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Orthopädie und Unfallchirurgie
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Publiziert am: 14.08.2023

Amputationen im Unterschenkelbereich

Verfasst von: Patrick Schröter
Die Unterschenkelamputation ist die am häufigsten durchgeführte Majoramputation in Deutschland. Komplikationsbehaftete Krankheitsverläufe der Diabeteserkrankung oder arteriellen Verschlusskrankheit sind die Hauptursachen für Amputationen. Deutlich seltener führen Verletzungen oder Tumoren zum Unterschenkelverlust.
Damit nach Unterschenkelamputation eine erfolgreiche Rehabilitation zur Wiederkehr in den beruflichen und privaten Alltag führt, sind spezielle Kenntnisse notwendig. Das Wissen um die notwendige Stumpfbeschaffenheit, welche eine Prothesennutzung ermöglicht, muss dem Operateur bekannt sein. Ebenso ist es wichtig, zwischen unterschiedlichen Amputationsgründen zu unterscheiden und die entsprechende Amputationstechniken zu kennen.
Bei hochgradig durchblutungsgestörten Unterschenkeln oder schwerer Diabeteserkrankung ist ein anderes Vorgehen erforderlich als bei traumatisch geschädigten, aber ansonsten gesunden Extremitäten, um eine sichere Wundheilung und einen belastbaren Stumpf zu garantieren.
In diesem Beitrag werden die Amputationstechniken nach Burgess, Brückner und Ertl/Dederich mit ihren Indikationen, der technischen Durchführung und frühpostoperativen Nachbehandlung dargestellt.

Einleitung

Nach den Amputationen im Fuß- und Rückfußbereich stellt die Unterschenkelamputation in Deutschland die häufigste Amputationshöhe dar. Aufgrund eines fehlenden Amputations-/Prothesenregisters ist eine Erhebung der Amputationszahlen schwierig, aber über Fallpauschalenstatistiken der Kostenträger sind Abschätzungen möglich. So wurden im Jahre 2013 in Deutschland 19.005 Amputationen der unteren Extremität oberhalb des Sprunggelenks durchgeführt, wobei die Unterschenkelamputation den überwiegenden Anteil darstellt (Statistisches Bundesamt 2014).
Die Unterschenkelamputation nach Burgess ist die weltweit häufigste durchgeführte Technik. Ein hierbei gebildeter myofasciocutaner langer dorsaler Unterschenkellappen, welcher über den knöchernen Stumpf gelegt wird, ist in den 1960er-Jahren durch Burgess als standardisierte Technik zurückgehend auf Verduyn (1695) beschrieben worden (Burgess und Zettl 1969; Sachs et al. 1999).
Baumgartner definierte für die Unterschenkelamputation den Bereich zwischen der auf Höhe des Sprunggelenks durchgeführten Syme-Amputation und der proximalen Amputation in Mitte des Ansatzes der Patellarsehne an der Tuberositas tibia. Somit wäre gerade noch ein aktives Strecken des Kniegelenks möglich. Die Syme-Amputation unterscheidet sich aufgrund der biomechanischen Eigenschaften erheblich von einer distalen Unterschenkelamputation und sollte aus diesem Grund der endbelastbaren Rückfuß-Amputation zugerechnet werden (Baumgartner 2011). Aus der am weitesten proximal möglichen transtibialen Amputation, so wie sie Baumgartner vorschlug, ergibt sich ein ultrakurzer Unterschenkelstumpf.
Grundsätzlich ist der Erhalt des eigenen Kniegelenks für den Patienten mit immensen Vorteilen verbunden und kann die Nachteile des kurzen Stumpfes aufwiegen. Das Kniegelenk kann von dem Patienten aktiv angesteuert werden und ist einem nur durch indirekte Kontrolle über die Hüftgelenksbewegung führbarem Prothesenkniegelenk hierdurch haushoch überlegen (Greitemann et al. 2016). Zudem ist die propriozeptive Stellungskontrolle des Kniegelenks im Rahmen des Gangzyklus von unschätzbarem Wert (Mensch und Kaphingst 1998). Allerdings können jedoch aufgrund eines sehr kurzen Hebelarmes Schwierigkeiten bei der Prothesenführung auftreten. Durch ein funktionelles Übergewicht der Kniebeugemuskulatur kann ein Streckdefizit mit konsekutiver Kontraktur im Kniegelenk entstehen.
Aufgrund des wertvollen langen Hebelarmes sollte immer, insofern eine suffiziente Weichteildeckung gegeben ist, ein langer Unterschenkelstumpf gewählt werden. Durch die anatomischen Weichteilverhältnisse bedingt sind knöcherne Amputationen im mittleren und distalen Drittel jedoch schwierig mit Muskel, Unterhaut und Haut zu decken. Eine mechanisch belastbare Weichteildeckung des Stumpfes ist für die Prothesennutzung jedoch essenziell und somit sind distale Unterschenkelamputationen durchaus problembehaftet. Bei Patienten mit bei höhergradiger arterieller Verschlusskrankheit und Diabetes mellitus treten oft Weichteilprobleme am Stumpfende auf.
Insbesondere bei durchblutungsgestörten Unterschenkeln findet sich zudem oft eine schlechte Güte des Gewebes und eine belastbare Stumpfdeckung kann nur durch spezielle Amputationstechniken, wie die Brückner-Amputation, erreicht werden.
Der komplikationsbehaftete Verlauf einer Durchblutungsstörung bzw. des Diabetes mellitus sind in Deutschland Hauptamputationsursachen. Die traumatische Amputation, Tumorerkrankungen oder chronische Entzündungen wie die Osteomyelitis sind zusammen mit etwa 25–30 % seltenere Ursachen (Kröger et al. 2017).
Schwere Weichteilverletzungen mit subtotaler oder totaler Amputation führen in seltenen Fällen zu einer Amputation innerhalb von 24 h. Dann wird von einer primären traumatischen Amputation gesprochen. Bei ausgeprägten Knochen- und Weichteilverletzungen kann ein Extremitätenerhalt mit guter Funktionalität sehr schwierig sein. Bei einer mehrmonatigen bis unter Umständen Jahre andauernden Behandlung mit häufigen Operationen und stationären Aufenthalten können für den Patienten erhebliche psychosoziale Einschränkungen auftreten, insbesondere wenn letztendlich die Amputation trotzdem erfolgen muss. Häufig ist diese Situation eine extreme familiäre, berufliche und damit nicht zuletzt finanzielle Belastung für die Patienten. Zahlreiche Scoresysteme, wie beispielsweise der Mangled Extremity Severity Score (MESS) oder der Limb Salvage Index (LSI), wurden entwickelt, um Operateuren die Beurteilung einer notwendigen primären Amputation zu erleichtern (Johansen et al. 1990; Russell et al. 1991). Nach eigener Erfahrung, und dies deckt sich auch mit retrospektiven Untersuchungen (Ly et al. 2008), können diese Scoresysteme aber nur bedingt Anhaltspunkte für und wider einer primären Amputation liefern. Vielmehr stellt das Gesamtbild aus dem individuellen Verletzungsmuster der Extremität, dem unfallbedingten Begleitverletzungen und vor allem der bestehenden Komorbiditäten den entscheidenden Aspekt für die Beurteilung der Notwendigkeit einer primären Amputation dar.
Häufiger führen innerhalb von wenigen Tagen bis Wochen große Weichteildefekte, nicht zu beherrschende Infektionen oder Gefäß-Nervenverletzung zu sekundären Amputationen. Amputationen nach mehreren Wochen, Monaten oder gar Jahren werden als tertiäre Amputationen bezeichnet. Ursächlich hierfür sind floride Osteomyelitiden, erhebliche Funktionseinbußen der betroffenen Extremität oder auch chronische Schmerzsyndrome.
Bis auf die sehr selten notwendigen Notfallamputationen im Rahmen einer Sepsis oder primärer traumatisch bedingter Amputationen sind die Operationen planbar und es sollte idealerweise präoperativ im Team, auch unter Hinzuziehung von Orthopädietechnikern, der Eingriff mit dem Patienten besprochen werden. Hierbei sind die funktionellen Ansprüche des Patienten an den späteren Stumpf unter Beachtung der Komorbidität maßgeblich für die geplante operative Vorgehensweise der Amputation.

