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Orthopädie und Unfallchirurgie
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Publiziert am: 30.07.2023

Orthopädie und Unfallchirurgie: Private Krankenversicherung

Verfasst von: Elmar Ludolph
Die Private Krankenversicherung ist Teil des bürgerlichen Rechts. Sie hat ihre gesetzliche Grundlage in den §§ 192 bis 208 VVG (Versicherungsvertragsgesetz). Ausgefüllt werden die gesetzlichen Vorgaben durch die MB/KK (Musterbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankentagegeldversicherung), zur Zt. in der Fassung „2009“.
Die Zahl der privat vollversicherten Personen ist mit ca. 10,5 % der Bevölkerung (2020) gering. Bezieht man die Zusatzversicherten mit ein, erreicht der Anteil ca. 43 %. In dem Bestreben, möglichst jedem eine Krankenversicherung zu ermöglichen, sind die Privaten Krankenversicherer seit dem 01.01.2009 verpflichtet, einen sog. Basistarif anzubieten, der im Wesentlichen den Bedingungen der Gesetzlichen Krankenversicherung entspricht. Der Kontrahierungszwang entfällt nur dann, wenn die Person in unredlicher Weise gegen die Interessen des Versicherers verstoßen hat (§ 193 (5) 4. VVG).
Ärztliche Gutachten werden von der Privaten Krankenversicherung benötigt:
  • Zum Versicherungsfall „medizinisch notwendige Heilbehandlung“ (§ 1 (2) MB/KK),
  • zur Notwendigkeit einer stationären gegenüber einer ambulanten Heilbehandlung (§ 4 (4) MB/KK),
  • zur Differenzierung zwischen Krankenanstalt, Sanatorium usw. (§ 4 (5) MB/KK),
  • zur gutachtlichen Untersuchung der versicherten Person, wenn z. B. die Frage der Notwendigkeit einer stationären Behandlung (§ 4 (4) MB/KK) zur Beantwortung ansteht,
  • zu Fragen der ärztlichen Abrechnung (GOÄ).
Schwerpunkt ist die Notwendigkeit der medizinischen Heilbehandlung. Eine „Heilbehandlung“ umfasst jede medizinische Tätigkeit, die durch die betreffende Krankheit oder Unfallfolge „verursacht worden ist und die auf Heilung oder Linderung der Krankheit abzielt“ (BGH). Die „medizinische“ Notwendigkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 MB/KK 76 ist „jedenfalls dann“ gegeben, „wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der ärztlichen Behandlung vertretbar war, sie als notwendig anzusehen“ (BGH), wenn ein „anormaler Zustand“ (BGH) vorliegt. Anormal ist auch die körperlich bedingte Kinderlosigkeit, die weit verbreitete Sehminderung und die Geschlechtsumwandlung jedenfalls dann, wenn aufgrund des gestörten Verhältnisses zum eigenen Geschlecht eine psychische Erkrankung droht oder bereits manifest ist.
Nicht notwendig sind demgegenüber alle Maßnahmen, die der Verschönerung, der Leistungssteigerung oder der Steigerung des eigenen Wohlbefindens dienen.
Ein besonderer Diskussionspunkt sind die Kosten alternativer Behandlungsmethoden.
§ 4 Abs. 6 Satz 2 MB/KK stellt ab auf die evidenzbasierte Medizin, auf die „erfolgversprechende“ Bewährung. Daran müssen sich sog. Außenseitermethoden messen lassen. Stehen keine „schulmedizinischen Methoden“ „zur Verfügung“, hat das BverfG folgenden Grundsatz aufgestellt, der auch für die Private Krankenversicherung gilt: „Es ist mit den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.“

Einleitung

Die Private Krankenversicherung ist Teil des bürgerlichen Rechts. Sie hat ihre gesetzliche Grundlage in den §§ 192 bis 208 VVG (Versicherungsvertragsgesetz). Ausgefüllt werden die gesetzlichen Vorgaben durch die MB/KK (Musterbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankentagegeldversicherung), zur Zt. in der Fassung „2009“.
Die Zahl der privat vollversicherten Personen ist mit ca. 10,5 % der Bevölkerung (2020) gering. Bezieht man die Zusatzversicherten mit ein, erreicht der Anteil ca. 43 %. In dem Bestreben, möglichst jedem eine Krankenversicherung zu ermöglichen, sind die Privaten Krankenversicherer seit dem 01.01.2009 verpflichtet, einen sog. Basistarif anzubieten, der im Wesentlichen den Bedingungen der Gesetzlichen Krankenversicherung entspricht. Der Kontrahierungszwang entfällt nur dann, wenn die Person in unredlicher Weise gegen die Interessen des Versicherers verstoßen hat (§ 193 (5) 4. VVG).
Ärztliche Gutachten werden von der Privaten Krankenversicherung benötigt:
  • Zum Versicherungsfall „medizinisch notwendige Heilbehandlung“ (§ 1 (2) MB/KK),
  • zur Notwendigkeit einer stationären gegenüber einer ambulanten Heilbehandlung (§ 4 (4) MB/KK),
  • zur Differenzierung zwischen Krankenanstalt, Sanatorium usw. (§ 4 (5) MB/KK),
  • zur gutachtlichen Untersuchung der versicherten Person, wenn z. B. die Frage der Notwendigkeit einer stationären Behandlung (§ 4 (4) MB/KK) zur Beantwortung ansteht,
  • zu Fragen der ärztlichen Abrechnung (GOÄ).
Schwerpunkt ist die Notwendigkeit der medizinischen Heilbehandlung. Eine „Heilbehandlung“ umfasst jede medizinische Tätigkeit, die durch die betreffende Krankheit oder Unfallfolge „verursacht worden ist und die auf Heilung oder Linderung der Krankheit abzielt“ (BGH). Die „medizinische“ Notwendigkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 MB/KK 76 ist „jedenfalls dann“ gegeben, „wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der ärztlichen Behandlung vertretbar war, sie als notwendig anzusehen“ (BGH), wenn ein „anormaler Zustand“ (BGH) vorliegt. Anormal ist auch die körperlich bedingte Kinderlosigkeit, die weit verbreitete Sehminderung und die Geschlechtsumwandlung jedenfalls dann, wenn aufgrund des gestörten Verhältnisses zum eigenen Geschlecht eine psychische Erkrankung droht oder bereits manifest ist.
Nicht notwendig sind demgegenüber alle Maßnahmen, die der Verschönerung, der Leistungssteigerung oder der Steigerung des eigenen Wohlbefindens dienen.
Ein besonderer Diskussionspunkt sind die Kosten alternativer Behandlungsmethoden.
§ 4 Abs. 6 Satz 2 MB/KK stellt ab auf die evidenzbasierte Medizin, auf die „erfolgversprechende“ Bewährung. Daran müssen sich sog. Außenseitermethoden messen lassen. Stehen keine „schulmedizinischen Methoden“ „zur Verfügung“, hat das BverfG folgenden Grundsatz aufgestellt, der auch für die Private Krankenversicherung gilt: „Es ist mit den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.“

