Erschienen in:
01.05.2006 | Originalien
Einfluss des Geschlechts auf die stimulierbare Zytokinantwort bei Patienten mit schwerer Sepsis
verfasst von:
Dr. rer. nat. I. Bauer, M. Bauer, A. Raddatz, C. Luedtke, M. Werth, M. Silomon, H. Rensing, W. Wilhelm
Erschienen in:
Die Anaesthesiologie
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Ausgabe 5/2006
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Zusammenfassung
Fragestellung
Untersuchungen an Mäusen belegen eine niedrigere Mortalitätsrate bei weiblichen verglichen mit männlichen Mäusen bei Sepsis oder nach Trauma. Ziel der vorliegenden Studie war es, den Einfluss von Geschlecht und Erkrankungsschwere auf die verminderte Ansprechbarkeit von Monozyten bei Patienten mit schwerer Sepsis zu untersuchen.
Methodik
Nach Zustimmung der Ethikkommission wurden prospektiv 49 konsekutive Patienten mit schwerer Sepsis (28 Männer, 21 Frauen) in das Studienprotokoll aufgenommen. Tumor-Nekrose-Faktor- (TNF-)α und Interleukin- (IL-)10 wurden mit dem „enzyme linked immunosorbent assay“ (ELISA) in unstimulierten Vollblutkulturen oder nach Stimulierung mit Lipopolysaccharid (LPS; E. coli 0111:B4) oder Staph.-aureus-Cowan-Strain-I- (SAC-I)Lysat an Tag 1, 2, 3, 4 und 8 nach Aufnahme in die Studie gemessen. Testosteron- und Estradiolspiegel wurden mit Elektrochemilumineszenzimmunoassays gemessen.
Ergebnisse
Die Letalität war in beiden Gruppen vergleichbar (männliche Patienten 35,7%, weibliche Patienten 42,9%). Während auch die Erkrankungsschwere bei männlichen und weiblichen Patienten vergleichbar war, zeigte sich verglichen mit gesunden Probanden eine ausgeprägte Suppression der stimulierbaren TNF-α-Antwort bei septischen Patienten, die sich innerhalb von 8 Tagen bei den überlebenden Patienten wieder erholte. Bei den nichtüberlebenden Frauen kam es zu einer Erholung der Zytokinantwort, während sich bei den nichtüberlebenden Männern eine fortbestehende Suppression der stimulierbaren TNF-α-Antwort zeigte, die im Vergleich zu der Antwort bei nichtüberlebenden Frauen signifikant unterschiedlich war. Männliche Patienten mit schwerer Sepsis wiesen, verglichen mit Referenzwerten, deutlich niedrigere Testosteronspiegel auf, während die Testosteronspiegel von Frauen im Normbereich waren. Ein Unterschied zwischen überlebenden und nichtüberlebenden Patienten konnte nicht beobachtet werden. Estradiolspiegel waren bei weiblichen und männlichen septischen Patienten erhöht. Stimulierung von Vollblut junger (<35 Jahre) und älterer (>60 Jahre) männlicher sowie junger (proestrus prämenopausal) und älterer (postmenopausal) weiblicher gesunder Probanden mit verschiedenen Konzentrationen von Testosteron oder Estradiol zeigte keinen Effekt auf die LPS-stimulierte TNF-α- und IL-10-Freisetzung.
Schlussfolgerungen
Schwere Sepsis führt zu einer ausgeprägten Suppression der stimulierbaren Zytokinantwort. Eine anhaltende Suppression kann bei männlichen Patienten mit schwerer Sepsis als Marker für eine schlechtere Prognose dienen, nicht aber bei weiblichen Patienten. Weiterhin legen die Daten nahe, dass geschlechtsspezifische Unterschiede in der zellulären Immunität, wie sie für junge, geschlechtsreife Tiere beschrieben wurden, offenbar in einem typischen postmenopausalen Patientengut einer Intensivstation fortbestehen. Ein direkter Zusammenhang zwischen Testosteron- oder Estradiolspiegel und LPS-stimulierter Zytokinantwort konnte nicht gezeigt werden.