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AE-Manual der Endoprothetik
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Publiziert am: 30.01.2021

Knieendoprothetik: periprothetische Frakturen

Verfasst von: Carsten Perka und Sven Märdian
Die Zahl der implantierten Kniegelenkendoprothesen ist kontinuierlich gestiegen. Die logische Konsequenz daraus ist eine zunehmende Inzidenz periprothetischer Frakturen in einem immer älter werdenden Patientenkollektiv. Die Kenntnis von spezifischen Risikofaktoren sowie Behandlungsalgorithmen ist von grundlegender Bedeutung, um bei minimiertem Risiko diese Verletzungen erfolgreich zu therapieren. Dieses Kapitel setzt sich intensiv mit der Thematik auseinander und offeriert einen Leitfaden für die präoperative Diagnostik und Einschätzung über die operative Planung bis hin zur Nachbehandlung.

Epidemiologie

Die Zahl der implantierten Kniegelenktotalendoprothesen ist in den letzten Jahren weltweit kontinuierlich gestiegen und übersteigt in vielen Ländern (z. B. USA, Deutschland seit 2018) die Zahl der implantierten Hüftgelenktotalendoprothesen (Mittlmeier et al. 2005). Aufgrund der demografischen Entwicklung mit einer stetig steigenden Lebenserwartung, bei längeren Prothesenstandzeiten infolge verbesserter Technologien sowie einer hohen Prävalenz an patientenseitigen Risikofaktoren, ist weiter mit einer Zunahme kniegelenknaher periprothetischer Frakturen zu rechnen (Figgie et al. 1990; Felix et al. 1997; Rorabeck und Taylor 1999; Babis et al. 2011). Durch den Rückgang von Revisionsursachen, Lockerung und Abrieb, bei gleichzeitig erhöhter Mobilität und Aktivität der betagten Patienten, tritt die Behandlungsnotwendigkeit aufgrund periprothetischer Frakturen auch prozentual weiter in den Vordergrund. Die Rate periprothetischer Frakturen variiert in den verschiedenen Ländern und Kliniken und somit auch in den durchgeführten Studien. Entsprechend der Daten von Abdel und Berry aus dem Register der Mayo-Clinic in Rochester (Abdel und Berry 2013), die fast 30.000 Knietotalendoprothesen in ihre Auswertung eingeschlossen hatten, kam es in 2,8 % der Fälle zu periprothetischen Frakturen des Kniegelenks.

Inzidenzen

Periprothetische Femurfrakturen stellen die mit Abstand größte Gruppe der Frakturen nach Kniegelenkersatz dar. In den bereits erwähnten Daten der Mayo-Klinik zeigten sich in 0,3 % der primären und in 1,6 % der Revisionsknieendoprothesen intraoperative Frakturen (Abdel und Berry 2013). Mehrheitlich entstehen periprothetische Frakturen jedoch erst im postoperativen Verlauf. Die in der Literatur angegebene Inzidenz variiert bei primären Knieprothesen zwischen 0,3–2,5 % (Ayers 1997; Su et al. 2004). Die Inzidenz nach Revisionsendoprothetik des Kniegelenks ist meist höher, in der Arbeit von Abdel und Berry 2 %. (Su et al. 2004). Mehrere Einflussfaktoren sind bekannt. So beeinflusst das Design der Femurkomponente die Rate periprothetischer Frakturen (Lombardi et al. 1995). Durch eine Änderung des Designs konnten Lombardi et al. die intraoperative Frakturrate erfolgreich von 4,4 % auf 0,2 % reduzieren (Lombardi et al. 1995). Periprothetische Tibiafrakturen treten mit einer Häufigkeit von 0,3–0,5 % deutlich seltener auf als Femurfrakturen (Burnett und Bourne 2004). Noch seltener sind die periprothetischen Patellafrakturen. Diese werden mit einer Inzidenz von 0,05–21 % berichtet, wobei Raten von 0,05 % bei Totalendoprothesen ohne Patellarückflächenersatz und bis zu 21 % bei erfolgtem Rückflächenersatz angegeben werden (Platzer et al. 2010). Da große Serien in der Literatur fehlen, sollte an dieser Stelle erwähnt sein, dass die genannten Inzidenzen kritisch zu werten sind.

Risikofaktoren

Entscheidend für die korrekte Behandlung der periprothetischen Fraktur ist die Kenntnis der Existenz von Risikofaktoren und die Beantwortung der Frage: Können diese Risikofaktoren mit der geplanten Operation beseitigt werden oder existieren diese weiter?
Im Wesentlichen werden 4 Gruppen von Risikofaktoren unterschieden.

Reduzierte Knochenqualität/-stabilität

Diese ist im akuten Fall nur begrenzt verbesserbar, sollte aber unbedingt mittel- und langfristig nach der meist operativen Therapie weiter verfolgt werden. Die Einleitung einer adäquaten Osteoporosediagnostik und -therapie ist dabei unabdingbar. Inwieweit ein vorliegendes Stress-shielding sich wieder rückbildet, ist gegenwärtig unklar.
Typische Risikofaktoren dieser Gruppe sind:

Kritische mechanische Bedingungen

Diese sind bereits während der Operationsplanung unbedingt zu berücksichtigen, da sie die Therapiestrategie maßgeblich beeinflussen. Es ist immer zu prüfen, ob eine operative Strategie existiert, welche die mechanischen Risikofaktoren beseitigen kann.
Als Risikofaktoren sind zu nennen:
  • Ende eines Prothesenstiels,
  • lokale Osteolysen,
  • Schraubenlöcher durch ehemalige Implantate,
  • Ankylosen/Arthrodesen des Hüft- oder gegenseitigen Kniegelenks,
  • vorbestehende Substanzdefekte im Frakturbereich, z. B. im anterioren Knochen (anteriores Notching, Kortikalisperforation).

