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Rehabilitative Maßnahmen bei sekundären Lymphödemen

Verfasst von: Eva-Maria Kalusche-Bontemps und Ulf Seifart
Das sekundäre Lymphödem ist eine chronische Erkrankung, die unbehandelt zur Progression neigt. Eine Heilung ist durch Therapie nicht erreichbar. Mit zunehmendem Lymphödem nehmen auch die Komplikationen zu und eine umfassende Aufklärung der Patienten ist nötig. Die Therapie der Wahl ist dabei eine komplexe physikalische Entstauungstherapie. Wichtig ist eine laufende, gute Abstimmung zwischen Arzt, Physiotherapeut und Sanitätshaus. Das lebenslange Beachten der Verhaltensregeln nach Operation oder anderen therapeutischen Eingriffen (z. B. Strahlentherapie) und eine gute Compliance verhindern eine Verschlechterung. Patienten sollen dazu angehalten werden, einen aktiven Lebensstil beizubehalten, Übergewicht zu vermeiden, regelmäßig Sport zu treiben und eine gesunde Ernährung einzuhalten. Dabei gilt: Eine manuelle Lymphdrainage bei nicht vorhandenem Lymphödem ist wirkungslos und eine manuelle Lymphdrainage ohne Kompression ist ebenfalls wirkungslos.
  • Das sekundäres Lymphödem ist eine chronische Erkrankung, die unbehandelt zur Progression neigt
  • Eine Heilung ist durch die Therapie nicht erreichbar
  • Mit zunehmendem Lymphödem nehmen auch die Komplikationen zu
  • Eine umfassende Aufklärung der Patienten ist nötig
  • Eine komplexe physikalische Entstauungstherapie ist die Therapie der Wahl
  • Wichtig: Gute Abstimmung zwischen Arzt, Physiotherapeut und Sanitätshaus
  • Das lebenslange Beachten der Verhaltensregeln nach Operation oder anderen therapeutischen Eingriffen (z. B. Strahlentherapie) und eine gute Compliance verhindern eine Verschlechterung
  • Patienten sollen dazu angehalten werden, einen aktiven Lebensstil beizubehalten, Übergewicht zu vermeiden, regelmäßig Sport zu treiben und eine gesunde Ernährung einzuhalten
  • Eine manuelle Lymphdrainage bei nicht vorhandenem Lymphödem ist wirkungslos
  • Eine manuelle Lymphdrainage ohne Kompression ist wirkungslos

Epidemiologie

Nach einer Brustkrebserkrankung beträgt die Gesamtinzidenz für ein chronisches Armlymphödem nach einer neueren Metaanalyse 21,4 % (DiSipio et al. 2013) mit einer großen Variabilität von 5–50 %. Die Inzidenz des Armlymphödems scheint bis zu 2 Jahren nach der Diagnose oder einer Brustkrebsoperation zu steigen. Nach einer axillären Lymphknotendissektion (ALND) ist sie etwa viermal höher (19,9 %) als nach einer Sentinellymphknotenbiopsie (5,6 %) (DiSipio et al. 2013). Auch eine postoperative Bestrahlung der Axilla mit oder ohne ALND ist mit einem erhöhten Risiko für ein Lymphödem verbunden.
Eine neuere prospektive Studie (Miller et al. 2016) verglich die sofortige frühe Implantatrekonstruktion und die sofortige autologe Rekonstruktion mit der Mastektomie ohne Rekonstruktion und zeigte, dass eine sofortige Rekonstruktion – besonders die Implantatrekonstruktion – das Risiko eines Lymphödem reduziert. Eine Übersicht über verschiedene Studien zu behandlungsassoziierten Risikofaktoren gibt die Übersichtsarbeit von Gillespie et al. 2018.
Nach einer inguinalen Lymphknotendissektion tritt ein Lymphödem häufiger auf als nach einer ALND (Neuhüttler und Brenner 2006). Etwa 50 % der Frauen mit einem gynäkologischen Tumor bekommen ein Beinlymphödem innerhalb von 2 Jahren nach einer Operation (Hayes et al. 2017), wobei das Lymphödem bei 60 % persistiert und bei 40 % vorübergehend vorhanden ist.
Ein Lymphödem ist mit hohen Kosten verbunden, besonders bei Komplikationen, wie einem Erysipel oder einem Ulkus. In einer Hamburger Studie (Gutknecht et al. 2017) konnte bei 348 Patienten mit Lymphödem oder kombiniertem Lip-Lymphödem gezeigt werden, dass die durchschnittlichen Kosten pro Patient und Jahr 5784 € betragen, wobei davon 4445 € (76,9 %) direkte Kosten und 1338 € indirekte Kosten waren. Von den direkten Kosten wurden 3796 € von den gesetzlichen Krankenkassen getragen und 649€ von den Patienten. Die manuelle Lymphdrainage und Kompressionstherapie sowie die Kosten für die Behinderung verursachten die höchsten Kosten. Die Kosten von Arbeitsunfähigkeit und/oder Berentung sind in dieser Darstellung nicht berücksichtigt. Ein strukturiertes Krankheitsmanagement ist notwendig, um ein Lymphödem frühzeitig zu diagnostizieren und Komplikationen zu vermeiden und die sozioökonomische Last zu reduzieren.