Geschichte der Privaten Krankenversicherung (PKV)

Die Krankenpflege als Korrelat zu den großen medizinischen Leistungen, wie sie z. B. mit dem Namen Hippokrates verbunden sind, war von jeher ein Grundanliegen jeder kultivierten Gesellschaft. So nahmen sich vor allem kirchliche Organisationen dieser Aufgabe an. Ab dem 13. Jahrhundert übernahmen auch reiche Bürger in den aufstrebenden Städten die Gründung und den Unterhalt von Hospitälern, Hospizen und Spitälern aus humanitären Gründen aber auch in Erkenntnis der Tatsache, dass Bevölkerungsansammlungen, die weitgehend ihre Geschäftsgrundlage waren, mit Gesundheitsrisiken verbunden sind.
Zusammenschlüsse, die sich dem Bild einer Krankenversicherung näherten, waren Vorläufer der Knappschaftsversicherung vor über 750 Jahren, an die ein Gedenkstein auf dem Marktplatz von Goslar erinnert. Es handelte sich wohl um einen Fond, gespeist durch Einzahlungen von Bergleuten des Bergwerks Rammelsberg, der u. a. deren Versorgung sowie die Versorgung von deren Familienangehörigen auch im Krankheitsfall sicherstellte. Im Handwerk und Handel entstanden ebenfalls als Selbsthilfeeinrichtungen sog. Krankenunterstützungsvereine.
Der soziale Umbruch zu Beginn des 19. Jahrhunderts führte zur Kodifikation der Gesetzlichen Krankenversicherung. Ihre Geburtsstunde ist der 15. Juni 1883. Unter dem damaligen Reichskanzler Otto von Bismarck wurde das „Gesetz betreffend der Krankenversicherung der Arbeiter“ erlassen, das nachfolgend auf Angestellte erweitert wurde.
Die Private Krankenversicherung nahm etwa im Gleichschritt mit der Gesetzlichen Krankenversicherung an Bedeutung zu. Auch die Besserverdienenden wollten das Risiko Krankheit nicht mehr unversichert tragen.

Gesetzliche und Private Krankenversicherung: Wesentliche Unterschiede

Folgende Gemeinsamkeiten/Unterschiede prägen das Bild der Gesetzlichen und Privaten Krankenversicherung:
  • Beide Versicherungen sind – mit Ausnahme der Tagegeldversicherung – typische Schadensversicherungen. Sie dienen der Deckung der Krankheitskosten.
Die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ist Teil des Sozialrechts. Sie ist geregelt im SGB V (5. Sozialgesetzbuch). Für Streitigkeiten zuständig sind die Sozialgerichte.
Die Private Krankenversicherung ist Teil des bürgerlichen Rechts. Sie hat ihre gesetzliche Grundlage in den §§ 192 bis 208 VVG (Versicherungsvertragsgesetz). Ausgefüllt werden die gesetzlichen Vorgaben durch die MB/KK (Musterbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankentagegeldversicherung), zur Zt. in der Fassung „2009“. Als Allgemeine Geschäftsbedingungen unterliegen die Versicherungsbedingungen der Inhaltskontrolle der §§ 305 bis 310 BGB. Für Streitigkeiten zuständig sind die Zivilgerichte.
Die Gesetzliche Krankenversicherung ist eine Pflichtversicherung (§ 5 SGB V). Versichert sind kraft Gesetzes alle Arbeiter und Angestellten sowie sonstige in § 5 SGB V aus sozialen Überlegungen weiter aufgeführte Personengruppen bis zu einer Jahresarbeitsentgeltgrenze (2021) von € 64.350 (§ 6 SGB V).
Ab dem 01.01.2009 gilt in Deutschland eine Versicherungspflicht (§ 193 VVG). Die Privaten Krankenversicherer müssen deshalb einen sog. Basistarif vorhalten, der im Grundsatz den Leistungen der GKV entspricht. Die Privaten Krankenversicherungen müssen dort alle Personen aufnehmen, die die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen und die Aufnahme beantragen. Eine Person darf von einer PKV jedoch abgelehnt werden, wenn sie in unredlicher Weise gegen die Interessen des Versicherers verstoßen hat (§ 193 (5) 4. VVG). Abgesehen vom sog. Basistarif können sowohl die Versicherung als auch die Vertragsgestaltung frei gewählt werden. Der Krankenversicherungsvertrag ist im Gegensatz zur GKV ein Individualvertrag.
Die meisten Menschen in Deutschland sind gesetzlich krankenversichert (2020: 73,36 Millionen).
Die Zahl der privat vollversicherten Personen ist demgegenüber gering (2020: 8,73 Millionen). Als Vollversicherung gilt eine Private Krankenversicherung dann, wenn sie anstelle einer Gesetzlichen Krankenversicherung und nicht als Zusatzversicherung zum GKV-Schutz abgeschlossen ist. Einschließlich Zusatzversicherungen waren im Jahr 2020 ca. 36 Millionen Personen privat versichert.
105 Gesetzlichen Krankenkassen standen in Deutschland 2019
50 Private Krankenversicherer gegenüber.
Versichert ist in der GKV die Familie („Familienversicherung“, § 10 SGB V). Ehepartner/Lebenspartner und Kinder, die (u. a.) nicht „hauptberuflich selbstständig erwerbstätig sind“, sind kostenfrei mitversichert.
In der der PKV ist jede Einzelperson versichert.
Der Leistungsumfang der GKV ist in § 12 (1) SGB V definiert:
„Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.“
Der Leistungsumfang der PKV ist in § 192 (1) VVG und inhaltlich gleichlautend in § 1 (2) MB/KK – ergänzt und erläutert durch § 4 (6) MB/KK – wie folgt definiert:
„Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen.“
Besondere Risiken, z. B. durch Vorerkrankungen, sind in der GKV unbeachtlich.
In der PKV führen sie zu Risikozuschlägen (§ 8a MB/KK in Verbindung mit § 146 (1) 1 VAG -Versicherungsaufsichtsgesetz).
In der GKV ist der monatliche Beitrag einkommensabhängig.
In der PKV ist der Beitrag unter anderem dem persönlichen Risiko – dem Alter und den individuellen Risikofaktoren – zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses äquivalent (§ 8a MB/KK in Verbindung mit § 146 (1) 1 VAG).
Leistungserbringer in der GKV sind (u. a.) die Kassenärzte (§ 72 ff. SGB V, mit den Gesetzlichen Krankenkassen vertraglich verbundene Ärzte).
In der PKV steht der versicherten Person „die Wahl unter den niedergelassenen approbierten Ärzten und Zahnärzten frei“ (§ 4 (2) MB/KK). „Bei medizinisch notwendiger stationärer Heilbehandlung hat die versicherte Person freie Wahl unter den öffentlichen und privaten Krankenhäusern, die unter ständiger ärztlicher Leitung stehen, über ausreichende diagnostische und therapeutische Möglichkeiten verfügen und Krankengeschichten führen“ (§ 4 (4) MB/KK).
In der GKV gilt – mit Ausnahmen das Sachleistungsprinzip (§ 2 SGB V). Die Leistungserbringer rechnen ihre Leistungen (letztlich) mit den Gesetzlichen Krankenkassen ab.
In der PKV gilt das Kostenerstattungsprinzip (§ 4 (6) MB/KK). Die Kosten der notwendigen Heilbehandlung werden der versicherten Person erstattet.