Allgemeinerkrankungen

Allgemeinerkrankungen, die den postoperativen Behandlungsverlauf beeinflussen, sollten präoperativ optimiert werden, sind meist aber nicht grundsätzlich zu beseitigen. Somit existieren diese nach der durchgeführten Operation fort. Sie beeinflussen relevant die Rehabilitation bzw. auch die Frage, welches Operationsverfahren angewendet werden muss. Dabei ist hervorzuheben, dass viele operative Versorgungen, insbesondere osteosynthetische Rekonstruktionen, postoperativ einer Ent- bzw. Teilbelastung bedürfen, was die meisten der betroffenen Patienten nicht umsetzen können.
Typische Risikofaktoren sind:

Implantatassoziierte Faktoren

Dies sind Risikofaktoren, welche im Wesentlichen durch die Technik des Einbaus bzw. die Folgen der verwandten Technik entstanden sind. Zu nennen ist hier insbesondere das Malalignment, eine große interkondyläre Box bei posterior stabilized (PS-) oder gekoppelten Knieprothesen, markraumfüllende Stiele, die eine Schraubenverankerung nur durch zusätzliche Schwächung der Kortikalis möglich machen (Gwinner et al. 2015) u. a. Das Fortbestehen dieser Faktoren führt wiederum zu einem dann gegebenenfalls noch höheren Re-Frakturrisiko. Selbstverständlich spielt hier auch eine eventuell übersehene Prothesenlockerung eine große Rolle.

Behandlungsstrategie

Für periprothetischen Frakturen nach Kniegelenkersatz existieren unterschiedliche Versorgungskonzepte (Abb. 12 und 3) (Mardian et al. 2012), jedoch kein einheitliches Protokoll. Eine Vielzahl von Entscheidungen wird nach individueller Erfahrung des Behandlers getroffen, da die Evidenz für ein bestimmtes Vorgehen meistens fehlt. Bei fehlender Evidenz ist also die Erfahrung des Operateurs nicht nur bei der Durchführung der Operation, sondern auch für die Festlegung des operativen Prozederes von ausschlaggebender Bedeutung. Dabei spielt die präoperative Planung die entscheidende Rolle und ist ein unverzichtbares Muss.
Es ist unzureichend festzulegen, dass eine gelockerte Prothese gewechselt werden muss und eine feste integrierte Prothese grundsätzlich osteosynthetisch zu versorgen ist.
Die genannten Risikofaktoren (Abschn. 2) sind bei der Therapieplanung zu berücksichtigen. Insbesondere sind in die präoperativen Überlegungen die möglichen Konsequenzen eines Fehlschlagens der operativen Versorgung mit einzubeziehen. Gerade die bei periprothetischen Frakturen des Kniegelenks häufig geübte Praxis der Implantation von Tumorprothesen, die im Wesentlichen darauf beruht, den gelenknahen Knochen vollständig zu entfernen, führt bei Fehlschlagen (Infektion, Lockerung, Bruch der implantierten Prothese, periprothetische Re-Fraktur) zu desaströsen Ergebnissen, die oftmals mit der Amputation der Extremität mit all ihren Implikationen für die Patienten einhergehen. Insofern sollten die individuellen Bedürfnisse des Patienten bedacht und in die Therapieplanung mit einbezogen werden.
Zusammenfassend sind die wichtigsten Faktoren zur Festlegung der Behandlungsstrategie:
1.
Stabilität der Fraktur: Auch wenn die konservative Therapie in diesem Zusammenhang heute nahezu keine Rolle mehr spielt, ist die Bestimmung der Stabilität der Fraktur relevant, um die Dringlichkeit der operativen Intervention einzuschätzen und damit den optimalen Operationszeitpunkt wählen zu können.
 
2.
Stabilität des Implantats: Eine genaue Anamneseerhebung bezüglich bereits vor der Fraktur bestehender Beschwerden sowie die genaue Bewertung der präoperativen radiologischen Diagnostik mit Fahndung nach klinischen und radiologischen Zeichen der Lockerung sind für die korrekte Therapiefindung entscheidend. Nur so kann die grundlegende Entscheidung getroffen werden, ob eine isolierte Osteosynthese überhaupt sinnvoll durchgeführt werden kann, da dafür die feste Verankerung der Prothese im Knochen eine absolute Voraussetzung ist. Im Zweifel muss zum einen der Patient auf eine mögliche Wechseloperation vorbereitet werden und zum anderen das Operationsteam/die versorgende Klinik sowohl das technische Know-how als auch die notwendige Infrastruktur für derartige Eingriffe vorhalten.
 