Überblick der Unterschenkelamputationstechniken

Eine Vielzahl verschiedenster transtibialer Amputationstechniken sind beschrieben und wurden in der Regel nach ihren Erstbeschreibern benannt. Neben der Einteilung in die Länge des Unterschenkelstumpfes – ultrakurz, kurz, mittel und lang, bezogen auf das Unterschenkeldrittel – kann eine Systematisierung der Unterschenkelamputationen nach der Art der Weichteilrekonstruktion vorgenommen werden. Über die Jahrhunderte wurde der Wundverschluss entweder durch verschiedenste Muskelhautlappentechniken (Verduyn 1696; Langenbeck 1810) oder durch zirkulär geführte Schnitttechniken (Purmann 1692; Bromfield 1773) erreicht.
Heutzutage sind die posterioren Muskelhautlappen mit den Techniken nach Burgess und Brückner in Deutschland am verbreitetsten. Diese weisen den großen Vorteil der günstigen Narbenposition am ventralen proximalen Stumpfende auf.
Im vergangenen Jahrhundert durchgeführte Untersuchungen zur subkutanen und kutanen Durchblutung mittels Wärmebildkameras sowie die anatomische Betrachtung der Angiosome am Unterschenkel (Taylor und Palmer 1987) wiesen häufig eine verminderte Perfusion der anterolateralen proximalen Unterschenkelhaut nach. Diese Erkenntnisse und die erleichterte Präparation der Muskulatur sowie die gute Darstellbarkeit der Gefäß- und Nervenstrukturen führten zu Amputationstechniken wie sie von McCollum und Robinson beschrieben wurden. Hierbei werden sagittale bzw. um bis zu 20° nach lateral gedrehte sagittale Hautschnittführungen mit entsprechender Narbenposition durchgeführt (McCollum et al. 1985; Robinson 1991). Insbesondere in den skandinavischen Ländern sind diese Techniken verbreitet. Obwohl vergleichende Studien zwischen verschiedenen Amputationstechniken letztendlich keinen Überlegenheitsbeweis des langen dorsalen Weichteillappens gegenüber der sagittalem Schnittführung aufzeigen konnten (Ruckley et al. 1991), präferieren wir aus biomechanischen Überlegungen hinsichtlich der Hautnarbenposition und der somit aus unserer Sicht besser belastbaren Weichteile am Stumpfende die Techniken nach Burgess bzw. Brückner. Das Wissen um sagittale Schnittführungen ist jedoch insbesondere bei traumatischen Amputationen wichtig, um letztendlich Unterschenkelamputationen auch bei komplizierten Weichteilverletzungen durchführen zu können.
Neben verschiedenen Vorgehensweisen bei der Stumpfweichteilformung sind unterschiedliche Arten der knöchernen Resektion beschrieben. Die knöcherne Stumpfformung wirkt sich unmittelbar auf die Endbelastbarkeit des Stumpfes aus. Die ventral leicht angeschrägte Tibia bei den Techniken nach Burgess und Brückner ist zu bevorzugen, da etwa 2/3 der Resektionsfläche zur knöchernen Lastaufnahme zur Verfügung stehen. Ein übermäßiges Anschrägen der Tibia von 45° im sagittalen Verlauf über den gesamten Durchmesser der Tibia, wie von Robb (Robb et al. 1965) und Person (Person und SundBn 1971) bei ihrer Amputationstechnik beschrieben, sollte unbedingt vermieden werden, da aufgrund der hierdurch geschaffenen, sehr geringen axialen Aufsatzfläche des Knochens am Stumpfende keine Belastbarkeit zu erreichen ist.
In den Fällen einer Instabilität zwischen Tibia und Fibula kommt es beim Benutzen einer Prothese zu regelmäßigen Stumpfvolumenschwankungen. Diese Verletzungen können unter anderem bei Hochrasanztraumen bzw. Explosionsverletzungen auftreten. Beim Tragen des Prothesenschaftes kommt es zu vermehrten Relativbewegungen zwischen Tibia und Fibula, was wiederum zu unterschiedlichen Stumpfschwellungszuständen führen kann. Hieraus resultiert häufig ein nicht passgenauer Prothesenschaft. Wir haben, insbesondere bei Kriegsversehrten, jungen körperlich anspruchsvollen Patienten diese Volumenschwankungen beobachtet. Zum einen versucht die Natur, eine Stabilität zwischen beiden Knochen durch Bildung von spontanen distalen tibiofibularen Synostosen zu erreichen (Abb. 1). Andererseits sind verschiedene Operationstechniken mit dem Ziel einer Knochenbrückenbildung beschrieben. Beim Vorgehen nach Guedes-Pinto (Pinto und Harris 2004) wird eine Osteosynthese zwischen distaler Fibula und Tibia etabliert, indem ein Fibula-Segment entweder mit K-Drähten oder Zugschraubenosteosynthese zwischen den distalen Enden der Tibia und Fibula fixiert wird. Hierbei ist zwingend auf den Erhalt der Durchblutung des Fibula-Segments zu achten. Entscheidende Nachteile dieser Operationsmethode sind ein hohes Risiko für Pseudarthrosenbildung oder aufgrund des eingebrachten Fremdmateriales bedingte Osteomyelitiden. Aus diesem Grund ist aus unserer Sicht die Operationstechnik nach Ertl/Dederich mit Bildung eines periostalen Schlauchs zu bevorzugen. Ertl (Ertl 1949), ein ungarischer Chirurg, beschrieb anfänglich ebenfalls in den 1920ern eine fibulare Knochenbrücke. Diese Technik wurde jedoch ohne Osteosynthese modifiziert und der deutsche Chirurg Dederich (Dederich 1963) schlug eine aus drei periostalen Lappen gebildete Knochenbrücke zwischen Fibula und Tibia vor. Über einen von der distalen medialen Tibia gewonnenen cortico-periostalen Lappen, welcher mit der distalen Fibula halbschlauchartig vernäht wird, entsteht die Synostose. Die längere Heilungsphase durch die notwendige Ossifikation des Periostschlauchs wird durch die Vorteile des fehlenden Fremdmaterialsausgeglichen. Diese Operationstechnik erfordert besondere Sorgfalt. Der gebildete Periostschlauch ist unbedingt sicher zu vernähen, damit durch die gebildeten cortico-periostalen Späne keine heterotopen Ossifikationen oder Exostosen außerhalb der gewünschten Knochenbrücke entstehen.
Um in Abhängigkeit vom Amputationsgrund für den Patienten eine optimale Versorgung zu ermöglichen, sollte der Operateur mehrere dieser Techniken kennen. Grundsätzlich sind Kenntnisse der operativen Versorgung nach Burgess, Brückner und die im angloamerikanischen zunehmend verbreiterte Technik nach Ertl/Dederich ausreichend, um nahezu alle notwendigen Unterschenkelamputationen durchführen zu können.

Vorüberlegungen

Allgemeine Überlegungen

Das Ziel der Unterschenkelamputation ist ein schmerzfreier, nicht infizierter und gut belastbarer Unterschenkelstumpf. Hieraus ergeben sich Anforderungen, welche an die Beschaffenheit des Stumpfes zu stellen sind. Das Wissen um die weitere prothetische Versorgung gestattet es dem Operateur, die sich ergebenden Anforderungen an die Stumpfbeschaffenheit zu berücksichtigen. Bei der Wahl der Amputationshöhe, der Planung der knöchernen Stumpfdeckung mittels der vorhandenen Weichteile und Positionierung der Narben sollten folgende Zielkriterien berücksichtigt werden (Brückner 2016).
Haut- und Unterhaut:
  • gute Durchblutung (Rekapillarisierungszeit ca. 2–3 s)
  • keine Sensibilitätsstörung der Haut
  • schmerzfrei
  • Haut/Narbe ist über dem Untergrund verschieblich und reizlos
  • Lastaufnahme wird vertragen
Weichteile:
  • fixierte Muskeldeckung des Stumpfes
  • große Gefäße sind kurz proximal des knöchernen Stumpfes chirurgisch abgesetzt
  • die Unterschenkelnerven (n. tibialis, nn. fibulares, n. suralis) sind hinreichend gekürzt und in die Weichteile verlagert
knöcherner Stumpf:
  • die Tibiaresektionsfläche ist an den Kanten abgerundet und vorne angeschrägt
  • die Fibula ist ca. 1 cm kürzer als die Tibia und leicht von medial nach lateral angeschrägt
  • die Membran zwischen Fibula und Tibia ist intakt
Eine am Stumpfende positionierte Narbe wird im Rahmen der Lastaufnahme in der Prothese immer Distraktionskräften ausgesetzt sein. Im Gegensatz hierzu ist eine ventral gelegene Narbe durch das Tragen der Prothese komprimiert und kann somit besser belastet werden.
Gefäßgestielte Fasziokutanlappen, freie Muskellappen oder über dem knöchernen Untergrund nicht verschiebliche Spalthautareale in den Belastungszonen der Prothese sind langfristig mechanisch nicht belastbar und führen nahezu immer zu operativen Korrekturen oder Nachamputationen.
Besonders wichtig ist der Bewegungsumfang im Kniegelenk. Dieses muss vollständig gestreckt werden können, um ein energieeffizientes und sicheres Laufen zu ermöglichen. Zudem sollte es möglich sein, das Kniegelenk bis auf mindestens 80° zu beugen, damit der Prothesenanwender Treppen steigen und gut sitzen kann. Sollte bereits präoperativ festzustellen sein, dass eine gute Kniegelenksfunktion insbesondere bei einer ausgeprägten Beugekontraktur nicht zu erreichen ist, sollte entweder eine operative Korrektur der Kontraktur oder eine Knieexartikulation erwogen werden.
Grundsätzlich ist sowohl klinisch als auch apparativ nach einer verbesserungsfähigen Durchblutungsstörung zu suchen. Durch die Optimierung der Perfusion kann die Wundheilung nach Unterschenkelamputation verbessert oder die Wundheilungsstörung sogar ganz vermieden werden.