Private Krankenversicherung: Aufgaben des ärztlichen Gutachters

Die Privaten Krankenversicherer verfügen im Gegensatz zur Gesetzlichen Krankenversicherung nicht über einen eigenen medizinischen Dienst (MDK). Sie haben sich jedoch insofern zusammengeschlossen, als die medizinischen Aufgaben der Pflegekassen durch die MEDICPROOF GmbH – ein Tochterunternehmen des Verbandes der Privaten Krankenversicherer – wahrgenommen werden. Die einzelnen Krankenversicherer werden beraten durch ihre Gesellschaftsärzte. Externe Gutachter werden beauftragt:
  • Zum Versicherungsfall „medizinisch notwendige Heilbehandlung“
    § 1 (2) MB/KK: „Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen.“ Dieser wird ergänzt durch § 4 (6) MB/KK.
  • Zur Notwendigkeit einer stationären gegenüber einer ambulanten Heilbehandlung
    § 4 (4) MB/KK: „Bei medizinisch notwendiger stationärer Heilbehandlung.“
  • Zur Differenzierung zwischen Krankenanstalt, Sanatorium usw.
    § 4 (5) MB/KK: „Für medizinisch notwendige stationäre Heilbehandlung in Krankenanstalten, die auch Kuren bzw. Sanatoriumsbehandlungen durchführen oder Rekonvaleszenten aufnehmen, im Übrigen aber die Voraussetzungen von Abs. 4 erfüllen, werden die tariflichen Leistungen nur dann gewährt, wenn der Versicherer diese vor Beginn der Behandlung schriftlich zugesagt hat.“
  • Zur gutachtlichen Untersuchung der versicherten Person, wenn z. B. die Frage der Notwendigkeit einer stationären Behandlung (§ 4 (4) MB/KK) zur Beantwortung ansteht
    § 9 (3) MB/KK: „Auf Verlangen des Versicherers ist die versicherte Person verpflichtet, sich durch einen vom Versicherer beauftragten Arzt untersuchen zu lassen.“
  • Zu Fragen der ärztlichen Abrechnung (GOÄ)
Während die meisten Fragen an den ärztlichen Gutachter einzelfallbezogen sind und die zuletzt genannte Aufgabe (Überprüfung ärztlicher Abrechnungen) juristisch-medizinischen Sachverstand erfordert, ist die Frage der „medizinisch notwendigen Heilbehandlung“ und der „medizinisch notwendigen stationären Heilbehandlung“ ein grundsätzlich rein ärztliches Problem, das nachfolgend erörtert wird.

Die „medizinisch notwendige Heilbehandlung“ (§ 1 (2) MB/KK)

§ 1 (1) 1 MB/KK „Bei der Krankheitskostenversicherung ist der Versicherer verpflichtet, im vereinbarten Umfang die Aufwendungen für medizinisch notwendige Heilbehandlung wegen Krankheit oder Unfallfolgen“ „zu erstatten“ – wird umgesetzt durch § 1 (2) MB/KK: „Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen.“ Erläutert und ergänzt wird § 1 (2) MB/KK durch § 4 (6) MB/KK.
§ 630a (2) BGB: „Die Behandlung hat nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist.“
§ 1 (2) 1 GOÄ: „Vergütungen darf der Arzt nur für Leistungen berechnen, die nach den Regeln der ärztlichen Kunst für eine medizinisch notwendige ärztliche Versorgung erforderlich sind.“
Alle drei Bestimmungen besagen inhaltlich das Gleiche, wobei die aussagekräftigste § 630a (2) BGB ist. Sie beleuchten die gleiche Fragestellung einmal von Seiten der Kranken-versicherung, zum anderen von Seiten der Patienten und zum dritten von Seiten der Therapeuten.
Eine „Heilbehandlung“ umfasst „jede ärztliche Tätigkeit, die durch die betreffende Krankheit“ oder Unfallfolgen „verursacht worden ist und die auf Heilung oder Linderung der Krankheit abzielt“ (BGH, Urteil vom 10.07.1996 IV ZR 133/95).