3.
Lokalisation der Fraktur: Die Lokalisation der Fraktur beeinflusst ebenfalls die Entscheidung hinsichtlich einer Osteosynthese oder Revision. Nur wenn auf beiden Seiten der Fraktur ausreichend Knochensubstanz vorhanden ist, um eine suffiziente Verankerung der – in der Regel – winkelstabilen Plattensysteme zu erreichen, ist eine Osteosynthese überhaupt sinnvoll durchführbar. Osteosynthesen bei Frakturen im Bereich der Prothesenspitze sind hohen mechanischen Belastungen ausgesetzt und gehen mit einer hohen Fehlschlagswahrscheinlichkeit einher. Frakturen um lange und/oder großvolumige Prothesenstiele erfordern häufig eine transkortikale periprothetische Schraubenplatzierung mit dem Risiko, dass es hier zusätzlich zu einer mechanischen Schwächung des Knochens kommt (Gwinner et al. 2015).
 
4.
Qualität des Knochens: Die Knochenqualität beeinflusst selbstverständlich maßgeblich die Stabilität jedweder osteosynthetischer Rekonstruktion. Bei einer sehr schlechten Knochensubstanz ist die Haltbarkeit einer Osteosynthese im Regelfall nicht gegeben oder zumindest stark reduziert. Osteosynthesen, ebenso wie oftmals die Revision mit zementfreien Endoprothesen erfordern postoperativ eine Teilbelastung. Viele der Patienten können dies jedoch überhaupt nicht umsetzen. Endoprothetische Versorgungen bzw. Versorgungen unter Verwendung von Knochenzement zur Stabilisierung der Schrauben (sofern dieses Verfahren doch gewählt wird) sind zu prüfen. Des Weiteren sind Optionen wie z. B. Doppelplattenosteosynthesen mit 90°- oder 180°-Konfiguration oder aber die Verwendung von zusätzlichen medialen Strut grafts zu prüfen, um die Stabilität der Osteosynthese zu verbessern (Abb. 4). Hierbei sollte jedoch, wenn immer möglich, eine sog. biologische Osteosynthese (Abb. 5), d. h. unter weitestgehender Schonung der Knochennutrition, durchgeführt werden, um die ohnehin durch den vorgeschädigten Knochen eingeschränkte Knochendurchblutung soweit wie möglich zu erhalten.
 
5.
Implantatdesign: Dies betrifft insbesondere die suprakondylären Frakturen und die Frage, ob durch die Verwendung einer winkelstabilen Platte oder eines retrograden Nagels das optimale Operationsergebnis erreicht werden kann. Die intramedulläre Marknagelosteosynthese stellt hierbei theoretisch das biomechanisch überlegenere Implantat dar (Ayers 1997; Bong et al. 2002). Jedoch setzt dieses sowohl ein Open-Box-Design der Prothese als auch das Wissen um die Breite der interkondylären Box der implantierten Prothese voraus (Mittlmeier et al. 2005; Mittlmeier et al. 2016). Außerdem kommt es bei der intramedullären Marknagelosteosynthese gehäuft zu Varus-/Valgusfehlern, welche zwangsläufig zu einer Mehrbelastung der Prothese führen, was letztendlich ein erhöhtes Lockerungsrisiko mit sich bringt (Su et al. 2004). Bei periprothetischen Tibiafrakturen definiert das Implantatdesign in Kombination mit der Frakturlokalisation, ob eine Osteosynthese möglich ist. Dabei limitiert die Möglichkeit der periprothetischen Schraubenplatzierung das Verfahren. Sowohl für die periprothetischen Femur- als auch Tibiafrakturen gilt, dass durch jüngste Implantatentwicklungen mit periprothetischen Zusatzplatten und Optionen der polyaxialen Schraubenverankerung das Limit der effektiv zu stabilisierenden Frakturen immer weiter nach proximal (tibial) als auch nach distal (femoral) rückt. Dennoch ist eine suffiziente Stabilisierung im metaphysären Bereich essenziell.
 
6.
Zeitpunkt des Auftretens der Fraktur: Während intraoperative Frakturen im Regelfall durch den Wechsel des Implantats und/oder eine zusätzliche Osteosynthese sofort während des Indexeingriffes behandelt werden können, unterscheidet sich die Versorgung von Frakturen, welche erst postoperativ entdeckt werden, davon signifikant. Zu berücksichtigen sind hierbei der optimale Zeitpunkt der Operation bzw. insbesondere der notwendige Umfang des Revisionseingriffs.
 

Zeitpunkt der Operation

Der optimale Zeitpunkt der Operation ist gegenwärtig umstritten. Während in der Vergangenheit von einer „aufgeschobenen Dringlichkeit“ bei der Indikationsstellung zur Operation gesprochen wurde, werden heute die Termini „optimale Arbeitsbedingungen der beteiligten Disziplinen“ und „bestmögliche Vorbereitung des Patienten“ verwendet (Mittlmeier et al. 2005, 2016). Dies entspricht einem Paradigmenwechsel: Die Prämisse, dass die Versorgung innerhalb von 24 Stunden zu erfolgen hat, ist heute nicht mehr gegeben.
Auch eigene Daten zeigen, dass das Überleben dieser Patientengruppe weniger von der chirurgischen Versorgung (Rekonstruktion vs. Prothesenwechsel) als vielmehr vom Alter und von den begleitenden Komorbiditäten abhängt (Mardian et al. 2017). Daher sollte die präoperative Vorbereitung dieser Patienten interdisziplinär stattfinden, um Verbesserungspotenziale individuell zu identifizieren.