Chirurgische Anatomie

Die gesamte Unterschenkelmuskulatur (Abb. 2) ist von einer kräftigen Faszie umgeben. Diese wird lediglich an der medialen Tibiafläche ausgespart. Die Faszie geht an dieser Stelle straff in das Periost über. Die beiden ventrolateralen Kompartimente beinhalten die über dem Wadenbein liegende Peronealmuskulatur sowie den Musculus tibialis anterior und die Zehenstrecker. Die Muskeln dieser beiden Kompartimente sind bei der Brückner-Amputation vollständig zu entfernen. Im tiefen dorsalen Muskelkompartiment, welches auch die Hauptgefäßnervenstrukturen um den Nervus tibialis und der Arteria tibialis posterior enthält, finden sich die Zehenbeuger und der Musculus tibialis posterior. Nach oberflächlich wird das Kompartiment durch die tiefe Unterschenkelfaszie, auf welcher der muskelkräftige Musculus soleus liegt, begrenzt. Die beiden Muskelbäuche des Musculus gastrocnemius, welche sich gut vom Musculus soleus separieren lassen, stellen die dorsale oberflächliche Muskulatur dar.
Der Hauptstabilisator zwischen Tibia und Fibula ist die Membrana interossea. Diese ist straff gespannt und endet etwa 8 cm unterhalb des Kniegelenkspalts. Sie dient ventral und dorsal als Ansatzfläche für die Muskulatur und muss sicher geschont werden, um eine Abduktionsfehlstellung des Wadenbeins durch den Zug des Musculus biceps femoris nach Amputation zu vermeiden. Sollte diese Membran traumatisch oder iatrogen verletzt sein, ist entweder eine Knochenbrücke zwischen Tibia und Fibula anzulegen oder eine modifizierte Brückner-Amputation mit Entfernung des Wadenbeins durchzuführen. Bei Patienten mit Diabetes mellitus oder Arterieller Verschlusskrankheit sollte aufgrund der schlechteren Wundheilung keine Ertl/Dederich-Operation erfolgen.
Die arterielle Versorgung des Unterschenkels erfolgt von proximal über die Arteria femoralis superficialis. Diese wird nach Durchquerung der Kniekehle zunächst die Arteria tibialis anterior nach ventral abgeben. Diese ist am häufigsten durchblutungsgestört, da diese die Membrana interossea am Oberrand im 90°-Winkel überquert. Deswegen findet man in dieser Arterie in der ventralen Loge häufig Stenosen. Dies ist der Grund für die schlechte Durchblutung der anterolateralen Muskulatur bei höhergradiger arterieller Verschlusskrankheit, so wie es Brückner beschrieb.
Die Blutversorgung des Gastrocnemius stellt eine Besonderheit dar. Die Perfusion erfolgt durch frühzeitige Abgänge aus der Arterie poplitea. Sowohl für den medialen als auch den lateralen Kopf entspringt das Gefäßnervenbündel weit proximal des Operationsgebiets und ist durch die Amputation nicht gefährdet. Aufgrund dieser günstigen anatomischen Verhältnisse werden die Muskelbäuche des Gastrocnemius auch gerne ohne größeres Perfusionsrisiko aus ihrem Bett gelöst und im Rahmen von lappenplastischer Deckung bis über den Kniegelenkspalt geschwenkt.
Im Gegensatz hierzu erfolgt die Blutversorgung des Musculus soleus über viele Abgänge aus der Arteria tibialis posterior sowie der Arteria fibularis. Eine arterielle Perfusionsstörung nach Amputation ist nicht selten und führt konsekutiv zu einem venösen Stau. Muskelnekrosen und Infektionen sind die Folge.
Bis auf die anteromedial gelegene Unterschenkelhaut, welche durch den Nervus saphenus aus dem Nervus femoralis kommend innerviert ist, wird der übrige Unterschenkel durch den Nervus tibialis bzw. Nervus fibularis communis versorgt. Beide gehen aus dem Nervus ischiadicus hervor. Eine präoperative sonografiegestützte perinervale Applikation eines Lokalanästhetikums am distalen Nervus ischiadicus ist sehr gut geeignet, um eine nahezu vollständige Nervenblockade vor Unterschenkelamputation zu erreichen.
Trotz seiner engen Lagebeziehung zur Vena saphena magna ist der Nervus saphenus bei der Unterschenkelamputation nicht immer sicher zu identifizieren. Ein wichtiger Nervenast ist der Ramus infrapatellares. Dieser versorgt die Hautregion um das Ligamentum patellae sensibel. Sowohl bei der Burgess- als auch bei der Brückner-Amputation ist dieser wichtige Nervenast jedoch nicht gefährdet, da er in der Regel sehr weit proximal aus dem Nervus saphenus bzw. Nervus femoralis abgegeben wird.

Operative Vorüberlegungen

Stumpfbelastbarkeit

Damit das vollständige Körpergewicht getragen werden kann, hat sich eine spezielle Anatomie um die Fußsohlenhaut und das Skelett mit den Gelenkflachen senkrecht zum Belastungslot einwickelt. Die proximalen Unterschenkelweichteile nach Amputation sind von der Natur eigentlich nicht für eine Lastaufnahme des Körpergewichts vorgesehen. Insbesondere der knöcherne Unterschenkelstumpf kann allein für sich, im Gegensatz zur intakten Gelenkfläche am Pilon tibiale, keine Vollbelastung vertragen. Um das vollständige Körpergewicht mit einer Unterschenkelprothese tragen zu können, sind die Prothesenschäfte unter Berücksichtigung von gut und schlecht belastbaren Stumpfarealen entwickelt worden.
Zudem werden an die Prothese auch konträre Anforderungen gestellt. So muss einerseits der Schaft während der Standphase das Körpergewicht des Anwenders vollständig tragen können. Andererseits soll die Prothese im Rahmen der Schwungphase sich nicht vom Stumpf lösen. Weiterhin darf das Kniegelenk in seinem Bewegungsausmaß durch die Schaftgestaltung nicht stark eingeschränkt werden, da sonst ein gutes Gehen und Sitzen nicht mehr möglich wäre.
Aus diesem Grund sind neben dem notwendigen Wissen über die optimale Stumpfbeschaffenheit auch die Grundlagen für die Lastaufnahme im Schaft wichtig (Abb. 3).