Grundlage der ärztlichen Behandlung muss eine Krankheit oder ein Unfall sein

Beides, eine Krankheit oder ein Unfall, setzten voraus, dass „objektiv nach ärztlichem Urteil“ ein „anormaler, regelwidriger Körper- oder Geisteszustand“ gegeben ist. „Dabei ergibt sich die Einstufung als „anormal“ aus einem Vergleich mit der normalen biologischen Beschaffenheit des Menschen, die Einstufung als „regelwidrig“ aus der ergänzenden medizinischen Bewertung eines anormalen Zustandes“ (BGH, Urteil vom 29.03.2017 IV ZR 533/15).
Auch altersbedingte Veränderungen, können eine Krankheit sein und damit einen Anspruch gegen die PKV begründen.
Die versicherte Person machte Kosten für eine Laserbehandlung der Augen geltend. Das OLG hatte die Klage, gestützt auf ein Sachverständigengutachten, abgelehnt mit der Begründung, altersbedingte Veränderungen seien keine Krankheit. 30 bis 40 % der Menschen in mittlerem Alter würden an den gleichen Sehstörungen leiden wie die versicherte Person.
Dazu der BGH, Urteil vom 29.03.2017 IV ZR 533/15:
„Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer wird vielmehr davon ausgehen, zum Normalzustand der Sehfähigkeit gehöre ein beschwerdefreies Lesen und eine gefahrenfreie Teilnahme am Straßenverkehr; er wird das Vorliegen einer bedingungsgemäßen Krankheit annehmen, wenn bei ihm eine nicht nur ganz geringfügige Beeinträchtigung dieser körperlichen Normalfunktion vorliegt, die ohne Korrektur ein beschwerdefreies Sehen nicht ermöglicht. Dies folgt schon daraus, dass eine Krankheit nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch auch dadurch gekennzeichnet ist, dass sie eine nicht ganz unerhebliche Störung körperlicher oder geistiger Funktionen mit sich bringt und deshalb die Notwendigkeit einer Heilbehandlung begründet.“
Eine weitere viel diskutierte Frage geht dahin, ob die Krankenversicherung die Kosten einer ärztlichen Behandlung wegen Kinderlosigkeit tragen muss.
OLG Düsseldorf, Urteil vom 31.03.2020 I-24 U 61/19:
„Kinderlosigkeit als solche stellt keine Krankheit i.S. der MB/KK dar, sondern allein die organische Ursache derselben, hervorgerufen durch einen regelwidrigen körperlichen Zustand, welchen der Versicherungsnehmer nachzuweisen hat. Zur Annahme eines Versicherungsfalls gem. § 1 Abs. 2 AVB ist eine idiopathische Sterilität nicht ausreichend, ebenso wenig wie altersbedingte Fertilitätseinschränkungen.“
Die Frage, ob der Fertilitätsbehandlung eine Krankheit zugrunde liegt, beschäftigt die Gerichte wiederholt, insbesondere wenn der Unfruchtbarkeit keine erkennbare strukturelle Regelwidrigkeit zugrunde liegt (idiopathische Fertilität Unfruchtbarkeit ohne erkennbaren Grund). Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 04.12.2019 IV ZR 323/18) hat dazu eindeutig Stellung genommen:
„Eine Krankheit i.S. § 1 (2) S. 1 MB/KK“ „ist eine auf körperlichen Ursachen beruhende Unfähigkeit, auf natürlichem Weg Kinder zu bekommen“.
Kinderlosigkeit allein reicht also nicht aus. Sie muss vielmehr eine „körperliche“ Ursache haben, um eine „Krankheit“ zu sein. Inwieweit psychische Folgen eines unerfüllten Kinderwunsches zu einer anderen Beurteilung führen, stand nicht zur Entscheidung.
Damit hängt eng zusammen die Frage, ob Transsexualität eine Krankheit ist. Dies ist sie jedenfalls dann, wenn aus der Transsexualität eine Krankheit auf psychiatrischem Gebiet entstanden ist, resultierend aus der Diskrepanz zwischen gefühltem Geschlecht und körperlich vorhandenem Geschlecht. Unter diesen Voraussetzungen werden die Kosten für eine Geschlechtsumwandlung von den privaten Krankenversicherern in aller Regel übernommen.
Keine Krankheiten sind und damit nicht unter den Leistungskatalog der Privaten Krankenversicherung fallen:
  • Behandlungen, die die körperliche Attraktivität fördern sollen (z. B. Schönheitsoperationen)
  • Präventive Maßnahmen, z. B. die Einnahme von die Abwehr stärkenden Präparaten, nicht aber (§ 1 (2) b)):
    „Ambulante Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten nach gesetzlich eingeführten Programmen (gezielte Vorsorgeuntersuchungen)“
  • Maßnahmen zur Verhinderung der natürlichen Alterung (z. B. Botoxinjektionen)
  • Maßnahmen zur Leistungssteigerung (z. B. Doping)
  • Alle unter den Begriff „Wellness“ fallenden Maßnahmen
  • Wunschbehandlungen (z. B. Ziehen von Zähnen ohne ärztliche Indikation)
  • Maßnahmen der Betreuung und Versorgung
  • Schwangerschaftsabbruch/Geschlechtsumwandlung usw. ohne medizinische Indikation, wobei die medizinische Indikation aus einer psychischen Erkrankung resultieren kann, Folge z. B. einer Diskrepanz zwischen körperlichem Geschlecht und gegenläufiger sexueller Orientierung; bei kriminologischer Indikation (§ 218a (3) StGB) fällt diese nicht unter den grundsätzlichen Leistungskatalog; eine Kostenübernahme hängt von der jeweiligen Krankenversicherung ab
  • Empfängnisverhütung, es sei denn, es besteht eine medizinische Indikation
  • Maßnahmen, die nur mittelbar mit ärztlichen Leistungen zusammenhängen (Fahrtkosten, Kurtaxe)
Behandlungsbedürftige Krankheiten oder Unfallfolgen liegen vor, wenn nach „objektiv“ „ärztlichem Urteil“ ein „anormaler, regelwidriger Körper- oder Geisteszustand“ gegeben ist (BGH, Urteil vom 29.03.2017 IV ZR 533/15).

Die Heilbehandlung muss sich auf die „versicherte Person“ beziehen

Eine Organspende erfolgt zur „Heilbehandlung“ der „versicherten Person“. Schwieriger ist dies bei Fragen der Humangenetik, die ganze Familien betreffen können.

