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Pädiatrie
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Publiziert am: 20.03.2020

Enterale Ernährung von Frühgeborenen

Verfasst von: Walter A. Mihatsch
Kleine Frühgeborene sind primär parenteral zu ernähren, um dann schrittweise (Steigerung etwa 16–20 ml/kg/d) auf enterale Ernährung umzustellen. Das Hinauszögern des Beginns der enteralen Ernährung hat keinen gesicherten Vorteil. Die Nahrungsverträglichkeit ist anhand von Bauchumfang, präprandialem Magenrestvolumen, Magenrestfarbe, Stuhlfarbe, Stuhlfrequenz und abdominellem Untersuchungsbefund zu überprüfen. Durchgängige intestinale Passage und Mekonium-Entleerung sind wesentliche Voraussetzungen für den Nahrungsaufbau. Frühgeborene müssen etwa bis zum errechneten Termin mit supplementierter Frauenmilch (mit besserem Outcome assoziiert) oder mit spezieller Frühgeborenennahrung ernährt werden. Probiotika sind mit einer reduzierten Inzidenz an nekrotisierender Enterokolitis (NEK) und Sepsis und einer geringeren Mortalität assoziiert. Bei langsamem Wachstum müssen Substratzufuhr, Säure-Basen-Status und Nährstoffresorption überprüft werden. In Einzelfällen kann die Umstellung auf Frühgeborenennahrung von Vorteil sein.
Kleine Frühgeborene sind primär parenteral zu ernähren, um dann schrittweise (Steigerung etwa 16–20 ml/kg/d) auf enterale Ernährung umzustellen. Das Hinauszögern des Beginns der enteralen Ernährung hat keinen gesicherten Vorteil. Die Nahrungsverträglichkeit ist anhand von Bauchumfang, präprandialem Magenrestvolumen, Magenrestfarbe, Stuhlfarbe, Stuhlfrequenz und abdominellem Untersuchungsbefund zu überprüfen. Durchgängige intestinale Passage und Mekonium-Entleerung sind wesentliche Voraussetzungen für den Nahrungsaufbau. Frühgeborene müssen etwa bis zum errechneten Termin mit supplementierter Frauenmilch (mit besserem Outcome assoziiert) oder mit spezieller Frühgeborenennahrung ernährt werden. Probiotika sind mit einer reduzierten Inzidenz an nekrotisierender Enterokolitis (NEK) und Sepsis und einer geringeren Mortalität assoziiert. Bei langsamem Wachstum müssen Substratzufuhr, Säure-Basen-Status und Nährstoffresorption überprüft werden. In Einzelfällen kann die Umstellung auf Frühgeborenennahrung von Vorteil sein.

Beginn der enteralen Ernährung

Unmittelbar postpartal sind kleine Frühgeborene parenteral zu ernähren, um dann schrittweise auf enterale Ernährung umzustellen. Fruchtwasser wird während des längsten Teils der Schwangerschaft geschluckt und fördert wahrscheinlich das intrauterine Darmwachstum. Es liegt deshalb nahe, Frühgeborenen von Anfang an kleine Mengen zu füttern. Das Hinauszögern des Beginns der enteralen Ernährung reduziert nicht die Inzidenz der nekrotisierenden Enterokolitis (NEK).
Zur Förderung der Ausreifung des Magen-Darm-Trakts wurde das Konzept der minimalen enteralen Ernährung (MEN) entwickelt. Gemeint ist die Zufuhr von <25 ml/kg/d Milch für 5–14 Tage, begleitend zur parenteralen Ernährung. Eine wesentliche Beschleunigung des Nahrungsaufbaus oder Verminderung der NEK-Inzidenz wurde damit jedoch nicht erreicht. Grundsätzlich ist MEN einer Nahrungskarenz vorzuziehen, günstiger erscheint ein sofortiger vorsichtiger standardisierter Nahrungsaufbau.
In randomisierten Studien war die Geschwindigkeit der Nahrungssteigerung um bis zu 35 ml/kg/d kein signifikanter NEK Risikofaktor. Steigerungsraten um 16–20 ml/kg/d erscheinen empfehlenswert.

