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Proteinstruktur

Verfasst von: H. Fiedler
Proteinstruktur
Synonym(e)
Proteinkonformation
Englischer Begriff
protein structure; protein conformation
Definition
Die Proteinstruktur gliedert sich in 3 bzw. 4 hierarchische Ebenen. Basis ist die Aminosäuresequenz, die trotz verschiedener Computerprogramme keine eindeutigen Raumstrukturen ermitteln lässt, da die Energieniveaus der einzelnen Strukturen meistens keine signifikanten Unterschiede aufweisen.
Beschreibung
Die Gensequenz kodiert die Aminosäuresequenz als Primärstruktur. Wenn die Übereinstimmung in den Sequenzen von Proteinen größer als 50 % ist, spricht man von Proteinfamilien (ca. 60.000 Familien), unterhalb von 50 % (aber mit strukturellen Ähnlichkeiten) von Proteinsuperfamilien. Proteine mit lebenswichtigen biologischen Funktionen, wie Cytochrom c, haben während der Evolution nur wenige Aminosäureaustausche toleriert, sie werden als konservative Proteine bezeichnet. Entscheidend für die 3D-Struktur ist die durch Resonanz bedingte planare Peptidbindung mit trans-Stellung der Kettenglieder. Nur vor Prolylresten wird die Abfolge durch eine cis-Konfiguration unterbrochen. Die Analyse der Aminosäuresequenz (Sequenzierung) erfolgt nach (oder ohne) Spaltung zu Peptiden mittels chemischer Abbaureaktionen (z. B. Edman-Abbau) in Kombination mit der MALDI- oder ESI-Massenspektrometrie, Datenbank-Recherchen (z. B. PROSITE) oder mit molekularbiologischen Methoden.
Die Sekundärstruktur umfasst stabile begrenzte Bereiche (Domänen und Motive) der Polypeptidkette, die durch Circulardichroismus, Fourier-Transform-Infrarotspektroskopie oder Raman-Spektroskopie nachgewiesen werden. Die vollständige Aufklärung erfolgt mittels Röntgenkristallstrukturanalyse oder NMR-Spektrometrie. Die wichtigsten Strukturelemente sind:
  • α-Helix, rechtsgängig mit 3,6 Aminosäuren pro Umgang (Abstand 0,54 nm), die Seitengruppen zeigen nach außen. Prolin und Hydroxyprolin unterbrechen die α-Helix (s. Abbildung). Linus Pauling und Robert Corey entdeckten 1951 die α-Helix bei der Röntgenanalyse des α-Keratins.
  • β-Faltblattstruktur mit Wasserstoffbrücken zwischen den einzelnen Ketten wurde in der Seide (β-Keratin) gefunden. Die Seitengruppen liegen oberhalb oder unterhalb der Zick-Zack-Ebene. Die Ketten können parallel, verbunden durch lange Haarnadelbiegungen („coils“, „loops“) oder antiparallel mit kurzer Schleife („turns“, meist 4 Aminosäuren) verlaufen (s. Abbildung).
α-Helix (aus: Löffler und Petrides 1998, S. 59):
β-Faltblattstruktur (aus: Löffler und Petrides 1998, S. 61):
Die Tertiärstruktur wird durch die Art und die Anzahl der Sekundärstrukturelemente und durch die Struktur der diese verbindenden Schlaufen („loops“), Biegungen („turns“), Doppelwendel („coiled-coil“) und andere bestimmt. Diese Elemente werden auch als Supersekundärstrukturen bezeichnet (Domäne, Motive). Eine mathematische Modellierung der Tertiärstruktur aus der Aminosäuresequenz ist wegen der Vielzahl von Wechselwirkungen heute nur teilweise gelöst (s. Human Proteome Folding Project). Als Zwischenstufe zur Erkennung von gemeinsamen Strukturmerkmalen nutzt man die Faltungstopologie („protein fold“), die sich auf die Reihenfolge der Helices und Faltblattstränge beschränkt, so bestehen α-Proteine überwiegend aus α-Helices, β-Proteine aus β-Faltblattstrukturen, α/β-Proteine aus alternierenden Helices und parallelen β-Strängen und α+β-Proteine aus separaten Helices und antiparallelen β-Strängen. Konformationelle (diskontinuierliche) Epitope (s. Epitop) bestehen aus 8–18 Aminosäuren auf der Oberfläche der 3D-Struktur des Antigens und reagieren mit Paratopen der Antikörper oder T-Zellrezeptoren.
Zur Stabilisierung der Tertiärstruktur tragen kooperativ bei:
  • Wasserstoffbrücken zwischen Peptid- und Seitengruppen
  • Ionenbindungen (als stärkste nichtkovalente Kräfte), in einigen Proteinen auch Disulfidbindungen
  • Hydrophobe Interaktionen (im Inneren liegend) und hydrophile Seitenketten an der Oberfläche
  • Van-der-Waals-Bindungen (permanente Dipole) und London-Dispersionskräfte (fluktuierende Dipole)
Wenn Proteine aus mehreren Untereinheiten (bzw. Protomeren; s. Untereinheit) zusammengesetzt sind, spricht man von Quartärstruktur oder Proteinkomplexen. Die Bezeichnung erfolgt nach der Zahl der Untereinheiten und ihrer Identität, so ist Hämoglobin ein Tetramer aus 2 Heterodimeren (α2β2). Kleine Änderungen der Quartärstruktur können Funktionen und Eigenschaften stark beeinflussen, wie die kooperative Bindung von Sauerstoff an Hämoglobin gegenüber dem monomeren Myoglobin oder die allosterische Regulation von Enzymen (Konformation) beweisen.