Geschuldet wird die „medizinisch notwendige“ Heilbehandlung

Die „medizinische“ Notwendigkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 MB/KK 76 ist „jedenfalls dann“ gegeben, „wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der ärztlichen Behandlung vertretbar war, sie als notwendig anzusehen“ (BGH, Urteil vom 10.07.1996 IV ZR 133/95). Der letzte Satz, der einschränkungslos auch für die MB/KK 2009 gilt, ist prägend für die gesamte Diskussion der Frage, was schuldet die Private Krankenversicherung.
a)
Erforderlich ist die Beurteilung einer Heilbehandlung „im Zeitpunkt der Vornahme“ also vom Standpunkt ex ante. Wird also zum Zeitpunkt der ärztlichen Behandlung von führenden Unfallchirurgen vehement die operative Behandlung von Außenknöchelbandverletzungen vertreten, wie dies in der Vergangenheit der Fall war, dann ist es vertretbar, diese Behandlung „im Zeitpunkt der Vornahme“, als „notwendig“ durchzuführen, auch wenn sich nachfolgend die Erkenntnis durchsetzt, dass die konservative Behandlung effektiver ist und die operative Behandlung als nicht mehr dem herrschenden ärztlichen Standard entsprechend nicht mehr durchgeführt wird.
 
b)
Welche Behandlung „notwendig“ ist, dazu sind entscheidend die „objektiven medizinischen Befunde“. Es kommt nicht auf die Sicht des Therapeuten oder der versicherten Person an. Es muss vielmehr aufgrund objektiver Befunde eine Diagnose gestellt werden, die die Behandlung notwendig macht. Unter „objektiven medizinischen Befunden“ sind nicht nur medizinisch-naturwissenschaftliche Befunde zu verstehen. Die Psychiatrie sichert Befunde nach ihren Regeln.
i.
Voraussetzung für die Sicherung der „objektiven medizinischen Befunde“ ist eine klare Diagnose, die das Krankheitsbild hinreichend erfasst.
Eine von rationalen Überlegungen gesteuerte ärztliche Diagnostik ist die sog. Stufendiagnostik.
Beispiel
Kniebeschwerden z. B. werden zunächst abgeklärt durch eine klinische Untersuchung. Der nächste Schritt ist die Anfertigung von Röntgen-Aufnahmen in 3 Ebenen und eine Sonografie. Lässt sich daraus keine klare Diagnose sichern, ist der nächste Schritt die Kernspintomografie. Ist bei fortbestehenden Beschwerden und Funktionseinbußen die Diagnose weiter offen, kann als letztes diagnostisches Mittel die Spiegelung indiziert sein.
In einer Vielzahl von Fällen wird jedoch statt der Röntgen-Aufnahmen der sofortigen Kernspintomografie der Vorzug gegeben. Dies ist zu rechtfertigen, wenn keinerlei Hinweis auf knöcherne Verletzungen bestehen, die klinische Untersuchung als Basisdiagnostik jedoch nicht ausreichend ist.
Voraussetzung für die Sicherung „objektiver medizinischer Befunde“ ist die Diagnostik. Die Diagnostik hat den Untersuchungsschritten zu folgen, wie sie im Kap. „Das ärztliche Gutachten/Der ärztliche Gutachter in Unfallchirurgie und Orthopädie“ aufgezeigt sind.
 
ii.
Nicht auf „objektiven medizinischen Befunden“ beruhen rein subjektive Beschwerden z. B. nach einem sog. Schleudertrauma der Halswirbelsäule.
Zwar ist die diagnostische Abklärung auch in diesen Fällen „notwendig“. Denn es entspricht ärztlichem Standard, subjektive Beschwerden als mögliches Indiz für eine strukturelle Veränderung abzuklären. Ist aber die Diagnostik abgeschlossen und kann keine behandlungsbedürftige Diagnose gestellt werden, dann beruht eine weitere Fortsetzung der Therapie nicht mehr auf „objektiv medizinischen Befunden“. Sie ist nicht „notwendig“.
Therapeutische Maßnahmen, die rein subjektive Befunde (Schmerzen) zum Gegenstand haben, die also nicht auf „objektiven medizinischen Befunden“ beruhen, sind nicht zwangsläufig behandlungsfehlerhaft. Sie sind jedoch nicht erstattungspflichtig.
Die diagnostische Abklärung von subjektiven Beschwerden ist „notwendig“, eine nachfolgende Therapie aber nur, wenn dieser „objektive medizinische Befunde“ zugrunde liegen. Diese Aussage berücksichtigt jedoch nicht Krankheitsbilder auf psychiatrischem Gebiet, bei denen die Notwendigkeit der Behandlung auf psychischen Fehlentwicklungen beruht.
 
iii.
Nicht „auf objektiv medizinischen Befunden“ beruht eine Übertherapie.
Beispiel
Der versicherten Person wird nach einem geschlossenen unverschobenen Speichenschaftbruch, der konservativ in gehöriger Zeit ohne Komplikationen zur Ausheilung kommt, Physiotherapie verordnet. In der großen Zahl der Fälle reicht das „Training“ durch Alltagsbelastungen zur Wiedererlangung der vollen Funktion.
Eine Vielzahl vergleichbarer Heilbehandlungen sind überflüssig, beruhen nicht auf „objektiv medizinischen Befunden“ und sind damit nicht „notwendig“.
 