Überprüfung der Verträglichkeit

Die Nahrungsverträglichkeit ist anhand von Bauchumfang, präprandialem Magenrestvolumen, Magenrestfarbe, Stuhlfarbe, Stuhlfrequenz und abdominellem Untersuchungsbefund zu überprüfen.
Der Bauchumfang nimmt bei vollständig enteral ernährten Frühgeborenen direkt proportional zum Körpergewicht zu, streut aber um bis zu 3,5 cm (Perzentile 95). Grünen Magenresten kommt ohne weitere Zeichen der Nahrungsunverträglichkeit keine besondere Bedeutung zu. Ein kritischer Grenzwert für das präprandiale Magenrestvolumen von 5 ml/kg gilt als sicher. Bei sprunghafter Zunahme von Bauchumfang oder Magenresten muss nach klinischen Hinweisen für eine NEK gesucht werden.
Auch bei weichem Bauch und normalen Magenresten weisen einzelne, sichtbare, dilatierte, stehende Darmschlingen in Zusammenhang mit persistierend tastbaren Resistenzen insbesondere im rechten Unterbauch auf eine Störung der Passage hin. Hier muss vor weiterer Milchfütterung eine Obstruktion im Bereich des terminalen Ileums ausgeschlossen werden. Unter nichtinvasiver Beatmung kann es zu erheblicher intestinaler Luftansammlung, abdomineller Dilatation und konsekutiver Nahrungsunverträglichkeit kommen. Ob dadurch fokale intestinale Perforationen gehäuft auftreten ist bisher nicht abschließend geklärt.
Eine durchgängige intestinale Passage ist die wesentliche Voraussetzung für den Nahrungsaufbau. Die Ausscheidung des ersten Mekoniums hat keine Bedeutung. Entscheidend ist die Mekonium-Entleerung des Dünndarms. Mekonium- und Milch-Bolus-Obstruktion manifestieren sich gewöhnlich im Bereich des terminalen Ileums. Wenn spontan keine Besserung eintritt und mit Hilfe von Bauchmassage und Kolon-Kontrast-Einlauf (Sonografie!) das terminale Ileum nicht überwunden bzw. freigespült werden kann, besteht eine Operationsindikation. Verzögerte Mekonium-Entleerung signalisiert eine gestörte intestinale Motilität und ist mit einem verzögerten Nahrungsaufbau assoziiert. Es gibt keine gesicherte und etablierte Methode, um Mekonium-Entleerung und Etablierung der intestinalen Passage zu beschleunigen. Die orale Gabe isoosmolar verdünnter, nicht ionischer wasserlöslicher Kontrastmittel (z. B. Solutrast 300; ca. 5 ml/kg) hat sich klinisch bewährt um, nach radiologischem Ausschluss einer Obstruktion, die Mekonium-Entleerung zu forcieren (Cave! Schilddrüsenfunktion). Radiologische Verlaufskontrollen zeigen den Fortschritt an. Von ionischen Kontrastmitteln ist abzuraten. Rektal werden Glycerin-Zäpfchen, Glukose-Glycerin- oder Acetylcystein-Gastrografin-Mischungen, Tween 80 oder Lipid-Infusionslösungen eingesetzt, um Stuhlentleerung und Passage zu stimulieren. Motilinagonisten wie Erythromycin (4 × 12,5 mg/kg oral) oder Clarithromycin haben in der Versorgung von Frühgeborenen keine Bedeutung (Cave! Resistenzentwicklung).

Welche Nahrung für Frühgeborene?

