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Reproduktionsmedizin
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Publiziert am: 26.07.2018

Physiologie der Befruchtung

Verfasst von: Barbara Sonntag
Die Befruchtung im engeren Sinne erfolgt durch Verschmelzung des Spermiums mit der Oozyte zur Zygote. Die nukleäre Maturation bezeichnet die Reifungsschritte der ersten und zweiten Meiose zur Reduktion des diploiden Chromosomensatzes, welche erst durch das Eindringen des Spermiums und die Ausschleusung des zweiten Polkörpers vollendet wird. Parallel dazu erfolgt die zytoplasmatische Reifung mit Größenzunahme der Eizelle sowie gesteigerten Transkriptions- und Translationsprozessen, welche wesentlich für die Entwicklungskompetenz der Eizelle und damit des entstehenden Embryos sind. Die Eizelle ist in einem engen Zeitfenster von ca. 12 Stunden nach der Ovulation im Eileiter befruchtungsfähig. Die Spermien erlangen erst im weiblichen Genitaltrakt durch Kapazitation die Kompetenz zur Fertilisierung einer Eizelle. Das Durchdringen des Kumuluskomplexes sowie die spezifische Bindung an die Zona pellucida und die Akrosomreaktion ermöglichen die Verschmelzung des Spermiums mit der Eizelle. Es folgt die Aktivierung der Oozyte mit Aufhebung des meiotischen Arrests, Dekondensation des Chromatins und Ausbildung eines weiblichen und männlichen Pronukleus.

Einleitung

Ziel der regelmäßig sich wiederholenden Abläufe des weiblichen Zyklus ist die Bereitstellung einer befruchtungsfähigen Oozyte in Synchronisation mit der Vorbereitung des Endometriums auf eine entstehende Schwangerschaft.
Die Freisetzung der Eizelle im Rahmen der Ovulation erfolgt durch den präovulatorischen Anstieg von luteinisierendem Hormon (LH) unter dem Einfluss steigender Östrogenspiegel des heranwachsenden Follikels. Neben der Follikelruptur werden durch den LH-Anstieg und die Aktivierung nachgeordneter Signaltransduktionsketten auch die Luteinisierung der Granulosazellen sowie die Expansion der Cumuluszellen und die Oozytenmaturation vermittelt (Richards und Pangas 2010).
Die Fähigkeit der Oozyte zur Befruchtung liegt innerhalb eines engen Zeitfensters von wenigen Stunden nach dem Ovulationszeitpunkt, während die Spermien noch bis zu 5 Tage nach dem Koitus im weiblichen Genitaltrakt überleben und die Oozyte fertilisieren können (Wilcox et al. 1995).
Definition Befruchtung
Die Befruchtung bezeichnet im engeren Sinne die Verschmelzung des Spermiums mit der Oozyte zur Zygote.
Damit in Verbindung steht ein komplexer Ablauf zellulärer und molekularer Ereignisse, bei dem auch die meiotische Reifungsteilung der Oozyte erst durch Eindringen des Spermiums vollendet wird. Im Rahmen der Meiose werden die Chromosomen der Eizelle auf den haploiden Satz reduziert, um so die Entstehung eines genetischen Individuums durch Verschmelzung mit dem haploiden Chromosomensatz des Spermiums zu ermöglichen. Neben der Meiose zur Bereitstellung eines haploiden Gameten zählt die Befruchtung zu den fundamentalen reproduktiven Prozessen und spielt eine grundsätzliche Rolle bei Entwicklungsansätzen zu neuen reproduktiven bzw. kontrazeptiven Therapien (Visconti und Florman 2010).
Essenzielle Voraussetzung für eine erfolgreiche Befruchtung ist das Vorliegen reifer Gameten und die zeitliche sowie örtliche Koordination ihres Aufeinandertreffens in der Ampulle des Eileiters (Abb. 1).