Präoperative Diagnostik

Die präoperative Diagnostik umfasst zunächst eine dezidierte klinische Anamnese. Wesentlich sind die Funktion vor dem Frakturereignis und die Schmerzanamnese. Hierdurch lassen sich Hinweise auf eine vorbestehende Lockerung finden. Außerdem kann eine zuvor schlechte Funktion einer Endoprothese Grund für die Entscheidung zur Prothesenrevision und gegen eine Osteosynthese sein. Wichtig ist bei vorbestehenden Beschwerden in nahezu jedem Fall der Ausschluss einer Infektion.
Allerdings ist der Ausschluss einer Infektion erschwert. Die üblicherweise zur Infektionsdiagnostik herangezogene Zellzahl aus einem intraartikulären Punktat ist durch das Frakturhämatom oftmals verfälscht. Es verbleibt präoperativ deshalb im Wesentlichen nur die mikrobiologische Kultur, deren Sensitivität jedoch nur bei etwa 70 % liegt. Intraoperativ ist die Entnahme mikrobiologischer Proben obligat. Die bildgebende Diagnostik umfasst zunächst immer eine Röntgendiagnostik in 2 Ebenen. Hierbei ist streng darauf zu achten, dass zum einen die Fraktur vollständig abgebildet und zum anderen die benachbarten Gelenke mit abgebildet sind (Vorhandensein weiterer Implantate, welche die Versorgungsstrategie maßgeblich beeinflussen können). Schräg- oder Tangentialaufnahmen sind mit der ubiquitären Verfügbarkeit der CT-Diagnostik nicht mehr indiziert. Im Regelfall gilt, dass wenn mit einer zweidimensionalen Aufnahme keine sichere Aussage zur Lockerung, zum Ausmaß des zur Fixation verbleibenden Knochens oder zur Knochenqualität gemacht werden kann, sich meist eine Detaildiagnostik mittels CT anschließen sollte. Durch moderne artefaktreduzierende Algorithmen ist eine detaillierte Diagnostik auch im Bereich der Prothese möglich. Andere Verfahren, wie die MRT oder auch die Szintigrafie, haben de facto keinen Stellenwert in der Diagnostik und Behandlung periprothetischer Frakturen. Allenfalls für ganz spezielle Fragestellungen wären diese zu diskutieren.

Klassifikationen

Es existiert eine Vielzahl von Klassifikationen für die kniegelenknahen periprothetischen Frakturen. Initial wurde insbesondere die Klassifikation von Neer et al. verwendet, welche nach der Art der Dislokation unterschieden hat (Neer et al. 1967). Später erfolgte dann die Verwendung der DiGioia- und Rubash-KIassifikation, welche auch die Lokalisation berücksichtigte (DiGioia und Rubash 1991). Zu Beginn des Jahrtausends wurde dann die Rorabeck-Klassifikation eingeführt, welche neben dem Frakturtyp auch die Art der Prothese in das Behandlungsprozedere mit einbezog (Rorabeck und Taylor 1999). Eine stärkere Verbreiterung fand dann die Su-Klassifikation, welche entsprechend dem Frakturverlauf 3 Typen (proximal des Prothesenschildes [Typ I]; bis zum Prothesenschild reichend [Typ II]; innerhalb/hinter dem Prothesenschild [Typ III]), unterschied (Su et al. 2004). Vergleichbare Klassifikationen entstanden dann auch für die tibialen Frakturen und die Patellafrakturen (Goldberg et al. 1988; Felix et al. 1997).
Die wesentliche Einschränkung all dieser Klassifikationen war und ist, dass sich aus dem Frakturtyp nur selten direkt eine Behandlungsstrategie ableiten lässt. Aus unserer Sicht hat sich in den letzten Jahren die UCS-Klassifikation nach Duncan und Haddad durchgesetzt (Duncan und Haddad 2014). Diese Klassifikation kann für alle periprothetischen Frakturen der Extremitäten sowie des Beckens angewendet werden. Sie basiert im Wesentlichen auf der bekannten Vancouver-Klassifikation, wobei eine neue Systematik ähnlich der AO-Klassifikation ihren universellen Einsatz ermöglicht.
Auch hier kann jedwede Fraktur mithilfe eines alpha-numerischen Codes dargestellt werden. Zunächst wird das betroffene Gelenk definiert (z. B. Hüfte: IV, Knie: V). Es schließt sich nun der numerische Code des frakturierten Knochens analog der AO-Klassifikation an (Femur: 3, Tibia: 4, Patella: 34). Nach der Codierung der Lokalisation folgt die Klassifikation des Frakturtypus (Abb. 6):
  • Typ A: apophysäre Frakturen, d. h. die laterale oder mediale Kondyle. Diese sind im Zweifelsfall konservativ zu behandeln. Hier unterscheidet man A1-Frakturen (eine Kondyle betroffen) von A2-Frakturen (beide Kondylen betroffen).
  • Typ B: Bereich der Verankerung („bed of implant“). Bei B1-Frakturen ist die Prothese fest integriert, bei B2-Frakturen gelockert und bei B3-Frakturen liegt zusätzlich zur gelockerten Prothese eine schlechte Knochensubstanz bzw. ein relevanter knöcherner Defekt vor.
  • Typ C: außerhalb des Prothesenbettes („clear of implant“). Diese Frakturen liegen demnach entweder proximal des femoralen Prothesenschildes oder distal der tibialen Komponente.
  • Typ D: interprothetische Frakturen („dividing the implants“). Sie liegen entweder zwischen einer Hüft- und Knieprothese oder zwischen einer Knie- und Sprunggelenkprothese.
  • Typ E: Beide prothesentragenden Knochen („each of two bones supporting one joint replacement“) sind betroffen. Im Falle einer Kniegelenkprothese müsste hierzu das Femur als auch die Tibia frakturiert sein und demnach eine Floating-knee-Verletzung vorliegen.
  • Typ F: einen an die Prothese angrenzenden Knochen („facing the implant“). Dies wäre hier im Regelfall die Patellafraktur einer nicht ersetzten Patella. Auch würden Tibiakopffrakturen bei partiellen Femurersätzen unter diesen Frakturtyp fallen.