iv.
Nicht zu verwechseln mit einer Übertherapie ist ein Übermaß an Kosten für die Heilbehandlung „objektiv medizinischer Befunde“.
Es ist also zu unterscheiden zwischen Übertherapie und übermäßigen Kosten, die für eine medizinisch notwendige Therapie in Ansatz gebracht werden. Die Beanstandung der Krankenhauskosten – die Überprüfung der Arztkosten richtet sich nach der GOÄ – kann allein auf die Regeln des BGB gestützt werden und zwar darauf, dass der der Abrechnung zugrunde liegende Vertrag nichtig ist (§ 138 BGB), wofür die Partei, die die Nichtigkeit geltend macht, beweispflichtig ist.
BGH, Urteil vom 12.03.2003 IV ZR 278/01
Beispiel
„Der Kläger unterzog sich drei minimal-invasiven Bandscheibenoperationen“ „in einer privaten Belegklinik“. Die Kosten allein für den Klinikaufenthalt, der insgesamt 11 Tage dauerte, wurden mit € 46.284 geltend gemacht.
Dazu der BGH:
„Die Einbeziehung von Kostengesichtspunkten lässt sich § 1 (2) 1 MB/KK 76“ – die MB/KK 2009 sind insofern gleichlautend – „im Wege der Auslegung nicht entnehmen.“ „Dass darüber hinaus der Versicherer seine Leistungspflicht nur auf die billigste Behandlungsmethode beschränken will, erschließt sich dem Versicherungsnehmer nicht“. „Die Beklagte“, der Versicherer, „kann den Erstattungsanspruch des Klägers auch nicht entsprechend § 5 (2) MB/KK 76 kürzen.“
(§ 5 (2) MB/KK: „Übersteigt eine Heilbehandlung oder sonstige Maßnahme, für die Leistungen vereinbart sind, das medizinisch notwendige Maß, so kann der Versicherer seine Leistungen auf einen angemessenen Betrag herabsetzen. Stehen die Aufwendungen für die Heilbehandlung oder sonstigen Leistungen in einem auffälligen Missverhältnis zu den erbrachten Leistungen, ist der Versicherer insoweit nicht zur Leistung verpflichtet.“)
„Diese Regelung räumt dem Versicherer lediglich die Befugnis ein, bei das medizinische Maß übersteigenden Heilbehandlungen (sog. Übermaßbehandlungen) seine Leistungen auf einen angemessenen Betrag herabzusetzen.“
Liegt eine Übermaßtherapie vor, „ist der Versicherer insoweit nicht zur Leistung verpflichtet“ (§ 5 MB/KK).
 
 
c)
§ 1 (2) 2 MB/KK: „Der Versicherungsfall beginnt mit der Heilbehandlung; er endet, wenn nach medizinischem Befund Behandlungsbedürftigkeit nicht mehr besteht.“
Ist die Diagnose gesichert, beginnt die „Heilbehandlung“, die Suche nach der geeigneten Therapie. Die Eignung der Therapie als Heilbehandlung ist nach der Diagnostik der 2. Kernpunkt der ärztlichen Tätigkeit. Von dieser werden selbstverständlich Erfolge erwartet. Diese messen sich an der Besserung von Symptomen und/oder der Verlängerung des Lebens. Diese Erfolge werden gemessen an der Wahrscheinlichkeit des Behandlungserfolgs. Das heißt jedoch nicht, dass allein statistische Zahlen den Ausschlag geben. Denn der ärztliche Behandlungsvertrag ist ein Dienstvertrag, kein Werkvertrag. Es wird also die dem allgemein anerkannten fachlichen Standard (de lege artis) entsprechende Behandlung geschuldet, nicht der statistisch gesicherte Behandlungserfolg. Geeignet ist eine Behandlung, wenn sie allgemein bzw. überwiegend anerkannt ist. Dies ist dann der Fall, wenn sie sich stützt auf:
  • die herrschende Meinung, den gesicherten ärztlichen Standard
  • Leitlinien
  • Konsensempfehlungen
  • Empfehlungen der zuständigen Fachgesellschaft
  • Veröffentlichungen, die aber kritisch daraufhin zu sichten sind, ob Einzelmeinungen vertreten werden.
 
Eine Erfolgswahrscheinlichkeit kann die ärztliche Medizin nicht geben, da ein wesentlicher Teil des Behandlungserfolgs oder -misserfolgs die versicherte Person selbst ist. Gutachten zur Eignung der Heilbehandlung sind schwierig und aufwendig, weil diese das gesamte Spektrum der Erkenntnismöglichkeiten durchforschen müssen.