Oozytenmaturation

Als Voraussetzung für die erfolgreiche Fertilisation durch das Spermium muss auf Seiten der Eizelle ein komplexer Ablauf von Reifungsschritten durchlaufen werden. Dabei nimmt die nukleäre Maturation mit Reduktion des diploiden Chromosomensatzes im Rahmen der Meiose einen essenziellen Teilschritt ein. Dies geht einher mit der zytoplasmatischen Reifung und damit verbundenen molekularen und strukturellen Veränderungen in der Eizelle (Gosden und Lee 2010).
So stammen das Zytoplasma der späteren Zygote sowie sämtliche Organellen und sonstigen Moleküle mit Ausnahme des komplementären Chromosomensatzes durch das Spermium nahezu vollständig von der Oozyte, und die ersten embryonalen Teilungsstadien finden statt, ohne dass die Transkription in diesem frühen Entwicklungsstadium bereits aktiviert worden wäre. Grundlage hierfür sind die massiven Transkriptionsvorgänge und Lagerung von Ribonukleinsäuretranskripten während der Oozytenreifung, welche erst mit der Wiederaufnahme der ersten meiotischen Teilung pausieren (Gosden und Lee 2010). Die molekulare Kontrolle der weiteren Entwicklungsschritte bei der Ooyztenmaturation erfolgt so zu einem bedeutenden Teil durch die Translation und über posttranslationelle Modifikationen, beispielsweise durch Polyadenylierung (Eichenlaub-Ritter und Peschke 2002).
Die nukleären und zytoplasmatischen Reifungsschritte der Eizelle sind nicht nur miteinander untrennbar verbunden, sondern stehen bereits im Rahmen der Follikulogenese auch mit den umgebenden Cumuluszellen im Austausch: Der Follikel bietet der Eizelle eine einzigartige Nische als Grundlage für Wachstum, Reifung und regulierte Weiterentwicklung (Gilchrist et al. 2008). Bei der zytoplasmatischen Reifung handelt es sich um einen kontinuierlichen Prozess, der ebenfalls bereits mit der Oogenese in der Fetalperiode beginnt und die Grundlagen für eine später erfolgreiche Fertilisation sowie das spätere Entwicklungspotenzial des entstehenden Embryos legt (Richards und Pangas 2010).
Die im Metaphase-II-Stadium vorliegende reife Eizelle ist das Ergebnis einer nukleären und zytoplasmatischen Maturation, welche sich über einen Zeitraum von der Fetalperiode bis zur Befruchtung durch das Spermium erstreckt (Abb. 2).