Ätiologie

Ein Lymphödem ist eine chronische, regionale Weichteilschwellung durch Anreicherung proteinreicher Flüssigkeit, die durch eine Insuffizienz des Lymphtransports verursacht wird. Man unterscheidet zwischen primären und sekundären Lymphödemen, letztere entstehen durch anatomische Veränderungen, wie
  • radikale Operationen (z. B. axilläre oder retroperitoneale Lymphknotenentfernung),
  • Bestrahlung oder
  • wiederholte Lymphangitiden mit Lymphangiosklerose (International Society of Lymphology 2020; Gesellschaft Deutschsprachiger Lymphologen et al. 2017).
Es gibt akute, chronische, vorübergehende und progrediente Lymphödeme.
Nach einer ALND kann ein Lymphödem am Arm, der Hand, der Schulter, dem Nacken oder den betroffenen Brustkorbquadranten entstehen. Nach Behandlung von beispielsweise HNO-, gynäkologischen und urogenitalen Tumoren kann ein Lymphödem auch an anderen Körperregionen auftreten, wie im Kopf-Hals-Bereich, am Körperstamm oder an den Beinen.
Ein ausgedehnter chirurgischer Eingriff, wie bei einer ALND, eine hohe Anzahl von entnommenen Lymphknoten, eine Mastektomie, Bestrahlung der regionalen Lymphknoten, Infektionen, Übergewicht, höheres Alter bei Diagnose, Adipositas und Bewegungsmangel sind Risikofaktoren für die Entstehung eines Lymphödems bei Tumorpatienten (DiSipio et al. 2013; Hayes et al. 2017; Warren et al. 2014; McLaughlin et al. 2008; Asdourian et al. 2016; Gesellschaft Deutschsprachiger Lymphologen et al. 2017).

Diagnose

In der Regel kann ein Lymphödem leicht durch Anamnese, Inspektion, Palpation und Umfangs- oder Volumenmessung diagnostiziert werden. In Einzelfällen (bei unklarer Diagnose oder bei Patienten mit multiplen Komorbiditäten) kann eine spezielle morphologische oder funktionelle Diagnostik notwendig werden, wie Sonografie, Duplexsonografie zur Untersuchung des venösen Systems und Kernspintomografie, oder selten auch funktionelle Tests wie Isotopenlymphografie oder Fluoreszenzmikrolymphangiografie. Das Extremitätenvolumen sollte vor, während und nach der Behandlung gemessen werden (International Society of Lymphology 2020; Gesellschaft Deutschsprachiger Lymphologen et al. 2017). Nicht messbare Ödeme sollten fotografisch dokumentiert werden.
Lymphödeme werden in die 4 Stadien 0–III eingeteilt (Tab. 1).
Tab. 1
Stadien, Pathologie und Symptome des Lymphödems. (Nach International Society of Lymphology 2020; Gesellschaft Deutschsprachiger Lymphologen et al. 2017; Földi et al. 2005)
Stadium
Pathologie
Symptome
Stadium 0
(Latenzstadium)
Subklinisches Stadium
Pathologisches Lymphszintigramm
Stadium I
(spontan reversibel)
Eiweißreiches Ödem, fokale fibrosklerotische Gewebeveränderungen
Weiche, Dellen hinterlassende Schwellung, Hochlagern reduziert die Schwellung, Akren häufig einbezogen
Stadium II
(nicht spontan reversibel)
Lymphostatische Fibrosklerose
Gliedmaßen dekonturiert, Gewebe palpatorisch konsistenzvermehrt, auf Hochlagern nicht reagierende Schwellung
Stadium III
(Elefantiasis)
Ausgedehnte Fibrosklerose, Fettgewebsproliferation
Säulenförmige Entstellung der Gliedmaßen, häufige Komplikationen (Erysipel, Mykosen, Lymphfisteln, -zysten, Hyperkeratosen), invalidisierend