Technik der operativen Versorgung

Bis heute ist unklar, welche operative Versorgung bevorzugt werden soll. Folgende Prämissen sind gegeben:
1.
Die Osteosynthese braucht ein stabiles endoprothetisches Implantat. Es existiert gegenwärtig kein Literaturbeleg, der ein zweizeitiges Vorgehen (zunächst Primärversorgung zur Heilung des Knochens und dann Wechsel des Implantats in einer 2. Operation) favorisiert. Es sind zwar Einzelsituationen vorstellbar, bei denen dies zu rechtfertigen wäre, dies sind jedoch absolute Ausnahmefälle.
 
2.
Für jede Osteosynthese ist im Regelfall eine Teilbelastung postoperativ notwendig. Es ist anhand der Risikofaktoren (Abschn. 2) abzuklären, ob eine solche Teilbelastung für den/die betroffene/n Patienten/Patientin umsetzbar ist.
Eine Option, welche derzeit in der Diskussion ist, um die Primärstabilität zu erhöhen, ist eine Doppelplattenosteosynthese in 90°- oder 180°-Konfiguration, um damit eine frühzeitigere und höhere Belastung zu erlauben (Wahnert et al. 2017). Klinische Daten mit ausreichendem Follow-up fehlen hierzu bisher.
 
3.
Wesentlich für die Knieendoprothetik ist die Bestimmung der Funktion vor Eintreten der periprothetischen Fraktur. Sollten hier bereits gravierende Einschränkungen vorgelegen haben, d. h. ein eingesteiftes Kniegelenk, der Verdacht auf eine Infektion, eine Fehlimplantation mit pathologischer Achsstellung usw., ist eine Osteosynthese im Regelfall nicht indiziert. Um diese präexistenten Probleme zu lösen bedarf es in der Regel einer Revisionsendoprothese, welche dann gleichzeitig auch suffizient die Fraktur überbrücken muss.
 

Periprothetische Femur- und Tibiafrakturen

Intramedulläre Marknagelosteosynthese

Die intramedulläre Marknagelosteosynthese kann nur bei periprothetischen Femurfrakturen erfolgen. Wie bereits dargestellt, unterliegt sie jedoch wesentlichen Einschränkungen. Der große Vorteil dieser Technik besteht darin, dass nur ein geringer iatrogener Weichteilschaden notwendig ist und dieser frakturfern erfolgt. Dadurch bleibt das Frakturhämatom in der Regel vollständig erhalten, was optimale Voraussetzungen für eine erfolgreiche Frakturheilung darstellt. Hauptherausforderung ist jedoch die technische Durchführung, insbesondere die Einstellung der korrekten Achsverhältnisse. Nach heutigem Kenntnisstand existieren insgesamt 3 wesentliche Erfordernisse.
1.
Das Kniegelenk muss mindestens 60° flektierbar sein, da sonst der Nagel nicht in die korrekte Position eingebracht werden kann.
 
2.
Es muss ein Open-Box-Design mit einer ausreichend weiten Notch vorliegen, sodass ein intramedullärer Kraftträger eingebracht werden kann. Dies setzt die Kenntnis des implantierten Prothesentyps/-herstellers voraus. Es ist zu empfehlen, dass die interkondyläre Distanz nicht kleiner als 11 mm sein sollte.
 
3.
Die Möglichkeit mindestens 2 Verriegelungsbolzen distal der Fraktur sicher einbringen zu können. Die notwendige Knochenstrecke dazu beträgt ca. 20 mm.
 
Bei ipsilateral implantiertem Hüftgelenkersatz ist vor retrograder Marknagelosteosynthese zu prüfen, ob die verbleibende interimplantäre Distanz groß genug ist (ca. 5 cm) um einen „stress riser“ und somit das Risiko einer weiteren periprothetisch/periimplantären Fraktur zu vermeiden.