Nukleäre Maturation

Nach mitotischer Vermehrung der primordialen Keimzellen in der Fetalperiode sind die primären Oozyten zunächst über viele Jahre im Diplotänstadium der Meiose I arretiert. In diesem Reifungsstadium ist die Kernmembran intakt, das Chromatin dekondensiert und der Nukleus als Germinalvesikel (GV) gut erkennbar. Die Dauer dieses Zustands ist variabel und kann über mehrere Jahrzehnte fortbestehen. Der meiotische Arrest wird durch hohe Konzentrationen von zyklischem Adenosinmonophosphat (cAMP) und Guanosinmonophosphat (cGMP) in den Oozyten aufrechterhalten (Sun et al. 2009).
Nach erfolgter Rekrutierung des Follikels in das Wachstum kommt es erst durch den LH-Anstieg periovulatorisch zu einer Aufhebung der direkten Zell-Zell-Verbindung zwischen Cumulus- und Eizelle und nachfolgendem Abfall der intrazellulären cAMP-Konzentration in der Eizelle. Zumindest mitursächlich ist die Aktivierung von mitogen aktivierten Proteinkinasen (MAPK) durch den LH-Anstieg zunächst in den Granulosazellen sowie Aufhebung der transzonalen Brückenverbindungen zwischen Eizelle und Cumuluszellen, u. a. durch Phosphorylierung von Brückenproteinen (Sela-Abramovich et al. 2005). Dabei muss erwähnt werden, dass die Cumuluszellen selbst, anders als die muralen Granulosazellen, nur eine geringe LH-Rezeptorexpression – wenn überhaupt – aufweisen und so im Follikel eine Vermittlung und Verstärkung des LH-Signals, beispielsweise über Epidermaler-Wachstumsfaktor(EGF)-ähnliche Faktoren, erfolgen muss, um dieses an die Oozyte weiterzuleiten (Fan et al. 2009; Richani und Gilchrist 2017).
In der Oozyte selbst spielt der „maturation promoting factor“ (MPF) eine Schlüsselrolle für die Balance zwischen meiotischem Arrest, Fortsetzung des Zellzyklus und erneutem Arrest im Metaphase-II-Stadium bis zur Vollendung der zweiten meiotischen Reifeteilung. Er setzt sich zusammen aus einer katalytischen und einer regulatorischen Untereinheit, die in Abhängigkeit von der intrazellulären cAMP-Konzentration und nachfolgenden Phosphorylierungsschritten stabilisiert oder aktiviert vorliegen und so zum „germinal vesicle breakdown“ (GVBD) und der Fortsetzung des Zellzyklus beitragen (Tripathi et al. 2010).
Nach dem GVBD bildet sich die Zellteilungsspindel aus und wird zum Ende der ersten meiotischen Teilung in die Peripherie der Eizelle verlagert – durch diese exzentrische Position erklärt sich die Asymmetrie zwischen Eizelle und Polkörper. Auch die Positionierung der zweiten meiotischen Teilung mit Ausschleusung des zweiten Polkörpers ist hierdurch bereits festgelegt (Brunet und Verlhac 2011).
Der Übergang zur zweiten Reifungsteilung erfolgt direkt im Anschluss an die Vollendung der ersten meiotischen Teilung und führt zu der im Metaphase-II-Stadium arretierten Oozyte zum Zeitpunkt der Ovulation. In diesem Stadium entscheidet sich das weitere Schicksal der Oozyte durch das Vorhandensein eines befruchtungsfähigen Spermiums – durch die Befruchtung und regelrechte Aktivierung der Oozyte (s. unten) wird die Meiose II abgeschlossen und der zweite Polkörper ausgeschleust. Erfolgt eine Befruchtung nicht innerhalb von 12 h nach Ovulation, so wandeln sich die für eine Aktivierung der Eizelle typischen intrazellulären Oszillationen von Kalzium in ein proapoptotisches Signal, und die Oozyte degeneriert (Gordo et al. 2002).

Zytoplasmatische Reifung und Entwicklungskompetenz der Oozyte

Die zytoplasmatische Reifung beschreibt nicht nur eine Größenzunahme, sondern auch eine umfassende strukturelle Reorganisation der Oozyte: Dies betrifft in erster Linie das endoplasmatische Retikulum (ER), wodurch adäquate Voraussetzungen für die Kalziumoszillationen zur Aktivierung der Eizelle geschaffen werden, aber auch die Mitochondrien als intrazelluläre Energieversorger sowie eine Verlagerung der Kortikalgranula an die Eizellperipherie, um die Verhärtung der Zona zur Blockade einer Polyspermie vorzubereiten (Gosden und Lee 2010).
Es werden große Mengen von Ribonukleinsäuren und Proteinen für die weiteren Entwicklungsschritte des frühen Embryos bereitgestellt. Nach Rekrutierung des Primordialfollikels in den Pool wachsender Follikel erfolgt durch den Übergang in das Stadium des Sekundärfollikels auch eine ca. 100-fache Größenzunahme der Oozyte verbunden mit einem ca. 300-fachen Anstieg der RNA-Synthese (Watson 2007).
Die Kompetenz der Oozyte ist die wichtigste Voraussetzung für die spätere Entwicklungskompetenz des Embryos.
So ist eine geringe Eizellqualität direkt verbunden mit
  • Polyspermie,
  • Entwicklungsstopp des Embryos im frühen Stadium oder
  • späterem Abortgeschehen.
Die Oozytenreifung ist untrennbar mit der Follikelreifung verbunden: Nicht nur ist die Eizelle abhängig von Energietransfer und molekularen Signalen ausgehend von den Cumuluszellen. Vielmehr stehen diese selbst unter dem direkten Einfluss von in der Eizelle produzierten Faktoren (Gilchrist et al. 2008). Ein Beispiel hierfür ist die Ausbildung und Expansion der Cumulusmatrix unter dem Einfluss der oozytenspezifischen Faktoren GDF-9 und BMP-15 (Su et al. 2004).
Auch Steroidhormonproduktion und metabolische Aktivität der Cumuluszellen werden durch diese von der Eizelle ausgeschütteten Faktoren mit reguliert (Otsuka et al. 2011). Dies hat zu dem Konzept beigetragen, dass die Eizelle aktiv an der Qualität und Entwicklung des Follikels zur Dominanz mitwirkt (Gilchrist et al. 2008).
Im Allgemeinen wird eine Eizelle als reif beurteilt, die im zweiten meiotischen Arrest (M II) vorliegt, den ersten Polkörper ausgeschleust und somit einen Großteil der nukleären Maturation durchlaufen hat. Dies erlaubt jedoch nur eine eingeschränkte Aussage über das tatsächliche Entwicklungspotenzial der Eizelle bis hin zum Präimplantationsembryo bzw. einer erfolgreichen Schwangerschaft. Zukünftig könnte eine Analyse der Cumuluszellen in Reflexion der durch die Eizelle gesteuerten molekularen und zellulären Prozesse zusätzliche Aussagen über die Oozytenkompetenz ermöglichen (Huang und Wells 2010).