Prophylaxe und Behandlung

Als Primärprävention sollte das chirurgische Vorgehen bei Tumorpatienten so lymphschonend wie onkologisch möglich durchgeführt werden (Gesellschaft Deutschsprachiger Lymphologen et al. 2017).
Häufig wird Patienten nach ALND empfohlen, Blutdruckmessungen und medizinische Hautpunktionen wie ipsilaterale Blutabnahmen oder Injektionen zu vermeiden, um einer potenziellen Infektion vorzubeugen. Sogar Flugreisen werden häufig als mögliche Ursache eines Lymphödems zitiert, ursächlich soll der niedrige Kabinendruck während des Fluges sein.
Die meisten diese Empfehlungen sind bislang nicht durch ein hohes Evidenzlevel bewiesen, obwohl sie auch in nationalen Richtlinien gefunden werden (Gesellschaft Deutschsprachiger Lymphologen et al. 2017; American Cancer Society 2021, Asdourian 2021). Eine neuere große prospektive Studie (Ferguson et al. 2016) zeigte keine signifikante Assoziation zwischen diesen oben erwähnten Risikofaktoren und einem danach entstehenden Lymphödem. Es gibt nicht genug Daten, um die strikte Vermeidung von Hautpunktionen und Blutdruckmessungen sowie das Tragen von Kompressionsstrümpfen auf Flugreisen zu rechtfertigen (Ahn und Port 2016). Stattdessen sollten die Patienten dazu angehalten werden, einen aktiven Lebensstil beizubehalten, Übergewicht zu vermeiden, regelmäßig Sport zu treiben und eine gesunde Ernährung einzuhalten (Tab. 2, Ahn und Port 2016).
Tab. 2
Stadiengerechte Basistherapie des Lymphödems durch komplexe physikalische Entstauungstherapie (KPE). (Nach Gesellschaft Deutschsprachiger Lymphologen et al. 2017)
Stadium
Phase 1
Entstauung
Phase 2
Optimierung
Phase 3
Konservierung
0
Prävention bei Lymphödem-Risikofaktoren
I
• ML: 1x/Tag
• Kompressionsbandagen
• Entstauende Bewegung
• Dauer bis 21 Tage
 