Verwendung eines winkelstabilen internen Fixateurs

Bei stabil verankerter Prothese ist die winkelstabile Plattenosteosynthese der derzeitige Goldstandard in der operativen Behandlung von periprothetischen Tibia- und Femurfrakturen. Die meisten auf dem Markt verfügbaren Plattensysteme halten anatomisch vorgeformte Platten vor, welche zusätzlich durch den Einsatz von Zielbügelsystemen minimalinvasiv (Subvastus-Zugang) eingeschoben werden können. Die korrekten Achsverhältnisse lassen sich hiermit meist einfacher einstellen.
Problematisch ist die Verankerung der Schrauben im kortikalen Bereich. Dies gilt insbesondere, wenn im gleichen Femur eine Hüftendoprothese bereits implantiert wurde oder aber eine gestielte Femur- bzw. Tibiaprothese bei der Schraubensetzung berücksichtigt werden muss.
Je nach Hersteller können dann zusätzliche winkelstabile Platten (sog. locking attachement plates, Firma Synthes, Umkirch) oder anklickbare Flügel (Firma aap, Berlin) angebracht werden, um eine bikortikale Schraubenfixierung an den einliegenden Prothesenschäften – falls notwendig – zu realisieren. Es konnte gezeigt werden, dass eine bikortikale Verankerung an der Prothese vorbei, allen anderen Fixationsmethoden biomechanisch überlegen ist (Gwinner et al. 2015). In der letzten Generation der winkelstabilen Plattenfixateure sind die Schrauben zudem poliaxial besetzbar, was dem Operateur eine gute intraoperative Variabilität ermöglicht.
Grundsätzlich sollten bei der winkelstabilen Plattenosteosynthese folgende Punkte beachtet werden:
1.
Die Plattenlänge sollte immer so lang wie möglich gewählt werden, um eine optimale Lastverteilung auf dem Implantat zu erreichen.
 
2.
Metaphysär ist im Regelfall die maximale Zahl von Schrauben, die durch die Platte zu positionieren sind, anzustreben. Dies betrifft sowohl das distale Femur als auch die proximale Tibia.
 
3.
Im diaphysären Teil sollten nach heutigem Kenntnisstand bei gutem Knochen mindestens 3 bikortikale Schrauben platziert bzw. 6–8 Kortikaliskontakte erreicht werden. Dies bedarf selbstverständlich der individuellen Entscheidung zur Knochenqualität und Stabilität der Schraubenverankerung.
 
4.
Die Schwingstrecke ist so zu wählen, dass eine optimierte biomechanische Umgebung für die knöcherne Heilung entsteht. Dabei ist bei Trümmersituationen eine Schwingstrecke von 42–62 mm anzustreben (Mardian et al. 2015), welche bei einfachen und nahezu anatomisch reponierten Frakturen entsprechend länger gewählt werden sollte. Unbedingt zu verhindern ist ein zu steifes Implantat, d. h. dass zu viele Schrauben eingesetzt werden. Heutige winkelstabile Implantate benötigen eine große Schwingungsstrecke, da die Heilung durch eine Mikrobewegung (sekundäre Knochenheilung) erreicht wird. Mehr Schrauben führen also nicht zu einem zwangsläufig besseren Resultat.
 
5.
Von besonderer Relevanz ist das Vorliegen einer medialen Abstützung. Besteht medial eine starke Destruktions- oder Impaktionszone, ist oftmals die alleinige Stabilisierung mit der von lateral angelegten Platte unzureichend. Hierzu sollte dann eine zusätzliche mediale Abstützung erfolgen. Diese ist sowohl durch eine zusätzliche kurze Platte als auch durch ein Strut graft zu erreichen. Die Anwendung der jeweiligen Technik richtet sich dabei nach der persönlichen Präferenz, den Erfahrungen und der Verfügbarkeit entsprechender Implantate bzw. Transplantate.
 

Revisionsendoprothetik bei periprothetischen Frakturen des Femurs und der Tibia

Die Revisionsendoprothetik bei periprothetischen Frakturen entspricht den gleichen Prinzipien wie die Revisionsendoprothetik bei gewechselten Implantaten. Sie kommt immer dann zur Anwendung, wenn Implantate locker sind oder aber die knöcherne Substanz nicht ausreichend ist, eine Osteosynthese mit ausreichender Stabilität durchzuführen (Abb. 7).
Typische Indikationen für die Revisionsendoprothetik sind:
  • lockeres Implantat,
  • Fehlposition des Implantats,
  • gleichzeitig vorliegender massiver Abrieb mit ausgedehnten Osteolysen,
  • schlechte Knochenqualität, die keine Verankerung einer Osteosynthese erlaubt,
  • schlechte biologische Voraussetzungen zur Heilung,
  • vorbestehendes Versagen einer Osteosynthese,
  • Unmöglichkeit die notwendige Teilbelastung umzusetzen.
Das grundsätzliche Prinzip der Revisionsendoprothetik bei periprothetischen Frakturen ist es, im nichtalterierten Knochen eine ausreichende Implantatstabilität zu erreichen. Zusätzlich ist zu entscheiden, ob der verbliebene, für eine Fixation nicht ausreichende (meist metaphysäre Knochen) entfernt werden sollte oder aber aufgrund des stabil einsitzenden Implantats dann auch eine Heilungs-/Konsolidierungschance hat, sodass er bei der jetzigen Versorgung zwar keinen Stabilitätsgewinn bietet, möglicherweise aber bei zukünftigen Revisionseingriffen.
Wesentliches Entscheidungskriterium der Therapieplanung sollte dabei immer sein, dass es zu einem Fehlschlagen der jetzt durchgeführten Versorgung kommen kann. Auch dann muss es noch einen Plan B geben. Insofern ist mit Ausnahme von Infektionen der weitestgehende Erhalt der knöchernen Substanz anzustreben, lediglich der mechanisch absolut nicht mehr tragfähige Anteil sollte reseziert werden (Abb. 8).
Bezüglich der Verankerungsform werden im Regelfall zementfreie Prothesen empfohlen. Dies ist die logische Konsequenz aus der Überlegung, dass bei der Verwendung von Knochenzement dieser in die Frakturbereiche hineingelangt und eine Heilung behindert. Dennoch ist gerade bei älteren Patienten das zementierte Verfahren aufgrund der sofortigen unmittelbaren Möglichkeit der Vollbelastung eine wertvolle Option. Dies gilt auch unter Berücksichtigung dessen, dass durch den Zusatz von Antibiotika die Infektionsrate wahrscheinlich gesenkt werden kann und gleichzeitig bei einer irregulären Knochenform eine stabile Verankerung des Implantats durch Anpassung an die Knochenform möglich ist. Insofern bedarf es einer individuellen Entscheidung (Abb. 9).