Gefäße und Nerven

Schmerzhafte und somit symptomatische Neurome sind ein häufiger Grund für eine eingeschränkte Prothesennutzbarkeit. Meist befinden sich symptomatische Neurome an ungünstig mechanisch belasteten Stellen im Stumpf. Ein somit vorrangiges Ziel der operativen Versorgung ist es, die Nervenstümpfe durch ausreichendes Kürzen von ca. 2–4 cm proximal des knöchernen Resektionsrands in die Weichteile zu verlegen, um eine mechanische Überbeanspruchung zu reduzieren. Kräftiges Ziehen der Nerven, um sie weiter zu kürzen, mehrfaches intensives Quetschen, Verlagerung des Nervenstumpfs in Gefäßstümpfe oder gar über Bohrlochtrepanation in den Knochen sollten vermieden werden.
Wenn immer möglich, sollte vor einer Amputation eine Unterbrechung der Nervenleitung zum Zentralnervensystem erfolgen. Eine Periduralanästhesie geht nach allgemeiner Erfahrung mit verringerten Phantomschmerzen einher. Sollte eine Periduralanästhesie nicht möglich sein, so empfehlen wir eine proximale Blockade durch Einlage eines Schmerzkatheters am Nervus femoralis und eines weiteren am Nervus ischiadicus. Ist auch dies nicht möglich, kann im Rahmen der Narkoseeinleitung eine perineurale Infiltration am distalen Nervus ischiadicus durchgeführt werden. Hierdurch kann bereits präoperativ vor chirurgischer Durchtrennung der Nerven eine Reizweiterleitung verhindert werden. Wurde präoperativ nur eine distale Ischiadikusblockade durchgeführt, sind wir dazu übergegangen, intraoperativ einen Schmerzkatheter in den Nervus tibialis einzulegen und bereits vor Beendigung der Narkose zu bestücken, um eine adäquate postoperativen Schmerztherapie sicherzustellen.
Die größeren arteriellen und venösen Gefäße sollten unter Sicht etwa 2 cm proximal der knöchernen Resektionsfläche über Ligaturen separat versorgt werden. Hierdurch wird das Gefäßende aus der Belastung herausgenommen und das Risiko einer arteriovenösen Fistelbildung wird durch separate Ligaturen deutlich gesenkt. Zudem sollte das resezierte Nervenende nicht am pulsierenden arteriellen Stumpf zu liegen kommen, um eine permanente Reizung zu verhindern.

Perioperative Antibiotikaprophylaxe

Die zu amputierenden Patientin sind oft immunkompromittiert. Aus diesem Grund empfehlen wir eine perioperative Antibiotikaprophylaxe. Grampositive Erreger der Cutis sollen hiermit erreicht werden. Deswegen kommen Cephalosporine der ersten oder zweiten Generation zur Anwendung. Besteht aufgrund einer chronischen Osteomyelitis bereits eine Antibiotikatherapie, wird diese bei fehlender Abdeckung dieses Erregerspektrums um die einmalige Prophylaxe ergänzt. Die Gabe des Antibiotikums soll während Narkoseeinleitung, etwa 30 min vor Hautschnitt erfolgen, damit eine gute perioperative Gewebskonzentration erreicht wird (Diener und Debus 2020).

Refixierung der Muskulatur

Durch das Konzept einer flächigen Lastaufnahme durch Vollkontakt im Prothesenschaft ist der Prothesenträger auf eine suffiziente Muskulatur und ein stabiles Stumpfvolumen angewiesen. Oft vernachlässigt wird das nötige Ausdünnen und die richtige Fixierung der verbleibenden Muskulatur. Nicht selten verbleibt die gesamte Unterschenkelmuskulatur im Stumpf. Dieser anfänglich gut weichteilgedeckte und mutmaßlich belastbare Stumpf wird sich durch die unweigerlich einsetzende Muskelatrophie in den kommenden Monaten in einen schwer prothetisch zu versorgenden und mit erheblichen Weichteilüberhängen versehenen Stumpf entwickeln. Zudem bestehen bei Belassen des Musculus soleus die bereits erläuterten arteriellen und venösen Durchblutungsstörungen. Mögliche postoperative Infektionen und eintretende fettige Atrophie der verbliebenen Muskulatur, welche zur Stumpfformung nichts beitragen kann, sind die Folge. Aus diesem Grund ist die Entfernung des Musculus soleus aus unserer Sicht obligat, auch wenn Sir Ernest Burgess das Belassen dieser Muskelgruppe beschreibt (Burgess und Zettl 1969).
Fast alle Unterschenkelmuskeln verlieren entweder Ansatz oder Ursprung durch die Amputation. Es resultiert ein deutlicher Funktionsverlust mit Neigung zur Atrophie. Deswegen ist die Muskulatur unter Nutzung der verbliebenen Faszien mit muskulärer Vorspannung zu refixieren. Dies erfolgt durch Naht der Muskulatur mit resorbierbarem Nahtmaterial am ventralen Periost oder über Fadenführung durch kortikale Bohrlöcher. Das Konzept des Muskelansatzes und -ursprungs bleibt erhalten und wirkt einer fettigen Atrophie partiell entgegen.
Auf eine unnötige Separation der Muskulatur von der Faszie ist zu verzichten, damit das feste Fasziengewebe zum Fixieren der Muskulatur genutzt werden kann.

Operation mit Blutsperre

Grundsätzlich kann eine Unterschenkelamputation mit Blutsperre durchgeführt werden. Eine Blutleere ist nicht notwendig und sollte gerade aufgrund der häufig amputationsbedingten Gründe, wie einer Infektion im Fuß oder distalen Unterschenkelbereich, nicht angewendet werden, da das Auswickeln der Extremität eine Bakteriämie begünstigt.
Absolute Kontraindikation für eine Blutsperre ist ein vorhandener arterieller Bypass, da dieser durch die Blutsperre irreparabel beschädigt wird. Als relative Kontraindikation sehen wir eine fortgeschrittene arterielle Verschlusskrankheit mit nachweisbarer Mediasklerose oder Plaquebildung. Auch hierbei droht durch die Blutsperre eine deutliche Verschlechterung der Perfusion. Die Dauer der Blutsperre sollte möglichst kurz gewählt werden, um die Ischämie so gering wie möglich zu halten. Im eigenen Vorgehen kommt die Blutsperre von Operationsbeginn ab der Haut- und Unterhautinzision bis zum Abschluss der Amputation und der Ligatur der nunmehr sichtbaren Gefäße zur Anwendung. Für die Phase der Rekonstruktion und Versorgung der Nerven nutzen wir keine Blutsperre.

Patientenlagerung auf dem OP-Tisch

Der Patient befindet sich in Rückenlage. Wir bevorzugen nahezu bei allen Unterschenkelamputationen die Nutzung eines elektrischen Beinhalters, welcher am Übergang vom proximalen zum mittleren Oberschenkeldrittel angebracht ist. Auf dieser Höhe positionieren wir ebenso, sollte sie indiziert sein, eine Oberschenkelblutsperre. Der elektrische Beinhalter ermöglicht uns, die Operation komfortabel und mit exzellenter Sicht auf das Operationsgebiet durchzuführen. Das unter Umständen schwierige Halten der Extremität durch einen zweiten Assistenten entfällt. Für den seltenen Fall, dass eine Unterschenkelamputation doch nicht durchgeführt werden kann und der Operateur sich auf ein höheres Amputationsniveau zurückziehen muss, ist eine Knieexartikulation ohne Probleme mit dieser Lagerung möglich. Sollte die Nutzung eines elektrischen Beinhalters verwehrt sein, nutzen wir ein steriles Lagerungshilfsmittel, welches unter den distalen Oberschenkel verbracht wird, um damit den Unterschenkel aufzurichten.

Kniegelenkserhalt auch bei häufigeren operativen Komplikationen

Das Ziel einer Unterschenkelamputation ist neben dem belastbaren Stumpf der Erhalt des Kniegelenks. Häufig wird zu Ungunsten des Kniegelenkerhalts, gerade in gefäßchirurgischen Einrichtungen, eine Oberschenkelamputation mit dem Ziel der sicheren Wundheilung durchgeführt. Insbesondere wenn bei dem Patienten bereits mehrfache Amputationen in kurzen Zeiträumen durchgeführt wurden, fällt die Entscheidung für die Oberschenkelamputation gegen die „Salamitaktik“ relativ schnell. Das natürliche Kniegelenk ist einem künstlichen Gelenk deutlich überlegen. Die aktive Ansteuerbarkeit des Kniegelenks kann nicht ersetzt werden.
Publikationen, welche unterschiedliche Amputationstechniken beschreiben, zeigen komplikationslose Wundheilungsraten nach dem Ersteingriff in nur etwa 60–80 % der Fälle auf. Zwischen 10 und 20 % aller Patienten müssen mehrfach operiert und eventuell auch auf einem höheren Niveau nachamputiert werden (Kim et al. 1976; Ruckley et al. 1991).
Der Kniegelenkserhaltungsversuch rechtfertigt diese auf anderen chirurgischen Gebieten unakzeptable hohe „Komplikationsrate“. Wenn ein Operateur sich mit einer sehr niedrigen Komplikationsrate rühmt, dann ist sein initial gewähltes Amputationsniveau sicherlich zu proximal.
Das Verhältnis von durchgeführten Unterschenkelamputation zu Oberschenkelamputation sollte bei durch Diabetes mellitus und arterieller Verschlusskrankheit bedingten Amputationen etwa 2 zu 1 sein.

