = 0,06).

Bildungsniveau

Es zeigten sich keine signifikanten Unterschiede in der psychischen Gesundheitskompetenz zwischen Personen mit hohem, mittlerem, und niedrigem formalen Bildungsniveau (hohes vs. niedriges formales Bildungsniveau: t(−0,11) = 933,56, p = 0,91, d = −0,01; hohes vs. mittleres formales Bildungsniveau: t(0,62) = 825,88, p = 0,54, d = 0,04; mittleres vs. niedriges formales Bildungsniveau: t(−0,83) = 635,71, p = 0,41, d = −0,05).

Migrationshintergrund

Es zeigte sich kein signifikanter Unterschied in der psychischen Gesundheitskompetenz zwischen Personen mit und ohne Migrationshintergrund (t(0,72) = 137,28, p = 0,47, d = 0,07).

Chronische Erkrankung

Personen mit einer chronischen Erkrankung hatten eine signifikant höhere psychische Gesundheitskompetenz als Personen ohne eine chronische Erkrankung (t(2,27) = 1517,77, p = 0,02, d = 0,11).

Sozialstatus

Personen mit einem hohen Sozialstatus hatten eine signifikant höhere psychische Gesundheitskompetenz als Personen mit einem niedrigen (t(3,48) = 604,92, p < 0,001, d = 0,28) und mittleren Sozialstatus (t(2,69) = 407,08, p = 0,01, d = 0,18). Es zeigte sich kein signifikanter Unterschied in der psychischen Gesundheitskompetenz zwischen Personen mit einem mittleren und niedrigen Sozialstatus (t(1,83) = 435,09, p = 0,07, d = 0,12).

Psychische Erkrankung

Personen, die schon einmal wegen einer psychischen Erkrankung behandelt wurden, hatten eine signifikant höhere psychische Gesundheitskompetenz als Personen, die noch nicht wegen einer psychischen Erkrankung behandelt wurden (t(7,98) = 1122,58, p < 0,001, d = 0,39).

Psychische Erkrankung in der Familie

Personen, von denen ein enges Familienmitglied schon einmal wegen einer psychischen Erkrankung behandelt wurde, hatten eine signifikant höhere psychische Gesundheitskompetenz als Personen, von denen bisher kein enges Familienmitgliede wegen einer psychischen Erkrankung behandelt wurde (t(5,40) = 1897,83, p < 0,001, d = 0,25).

Korrelate der psychischen Gesundheitskompetenz

Es zeigten sich schwach signifikant positive Zusammenhänge zwischen psychischer Gesundheitskompetenz und psychischer Gesundheit, Lebenszufriedenheit, Obstkonsum, Gemüsekonsum, Zigarettenkonsum und Drogenkonsum. Es zeigte sich zudem ein schwach signifikant negativer Zusammenhang zwischen psychischer Gesundheitskompetenz und Alkoholkonsum. Es zeigten sich keine signifikanten Zusammenhänge zwischen psychischer Gesundheitskompetenz und physischer Gesundheit, sportlicher Betätigung, und Softdrinkkonsum. Tab. 2 zeigt die berechneten Pearson-Korrelationen mit den dazugehörigen Signifikanzniveaus und 95 %-Konfidenzintervallen.
Tab. 2
Zusammenhang zwischen psychischer Gesundheitskompetenz und physischer Gesundheit, psychischer Gesundheit, Lebenszufriedenheit und Gesundheitsverhalten
Variable 1
Variable 2
Pearson-Korrelation
Sig. (2-seitig)
Untere Grenze (95 %-KI)a
Obere Grenze (95 %-KI)a
n
Psychische Gesundheitskompetenz
Physische Gesundheit
0,03
0,24
−0,02
0,07
1994
Psychische Gesundheitskompetenz
Psychische Gesundheit
0,08
< 0,001
0,04
0,12
1994
Psychische Gesundheitskompetenz
Lebenszufriedenheit
0,09
< 0,001
0,05
0,14
1994
Psychische Gesundheitskompetenz
Sportliche Betätigung
0,04
0,05
< 0,01
0,09
1994
Psychische Gesundheitskompetenz
Obstkonsum
0,07
< 0,001
0,03
0,12
1994
Psychische Gesundheitskompetenz
Gemüsekonsum
0,08
< 0,001
0,03
0,12
1994
Psychische Gesundheitskompetenz
Softdrinkkonsum
−0,01
0,69
−0,05
0,04
1994
Psychische Gesundheitskompetenz
Alkoholkonsum
−0,06
0,01
−0,10
−0,02
1994
Psychische Gesundheitskompetenz
Zigarettenkonsum
0,05
0,01
0,01
0,10
1994
Psychische Gesundheitskompetenz
Drogenkonsum
0,07
< 0,01
0,02
0,11
1994
n Stichprobengröße, KI Konfidenzintervall
aDie Schätzung basiert auf der r/z-Transformation nach Fisher mit Biasanpassung