Außenseitermethoden

Sog. Wunderheilungen und Scharlatanerie sind durch die PKV nicht versichert. Nicht „notwendig“, d. h. nicht geeignet, den Heilerfolg herbeizuführen, sind in aller Regel zudem alle experimentell nicht abgesicherten Außenseitermethoden.
Beispiel
Ein Chirurg behandelte die Operationswunde einer 80-jährigen Patientin, die sich infolge einer Darmoperation entzündet hatte, mit unsterilem Zitronensaft. Die Frau verstarb rund zwei Wochen nach der Darmoperation an den Folgen der Wundinfektion, wobei das muss einschränkend gesagt werden nicht bewiesen werden konnte, dass die nicht „notwendige“ Behandlung mit Zitronensaft dafür ursächlich war (BGH, Urteil vom 22.12.2010 3 StR 239/10).
Die Behandlung mittels Zitronensaft war sowohl behandlungsfehlerhaft als auch nicht „notwendig“. Sie versprach keinen Behandlungserfolg. Das muss aber nicht zusammenfallen. Eine Behandlung kann behandlungsfehlerfrei sein. Wenn der damit verbundene Heilerfolg nicht ausreichend abgesichert ist, ist sie nicht „notwendig“.
Beispiel
Im Rahmen einer Rekonvaleszenz wird eine Eigenbluttherapie durchgeführt. Entnommen wird Blut. Dies wird mit Ozon angereichert und dem Eigenblutspender wieder zugeführt. Erreicht werden soll dadurch eine schnellere Rekonvaleszenz.
Dass diese Behandlung mit einem Heilerfolg verbunden ist, ist experimentell nicht abgesichert. Zwar liegen dem Behandlungskonzept nachvollziehbare Überlegungen zugrunde. Es fehlt jedoch die experimentelle Bestätigung und die Bewährung in der Praxis. Behandlungsfehlerhaft ist sie jedoch nicht, wenn die versicherte Person über den unsicheren Heilungserfolg und die mit der Behandlung verbundenen Risiken/Kosten ausreichend aufgeklärt ist.
Beispiel
Durchgeführt wurde bei der versicherten Person eine Schmerzbehandlung nach Racz, die zumindest 2001 wissenschaftlich umstritten war und sich noch in einem experimentellen Stadium befand. Gelegt wurde ein Katheter im Bereich der Wirbelsäule, durch den ein Cocktail u. a. aus einem Betäubungsmittel und einem Kortisonpräparat verabreicht wurde (BGH, Urteil vom 22.05.2007 VI ZR 35/06).
Die Behandlung war, wenn sie mit der versicherten Person abgesprochen war und sie über den experimentellen Charakter aufgeklärt war, zulässig. Sie war aber nicht notwendig, da es für das gleiche Schadensbild zu dem Zeitpunkt (Begutachtung ex ante), zu dem sie durchgeführt wurde, experimentell abgesicherte Behandlungsmethoden gab.
Bis zur Entscheidung des BGH (Urteil vom 23.06.1993 IV ZR 135/92) galt die sog. Wissenschaftsklausel.
§ 5 (1) MB/KK „Keine Leistungspflicht besteht
f) für wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Untersuchungs- und Behandlungsmethoden und Arzneimittel“.
Diese Klausel beschränkte nach Meinung des BGH den Versicherungsschutz auf die Schulmedizin. Sie schloss damit die Alternativmedizin vom Versicherungsschutz aus. Damit war der Versicherungsschutz nach Meinung des BGH zu einem wesentlichen Teil ausgehöhlt. Er hob diese Klausel auf.
Ersetzt wurde diese Klausel durch § 4 (6) MB/KK:
„Der Versicherer leistet im vertraglichen Umfang für Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden und Arzneimittel, die von der Schulmedizin überwiegend anerkannt sind. Er leistet darüber hinaus für Methoden und Arzneimittel, die sich in der Praxis als ebenso erfolgversprechend bewährt haben oder die angewandt werden, weil keine schulmedizinischen Methoden oder Arzneimittel zur Verfügung stehen; der Versicherer kann jedoch seine Leistungen auf den Betrag herabsetzen, der bei der Anwendung vorhandener schulmedizinischer Methoden oder Arzneimittel angefallen wäre.“
Der entscheidende Passus ist, dass Versicherungsschutz besteht, für „Methoden und Arzneimittel“, die sich „bewährt haben“. Dies zeigt an, dass entscheidend sind weniger wissenschaftliche Erkenntnisse und Statistiken, sondern die Erfahrungen der Praxis. Dies setzt aber eine ausreichend große Zahl von Anwendern und eine entsprechende Zeit der Erprobung voraus. Eine Bewährung kann gegeben sein für die alternativen Behandlungsmethoden und Arzneimittel, die innerhalb der verschiedenen Richtungen der Alternativmedizin Standard sind. Vor Inanspruchnahme einer alternativmedizinischen Behandlung, z. B. Akkupunktur, ein Verfahren, dass seit Jahrhunderten Teil der chinesischen Medizin ist, empfiehlt es sich jedoch, diese Frage zunächst abzuklären. Die GKV bezahlt diese Leistung unter bestimmten Voraussetzungen. Privatversicherte können Zusatzversicherungen abschließen.
Geleistet wird für von der Schulmedizin überwiegend anerkannte Behandlungs- und Arzneimittel und bewährte Behandlungs- und Arzneimittel der Alternativmedizin, wobei dazu der Versicherungsschutz jeweils abzuklären ist. Geleistet wird grundsätzlich nur für eine ärztliche Behandlung, bei der Behandlung durch einen Heilpraktiker ist entscheidend die individuelle Vertragsgestaltung.

Heilbehandlung einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung

Der entscheidende Leitsatz, der zwar einen gesetzlich Versicherten betraf, kommt vom Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 06.12.2005 1 BvR 347/98):
„Es ist mit den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.“
Diesem Leitsatz, der einschränkungslos auch für die PKV gilt, lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Beispiel
Der 5-jährige gesetzlich Krankenversicherte litt an einer „so genannten progressiven Muskeldystrophie“. „Die Krankheit manifestiert sich in den ersten Lebensjahren; ihr prognostizierter Verlauf ist progredient.“ „Die Lebenserwartung ist stark eingeschränkt.“
Dr. B., Facharzt für Allgemeinmedizin, der über keine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung verfügte, behandelte den Kläger mittels Thymuspeptiden, Zytoplasma, homöopathischen Mitteln und vor allem mittels hochfrequenter Schwingungen („Bioresonanztherapie“). Der Rechtsstreit drehte sich um die Kosten dieser Behandlung, deren Übernahme die Gesetzliche Krankenversicherung abgelehnt hatte.
Einen ähnlichen Fall hatte der BGH zu entscheiden (BGH, Urteil vom 10.07.1996 IV ZR 133/95).
Beispiel
Der Kläger, der HIV-infiziert war, unterzog sich einer „Autovakzinationstherapie“. Diese Behandlungsmethode (lymphozytäre Autovakzine-Behandlung) wurde in der Behandlung HIV-infizierter Patienten eingesetzt. Die Beklagte, die Private Krankenversicherung des Klägers, bezahlte die Behandlung nicht mit der Begründung: „Bei der Therapie handele es sich um eine wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode.“
Dazu der BGH:
„Von der medizinischen Notwendigkeit einer Behandlung im Sinne der vorstehenden Ausführungen wird im Allgemeinen dann auszugehen sein, wenn eine Behandlungsmethode zur Verfügung steht und angewandt worden ist, die geeignet ist, die Krankheit zu heilen, zu lindern oder ihrer Verschlimmerung entgegenzuwirken.“ „Steht diese Eignung nach medizinischen Erkenntnissen fest, steht grundsätzlich auch die Eintrittspflicht des Versicherers fest. Im vorliegenden Falle ist jedoch nach den Feststellungen des Berufungsgerichts davon auszugehen, dass der Versicherungsnehmer an einer unheilbaren Krankheit litt, für die es keine allgemein anerkannte Therapie gibt dem zufolge auch im Zeitpunkt der Vornahme der hier in Rede stehenden Behandlung nicht gab. Bei einer solchen Sachlage, bei der es selbst für eine auf Verhinderung einer Verschlimmerung der Krankheit abzielende Heilbehandlung keine in der Praxis angewandte Behandlungsmethode gibt, bei der nach medizinischen Erkenntnissen davon ausgegangen werden kann, dass sie zur Herbeiführung wenigstens dieses Behandlungszieles geeignet ist, kommt jeder gleichwohl durchgeführten Behandlung zwangsläufig Versuchscharakter zu, für die der Nachweis medizinischer „Richtigkeit“ nicht geführt werden kann.“ „Das schließt indessen die Annahme der medizinischen Notwendigkeit einer solchen Behandlung nicht von vornherein aus, dies jedenfalls dann nicht, wenn sie auf eine schwere, lebensbedrohende oder gar lebenszerstörende Krankheit zielt.“
Ein sog. Heilversuch ist aus medizinischer Sicht dann vertretbar, wenn die Abwägung zwischen möglichen Risiken und Nebenwirkungen und denkbaren Heilerfolgen zu Gunsten der fraglichen Heilerfolge ausgeht.