Operationstechnik

Operationstechnik nach Burgess

Die in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts beschriebene Operationstechnik von Sir Ernest Burgess (Burgess und Zettl 1969) ist die weltweit verbreitetste. Das standardisierte Vorgehen ist prinzipiell leicht zu erlernen und sicher durchzuführen. Wichtig zu beachten sind die bereits beschriebenen Grundprinzipien der Behandlung des Knochens, der Muskelrefixierung und Kürzung der Gefäß-Nervenstrukturen, um letztendlich einen gut belastbaren Amputationsstumpf zu ermöglichen. Das Entfernen des Musculus soleus reduziert Komplikationen und bedingt eine primär deutlichere Verschlankung des Unterschenkelsstumpfs und somit einen auch im zeitlichen Verlauf deutlich geringeren Weichteileüberhang. Dies ermöglicht eine stabilere Führung der Unterschenkelprothese.

Indikation

  • nicht beherrschbare Infektionen des distalen Unterschenkels bzw. Rückfußes aufgrund von Diabetes mellitus, arterieller Verschlusskrankheit oder Osteitis
  • traumatische Amputationen ohne Erhaltungsmöglichkeit der Extremität
  • Tumoren des distalen Unterschenkels oder Rückfußes

Kontraindikation

  • mögliche distale Syme-Amputation
  • bereits bestehende Osteitis des Tibiakopfs
  • schlechte Perfusion des dorsaler Hautlappens

Operationsschritte

Vorbereitung

Nach dem Lagern und sterilen Abdecken ist es hilfreich, die anatomischen Landmarken und die geplante Schnittführung zu markieren. Insbesondere die Patella sowie die Tuberositas tibiae sollten zur besseren Orientierung angezeichnet sein. Der dorsale Hautlappen ist zunächst so lang wie möglich zu belassen, da hierdurch später eine sehr gute Verlagerung der Narbe in den ventralen Unterschenkelstumpf möglich ist.

Resektionsphase

Als Erstes erfolgt die semizirkuläre Inzision der Cutis und Subcutis des ventralen Hautlappens. Es wird senkrecht bis auf die Faszie des anterolateralen Kompartiments und die ventromediale Tibia präpariert. Anschließend wird die anterolaterale Muskulatur bis auf die Membrana interossea durchtrennt. Dabei wird das Gefäßnervenbündel um die Arteria tibialis anterior und den tiefen Ast des Nervus fibularis freigelegt. Der Nerv wird, wenn keine proximale Ischiadikusblockade besteht, mit einem Lokalanästhetikum infiltriert und die Gefäßnervenstrukturen werden über separate Ligaturen durchtrennt. Subkutan medial findet sich die meist kräftige Vena saphena magna, welche ebenfalls über Ligaturen versorgt werden sollte. Insofern ein Nervus saphenus zu identifizieren ist, wird dieser proximal eingekürzt.
Nun erfolgt etwa 12–14 cm distal des Kniegelenks die Inzision des Periostes der Tibia mit dem Skalpell und das Abschieben mit einen Raspatorium nach distal. Das proximale Periost ist, um Kronensequester zu vermeiden, zu schonen. An dieser Stelle empfehlen wir eine der beiden folgenden weiteren Vorgehensweisen.
1)
Ist eine präoperative Ischiadikusblockade erfolgt, kann unter zunächst Belassen der Tibia und Fibula der komplette dorsale Muskelhautlappen mit dem Amputationsmesser durchtrennt werden. Hierzu gehen wir von der Fibula aus unter leichtem Kippen des Amputationsmessers zur Tibiarückfläche mit der Spitze des Amputationsmessers knochennah hinter der Tibia durch und führen das Messer unter leichter Winkelung in Richtung des Knochens der Tibia und Fibula weit nach kaudal. An der distalen Lappengrenze wird das Amputationsmesser senkrecht geschwenkt und die Weichteile werden abgesetzt. Mit dieser Technik gelingt es, zügig die Weichteile bis auf wenige Fasern des Musculus tibialis posterior vollständig zu lösen.
Das Amputat wird jetzt lediglich durch die Tibia und Fibula gehalten. Es empfiehlt sich, zunächst die Fibula zu osteotomierten, da eine andere Reihenfolge häufig zu ungewollten Splitterbrüchen aufgrund der Instabilität des Unterschenkels führt. Die Fibula wird etwa 1 cm proximal der geplanten Tibiaresektionshöhe bis auf das Periost sauber freipräpariert, mit Hohmann-Hebeln umfahren und leicht schräg im Winkel von etwa 30° ansteigend von medial nach lateral mit der oszillierenden Säge abgesetzt. Anschließend kann die Tibia in der bereits vom Periost befreiten Resektionslinie in anterior-posteriorer Richtung mit der oszillierenden Säge durchtrennt werden. Es sollte beim Sägen immer ausreichend Kühlung durch Spülflüssigkeit gegeben werden, um Nekrosen am Resektionsrand zu vermeiden.
Nachdem die Tibia durchtrennt wurde, muss diese an der ventralen Kante angeschrägt werden, da es sonst zu erheblichen Problemen bei der Prothesennutzung kommt. Im ventralen Drittel der Tibiaresektionsfläche wird etwa 30° ansteigend die Vorderkante der Tibia unter leichter bogenförmiger Schnittführung abgerundet. Auch hierbei muss das Sägeblatt gekühlt werden. Die tibialen und fibularen Knochenkanten werden anschließend mit einer Knochenfeile unter Schonung des Periosts abgerundet.
 
2)
Konnte eine präoperative Ischiadikusblockade nicht erfolgen, sollte nach Durchtrennung des anterolateralen Muskelkompartiments zunächst die Osteotomie der Fibula und Tibia in eben beschriebener Art und Weise erfolgen. Anschließend kann das Amputat durch einen Einzinkerhaken aufgestellt werden. Zwischen dem Muskulus soleus und der tiefen Beugemuskulatur der Zehen kann jetzt das Gefäßnervenbündel um die Arteria tibialis posterior aufgesucht werden. Der Nervus tibialis wird mit einem Lokalanästhetikum infiltriert. Anschließend kann mit dem Amputationsmesser unter Bildung eines langen dorsalen Weichteillappens die Amputation komplettiert werden.
 
Nun müssen noch unversorgte großen Unterschenkelgefäße identifiziert und ligiert werden. Jetzt empfehlen wir das Öffnen einer möglichen Blutsperre. Anschließend sind die vorhandenen Weichteile gründlich zu inspizieren. Findet sich eine bisher nicht erkannte proximale Weichteil- oder Knocheninfektion bzw. eine unerwartet starke Durchblutungsstörung, ist eventuell eine Änderung der Amputationstechnik nötig. Bei höhergradiger Durchblutungsstörung wird auf die Brückner-Amputation gewechselt. Sind nach Resektion von infiziertem Gewebe keine ausreichenden Weichteile mehr zur Deckung des Stumpfs vorhanden, so muss weiter proximal im Sinne einer Knieexartikulation amputiert werden. Hierbei ist ein dorsaler Fasziokutanlappen zum Decken der Femurkondylen sehr gut geeignet.
Bei der Burgess-Amputation gilt es, noch den Musculus soleus zu entfernen. Beim nicht voroperierten Patienten kann man sehr gut am medialen Rand des Musculus soleus mit dem Finger zwischen diesen und dem Musculus gastrocnemius medialis fahren und diese beiden Muskeln stumpf voneinander lösen. Die Sehne des Musculus plantaris, welche immer zwischen beiden Muskeln zu findet ist, dient als anatomische Landmarke. Lateral muss die Peronealmuskulatur vom Musculus soleus scharf getrennt werden. Anschließend kann wieder stumpf mit dem Finger unter sanften Zug nach kaudal der Muskulus soleus vom Muskulus gastrocnemius vollständig separiert werden. Wir empfehlen den Musculus soleus nach proximal dorsal der Tibia zu verfolgen, von der hinteren Fläche der Tibia zu lösen und damit nahezu vollständig zu entfernen. Seine Ansatzfasern an der Rückfläche der Fibula werden belassen. Das nahezu vollständige Entfernen des Muskulus soleus hat den Vorteil, dass das Gefäßnervenbündel um die Arteria tibialis posterior sehr gut einsehbar ist und sicher proximal des knöchernen Resektionsrands versorgt werden kann. Zudem kann durch diese deutliche Volumenreduktion der Muskelbauch des Gastrocnemius medialis sicher und weit über die Tibia geschlagen werden. In die entstandene Wundhöhle unterhalb der Muskulatur sollte eine Redondrainage eingelegt werden.
Nachdem der Musculus soleus entfernt wurde, sind alle relevanten Nerven des Unterschenkels aufzusuchen und proximal zu kürzen. Hierbei ist zu beachten, dass der Nervus peronaeus sich häufig proximal des Fibulaköpfchens in den oberflächlichen und tiefen Ast aufteilt. Beide Nervenäste müssen etwa 2–3 cm proximal des Fibularesektionsrands durchtrennt und in die Muskelweichteile verlegt werden. Der Nervus suralis lässt sich sehr gut zwischen den beiden Muskelbäuchen des gastrocnemius finden und ist ebenfalls entsprechend zu kürzen.

