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Klinische Neurologie
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Publiziert am: 30.01.2020

Tumoren der Meningen

Verfasst von: Martin Glas, Björn Scheffler und Sied Kebir
Tumoren der Meningen gehen in der großen Mehrzahl von den Meningen selbst aus und entsprechen den Meningeomen. Zu den Tumoren der Meningen zählen jedoch auch Hämangioperizytome, die mesenchymale Tumoren darstellen und ebenso in anderen Organen auftreten können. Die Meningen können auch von Metastasen und Lymphomen betroffen sein.
Tumoren der Meningen gehen in der großen Mehrzahl von den Meningen selbst aus und entsprechen den Meningeomen. Zu den Tumoren der Meningen zählen jedoch auch Hämangioperizytome, die mesenchymale Tumoren darstellen und ebenso in anderen Organen auftreten können. Die Meningen können auch von Metastasen und Lymphomen betroffen sein.

Meningeome

Häufigkeit und Vorkommen
Meningeome machen etwa 40 % der primären intrakraniellen Tumoren aus. Wahrscheinlich liegt ihre Inzidenz bei 8/100.000. Der Erkrankungsgipfel liegt in der 6. Lebensdekade. Der Anteil an symptomatischen Meningeomen liegt wahrscheinlich bei ca. 20 % der primären Hirntumoren. Frauen sind etwa dreimal häufiger betroffen als Männer. Ätiologisch ist im Zusammenhang mit der Meningeomerkrankung nur eine Strahlenexposition als gesichert anzusehen, wie man aus der Beobachtung der Überlebenden der Atombombenabwürfe und einer großen Kohorte von Einwanderern nach Palästina, die wegen Tinea capitis am Kopf bestrahlt wurden, belegen konnte.
Pathologie
Meningeome sind überwiegend gut differenzierte Tumoren; 85 % werden dem WHO-Grad I zugeschrieben, ca. 12–14 % dem WHO-Grad II, entsprechend den atypischen Meningeomen, und nur 1–3 % dem WHO-Grad III, den anaplastischen Meningeomen.
Klinik
Die Symptome entsprechen dem Ort der Manifestation, d. h. kleine am Optikus gelegene Tumoren können bei minimaler Masse schon eine Visusstörung hervorrufen, wobei frontal gelegene Meningeome erst bei einer Größe von mehreren Zentimetern bemerkt werden. Anfälle, Sprachstörungen, Paresen sowie Gefühlsstörungen oder Störungen am visuellen System gehören zu den häufigsten Symptomen. Da die Ausfälle sich in der Regel langsam entwickeln, werden sie von den Patienten anfangs oft nicht bemerkt. Etwa 40–50 % der klinisch manifesten Meningeome verursachen zerebrale Anfälle. Ein großer Teil der Meningeome bleibt zeitlebens unbemerkt und wird zufällig in einer zerebralen Bildgebung nachgewiesen.
Diagnostik
Die zur Diagnose führende Bildgebung ist meistens eindeutig. Die Tumoren haben in der Regel einen breiten Kontakt zur Dura, sind homogen kontrastmittelaufnehmend, im CCT schon oft primär hyperdens und können teilverkalkt sein. Die Ausprägung eines perifokalen Ödems ist variabel, hat aber keine Korrelation mit dem WHO-Grad. Das MRT hat bezüglich der in allen Ebenen darstellbaren rasenförmigen Ausbreitung insbesondere an der Schädelbasis eine klare diagnostische Überlegenheit. Bei unklarem Befund oder z. B. auch bei der Frage nach einem Tumorrest kann gelegentlich auch eine nuklearmedizinische Spezialuntersuchung indiziert sein. Diese macht sich zu Nutze, dass Meningeome Somatostatinrezeptoren exprimieren, die mittels eines DOTATOC-PET-CT dargestellt werden können. Die Rolle der Molekularbiologie ist bei Meningeomen noch nicht so groß wie bei Gliomen. Aber auch hier entwickeln sich die Diagnostik und die Therapieansätze zunehmend in Richtung einer personalisierten Behandlung. So ist z. B. der Nachweis einer TERT-Mutation ein Indikator für eine schlechte Prognose. Eine Reihe von nachweisbaren Biomarkern und/oder korrespondierenden möglichen zielgerichteten Therapien stehen experimentell zur Verfügung (z. B. Hedgehog-Inhibitor bei SMO-Mutation, Vascular-endothelial-growth-factor[VEGF]-/VEGF-Rezeptor[R]-Inhibitoren gegen VEGF/VEGFR2 etc.).
Therapie und Prognose
Der Spontanverlauf der Meningeomerkrankung ist nicht sicher vorhersagbar. Ohne Kenntnis der Histologie kann empfohlen werden, ein großes raumforderndes oder ein symptomatisches Meningeom in der Regel zu behandeln (Goldbrunner et al. 2016). Ein zufällig entdeckter nicht raumfordernder Tumor, der zugleich areaktiv ist und bei weiterem Wachstum nicht unmittelbar wichtige Nachbarschaftsstrukturen wie Sehnerven oder kaudale Hirnnerven komprimieren würde, kann zunächst MR-tomografisch kontrolliert werden. Erst wenn sich dann innerhalb eines Kontrollzeitraums von einem halben bis einem Jahr eine Größenzunahme zeigt oder Symptome auftreten, ist eine Behandlung zu empfehlen (Westphal und Tonn 2006; Goldbrunner et al. 2016). Anders ist die Situation beim Vorhandensein der Tumorhistologie und des WHO-Gradings (Goldbrunner et al. 2016). Subtotal resezierte Meningeome werden auch bei einer WHO-Grad-I- bis -II-Histologie meistens nachbehandelt, WHO-Grad-III-Meningeome auch im Falle einer Komplettresektion. Ganz allgemein kann man festhalten, dass bei inkomplett reseziertem Meningeom (WHO-Grad I–III) eine zusätzliche strahlentherapeutische Behandlung diskutiert werden sollte. Bei WHO-Grad-III-Tumoren ist diese immer indiziert. Bei komplett resezierten WHO-Grad-II-Meningeomen sind die Empfehlungen uneinheitlich. Es gibt jedoch einige Hinweise, dass auch in dieser Situation eine Strahlentherapie indiziert ist. Bei älteren Patienten kann die Radiochirurgie eine primäre Rolle spielen. Die Rolle der Systemtherapie ist bei Patienten mit Meningeom unklar. Die vielversprechendsten Ergebnisse wurden mit Angiogeneseinhibitoren, z. B. Bevacizumab, erzielt. Im Rezidiv der Erkrankung und insbesondere bei fehlender operativer und strahlentherapeutischer Option kann ein medikamentöser Therapieversuch diskutiert werden.