Diskussion

Die vorliegende Studie hat die psychische Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland anhand einer bevölkerungsrepräsentativen Stichprobe erfasst. Insbesondere Männer, Personen jungen und mittleren Alters sowie Personen mit einem niedrigen und mittleren Sozialstatus könnten von Interventionsangeboten zur Förderung der psychischen Gesundheitskompetenz profitieren. Zudem sollten Personen adressiert werden, die selbst keine chronische Erkrankung haben, selbst noch nicht wegen einer psychischen Erkrankung behandelt wurden und auch keine engen Familienmitglieder haben, die bereits wegen einer psychischen Erkrankung behandelt wurden.
Zudem zeigte sich, dass eine höhere psychische Gesundheitskompetenz mit einer höheren Lebenszufriedenheit, einem besseren psychischen Gesundheitszustand, einem regelmäßigeren Obst- und Gemüsekonsum und mit einem niedrigeren Alkoholkonsum schwach einherging. Eine höhere psychische Gesundheitskompetenz war allerdings nicht ausschließlich mit gesundheitsförderlichen Verhaltensweisen assoziiert. Interessanterweise ging eine höhere psychische Gesundheitskompetenz auch schwach mit einem regelmäßigeren Zigaretten- und Drogenkonsum einher. Zukünftige Untersuchungen sollten der Frage nachgehen, wie sich dieses teils widersprüchliche Gesundheitsverhalten erkläre lässt und inwieweit Persönlichkeitseigenschaften, Alterseffekte und Interessensneigungen zur Erklärung beitragen können. Es könnte beispielsweise spekuliert werden, dass ein generelles Interesse an psychologischen Phänomenen sich auf die psychische Gesundheitskompetenz und auf die Bereitschaft zur Einnahme von bewusstseinsverändernden Drogen auswirkt. Auch wenn die Ergebnisse der Korrelationsanalysen teils höchstsignifikante waren, muss einschränkend darauf hingewiesen werden, dass die gefundenen Zusammenhänge nach aktuellen Bewertungsstandards als sehr klein zu klassifizieren sind [5].
Abschließend sollen zwei zentrale Limitationen der vorliegenden Studie erwähnt werden. Zum einen war ein Internetzugang nötig, um an der Studie teilzunehmen. Da ältere Personen das Internet weniger häufig nutzen als jüngere Personen, können die vorliegenden Ergebnisse nur repräsentativ für die Online-Bevölkerung in Deutschland sein. [7]. Zudem wurde ein Querschnittstudiendesign gewählt, weshalb aus den erhobenen Daten keine Kausalschlüsse gezogen werden können [22].

Schlussfolgerung

Es gibt einen schwachen Zusammenhang zwischen der psychischen Gesundheitskompetenz und der Gesundheit und dem Gesundheitsverhalten der Bevölkerung in Deutschland. Zudem zeigen die Ergebnisse der vorliegenden Studie, dass die psychische Gesundheitskompetenz innerhalb der Bevölkerung in Deutschland nicht gleich verteilt ist und welche vulnerablen Personengruppen bei der Entwicklung von Interventionsangeboten zur Förderung der psychischen Gesundheitskompetenz adressiert werden sollten.

Fazit für die Praxis

  • Eine höhere psychische Gesundheitskompetenz ging schwach mit einer höheren Lebenszufriedenheit, einem besseren psychischen Gesundheitszustand und einem überwiegend förderlicheren Gesundheitsverhalten einher.
  • Insbesondere Männer, Personen jungen und mittleren Alters, sowie Personen mit einem niedrigen und mittleren Sozialstatus könnten von Interventionsangeboten zur Förderung der psychischen Gesundheitskompetenz profitieren.
  • Zudem sollten Personen adressiert werden, die selbst bisher nicht wegen psychischen Erkrankungen behandelt wurden.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

Die Studie wurde von der gemeinnützigen Stiftung Gesundheitswissen finanziert. L. König, T. Hamer und R. Suhr sind derzeit Mitarbeiter der gemeinnützigen Stiftung Gesundheitswissen.
Die Ethikkommission der Ärztekammer Berlin hatte keine berufsethischen und berufsrechtlichen Bedenken gegenüber der Studie (Antragsnummer: Eth-39/22).
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Literatur
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Metadaten
Titel
Die psychische Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland
verfasst von
Dr. rer. nat. Lars König
Tim Hamer, M.Sc.
PD Dr. med. Ralf Suhr
Publikationsdatum
24.10.2023
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Erschienen in
Prävention und Gesundheitsförderung
Print ISSN: 1861-6755
Elektronische ISSN: 1861-6763
DOI
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ADHS-Medikation erhöht das kardiovaskuläre Risiko

16.05.2024 Herzinsuffizienz Nachrichten

Erwachsene, die Medikamente gegen das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom einnehmen, laufen offenbar erhöhte Gefahr, an Herzschwäche zu erkranken oder einen Schlaganfall zu erleiden. Es scheint eine Dosis-Wirkungs-Beziehung zu bestehen.

Betalaktam-Allergie: praxisnahes Vorgehen beim Delabeling

16.05.2024 Pädiatrische Allergologie Nachrichten

Die große Mehrheit der vermeintlichen Penicillinallergien sind keine. Da das „Etikett“ Betalaktam-Allergie oft schon in der Kindheit erworben wird, kann ein frühzeitiges Delabeling lebenslange Vorteile bringen. Ein Team von Pädiaterinnen und Pädiatern aus Kanada stellt vor, wie sie dabei vorgehen.

Diabetestechnologie für alle?

15.05.2024 DDG-Jahrestagung 2024 Kongressbericht

Eine verbesserte Stoffwechseleinstellung und höhere Lebensqualität – Diabetestechnologien sollen den Alltag der Patienten erleichtern. Dass CGM, AID & Co. bei Typ-1-Diabetes helfen, ist belegt. Bei Typ-2 gestaltet sich die Sache komplizierter.

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