Prüfschema des Ärztlichen Gutachters

Lautet die Fragestellung, ob eine ärztliche Leistung der privaten Krankenkasse angelastet werden kann, so hat der ärztliche Gutachter folgende Fragen zu beantworten:
1.
Liegt ein Unfall oder eine Krankheit vor?
 
2.
Sind die zu erstattenden Leistungen der versicherten Person zuzuordnen?
 
3.
a) Sind/waren die Leistungen „notwendig“ im Zeitpunkt der Vornahme aufgrund „objektiv medizinischer“ Befunde?
b) Lag eine klare Diagnose vor?
c) War die durchgeführte Behandlung geeignet, eine Krankheit oder Unfallfolgen zu heilen? Entsprach sie
  • der herrschenden Meinung, dem gesicherten ärztlichen Standard
  • Leitlinien
  • Konsensempfehlungen
  • Empfehlungen der zuständigen Fachgesellschaft
  • Veröffentlichungen, die aber kritisch daraufhin zu sichten sind, ob Einzelmeinungen vertreten werden.
d) Handelt es sich um eine Außenseiterbehandlung? Hat sich diese bewährt?
e) Ist die der Behandlung zugrunde liegende Krankheit lebensbedrohlich? War es unter Abwägung von Chancen und Risiken vertretbar, einen Behandlungsversuch durchzuführen?
 

Ambulante vor stationärer Behandlung, Kuren

§ 4 (4) MB/KK: „Bei medizinisch notwendiger stationärer Heilbehandlung hat die versicherte Person freie Wahl unter den öffentlichen und privaten Krankenhäusern, die unter ständiger ärztlicher Leitung stehen, über ausreichende diagnostische und therapeutische Möglichkeiten verfügen und Krankengeschichten führen.“
§ 4 (5) MB/KK: „Für medizinisch notwendige stationäre Heilbehandlung in Krankenanstalten, die auch Kuren bzw. Sanatoriumsbehandlung durchführen oder Rekonvaleszenten aufnehmen, im Übrigen aber die Voraussetzungen von Abs. 4 erfüllen, werden die tariflichen Leistungen nur dann gewährt, wenn der Versicherer diese vor Beginn der Behandlung schriftlich zugesagt hat.“
Zwar ist nicht ausdrücklich festgelegt, dass die ambulante Behandlung Vorrang vor stationärer Behandlung hat. Dies ergibt sich aber aus der Formulierung „notwendige stationäre Heilbehandlung“.
Dazu darf zitiert werden aus dem Urteil des Landgerichts Mannheim vom 10.09.2020 (9 O 383/19). Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Beispiel
„Der Kläger erlitt im November 2013 einen Ohnmachtsanfall (Synkope). Anschließend klagte der Kläger über Tinnitus, Spannungskopfschmerz, rezidivierende Blockaden des Atlas, Ischialgien, ein myofasciales Schmerzsyndrom und ein psychovegetatives Erschöpfungssyndrom.“
Der Kläger begab sich aufgrund ärztlicher Überweisung in eine dreiwöchige stationäre Behandlung. Die Erstattung der dadurch verursachten Kosten wurde von dem privaten Krankenversicherer abgelehnt. Das LG Mannheim gab diesem Recht:
„Bei einer stationären Behandlung ist darüber hinaus die medizinische Notwendigkeit anhand eines Vergleichs mit der ambulanten Behandlungsform zu prüfen. Eine stationäre Krankenhausbehandlung ist nur dann medizinisch notwendig, wenn der angestrebte Erfolg mit einer ambulanten Maßnahme nicht erreicht werden kann. So ist eine stationäre Behandlung nicht erforderlich, wenn eine Erkrankung durch eine ambulante Therapie in gleicher Weise geheilt oder gelindert werden kann. Die stationäre Behandlung als notwendig anzusehen ist nur vertretbar, wenn sie nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung geeigneter erscheint als die ambulante Behandlung.“
„Das entscheidende Gericht folgt nicht der Ansicht des Klägers“, „wonach für den Bereich der privaten Krankenversicherung der in § 39 SGB V normierte Grundsatz des Vorrangs einer ambulanten vor einer stationären Behandlung nicht mehr gelte. Der Bundesgerichtshof hat zwar entschieden, dass die medizinische Notwendigkeit einer Heilbehandlung nicht allein deswegen zu verneinen ist, weil sie teurer ist als eine nach Einschätzung des Versicherers gleichwertige, aber kostengünstigere Behandlung.“ „Diese Grundsätze betreffen aber ausschließlich die Frage, ob von zwei medizinisch gleichwertigen Behandlungsmethoden der Versicherte der kostengünstigeren den Vorzug geben muss. Demgegenüber ist im Streitfall entscheidungserheblich, in welchem Verhältnis nach den maßgeblichen Versicherungsbedingungen die Formen der ambulanten und der stationären Behandlung zueinanderstehen.“ „Danach gilt auch bei privaten Krankenversicherungen der Vorrang der ambulanten vor der stationären Heilbehandlung, ohne dass es einer gesetzlichen Normierung im VVG wie in § 39 Abs. 1 S. 2 SGB V bedarf.“
Anders als § 40 SGB V, der ausdrücklich ambulante und stationäre Rehabilitationsleistungen vorsieht, stellt § 4 (5) MB/KK diese Leistungen unter den Vorbehalt einer schriftlichen Zusage. Diese wird jedoch im gleichen Ausmaß, wie stationäre Behandlungen immer mehr verkürzt werden, zunehmend erteilt.
Weiterführende Literatur
Bach, Moser (2023) Private Krankenversicherung, 6. Aufl. C.H. Beck, München