Die Prognose der Meningeome wird beeinflusst vom WHO-Grad, dem Ausmaß der Resektion sowie der Lage des Tumors. Eine MRT sollte als Ausgangsbefund innerhalb von 48 Stunden nach der Resektion (Alternative nach 3 Monaten) angefertigt werden. Bei den WHO-Grad-I-Tumoren hängt die Prognose von der nachgewiesenen Wachstumstendenz und der Radikalität einer aufgrund von Wachstum indizierten Resektion ab. Vollständig an der Konvexität lokalisierte, mit Ansatz resezierbare Tumoren haben eine geringe Rezidivrate, während Meningeome mit Infiltration des Sinus sagittalis oder des Sinus cavernosus sich in der Regel nur unvollständig resezieren lassen und deswegen mit bis zu 50 % Wahrscheinlichkeit rezidivieren. Generell geht man davon aus, dass Patienten mit einem komplett resezierten WHO-I-Meningeom eine 10-Jahres-Rückfallquote von ca. 20–40 %, inkomplett resezierte eine Quote von 55–100 % haben (Mirimanoff et al. 1985; Barbaro et al. 1987; Condra et al. 1997; Soyuer et al. 2004; Goldbrunner et al. 2016). Im Verlauf sollte eine MRT zunächst jährlich und dann ggf. ab dem 6. Jahr zweijährlich erfolgen. Bei inkomplett resezierten WHO-Grad-I-Meningeomen empfiehlt es sich, etwas engmaschiger zu kontrollieren (z. B. zunächst in Abständen von 6–12 Monaten). Die Datenlage bei atypischen WHO-Grad-II-Meningeomen ist etwas unsicherer. Man geht davon aus, dass diese Patienten eine 5-Jahres-Rückfallquote nach inkompletter Resektion von ca. 40 % und von ca. 30 % nach kompletter Resektion haben (62, 63). Die entsprechenden MRT-Kontrollintervalle sind hier kürzer (z. B. alle 6 Monate für 5 Jahre und dann jährlich). WHO-Grad-III-Meningeome sind praktisch fast nie kurativ zu behandeln und haben eine progressionsfreie 5-Jahres-Überlebenszeit von ca. 12–57 %, selbst nach Operation und Radiotherapie (Sughrue et al. 2010; Goldbrunner et al. 2016). Darüber hinaus können diese Tumoren auch metastasieren. Als MRT-Kontrollintervalle empfehlen sich hier 3–6 Monate.
Besondere Probleme bieten die Meningeome des Sinus cavernosus und N. opticus. Erstere werden heute nur in ihren exophytischen Anteilen behandelt, insbesondere den rasenförmigen Ausbreitungen in Richtung des Optikuskanals. Es hat sich nicht bewährt, bei Optikusscheidenmeningeomen eine Meningeommanschette um den N. opticus herum zu entfernen, da die Störung der oberflächlichen Mikrozirkulation zur Erblindung führt. Man beschränkt sich chirurgisch auf die Optikuskanalentdachung und Schlitzung der Durahülle. Des Weiteren sind auch die Meningeome, die einen Sinus mitbeteiligen, also die des Sinus sagittalis superior und des Sinus transversus problematisch. Man geht unter Belassung von Tumorresten konservativ vor, um den Verschluss des Sinus und die Ausbildung von Kollateralen abzuwarten, damit dann eine En-bloc-Resektion möglich wird, oder diskutiert frühzeitig z. B. eine Strahlentherapie.
Bei eindeutig nachgewiesener Größenzunahme von Resten intrakavernöser Meningeome und bei progredienten Optikusscheidenmeningeomen sollte eine Bestrahlung unter Schonung strahlensensibler Nachbarschaftsstrukturen erwogen werden. Dazu bestehen umfassende Erfahrungen und hervorragende Langzeitverläufe in Deutschland mit 10-Jahres-Kontrollraten von über 90 % mit der fraktionierten stereotaktischen konformalen Zielbestrahlung (Debus et al. 2001). Damit ist es offenbar auch möglich, Optikusscheidenmeningeome unter Schonung des Sehnerven erfolgreich zu kontrollieren.
Fallbeispiel
46-jährige Patientin mit multilokulärem Meningeom des Sinus cavernosus, des Klivus, bis in den zervikalen Spinalkanal reichend und an der Falx, z. T. „en plaques“ wachsend. Amaurose beidseitig. Sonst neurologisch asymptomatisch. Zustand nach Erstdiagnose 1996 mit mehrfacher operativer Resektion. Neuerlicher Progress 2005 (Abb. 1). Dann Durchführung einer stereotaktischen, fraktionierten Zielbestrahlung der Tumormanifestationen, operative Entlastung hoch zervikal. Seither klinisch und MR-tomografisch stabil.
Fallbeispiel
69-jähriger Patient mit multilokulärem Falxmeningeom und erstem Grand-Mal-Anfall 1999. Damals Erstdiagnose und operative Resektion des frontalen Tumors. 2009 Rezidive, die wegen der Beziehung zum Sinus cavernosus nicht operiert werden konnten. Im Juni 2009 Gamma-Knife Bestrahlung. Kein weiterer Progress. Derzeit asymptomatisch (Abb. 2).