• ML: in Serien
• Kompressionsstrümpfe bei Bedarf oder konsequent auf Dauer
II
• ML: 2x/Tag
• Kompressionsbandagen
• Entstauende Bewegung
• Dauer bis 28 Tage
• ML: 1–2x/Woche als Langzeittherapie
• Kompressionsstrümpfe und Bandagen
• Entstauende Bewegung
• Bei Verschlechterung Wiederholung der Phase 1
• ML: in Serien oder 1x/Woche
• Kompressionsstrümpfe konsequent auf Dauer
• Entstauende Bewegung
III
• ML: 2–3x/Tag
• Kompressionsbandagen
• Entstauende Bewegung
• Dauer bis 35 Tage
• ML: 2–3x/Woche als Langzeittherapie
• Kompressionsstrümpfe und Bandagen
• Entstauende Bewegung
• Wiederholung der Phase 1
• ML: in Serien oder 1–2x/Woche
• Kompressionsstrümpfe konsequent auf Dauer
• Entstauende Bewegung
ML, manuelle Lymphdrainage
Es gibt keinerlei Evidenz für eine prophylaktische manuelle Lymphdrainage, außer in den ersten postoperativen Tagen, eine alleinige Kompressionstherapie oder für eine prophylaktische komplexe physikalische Entstauungstherapie (KPE) oder einzelne Komponenten davon (Gesellschaft Deutschsprachiger Lymphologen et al. 2017). „Eine aktuell publizierte Studie zeigt erstmalig einen Effekt einer prophylaktischen Kompressionstherapie bei Patientinnen mit einem erhöhten Risiko für ein Lymphödem (Paramanandam 2022). In wie weit diese Erkenntnisse allgemein gültig sind, kann derzeit nicht beurteilt werden, hier sollten weitere Studien abgewartet werden.“
Für Patienten mit einem erhöhten Risiko für ein Beinlymphödem fehlen Studien mit hohem Evidenzgrad. Daher wird für diese Patienten nach einer Operation oder einer retroperitonealen Bestrahlung empfohlen, beim Sport einen gut sitzenden rundgestrickten Kompressionsstrumpf zu tragen.

Therapie

Im Einzelnen werden folgende Therapieziele verfolgt (Gesellschaft Deutschsprachiger Lymphologen et al. 2017):
  • Verbesserung des Lymphabflusses
  • Erweichung fibrosklerotischer Gewebsveränderungen
  • Reduktion der Bindegewebsvermehrung
  • Verbesserung der Funktionsdefizite der Gliedmaßen, um die Wirksamkeit der Muskel- und Gelenkpumpe zu erhöhen
  • Vermittlung von Selbstbehandlungsmöglichkeiten (Hautpflege, Lymphdrainagegriffe, Technik der lymphologischen Kompressionsbandage)
  • Rückführung bzw. Wiedereingliederung des Betroffenen in sein soziales Umfeld und seinen Beruf
  • Verhinderung einer Pflegebedürftigkeit
  • Verbesserung der Lebensqualität (Herpertz 2010; Földi et al. 2005)
Die komplexe physikalische Entstauungstherapie (KPE) ist die Standardbehandlung eines Lymphödems, auch wenn deren Effektivität und die einzelnen Komponenten nicht sehr gut belegt sind (Herpertz 2010; Fu et al. 2010; Kalusche et al. 2014; Li et al. 2016; International Society of Lymphology 2020; Gesellschaft Deutschsprachiger Lymphologen et al. 2017).
