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Freeman-Sheldon-Syndrom

Verfasst von: Heike Kaltofen, Dierk A. Vagts, Uta Emmig und Peter Biro
Freeman-Sheldon-Syndrom.
Synonyme
Kraniokarpotarsale Dystrophie (Dysplasie); engl. „whistling face syndrome“; „whistling face-windmill vane hand syndrome“; franz. „syndrome carpotarsien“; Freeman-Sheldon-Spektrum
Nach revidierter Klassifikation (1996): distale Arthrogrypose Typ 2A
Oberbegriffe
Arthrogrypose, angeborene multiple Gelenkerkrankung, Gelenkdysplasie, Gelenkaplasie.
Organe/Organsysteme
Gelenke, Muskulatur, Bewegungsapparat, ZNS.
Inzidenz
1:3000, keine geschlechtlich bevorzugte Penetranz.
Ätiologie
Angeboren, z. T. autosomal-dominant oder rezessiv vererbt, meist aber sporadisch.
Neuerdings gibt es die Beschreibung eines Typ 2B mit Lokalisierung auf Chromosom 11p15.5-pter.
Verwandte Formen, Differenzialdiagnosen
Ullrich-Sy, Demarquay-Richet-Sy, Fevre-Languepin-Sy, Bonnevie-Ullrich-Sy, Schwartz-Jampel-Sy, Lamy-Maroteaux-Sy, Aurikulo-Osteodysplasie-Sy, Pillay-Orth-Sy, de Barsy-Moens-Dierckx-Sy, Conradi-Hünermann-Sy, Mietens-Weber-Sy, Edwards-Sy, Rotter-Erb-Sy, Turner-Kieser-Sy, Zellweger-Sy, Holtermüller-Wiedemann-Sy, Larsen-Sy, kongenitale Trismussyndrome (Dutch-Kentucky-Sy, Hecht-Beals-Sy, Trismus-Pseudokamptodaktylie-Sy), Klippel-Feil-Sy, Apert-Sy, distale Arthrogrypose Typ 1 und 2B (Sheldon-Hall-Sy).

Symptome

Multiple Kontrakturen und Luxationen der Gelenke mit Fehlbildungen der Hände und Füße (Klumpfüße), Patienten scheinen zu pfeifen, Mikrostomie, flaches Gesicht, unterentwickelte Nasenknorpel, prominente Wangen, dünne Lippen, hoher Gaumen, Mikrognathie, Mikroglossie, narbenähnliche Zeichnung über dem Kinn („H“ oder „V“), Strabismus, Blepharophimose, Sprachstörungen, Schluckstörungen, respiratorische Komplikationen, Epikanthus. Insgesamt sehr heterogene Manifestation des Syndroms.
Vergesellschaftet mit
Maligne Hyperthermie (MH), evtl. auch mit malignem neuroleptischen Syndrom (MNS).

Anästhesierelevanz

Es werden häufig Korrekturoperationen im Kindesalter durchgeführt. Erschwerte Gefäßpunktion wegen der Kontrakturen und erhöhte Gefahr für Lagerungsschäden. Mit Intubationsschwierigkeiten ist wegen ungenügender Mundöffnung, Mikrogenie, eingeschränkter Beweglichkeit der HWS und bei zusätzlichen Spaltbildungen zu rechnen. Darüber hinaus kann auch die Beatmung mit der Maske schwierig sein.
Nichtdepolarisierende Relaxanzien in üblicher Dosierung wirken tendenziell länger. Die Durchführung rückenmarknaher Regionalanästhesien kann bei Wirbelsäulendeformitäten sehr schwierig oder unmöglich sein. Oft besteht eine Tendenz zur arteriellen Hypotonie.
Wichtiges Monitoring
Relaxometrie, Pulsoxymetrie, Kapnographie.
Vorgehen
Eine Prämedikation mit Benzodiazepinen und die prophylaktische Gabe von 0,3-molarem Natrium citricum (20–30 ml peroral) oder H2-Rezeptorenblockern sind sinnvoll. Für die Intubation selbst sind alle Vorkehrungen zu treffen, dass bei Beatmungsproblemen eine ausreichende Oxygenation gewährleistet werden kann. Soweit es vom Patienten toleriert werden kann, sollte man eine primäre fiberoptische nasale Intubation erwägen. Diese ist aber auch nicht immer erfolgreich! Immer ausreichend präoxygenieren. Über die erfolgreiche Anwendung der Larynxmaske ist berichtet worden: Diese musste wegen der ungenügenden Mundöffnung zusammengefaltet eingeführt werden.
Sofern technisch möglich und vom Patienten toleriert, können rückenmarknahe Anästhesien angewendet werden.
Eine kardiovaskuläre Depression sollte vermieden werden; es empfiehlt sich ein restriktiver Einsatz negativ-inotroper Medikamente. Oftmals ist eine geringere Barbituratdosis für die Anästhesieeinleitung nötig. Wegen der überdurchschnittlich häufigen Vergesellschaftung mit einer MH sollte (außer bei zweifelsfreiem MH-Ausschluss) auf Triggersubstanzen verzichtet werden. Dies gilt v. a. für depolarisierende Muskelrelaxanzien und volatile Anästhetika. Bei Bedarf Endokarditisprophylaxe durchführen.
Wirbelsäulendeformitäten und ein Befall der Atemmuskulatur können zu restriktiven Ventilationsstörungen führen, die insbesondere postoperativ Atmungsprobleme verursachen. Oft handelt es sich um Kinder, die in reduziertem Ernährungszustand sind. Dies kann u. a. zu Lagerungsschäden prädisponieren, ferner zu Problemen mit Thermoregulation (Auskühlung) und Homöostase (Hypoglykämie) führen.
Cave
Succinylcholin (MH-Triggerung und Kaliumfreisetzung), volatile Anästhetika, Lagerungsschäden.
Weiterführende Literatur
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