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Pallister-Killian-Syndrom

Verfasst von: Heike Kaltofen, Dierk A. Vagts, Uta Emmig und Peter Biro
Pallister-Killian-Syndrom.
Synonyme
Killian-/Teschler-Nicola-Sy; PKS; Tetrasomie 12p
Oberbegriffe
Chromosomopathie.
Organe/Organsysteme
Haut, Hautanhangsorgane, Herz-Kreislauf-System, Bewegungsapparat, zentrales Nervensystem.
Inzidenz
Sehr selten; bisher wurden nur sporadische Fälle gemeldet. Kommt praktisch nur bei Kindern und in der Adoleszenz vor, da die Lebenserwartung erheblich verkürzt ist (der älteste lebende Patient war 45 Jahre alt).
Ätiologie
Kongenital (nicht hereditär). Tetrasomie-Mosaik des Isochromosoms 12p, d. h. 4-fach vorhandener kurzer Arm des Chromosoms 12. Als direkte Ursache wird ein Chromosomenteilungsfehler während der Meiose angenommen.
Verwandte Formen, Differenzialdiagnosen
Wolf-Hirschborn-Sy, Fryns-Sy, Trisomie-9-Mosaik, Trisomie 18.

Symptome

Gesichtsmalformationen (abgeflachtes Gesicht, Makroglossie, Prognathie, Ptosis, Strabismus, Epikanthus, Hypertelorismus, kurzer Nacken, Mikrognathie), Ohrmissbildungen, Pigmentanomalien, bitemporale Alopezie, Spaltbildungen, Krampfneigung, breite Hände, kurze Finger. Der Phänotyp variiert sehr stark. Die Diagnose wird durch Untersuchung von Hautfibroblasten bestätigt.
Vergesellschaftet mit
Hörverminderung, gastrointestinale Beteiligung wie Zwerchfellhernie (bis zu 40 %!), intestinale Rotationen, Schluckstörungen, gastrointestinaler Reflux, Hernien, kardiovaskuläre Fehlbildungen (z. B. ASD, VSD; bicuspide Aortenklappe, hypertrophe Kardiomyopathie), urogenitale Fehlbildungen (z. B. Nierendysplasie, Hypospadie), Pulmonalstenosen, häufig respiratorische Infekte, überzählige Mamillen, leichte bis schwere mentale Retardierung. Es kommen sowohl hypo- als auch hypertone Zustände der Muskulatur vor. Im höheren Alter zunehmend Kontrakturen.
Therapie
Pränataldiagnostik durch Chorionzottenbiopsie möglich. Korrekturoperationen bei Kontrakturen.

Anästhesierelevanz

Aufgrund der häufigen Beteiligung aller Organsysteme sollte vor einem Eingriff ein entsprechendes Organ-Screening vorliegen. Von anästhesiologischer Bedeutung sind die Gesichtsmalformationen im Hinblick auf die Sicherung der Atemwege sowie die neurologischen und neuromuskulären Probleme. Obwohl bisher kein Fall einer malignen Hyperthermie bei diesem Krankheitsbild aufgetreten ist, kann wie bei allen neuromuskulären Erkrankungen eine erhöhte Neigung dafür angenommen werden. Die wenigen besprochenen Fälle erwähnten die erfolgreiche Verwendung von volatilen Anästhetika, was allerdings kein Beweis für deren Unbedenklichkeit ist. Auf jeden Fall ist deren Verwendung sorgfältig zu erwägen und mit den vorhandenen Alternativen zu vergleichen.
Spezielle präoperative Abklärung
Bildgebende Darstellung der Atemwegsanatomie zur Abschätzung der Intubierbarkeit bzw. des Vorgehens zur Sicherstellung der Oxygenation. Kardiale Abklärung (EKG, Herzecho), Nierenfunktion.
Wichtiges Monitoring
Pulsoxymetrie, Kapnographie, ggf. invasives Kreislaufmonitoring.
Vorgehen
Es gibt nur wenig Erfahrung mit Anästhesien bei Pallister-Killian-Sy. Eines der Hauptmerkmale sind die Gesichtsmalformationen, die eine erschwerte Intubation erwarten lassen. In dem spärlichen bekannten Erfahrungsmaterial hat sich dies nicht bestätigt, was aber nicht ausschließt, dass es dennoch zu erheblichen Schwierigkeiten kommen kann. Für diesen Fall sind Vorkehrungen zu treffen, damit man alternative Methoden der Atemwegssicherung zur Verfügung hat. Aufgrund der mentalen Retardierung ist nicht mit Kooperationsfähigkeit der Patienten zu rechnen, was beispielsweise eine wach-fiberoptische Vorgehensweise eher ausschließt. Zu empfehlen ist die Gabe von H2-Rezeptorenblockern oder Protonenpumpeninhibitoren vor der Einleitung und eine Vorgehensweise im Sinne einer „rapid sequence induction“. Als Ausweichtechnik bei Misslingen der Intubation sollte ein supraglottischer Atemweg zur zeitweiligen Überbrückung verwendet werden, um anschließend die Atemwegssicherung mit weiteren Verfahren (z. B. fiberoptische Intubation durch Larynxmaske) zu vollenden.
Die erfolgreiche Anwendung rückenmarknaher und peripherer Leitungsblockaden ist ebenfalls berichtet worden, wobei in einem Fall die epidurale Punktion unter Allgemeinanästhesie durchgeführt wurde.
Cave
Succinylcholin, Nichtberücksichtigung multipler Organfehlbildungen.
Weiterführende Literatur
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