Initial reicht eine Milch, die gut vertragen wird und die Passage beschleunigt. Kolostrum sollte, wenn immer möglich, gefüttert werden. Ernährung mit Frauenmilch ist mit einer geringeren Inzidenz an NEK, Late-onset-Sepsis, ROP (retinopathy of prematurity) und evtl. auch einer besseren neurologischen Entwicklung assoziiert. Spendermilch ist Muttermilch aufgrund des geringeren Nährstoffgehalts und des durch den Verarbeitungsprozess bedingten Verlustes an bioaktiven Bestandteilen unterlegen. Frühgeborene benötigen bezogen auf das Körpergewicht eine höhere Nährstoffzufuhr als Reifgeborene. Sie müssen im Verlauf etwa bis zum errechneten Termin entweder mit supplementierter Frauenmilch oder mit spezieller Frühgeborenennahrung ernährt werden. Supplementierung wurde in Studien ab 50–100 ml/kg/d eingesetzt und scheint keinen Einfluss auf die Verträglichkeit zu haben, auch wenn direkte Vergleichsstudien fehlen.
Kommerziell verfügbare Supplemente sind auf den Nährstoffgehalt früher Frauenmilch berechnet. Der Proteingehalt von Frauenmilch fällt aber in den ersten 6 Wochen von Werten um 1,7 g/dl bis unter 0,9 g/dl, sodass neben Mineralien zumindest Protein supplementiert werden muss. Die Orientierung an der kindlichen Harnstoffkonzentration ermöglicht eine bedarfsgerechte Zufuhr. Aufgrund des variierenden Nährstoffgehalts der Frauenmilch erscheint eine gezielte Supplementierung (target fortification) sinnvoll. Der erhebliche Mehraufwand ist noch nicht durch eindeutige klinische Vorteile belegt.
In wieweit die Verkeimung von Frauenmilch zu berücksichtigen ist, ist nicht systematisch untersucht. Frauenmilch hat bakterizide Eigenschaften. Keimzahlen über 106/ml werden kritisch gesehen, bei gramnegativen Keimen auch geringere Keimdichten. Bei Zytomegalievirus(CMV)-IgG positiven Müttern kann die vertikale Übertragung von Zytomegalie durch unbehandelte Frauenmilch bei unreifen Frühgeborenen lebensbedrohliche Infektionen verursachen und langfristig deren neurologische Entwicklung beeinträchtigen. Man geht davon aus, dass Frühgeborene ab einem Gestationsalter von 30–32 SSW durch den dann ausgereiften transplazentaren Antikörpertransfer ausreichend geschützt sind. Ob Muttermilch bei sehr unreifen Frühgeborenen pasteurisiert werden muss, ist unzureichend untersucht.
Frühgeborenennahrung und Frauenmilchsupplemente mit hyrolysiertem Protein sind Nahrungen mit nativem Protein vorzuziehen, da sie Magendarmpassage und Nahrungsaufbau beschleunigen.
Über alle bisher publizierten Studien erscheint die Gabe von Probiotika mit einer reduzierten Inzidenz an NEK und Sepsis und einer geringeren Mortalität assoziiert zu sein. Aufgrund der heterogenen Studienlage sollte, wenn, dann eines der mehrfach in wissenschaftlich gesicherten Studien untersuchten Präparate gewählt werden. Probiotika gelten als sicher, es sind aber einzelne Septitiden berichtet worden. Laktoferrin kann derzeit nicht empfohlen werden.
Kalzium und Phosphat können in einer Anfangsnahrung bei parenteraler Ernährung so niedrig wie in Frauenmilch und dadurch möglicherweise antiputride wirksam sein. Ab einer Milchzufuhrmenge von 100–150 ml/kg/d soll bedarfsgerecht supplementiert werden und auch Eisen (2–3 mg/kg) gegeben werden. Frühe Eisen-Supplementation verbessert in klinischen Studien die neurologische Prognose von Frühgeborenen.
Bei langsamem Wachstum müssen Substratzufuhr (Nährstoffgehalt der Milch, Natrium), Säure-Basen-Status und Nährstoffresorption überprüft werden. In Einzelfällen kann die Umstellung von Muttermilch auf Frühgeborenennahrung von Vorteil sein.
Weiterführende Literatur
Agostoni C, Buonocore G, Carnielli VP et al (2010) Enteral nutrient supply for preterm infants: commentary from the European Society of Paediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition Committee on Nutrition. J Pediatr Gastroenterol Nutr 50:85–91CrossRef
Koletzko B, Poindexter B, Uauy R (2014) Nutritional care of preterm infants: scientific basis and practical guidelines. Karger, BaselCrossRef
Mihatsch WA (2011) Enterale Ernährung von sehr kleinen Frühgeborenen. Pädiatrie hautnah 23:S18–S20CrossRef
Tsang R, Uauy R, Koletzko B, Zlotkin S (2005) Nutrition of the preterm infant, 2. Aufl. Digital Educational Publishing, Inc., Cincinnati