Rekonstruktionsphase

Nachdem die Resektionsphase der Operation abgeschlossen ist, gilt es, eine gute Weichteildeckung des Stumpfes sicherzustellen. Aus diesem Grund sollte initial der dorsale Lappen sehr lang gewählt sein. Die Muskelbäuche des Gastrocnemius medialis und lateralis werden nun ohne Separation vom Unterhautfettgewebe über die Tibiaresektionsfläche gelegt. Findet sich ein gutes Nahtlager am Periost und der ventralen Faszie, kann durch resorbierbares Nahtmaterial die Muskulatur fixiert werden. Unter Umständen ist aber eine transossäre Fixierung als Myopexie nötig.
Insbesondere bei älteren Patienten kann es leicht zum Reißen der Muskelnähte kommen. Deswegen sollte als Nahtlager die am Muskel belassene oberflächliche Unterschenkelfaszie zur Naht mit genutzt werden. Die von dorsal herumgeschlagene Muskulatur sollte mindestens einen, eher zwei Daumen breit ventral und proximal der tibialen Resektionsfläche zu liegen kommen, um eine sichere Muskelfixierung zu erreichen. Dies führt in den ersten Wochen zu einer leichten ventral gelegenen semizirkulären Weichteilwulst. Diese bildet sich im Rahmen der Stumpfkonditionierung jedoch vollständig zurück.
Nach der Muskeldeckung erfolgt das Kürzen der Cutis und Subcutis. Bei guter dorsaler Lappendurchblutung ist der ventrale Hautlappen so einzukürzen, dass ein spannungsfreier Wundverschluss mit Narbenposition proximal der Muskelfixierung möglich ist. Eine Drainage des Subkutanraums erfolgt durch eine Redondrainage. Die Subkutannähte sind tiefgreifend und kutisnah anzulegen, damit eine möglichst vollständige Hautadaptation erreicht wird. Hierdurch können Einzelknopfnähte der Haut immer gesetzt werden, um die Durchblutung nicht zu kompromittieren. Eventuell sind breite Steristrips bei Hinweisen auf Durchblutungsstörung ausreichend, um die Cutis zu adaptieren.
Die submuskuläre und subkutane Redondrainage, insofern sie weit proximal ausgeleitet wurden, müssen nicht zwingend angenäht werden. Dies gestattet bereits am ersten postoperativen Tag ein Lupfen der Drainagen, um eventuelle Blutkoagel von den Drainagelöchern zu lösen. Der Wundverband erfolgt mit sterilem Pflaster und einer lockeren elastokompressiven Wickelung bis Mitte des Oberschenkels (Abb. 4).

Operationstechnik nach Brückner

Eine Hauptschwierigkeit bei Amputationen stellt die intraoperative Beurteilung der Durchblutung der tiefen Gewebearten dar. Während die Hautdurchblutung durch die Rekapillarisierungszeit und das Kolorit noch recht gut zu bewerten ist, fällt dies bei der Muskulatur viel schwerer. Hinweise wie Farbe, Faszikulation beim Bestreichen der Muskulatur, Durchblutung beim Durchtrennen und der Fettgewebsanteil sind sehr unsichere Zeichen. Selbst erfahrene Chirurgen können diese Beurteilung nicht sicher vornehmen. Brückner hat sich aufgrund der Erkenntnis, dass am anterolateralen Stumpf die häufigsten Wundheilungsstörungen auftreten, mit der Durchblutung der einzelnen Unterschenkelkompartimente befasst. In seiner Habilitationsschrift weist er unter anderem nach, dass das anterolaterale Muskelkompartiment bei Patienten mit vorbestehender Durchblutungsstörung, insbesondere bei Patienten mit pAVK Stadium IV nach Fontaine, sehr schlechte Durchblutungsverhältnisse aufweist. Dies bedingt die Wundheilungsstörungen. Aus diesem Wissen resultiert die standardisierte Unterschenkelamputation nach Brückner. Ziel dieser Operationstechnik ist es, das anterolaterale Muskelkompartiment zu entfernen. In der Folge kommt es zu einer sehr schlechten Weichteildeckung und Durchblutung der Fibula. Aus diesem Grund muss diese mit entfernt werden (Brückner et al. 1986).
Die Brückner-Amputation führt zu einer etwas geringeren Stumpflänge (ca. 10–12 cm). Durch die im Vergleich zur Burgessamputation geringere Weichteilbedeckung des Knochens kann der Brücknerstumpf jedoch diesen Nachteil durch bessere Passform des Prothesenschaftes ausgleichen.
Durch das Entfernen der Fibula werden die lateralen Kollateralbänder des Kniegelenks und der Ansatz des Musculus biceps femoris entfernt. Eine relevante Kniegelenksinstabilität wird allerdings nicht beobachtet. Die verminderte Beugekraft im Vergleich zum gesunden Kniegelenk ist, da der Prothesenträger selten gegen Widerstand beugen muss, nicht von Relevanz.

Indikation

Kontraindikation

  • mögliche Burgess-Amputation
  • bereits bestehende Osteitis des Tibiakopfs
  • schlechte Perfusion des dorsaler Hautlappens

Operationsschritte

Vorbereitung

Diese ist analog der Burgess-Amputationstechnik.

Resektionsphase

Die Operation verläuft zunächst wie bei der OP-Technik nach Burgess. Es wird ein dorsaler Muskelhautlappen geformt. Die Tibia und Fibula werden in gleicher Art durchtrennt und das Amputat abgesetzt. Ebenso erfolgt das Entfernen des Musculus soleus bis weit nach proximal von der Ansatzflächen der Tibia. Hierdurch wird hinter der Tibia Volumen reduziert und das spätere, für die Brückner-Amputation essenzielle Herumschlagen des Musculus gastrocnemius über die Tibiavorderkante geschieht leichter.
Um das anterolaterale Muskelkompartiment auszuräumen, sollte die Faszie unter Belassen einer etwa 1 cm breiten Lefze am Ansatz der Schienbeinvorderkante gespalten werden. Hierdurch wird die Sicht auf den Musculus tibialis anterior frei. Dieser wird vollständig entfernt, eventuelle Muskelreste werden von der lateralen Tibiafläche umsichtig mit einem Raspatorium entfernt. In der Tiefe wird die proximal der Membrana interossea durchtretende Arteria tibialis anterior mit ihren Begleitvenen ligiert. Anschließend wird die Peronealmuskulatur entfernt und die Fibula am proximalen Tibiofibulargelenk exartikuliert. Der Nervus peroneus communis oder seine beiden Nervenäste müssen proximal des ehemaligen Tibiofibulargelenks abgesetzt werden, um eine Lastaufnahme in der Prothese über den Nervenenden zu vermeiden. Selten ist der tibiale Anteil des Gelenks so prominent, dass er mit dem Luer geglättet werden muss.
Letztendlich verbleiben nach Entfernung der zehenbeugenden Muskulatur von der Tibiarückfläche die beiden Muskelbäuche des Gastrocnemius. Durch das weit proximale Resezieren des Nervus peroneus communis und des Nervus tibialis sind die Nervi cutaneus surae medialis et lateralis meist schon durchtrennt, jedoch empfehlen wir zwischen den Muskelbäuchen des Gastrocnemius den Nervus suralis aufzusuchen und diesen proximal abzusetzen, da ein innervierter Nervenstumpf beim Herumschlagen des Muskels über das tibiale Ende sehr häufig schmerzhafte Neurome bei der Belastung in der Prothese verursacht.