Andere meningeale Tumoren

Hämangioperizytom e sind therapeutisch schwierigere Tumoren. Sie werden dem WHO-Grad II und bei höherer Mitoserate und/oder sonstigen Anaplasiezeichen dem WHO-Grad III zugeordnet. Sie sind als aggressiv einzuordnen und neigen zu Rezidiven und Fernmetastasen. Entscheidend ist eine aggressive, u. U. auch Nachbarschaftsstrukturen nicht schonende Resektion. Eine primäre Nachbestrahlung ist nicht evidenzbasiert; jedoch gibt es Hinweise aus retrospektiven Serien, dass eine lokale Rezidivneigung durch eine Nachbestrahlung mit 50–60 Gy reduziert wird und dass dies einen positiven Effekt auf die Überlebenszeit haben könnte.

Facharztfragen

1.
Welche meningealen Tumoren außer Meningeomen gibt es?
 
2.
Schildern Sie die Therapie der Meningeome unter Berücksichtigung des WHO-Grades.
 
Literatur
Barbaro NM et al (1987) Radiation therapy in the treatment of partially resectedmeningiomas. Neurosurgery 20:525–528CrossRef
Condra KS et al (1997) Benign meningiomas: primarytreatment selection aff ects survival. Int J Radiat Oncol Biol Phys 39:427–436CrossRef
Debus J, Wuendrich M, Pirzkall A et al (2001) High efficacy of fractionated stereotactic radiotherapy of large base-of-skull meningiomas: long-term results. J Clin Oncol 19:3547–3553CrossRef
Goldbrunner R et al (2016) EANO guidelines for the diagnosis and treatment of meningeomas. Lancet Oncol 17:e383–91CrossRef
Mirimanoff RO et al (1985) Meningioma: analysis of recurrence and progressionfollowing neurosurgical resection. J Neurosurg 62:18–24CrossRef
Soyuer S et al (2004) DeMonte F.Radiotherapy after surgery for benign cerebral meningioma. Radiother Oncol 71:85–90CrossRef
Sughrue ME et al (2010) Outcome and survival following primary and repeat surgery for World Health Organization Grade III meningiomas. J Neurosurg 113:202–209CrossRef
Westphal M, Tonn JC (2006) Meningiomas and meningeal tumors. In: Tonn JC, Westphal M, Rutka JT et al (Hrsg) Neuro-Oncology of CNS Tumors. Springer, Berlin/Heidelberg/New York/Tokyo, S 81–101CrossRef