Sie wird in 2 Phasen aufgeteilt (Tab. 2): Phase 1 dient der Ödemreduktion und beinhaltet eine intensive Behandlungsphase mit:
  • Tägliche manuelle Lymphdrainage
  • Kompressionstherapie, üblicherweise durch eine mehrschichtige Kompressionsbandagierung mit Kurzzugbinden
  • Entstauende Bewegungsübungen, in Kombination mit der Kompressionsbandagierung
  • Haut- und Nagelhygiene und -pflege (Reinigung, Lotionen mit niedrigem pH-Wert)
  • Informationsvermittlung zum Lymphödem sowie Verhaltensempfehlungen zur Risikoreduktion und zur Selbstbehandlung
Die lang andauernde Phase 2, die direkt im Anschluss an die Phase 1 folgt, soll den erreichten Zustand erhalten und optimieren. Sie besteht aus:
  • Kompressionstherapie mit einem flachgestrickten Kompressionsstrumpf
  • Hautpflege
  • Fortführung der Bewegungsübungen
  • Wenn nötig manuelle Lymphdrainage
Nähere Details werden in den nationalen und internationalen Leitlinien beschrieben (International Society of Lymphology 2020; Gesellschaft Deutschsprachiger Lymphologen et al. 2017).
Das Alter, Begleiterkrankungen, Multimorbidität, ein malignes Lymphödem/Palliativsituation und posttraumatische/postoperative Ödeme erfordern ggf. eine modifizierte Anwendung der KPE (Gesellschaft Deutschsprachiger Lymphologen et al. 2017).
Absolute Kontraindikationen für eine KPE:
Relative Kontraindikationen (Gesellschaft Deutschsprachiger Lymphologen et al. 2017):
  • Malignes Lymphödem
  • Hautinfektionen
  • Hauterkrankungen (z. B. blasenbildende Dermatosen)
  • pAVK-Stadium I/II
Eine manuelle Lymphdrainage ohne Kompressionstherapie ist nicht geeignet zur Behandlung oder Vorbeugung eines Lymphödems (Gesellschaft Deutschsprachiger Lymphologen et al. 2017). Kinesio® Tex Tape kann hilfreich sein und schadet nicht, doch es gibt keine Studie, die damit eine signifikante Umfangdifferenz der Extremität zeigt (Morris et al. 2013; Li et al. 2016). Wenn alle anderen Therapiemöglichkeiten versagen, kann die Chirurgie (microchirurgische lymphatische Rekonstruktions- oder Bypasstechniken einschließlich Lymphknotentransfer, lympholymphatischer Bypass und lymphaticovenöse Anastomosen) auch erfolgreich sein (Gesellschaft Deutschsprachiger Lymphologen et al. 2017).
Die Ursachen für das Versagen einer Lymphödembehandlung sind überschaubar (Kalusche et al. 2014):
  • Schlechte Patientencompliance
  • Schlechtsitzender Kompressionsstrumpf
  • Rezidivierende Erysipele
  • Malignes Lymphödem
  • Inkompetenter Lymphtherapeut
Ggf. sollte eine stationäre Einleitung der Therapie erfolgen (Gesellschaft Deutschsprachiger Lymphologen et al. 2017).