Spermienselektion und Kapazitation im weiblichen Genitaltrakt

Definition Kapazitation
Die Spermien erlangen die Fähigkeit zur Fertilisierung der Eizelle erst im weiblichen Genitaltrakt. Dieser Vorgang wird als Kapazitation bezeichnet (Chang 1951).
Das Seminalplasma enthält Faktoren, die die Kapazitation verhindern, u. a. Cholesterol und verschiedene Glykoproteine als sog. „Dekapazitationsfaktoren“ (De Jonge 2005). Eine Vielzahl von Faktoren mit Bedeutung für die Interaktion zwischen Spermium und Eizelle wurden im Rahmen der künstlichen Befruchtung beschrieben.
Durch genetische Maus-knock-out-Modelle konnten weitere Aspekte, insbesondere auch zu Faktoren mit Bedeutung für die Spermienmigration im weiblichen Genitaltrakt, hinzugefügt werden (Ikawa et al. 2010). Ein Beispiel ist die kürzlich beschriebene Mutation von Catsper1 bei männlicher Subfertilität, wodurch infolge fehlenden Kalziumioneneinstroms eine verminderte Spermienmotilität resultiert (Avenarius et al. 2009). Dabei ist die Oberfläche des Spermiums grundsätzlich so gestaltet, dass zum einen Hindernisse wie der Zervixschleim überwunden werden können, zum anderen das Überleben im Tubenisthmus für einen Zeitraum von mindestens 24 h sichergestellt wird und dann die Wiederaufnahme der Flagellenbewegung (Hyperaktivität) in Richtung Ampulle als eigentlichem Ort des zeitlich koordinierten Zusammentreffens mit der Eizelle erfolgt. Zum Teil sind hier bereits Moleküle von Bedeutung, die auch bei der späteren Zonabindung eine Rolle spielen (Sun et al. 2005).
Für Progesteron wurde eine wesentliche Rolle als chemotaktischer Faktor bei der Spermienmigration im weiblichen Genitaltrakt kürzlich bestätigt (Oren-Benaroya et al. 2008).