Patellafrakturen

Die Therapie von periprothetischen Patellafrakturen bedarf einer individuellen Analyse und Behandlungsentscheidung. Eine rein auf der Frakturmorphologie basierende Therapieentscheidung ist bei diesen Verletzungen nicht gerechtfertigt. Aufgrund der Seltenheit dieser Verletzungen fehlt jedoch sowohl im Hinblick auf Versorgungsstrategien als auch im Hinblick auf klinische Resultate die Evidenz.
Aus klinischer Sicht stehen 3 Fragen im Mittelpunkt:
1.
Ist der Streckapparat noch suffizient und wie kann er rekonstruiert werden?
 
2.
Wie stabil ist der möglicherweise implantierte Patellarückflächenersatz?
 
3.
Ist die Dicke der knöchernen Patella ausreichend, eine Revisionsoperation der Patella durchzuführen?
 
Daraus ergeben sich mögliche Therapiestrategien:
  • Bei nichtdislozierten Frakturen, erhaltener Streckfunktion des Kniegelenks und, wenn vorhanden, stabilem Patellarückflächenersatz ist eine konservative Therapie dieser Frakturen angezeigt. Hier kann die frühzeitige Mobilisation des Patienten mit einer vorübergehenden Limitierung der Kniegelenkflexion sowie einer stufenweisen Erhöhung der Flexion erfolgen (Mittlmeier et al. 2005). Dasselbe gilt für Frakturen mit vertikalem Frakturverlauf, die selten den Streckapparat negativ beeinflussen.
  • Ist der Streckapparat unterbrochen, muss dieser rekonstruiert werden. Verschiedene Osteosynthesetechniken, die denen der Patellafrakturen entsprechen (Zuggurtung, Verschraubung, Cerclagen etc.), stehen dafür zur Verfügung.
  • Ist der Patellarückflächenersatz gelockert, liegt der Fokus ebenfalls zunächst auf der Rekonstruktion des Streckapparates, wobei der gelockerte Rückflächenersatz primär revidiert werden sollte. Dazu sind jedoch eine ausreichende Patelladicke und eine adäquate Größe des nichtfrakturierten Patellaanteils notwendig. Sollte dies möglich sein, muss die Patellarevision im Regelfall vor der Rekonstruktion des Streckapparates erfolgen.
    Erlaubt die knöcherne Situation keine nochmalige stabile Verankerung eines Patellarückflächenersatzes, kann dieser ersatzlos entfernt werden.
  • Erlaubt die Weichteilsituation oder die Art der Fraktur keine stabile primäre Fixation, sind verschiedene Augmentationstechniken (Hamstringsehnen, Knochen-Sehnen-Allografts) beschrieben (Mittlmeier et al. 2005; Erhardt und Kuster 2010; Yoo und Kim 2015). Wir verwenden in der Regel das Marlex-Mesh, wie von Hansen publiziert (Browne und Hanssen 2011).
  • Die Autoren sind sich einig, dass die partielle bzw. vollständige Patellektomie nur in Ausnahmefällen aufgrund des zu erwartenden schlechten funktionellen Ergebnisses durchgeführt werden sollte (Hozack et al. 1988). Alternativ ist die Verwendung eines Tuberositas-tibiae-Patellasehne-Patella-Quadrizepssehnen-Allograftes oder -Transplantates möglich.