Rekonstruktionsphase

Damit der Wadenmuskel über die laterale Tibia gelegt werden kann, muss beim Brücknerstumpf die Tibia von der Gesamtlänge ggf. nachreseziert werden. Dies bedingt den kürzeren Brückner-Stumpf. Die Tibia wird angeschrägt und die Knochenkanten werden mit der Feile geglättet. Der Musculus gastrocnemius mediales wird über die Tibiastumpfspitze und den Tibiavorderrand in das ehemalige Bett des Musculus tibialis anterior unter leichter Vorspannung gelegt und mit resorbierbarem Nahtmaterial fixiert. Die im Vorfeld belassene Faszienleftze dient als Nahtlager. Der noch verbliebene Musculus gastrocnemius lateralis wird nun ebenfalls unter Vorspannung über den Musculus gastrocnemius medialis und die Tibia gelegt und ebenfalls durch resorbierbares Nahtmaterial mit an dem Periost und den sichtbaren Faszienstrukturen fixiert. Sollte durch die Muskelfixierung bereits ein gutes Totraummanagement erfolgt sein, legen wir lediglich eine Redondrainage im Subkutanraum ein und leiten diese nach lateral proximal aus. Der Wundverschluss erfolgt durch resorbierbares subkutanes Nahtmaterial mit dem Ziel, bereits eine vollständige Wundrandadaptation zu erreichen. Bei klinisch bestehender kritischer Durchblutung der Wundränder erfolgt der Hautverschluss nur durch Steristrips. Sollten Hautnähte erfolgen, führen wir nur Einzelknopfnähte durch, da es bei Rückstichtechnik nach Donati oder Allgöwer häufig zu Mikroperfusionstörung mit triangulären Wundrandnekrosen in Richtung der Narbe ausgehend vom Stichkanal kommt (Abb. 5).

Tibiofibulare Synostose nach Ertl/Dederich

Die tibiofibulare Synostose sollte bei Instabilitäten zwischen Tibia und Fibula etabliert werden. Diese Technik ist nur bei ungestörten Durchblutungsverhältnissen zu empfehlen. Diese kann sowohl bei Primäramputationen als auch bei stumpfrekonstruierenden Operationen durchgeführt werden. Es gibt Hinweise darauf, dass die Endbelastbarkeit durch die gebildete Knochenbrücke und deren größeren Auflagefläche deutlich höher sein kann. Nach eigener Erfahrung ist bei den Patienten allerdings weiterhin eine unterstützende proximal Lastaufnahme am Schienbeinkopf notwendig.

Indikation

  • Zerreißung der Membrana interossärer mit Instabilität zwischen Tibia und Fibula
  • Amputation im mittleren Unterschenkeldrittel

Kontraindikation

Sollte bei der Operation ein Kürzen der Tibia unter 12 cm Gesamtlänge notwendig sein, um einen Periostschlauch formen zu können, sollte eine modifizierte Brückner-Amputation durchgeführt werden. Es würde sonst eine zu kurze Tibia mit entsprechenden Nachteilen aufgrund der verkürzten Hebelarme entstehen. Bei der modifizierten Brückner-Amputation ist die Fibula unter belassen der anterolateralen Muskulatur zu entfernen. Beim Einkürzen der Nervi fibulares superficiales et profundus ist darauf zu achten, die Nervenäste der Nervus peroneus, welche in die ortsständige Muskulatur abgegeben werden, nicht zu resezieren, da es sonst zur Denervationsatrophie der Muskulatur kommt.

Operationsschritte

Vorbereitung

Diese ist analog der Burgess-Amputationstechnik.

Resektionsphase

Meist fällt dieser Teil der Operation sehr kurz aus, da in aller Regel schon eine Unterschenkelamputation vorliegt. Sehr selten besteht die Indikation für eine primäre Amputation nach Ertl/Dederich. Es kommen für diese Operationstechnik nur Patienten, welche frisch unfallverletzt sind und eine distale Amputation nach Syme nicht möglich ist. Es muss genug Weichteil vorhanden sein, um eine Amputation im mittleren bzw. am Übergang zum distalen Drittel der Tibia durch suffiziente Deckung zu gestatten.

Rekonstruktionsphase

In Abhängigkeit, ob es sich um eine stumpfkorrigierende Operation oder primäre Amputation handelt, werden zunächst unter Planung des späteren Wundverschlusses die distale Tibia und Fibula freigelegt. Es bestätigt sich in der Regel sehr eindrücklich die Instabilität zwischen Fibula und Tibia. Die Fibula kann im Gegensatz zu stabilen membranösen Verhältnissen meist sehr mobil in den Weichteilen abduziert werden. Nachdem die distale Tibia und Fibula freigelegt wurden, wird mit einem Lineal der Abstand zwischen der ventromedialen Tibia und der lateralen Fibula bestimmt. Hieraus ergibt sich die Länge des notwendigen corticoperiostalen Schlauches, welcher spannungsfrei über die Fibula gelegt werden muss. Das Periost der Tibia wird ventral und dorsal inzidiert und anschließend werden zwei corticoperiostale Lappen durch sukzessives Abschlagen von Kortikalisfragmenten gebildet. Es muss penibel darauf geachtet werden, das Periost nicht zu verletzen und dass die gebildeten cortikalen Fragmente am Periost im Verbund verbleiben. Letztendlich imponiert nach diesem Operationsschritt die Tibia wie eine entrindete Korkweide. Es empfiehlt sich, die Periostlappen bis etwa 1 cm proximal der geplanten Tibiaresektion zu führen.
Nun werden sowohl die Tibia als auch die Fibula auf gleicher Höhe reseziert. Es ist wiederum darauf zu achten, dass das Periost nicht verletzt wird. Anschließend werden die Knochenkanten abgerundet, insbesondere die mediale tibiale Knochenkante muss angeschrägt werden, um den Periostlappen leichter über die Tibia zu legen. Die Periostlappen werden nun locker aneinander mit resorbierbaren Nähten adaptiert und formen somit den Periostschlauch. Der mediale Periostlappen wird ca. 15 mm länger gewählt, über die Fibula gelegt und mit resorbierbarem Nahtmaterial am Fibulaperiost fixiert. Sämtliche Kortikalisfragmente sollten sich innerhalb dieses Periostschlauchs befinden, um ungewünschte heterotophe Ossifikationen zu vermeiden.
Der Periostschlauch wird anschließend mit einem Weichteillappen gedeckt. Da es sich meist um mittlere oder längere Stümpfe handelt, sollte der besser durchblutete Hautlappen zum Wundverschluss gewählt werden. Für die spätere prothetische Versorgung ist es unerheblich, ob die Narbe ventral oder dorsal zu liegen kommt.
Sobald sich im konventionellen Röntgen erste Ossifikationstendenzen des Periostschlauchs zeigen, empfehlen wir den Beginn der Interimsprothesenversorgung. Es sollten jedoch mindestens zwölf postoperative Wochen abgewartet werden. Die frühpostoperative elastokompressive Wickelung ist unbedingt durch den Operateur festzulegen, da nur er die optimale Zugrichtung der komprimierenden Binden in Bezug auf die Periostbrücke kennt. Ein übermäßiges Komprimieren beim Wickeln senkrecht zum Verlauf des periostalen Schlauchs ist in den ersten sechs Wochen nach Operation zu vermeiden, da es sonst zu Distraktionen am Nahtlager der Fibula kommen kann (Abb. 6).

Postoperative Nachbehandlung im Krankenhaus

Die ersten Wochen nach Unterschenkelamputation sind bereits entscheidend, um den Patienten auf den zukünftigen Gebrauch seiner Prothese vorzubereiten. Die frühpostoperative Betreuung beginnt unmittelbar nach der Operation im Krankenhaus und stellt den Beginn der Rehabilitation dar. Neben einer möglichen psychologischen Mitbetreuung und schmerztherapeutischen Versorgung stellen die Maßnahmen der Stumpfbehandlung einen entscheidenden Aspekt in der Rehabilitation dar. Zudem muss der Patient auf die künftigen Lebensumstände vorbereitet werden. Dazu zählt, neben der täglichen Stumpfpflege auch den Patienten über den Rehabilitationsablauf der nächsten Monate zu informieren, den Kontakt zum weiterversorgenden Orthopädietechniker bzw. Sanitätshaus herzustellen und vor allem die weitere ärztliche ambulante Betreuung zu organisieren.
Im Folgenden werden die wichtigsten Maßnahmen der stationären postoperativen Weiterbehandlung dargestellt.