Interaktion zwischen Spermium und Eizelle – die Rolle der Zona pellucida

Die Eizelle liegt nach der Ovulation umgeben von den expandierten Cumuluszellen vor, welche induziert durch den LH-Anstieg eine hyaluronsäurehaltige Matrix ausgebildet haben und gemeinsam mit der Eizelle und der umgebenden Zona pellucida (Zp) den Cumulus-Oozyten-Komplex (COC) bilden. Die Spermien besitzen Moleküle mit spezifischer Hyaluronidaseaktivität zur Durchdringung des Cumuluskomplexes (Kimura et al. 2009).
Inwieweit hier zumindest partiell auch bereits die Akrosomreaktion ausgelöst wird, ist immer noch Gegenstand aktueller Diskussion (Yanagimachi 2011). Die Akrosomreaktion bezeichnet einen exozytotischen Prozess, der in vitro durch Einsatz eines Kalziumionophors induzierbar ist und die Penetration des Spermienkopfes durch die Zona pellucida und den perivitellinen Spalt bis hin zur Oozytenmembran ermöglicht.
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die individuelle Rückverfolgung eines Spermiums von dem ersten Kontakt mit dem umgebenden Cumuluskomplex bis zum Verschmelzen mit der Eizellmembran nicht möglich ist. Einfacher ausgedrückt könnte dies bedeuten, dass ein Spermium, das durch die Akromosomreaktion die Durchdringung des Cumuluskomplexes ermöglicht, durchaus nicht identisch sein muss mit dem Spermium, das später durch den Kontakt mit der Zona pellucida eine Akrosomreaktion durchläuft und sein genetisches Material in die Eizelle freisetzt. Ein induzierender Einfluss auf die Akrosomreaktion durch die Bindung der Spermien an die Zona pellucida, vermutlich vermittelt über den primären Spermienrezeptor Zp 3, wurde wiederholt beschrieben (Litscher et al. 2009). Dieses Konzept wird in seiner alleinigen Gültigkeit jedoch bezweifelt, da die Akrosomreaktion in Mausmodellen auch ohne vorhandenes Zp 3 und bereits vor oder während des Durchdringens der Zona auslösbar war (Gahlay et al. 2010).
Die Zona pellucida (ZP) ist eine extrazelluläre Ummantelung der befruchtungsfähigen Eizelle bestehend aus Glykoproteinen. Die Proteine ZP 1–4 erfüllen vielfältige Funktionen sowohl bei der Spermienbindung als auch -auswahl (Ikawa et al. 2010). ZP 3 fungiert vermutlich als primärer Spermienrezeptor und ist bei der Induktion der Akrosomreaktion beteiligt (Bleil und Wassarman 1980). ZP 1 und ZP 2 tragen wesentlich zum strukturellen Aufbau der ZP bei.
Unmittelbar nach erfolgter Befruchtung der Eizelle wird ZP 2 enzymatisch umgewandelt, sodass das Eindringen weiterer Spermien und damit eine Polyspermie verhindert werden.
Auch die Speziesspezifität wird über die Zona pellucida vermittelt. Einige Autoren vermuten gar einen präkonzeptionellen Einfluss der Mutter auf das Geschlecht ihrer Nachkommen durch die Auswahl eines Spermiums mit einem weiblichen X- bzw. männlichen Y-Chromosom – beispielsweise durch eine veränderte Zusammensetzung der ZP infolge unterschiedlicher intrafollikulärer Testosteronspiegel (Grant und Chamley 2010).
Den sequenziellen Ablauf der Fertilisierung zeigen Tab. 1 und Abb. 3.
Tab. 1
Sequenzieller Ablauf der Fertilisierung
Phase
Kennzeichen
Kapazitation
Durch Veränderungen an der Spermienoberfläche erhält das Spermium erst im weiblichen Genitaltrakt die Kompetenz zur Befruchtung der Eizelle.
Spermienmotilität und Chemotaxis
Im Isthmus der Tube erfolgen eine gezielte Verzögerung der Kapazitation und Anlage eines Spermienreservoirs, gefolgt von Hyperaktivität und Freisetzung der Spermien in Richtung Tubenampulle durch chemotaktische Reize nach erfolgter Ovulation.
Zonabindung und Akrosomreaktion
Das Spermium bindet über spezifische Rezeptoren an Proteine der Zona pellucida. Durch Verschmelzung des Akrosoms mit der äußeren Spermienmembran werden lytische Enzyme freigesetzt, die den expandierten Cumulus und die Zona pellucida bis zur Eizellmembran durchdringen.
Spermium-Eizell-Fusion
Durch Mikrovilli und spezifische Fusionsproteine des Oolemma wird die Spermienadhäsion und Fusion mit der Spermienmembran vermittelt, und das Spermienchromatin gelangt in die Eizelle.
Aktivierung der Eizelle
Vermittelt über Phospholipase C zeta (PL C ζ) aus dem Spermium erfolgt die Aktivierung der Oozyte mit Aufhebung des meiotischen Arrests, Dekondensation des Chromatins und Ausbildung eines weiblichen und männlichen Pronukleus.