Interprothetische Frakturen

Aufgrund der oben genannten demografischen Entwicklung entstand in den letzten Jahren eine immer größer werdende Gruppe von Patienten, bei denen 2 prothetische Komponenten am gleichen Knochen implantiert sind (Dexel et al. 2015). Dies betriff vor allem das Femur, gleichwohl es auch die Tibia sowie den Humerus betreffen kann. Bis heute beschränkt sich die Literatur auf Fallbeschreibungen und kleinere Fallserien, sodass weder für die Inzidenz noch für die Ätiologie eine klare Evidenz existiert. So beschreiben Fink et al. in 5 Jahren gerade einmal 11 interprothetische Frakturen, während Platzer et al. auf 24 Fälle in 16 Jahren kommen (Fink et al. 2005; Platzer et al. 2011). Ein Risikofaktor scheint dabei die sog. interprothetische Distanz zu sein, d. h. das Ausmaß des nicht implantattragenden Knochens zwischen den beiden Prothesen. Obwohl die bisherige Literaturlage nicht eindeutig ist und es widersprüchliche Ergebnisse gibt (Iesaka et al. 2005; Lehmann et al. 2012; Soenen et al. 2013) legen eigene bisher nicht publizierte Daten aus Finite-Elemente-Untersuchungen nahe, dass es zu einem erhöhten Stress auf den Knochen kommt, sofern die interprothetische Distanz kleiner als 6 cm ist. Daher sollte man in solchen Fällen eine protektive additive Plattenosteosynthese diskutieren, wie es auch andere Autoren bereits empfehlen (Dexel et al. 2015).
Beim Vorliegen einer interprothetischen Fraktur gelten die gleichen Grundsätze, wie sie bereits oben diskutiert wurden. Im Falle von fest integrierten Prothesenkomponenten bietet sich eine winkelstabile Plattenosteosynthese mit der Option der periprothetischen Schraubenverankerung an (Abb. 10). Bei gelockerten Prothesenkomponenten oder im Falle von fehlenden Optionen zur Verankerung von Osteosynthesematerial sollte eine revisionsendoprothetische Rekonstruktion angestrebt werden (Abb. 11).

Nachbehandlung

Die Nachbehandlung periprothetischer Frakturen rund um das Kniegelenk hängt von der Art der Versorgung ab und sollte nicht in standardisierter Form erfolgen. Grundsätzlich muss dabei die Frage gestellt werden, ob und inwieweit der ältere Patient überhaupt in der Lage ist eine suffiziente Teilbelastung einzuhalten, sodass in der operativen Strategie möglichst eine belastungsstabile Situation anzustreben ist. Eine Mobilisation unter Zuhilfenahme von geeigneten Gehhilfen sollte, wenn möglich, direkt postoperativ unter entsprechender Anleitung erfolgen. Je nach Zustand des Streckapparates kann eine initiale Limitierung der Flexion mit schrittweisem zunehmendem Bewegungsumfang sinnvoll sein. Weiterhin sollte die Prothese in regelmäßigen Abständen kontrolliert werden, um etwaig auftretende Lockerungen frühzeitig zu detektieren.

Fazit für die Praxis

Sowohl die Osteosynthese als auch die Revisionsendoprothetik haben in der Behandlung periprothetischer Frakturen ihren Stellenwert. Die Entscheidungskriterien wurden oben dargestellt. Im Regelfall gilt, dass Revisionsendoprothesen nur dann zur Anwendung kommen sollten, wenn die Verankerung der Osteosynthese nicht suffizient möglich ist bzw. große Knochendefekte vorliegen oder eine gelockerte Prothese vorliegt.
Bei ausgedehnten knöchernen Defekten sind Kombinationsverfahren der Revisionsendoprothetik mit zusätzlichen Augmenten, strukturellen Allografts oder zusätzlichen Osteosynthesen zu überlegen.
Hauptherausforderung für die Osteosynthese ist ein vorliegender segmentaler Knochendefekt. Dies betrifft zum einen die biologischen Voraussetzungen der Heilung, zum anderen die mechanische Abstützung. Insbesondere mediale segmentale Knochendefekte bedürfen einer zusätzlichen Stabilisierung, möglicherweise durch eine zusätzliche Platte.
Wichtig für die Frakturheilung nach einer Osteosynthese ist eine optimale biomechanische Umgebung (Mechanobiologie), d. h. Ergebnis der Osteosynthese muss einerseits eine adäquate Frakturrepositon sein, anderseits muss die Osteosynthese so konfiguriert sein, dass sie Mikrobewegungen zulässt, welche die sekundäre Knochenheilung induziert. Wie bei jeder Osteosynthese ist das Zusammenwirken von Stabilität und Biologie von herausragender Bedeutung. Jedwede Schädigung der peri- und endostalen Blutversorgung zusätzlich zu der bereits eingetretenen Prothesenversorgung und der Fraktur sollte vermieden werden. Winkelstabile Implantate mit der Möglichkeit der poliaxialen Schraubenplatzierung besitzen hier einen überragenden Stellenwert.
Die Problematik der Revisionsendoprothese ist zum einen das im Allgemeinen erhöhte perioperative Risiko beim Eingriff, zum anderen die Verwendung eines meist größeren Implantats und die damit einhergehende höhere Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Infektion. Zudem wird durch den größeren Eingriff die Funktionalität des gelenkumgebenden Gewebes noch einmal geschädigt, sodass im Regelfall nicht mit einer völlig schmerzfreien Prothese zu rechnen ist. Megaprothesen spielen nur bei älteren Patienten mit niedrigem Leistungsanspruch eine Rolle.
In der Summe gilt, dass der Patient den Eingriff ohne relevante Morbidität und mit dem geringstmöglichen Risiko für die Mortalität überstehen muss.
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