Wundverbände

Damit sich postoperativ bildendes Wundsekret drainiert werden kann und die separierten Gewebeschichten sich wieder gut adaptieren, werden ein bis zwei aktive Saugdrainagen (Bsp. Redon Drainagen) während der Operation eingelegt. Das Dogma anderer Operationstechniken die Drainagen zeitgerecht am ersten postoperativen Tag zu entfernen, sollte zugunsten einer täglichen Bewertung der Sekretionsmenge verlassen werden. Insbesondere die Wundhöhle zwischen Knochen und Muskulatur zeigen häufig eine prolongierte Sekretion von 3–5 Tagen. Es empfiehlt sich, die Drainagen weit proximal der Narbe auszuleiten, um durch leichtes Anziehen das Lösen von Koageln zu begünstigen und die Durchgängigkeit der Drainagen wiederherzustellen. Bei deutlichem Rückgang der Sekretionsmenge können die Drainagen gezogen werden.
Die Operationswunde wird mit sterilen Verbänden versorgt. Der Operateur muss aufgrund des intraoperativen Befunds den ersten sterilen Verbandswechsel und die anfängliche Frequenz der Wundinspektionen festlegen.
Nicht selten finden sich im Nahtbereich beim durchblutungsgestörten Patienten bis zu 1 cm breite Vollhautnekrosen. Insofern sich keine Infektionszeichen finden, sollten diese Nekrosen regelmäßig beobachtet und beim Verbandswechsel sanft gelöst werden. Eine gute postoperative Nachbetreuung kann, wie das Fallbeispiel zeigt, eine Stumpfrevision häufig vermeiden. Nach eigener Erfahrung ist ein Ausschneiden der Narbenverhältnisse mit erneuter Primärnaht in weit über 50 % der Fälle wiederum mit Hautnekrosen vergesellschaftet.
Das Nahtmaterial sollte maximal 14 Tage belassen werden. Eine nicht heilende Wundnaht wird auch unter prolongiertem Belassen des Nahtmaterials nicht heilen. Nicht selten anzutreffende, subkutane Hämatome im Narbenbereich können gut durch partielle Nahtentfernung und offene Wundbehandlung versorgt werden. Durch regelmäßige antiseptische Verbände und ein narbenentlastender Wundverband (Abb. 7) können viele dieser Wunden zur Sekundärheilung gebracht und Stumpfrevisionen vermeiden werden.

Stumpfkompressionsverbände

Ein postoperatives Ödem wird sich aufgrund der großen Wundflächen zwangsläufig bilden. Der Unterschenkelstumpf ist für einige Tage durch leichtes Unterpolstern auf etwa Herzhöhe zu lagern, damit das Ödem sich leichter zurückbildet. Die Ausnahme besteht bei einer sich unter dieser Lagerung zeigenden verlängerten Rekapillarisierungszeit. In diesen Fällen ist die arterielle Durchblutung durch Flach- oder sogar leichte Tieflagerung zu unterstützen.
Eine umsichtige, an die Perfusionsverhältnisse adaptierte kompressive Stumpfwicklung kann dem postoperativen Ödem entgegenwirken. In den ersten 3–5 Tagen sind Langzugbinden zu verwenden, damit durch ein unerwartetes Anschwellen des Stumpfes Drucknekrosen vermieden werden. Nach Drainageentfernung und beginnender Hautfältelung als Zeichen des Ödemrückgangs wechseln wir auf eine dreilagige Wickelung mit Kurzzugbinden. Der Verband wird grundsätzlich bis Mitte des Oberschenkels angelegt. Es empfiehlt sich, jede Binde separat zu fixieren, damit bei übermäßigem Druck lediglich die oberste Binde entfernt werden muss. Zudem ist am Stumpfende die Zugrichtung der Binde von dorsal nach ventral über die Narbe zu führen, um eine Distraktion der Muskel- und Hautnähte zu vermeiden.
Beim höhergradig durchblutungsgestörten Patienten führen wir die Kompressionswickelung über einer Lage aus Wattebinden durch. In den ersten Tagen ist bei diesen Patienten zwingend mehrfach täglich eine klinische Kontrolle notwendig, um kompressionsbedingte Komplikationen zu vermeiden. Ein Verzichten auf die Kompressionsbehandlung kann zu ausgeprägten Stumpfödemen führen, welche wiederum eine Durchblutungsstörung begünstigen. Aus diesem Grund empfehlen wir auch bei Patienten mit arterieller Verschlusskrankheit eine Stumpfkompression mit Augenmaß durchzuführen.

Stumpfschmerzen/Phantomschmerzen

Es empfiehlt sich, prä- oder perioperativ der Amputation einen Schmerzkatheter einzulegen, damit die unmittelbar postoperative Analgesie sichergestellt ist. Eine PCA-Pumpe sollte zusätzlich um die WHO Empfehlungen mit NSAR- und Opiatgabe ergänzt werden, um den Stumpfschmerz adäquat zu behandeln. Gerade das frühpostoperative starke Schmerzerleben begünstigt nach eigener Erfahrung mögliche Phantomschmerzen und sollte vermieden werden.
Phantomschmerzen treten selten vor Beendigung der ersten postoperativen Woche auf. Diese sind nicht mit einem schmerzlosen Phantomgefühl zu verwechseln. Verfrüht auftretende Phantomschmerzen sind häufig ein Indiz für einen die Nervenstümpfe reizenden tiefen Frühinfekt und sollten Anlass zu weiterführenden Infektionsdiagnostik sein.
Bestanden bei dem Patienten bereits vor der Operation chronische Extremitätenschmerzen, sollten unbedingt perioperativ Schmerztherapeuten hinzugezogen werden, um zeitnah eine Behandlung sicherstellen zu können.
Die von Ramachandran 1994 beschriebene Spiegeltherapie kam ursprünglich in der Behandlung von Schlaganfallpatienten zur Anwendung (Ramachandran 1994). Durch Projektion der gesunden kontralateralen Körperseite in einem Spiegel auf die erkrankte Körperhälfte konnten eine Neglect-Symptomatik und die Schmerzwahrnehmung positiv beeinflusst werden. Beim Amputierten ist die Schädigung nicht in der Großhirnrinde lokalisiert. Vielmehr besteht durch den Verlust des Zielorgans ein sensorisches Defizit. Hier greift die Spiegeltherapie durch Präsentation der gesunden Gliedmaße auf den Amputationsstumpf unmittelbar in die Reorganisation der Großhirnrinde ein (Dohle et al. 2011) und kann bei einigen Patienten gut in der Phantomschmerztherapie angewendet werden. Wenige Patienten beklagen einen ausgeprägten ungerichteten Schwindel während der Spiegeltherapie. In diesen Fällen sollte diese Therapie beendet werden. Begleitend kann eine allgemeinere Ergotherapie supportiv Schmerzerleichterung bringen.
Medikamente wie Pregabalin oder Gabapentin in Kombination mit Amitriptylin haben sich schmerzlindernd gezeigt. Die vor einigen Jahren noch übliche perioperative Gabe von Ketanest bei nicht möglicher Periduralanästhesie zeigte bedauerlicherweise kein vermindertes Auftreten von Phantomschmerzen. In der frühpostoperativen Phrase kann es jedoch helfen, die Phantomschmerzintensität etwas zu senken (Bone et al. 2002; Zorn et al. 2008; Stannard und Porter 1993).

Physiotherapie

Bereits am ersten postoperativen Tag können physiotherapeutische Behandlungen zum Erhalt der Allgemeinkonstitution durchgeführt werden. Hierbei darf auch das ipsilaterale Hüftgelenk beübt werden. Der Patient wird angehalten, sich mit Unterarmgehstützen zu mobilisieren, und das Transfertraining vom Bett in den Rollstuhl bzw. in die Nasszelle ist zu üben. Zudem sollte der Patient frühzeitig durch wiederholtes Anlernen in die stumpfkonditionierende Kompressionsbehandlung involviert werden.
Da die Unterschenkelmuskulatur im Rahmen der chirurgischen Stumpfrekonstruktion entweder durch Myoplastie bzw. Myodese fixiert wurde, ist eine frühzeitige aktive Beübung des Kniegelenks bzw. des Phantomglieds gegen Widerstand nicht durchzuführen. Insbesondere die Myodese benötigt analog zur knochennahen Muskel- und Sehnenrupturen einen Zeitraum von 8–12 Wochen, um narbig zu verheilen. Widerstandslose Bewegung im Kniegelenk sollten jedoch erfolgen, um einer Kniebeugekontraktur vorzubeugen.
Stumpfabhärtende Maßnahmen wie Narbenmassagen, schrittweise Lastaufnahme am Stumpfende, wechselwarmes Duschen und mechanische Stumpfabhärtung erfolgen im Rahmen des stationären Aufenthalts der frühpostoperativen Phase nicht, da die primäre Wundheilung noch nicht abgeschlossen ist. Diese weiterführenden Behandlungen sind dem ambulanten Bereich bzw. der stationären Prothesenrehabilitation vorbehalten.
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