Ungefaltete Zufallsstrukturen („random coil“) von schonend denaturierten Proteinen erlangen oft nach Aufhebung der denaturierenden Bedingungen wieder die native Konformation und biologische Aktivität. (Experimente von C.B. Anfinsen mit Ribonuklease). Random-Coil-Strukturen können für Funktionen von Proteinen ebenso wichtig sein wie die von Sekundärstrukturen besonders an den Außenseiten von Membranproteinen und als Scharniere von Transportproteinen und Enzymen. Bereits in den 1950er-Jahren wurde die These von der durch die Proteinkristallographie fixierten und stabilen 3D-Struktur der Proteine infrage gestellt. Durch neuere Techniken, wie NMR, wurde die Proteindynamik in Form von „intrinsically disordered proteins“ (IDPs) bzw. „intrinsically disordered regions“ (IDRs) bestätigt. Das Spektrum umfasst völlig unstrukturierte (ca. 15 %) oder partiell strukturierte Proteine, wie „random coils“, „molten globules“ und Proteine mit „short linear motifs“ (Interaktionen mit anderen Proteinen, DNA, RNA und Kohlenhydraten) und flexiblen Linkers (erleichterte Bindung an Enzyme und Rezeptoren). Die Flexibiltät der IDPs oder IDRs erleichtert die räumliche Anpassung an Enzyme, Rezeptoren und Nukleoproteine. Durch die Bindung entstehen oft stärker geordnete Strukturen („coupled folding and binding“). Die Strukturen der IDPs/IDRs werden von ihrer Funktion und den Erfordernissen in der Zelle sowie von der Aminosäurenzusammensetzung bestimmt (wenig hydrophobe, viel ionisierte Aminosäuren) sowie von posttranslationalen Modifizierungen (Modifikation, posttranslationale). Beispiele sind Onkogene (Protein p53), Transportproteine (SNARE-Komplex) und Transkriptionsaktivatoren (Leuzin-Zipper-Protein, NFκB und Glukokortikoid-Rezeptor). IDPs können mehr als eine Funktion ausüben, sie werden oft als „moonlighting proteins“ bezeichnet (in Anlehnung an Personen mit 2 Jobs). So sind die Crystalline Proteine der Augenlinse, aber wirken auch als Chaperone. Die Bindungen der IDPs erfolgen mit hoher Geschwindigkeit und reversibel mit niedriger Affinität, was Signal- und Regulationsvorgänge begünstigt. IDPs unterliegen einer schnelleren Proteolyse, aber neigen nicht zur Aggregation wegen der hohen Ladungsdichte und niedrigen Hydrophobizität.
Die sequenzielle Proteinfaltung verläuft schnell über lokale Strukturen (α-Helix, β-Faltblatt) und individuell gefaltete Domänen, die sich zu einem „molten globule“ (60–90 % der nativen Sekundärstruktur) aggregieren und sich anschließend reorganisieren.
Der Ausfall von spezifischen Funktionen eines fehlgefalteten Proteins kann zu Fehlfaltungs- Krankheiten führen. Beispiele: α-Prokollagen I → Osteogenesis imperfecta („Prokollagen-Suizid“), „cystic fibrosis transmembrane conductance regulator“ → zystische Fibrose oder Fibrillin → Marfan-Syndrom.
Das physiologische Prion-Protein PrPc („c cellular or common form“, CD230) hat 43 % α-Helix- und 3 % β-Faltblattstruktur. Durch Konformationsänderungen (sporadisch, genetisch oder infektiös) entsteht das unlösliche, Protease-resistente und zelltoxische PrPsc (sc Scrapie bei Schafen) mit 30 % α-Helices und 43 % β-Faltblattstrukturen. Ein fehlgefaltetes PrP („proteinaceous infection particle“) kann offenbar die Konformation von normalen PrP-Moleküle wie bei einer Infektion verändern. Ungeklärt ist, ob auch andere (neurotoxische) Proteine diesem Prozess unterliegen können und ob jedes fehlgefaltete PrP dazu in der Lage ist. Als Test und Forschungsgegenstand wird die Protein Misfolding Cycling Amplification eingesetzt, die etwa mit der PCR vergleichbar ist. Beim Menschen können durch PrP sc folgende Krankheiten ausgelöst werden: Creutzfeldt-Jakob-Krankheit und deren neue Varianten (durch BSE oder Kuru), Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom und fatale familiäre Insomnie.
Literatur
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Fiedler H (2010) Proteopathien – Proteinfehlfaltungskrankheiten. MTA Dialog 9:766–769
Liu Z, Huang Y (2014) Advantages of proteins being disordered. Protein Sci 23:539–550CrossRef
Löffler G, Petrides PE (1998) Biochemie und Pathobiochemie, 6. Aufl. Springer, Berlin/Heidelberg/New YorkCrossRef
Kalbitzer HR (2014) Proteine – Struktur und Funktion. In: Heinrich PC, Müller M, Graeve L (Hrsg) Löffler/Petrides. Biochemie und Pathobiochemie, 9. Aufl. Springer Medizin, Berlin/Heidelberg, S 65–85
Saá P, Cervenakova L (2015) Protein misfolding cyclic amplification (PCMA): current status and future direction. Virus Res 207:47–61CrossRef