Rehabilitation und physikalische Therapie/Krafttraining

Körperliche Aktivität nach der Diagnose Brustkrebs reduziert die krebsspezifische Mortalität um 34 % und die Gesamtmortalität um 41 % (Ibrahim und Al-Homaidh 2011). Diese Ergebnisse werden durch weitere Studien und Reviews unterstützt (Beasley et al. 2012; Baumann et al. 2013). Darüber hinaus besteht ein positiver Effekt körperlicher Aktivität auf das Brustkrebsrezidivrisiko (Ibrahim und Al-Homaidh 2011; Loprinzi et al. 2012; Dieli-Conwright et al. 2016). Krafttraining allein oder in Kombination mit aeroben Übungen hat einen positiven Einfluss auf die Muskelkraft, die Körperzusammensetzung, das Selbstwertgefühl und – am wichtigsten – auf die Lebensqualität der Betroffenen (Harris 2012; Kwan et al. 2011). Früher wurde Frauen nach ALND und/oder Axillaradiatio von einem Oberkörpertraining abgeraten. Inzwischen ist jedoch klar geworden, dass Inaktivität einen negativen Effekt auf die Lebensqualität und die Arbeitsfähigkeit hat (Schmitz et al. 2009, 2010). Da Inaktivität ein Lymphödem verschlechtern kann, wird betroffenen Patienten empfohlen, regelmäßig Sport zu treiben (Baumann et al. 2013).
Körperliche Aktivität und Krafttraining nach Brustkrebs erhöhen nicht das Risiko, ein Lymphödem zu entwickeln, vorausgesetzt, erste Symptome werden schnell erkannt und dann sofort therapiert (Schmitz et al. 2010; Cavanaugh 2011; Stuiver et al. 2015; McKenzie und Kalda 2003; Cheema et al. 2014).
Besonders durch dynamische intermittierende Aktivitäten, wie
  • moderates Krafttraining,
  • Nordic Walking und
  • Wassergymnastik
können positive Effekte auf den lymphatischen Rückfluss erreicht werden (Kähnert et al. 2010; Fernandez-Lao et al. 2013; Baumann et al. 2013).
In einer randomisierten Studie mit 141 Brustkrebsüberlebenden mit stabilem Armlymphödem wurde gezeigt, dass ein sich langsam steigerndes Krafttraining, bei dem eine Kompressionsversorgung getragen wird, sogar vor der Verschlechterung des Lymphödems schützt (Schmitz et al. 2009). Weitere Studien haben bestätigt, dass es keinen Zusammenhang zwischen schwerem Krafttraining und einem brustkrebsbedingten Armlymphödem gibt (Cormie et al. 2013; Bloomquist et al. 2014). Kraftsportarten, wie z. B. Drachenboot rudern mit kräftigen, repetitiven Oberkörperbewegungen für Frauen, die sich von einer konventionellen Brustkrebstherapie erholen, sind sicher und provozieren kein Lymphödem (Lane et al. 2005; Harris 2012). Inzwischen ist dieser Sport bei Brustkrebsüberlebenden sehr populär geworden, und es gibt mehr als 140 Drachenbootteams aus Brustkrebsüberlebenden, die in vielen Ländern rudern und auch Wettbewerbe untereinander austragen (Harris 2012; „Abreast in a Boat“-Website 2011). Eine aktuell publizierte Studie zeigt erstmalig einen Effekt einer prophylaktischen
Unserem Wissen nach existieren keine Studien zur Sicherheit vom Training bei Frauen mit einem Lymphödem der unteren Extremitäten nach gynäkologischen Tumorbehandlungen. Wir empfehlen für diese Patienten dennoch ein aerobes Krafttraining, bei dem eine Kompressionsversorgung getragen wird (Schmitz et al. 2010).
Neben den körperlichen Symptomen stellt das Lymphödem auch eine psychische Belastung dar. Diese Belastungssituation wird in den onkologischen Rehabilitationskliniken durch speziell geschulte Psychoonkologen betreut.
Patientinnen, insbesondere mit körperlich anstrengenden Berufen, werden durch das Vorliegen eines Lymphödems in der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit möglicherweise behindert, was mit erheblichen finanziellen Konsequenzen verbunden sein kann. Im Rahmen der sozialmedizinischen Kompetenz erfolgt in den onkologischen Rehabilitationskliniken durch SozialarbeiterInnen und SozialmedizinerInnen eine umfassende Beratung sowie Hilfestellung beim „return to work“.
Evidenzbasierte Empfehlungen für Patienten nach axillärer Chirurgie (Ahn und Port 2016)
  • Gewichtszunahme vermeiden
    • Regelmäßige körperliche Aktivität
    • Gesunde Ernährung
  • Infektionen vermeiden Schnelle Erstbehandlung
    • Schnelle Diagnostik und Behandlung von Infektionen
    • Hautpflege
  • Fortfahren mit:
    • Flugreisen
    • Blutdruckmessungen
    • Sport

Lebensqualität, soziale Integration, Selbstmanagement

Ein tumorbedingtes Lymphödem bewirkt erhebliche Einschränkungen in der Lebensqualität, der Gesundheit, der Körperfunktionen und der psychosozialen Gesundheit, eine kontinuierliche medizinische Versorgung ist notwendig. Unbehandelt wird es zu einem dauerhaften und entstellenden Problem.
Bereits die Sorge vor einem möglichen Lymphödem kann für einige Patienten die Lebensqualität beeinträchtigen und zu einer Vermeidung körperlicher Aktivität führen (Ahn und Port 2016). Psychosoziale Unterstützung ist daher ein integraler Bestandteil jeder Lymphödemtherapie.
Obwohl effektiv, ist die komplexe physikalische Entstauungstherapie zeitraubend und teuer. In einigen Ländern, wie z. B. Kanada, decken die Gesundheitssysteme nur einen sehr geringen Teil der Kosten für eine Lymphödemtherapie, und in einigen Regionen existieren nur wenige Krankenhäuser, in denen nur limitierte Behandlungskapazitäten vorhanden sind. Tidhar et al. (2014) zeigten für eine selektierte Patientengruppe mit Lymphödem, dass ein Selbstbandagierungsprogramm eine Möglichkeit ist, ein Lymphödem zu reduzieren und sowohl unabhängig als auch selbsteffizient zu sein.
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