Eizell-Spermien-Fusion und Aktivierung der Eizelle

Durch Ausbildung von Mikrovilli und spezifischen Fusionsproteinen des Oolemma ermöglicht die Eizelle die Adhäsion des Spermiums, es kommt zu Konformationsänderungen der Proteine und dadurch zum Austausch zwischen und schließlich Fusion der Membranen (Saunders et al. 2002). Durch die entstehende Pore in der Eizellmembran gelangt der paternale Nukleus in die Eizelle und induziert die Aktivierung der Oozyte über den Inositoltriphosphat (IP3)-Signaltransduktionsweg, wodurch repetitive intrazelluläre Kalziumoszillationen über Bindung an Rezeptoren des endoplasmatischen Retikulums und ein zusätzlicher Kalziuminflux initiiert werden (Saunders et al. 2002).
Durch die Eizellaktivierung wird der meiotische Arrest aufgehoben, und der Zellzyklus setzt sich fort bis zur Dekondensation der Chromosomen des männlichen und weiblichen Gameten mit Ausbildung des Pronukleusstadiums.
Saunders et al. haben den spezifischen „Spermienfaktor“ bei der Aktivierung der Eizelle erstmalig im Jahr 2002 als Phospholipase Czeta (PLCzeta) identifiziert. Dabei wird die uneingeschränkte Fähigkeit der Eizelle zur Aktivierung erst durch die komplexen Maturationsprozesse im Rahmen der zytoplasmatischen Reifung erworben (Kashir et al. 2010). Neben der Aufhebung des meiotischen Arrests und Vollendung der nukleären Maturation mit Ausschleusung des zweiten Polkörpers bewirkt die Aktivierung der Eizelle eine Verlagerung der Kortikalgranula in die Peripherie der Eizelle, wo durch die sich anschließende Kortikalreaktion eine Verhärtung der Zona pellucida eintritt und eine Polyspermie verhindert wird.

Klinische Relevanz

Die Effektivität bei Verfahren der assistierten Reproduktion ist immer noch vergleichsweise gering und liegt nach konventioneller Stimulation einschließlich der Kryokonservierung aller fertilisierten Eizellen hochgerechnet bei einer Lebendgeburt auf 25 gewonnene Eizellen (Inge et al. 2005).
Bei der intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) werden typischerweise Fertilisationsraten von ca. 70–80 % erzielt. Dies bedeutet allerdings auch, dass trotz einer Injektion des Spermiums in die Eizelle in ca. 20–30 % eine Befruchtung ausbleibt – bei ca. 2–3 % eines totalen Fertilisationsversagens (Swain und Pool 2008). Dies verdeutlicht, dass der Vorgang der Befruchtung ein komplexer Prozess mit mehreren Teilschritten ist, welche vor, während und nach der Spermienfusion mit der Eizelle liegen. Als ein effektiver Zusatz zur signifikanten Steigerung der Fertilisationsrate bei einer IVF/ICSI-Therapie gilt eine artifizielle Oozytenaktivierung beispielsweise durch die Verwendung von Kalzium-Ionophoren (Murugesi et al. 2017).
Wenngleich als prädiktiver Parameter für eine Lebendgeburt nach assistierter Reproduktionstherapie eine „optimale“ Eizellzahl von 15–20 pro Patientin berechnet wurde (Sunkara et al. 2011), so konnten zumindest bei einem Alter der Patientin unter 38 Jahren vergleichbare Lebendgeburtenraten von ca. 27 % pro Transfer für ein geringes (< 6 Eizellen), mittleres (6–16) und verstärktes (> 16) ovarielles Ansprechen nach Stimulation erzielt werden (Inge et al. 2005).
Dies legt die Vermutung nahe, dass trotz einer steigerungsfähigen Zahl zu gewinnender reifer Eizellen die Zahl an qualitativ hochwertigen Eizellen mit einer optimalen Entwicklungskompetenz in jeder Follikelkohorte begrenzt sein wird – zumal auch die der Fertilisation und frühen Embryonalentwicklung nachfolgenden Vorgänge wie beispielsweise die Implantation durch suboptimale hormonelle Bedingungen als Folge einer ovariellen Stimulation negativ beeinflusst sein könnten. Über die Entwicklungskompetenz von Eizelle und Embryo geben während des Befruchtungsvorganges kontinuierlich zu erhebende morphokinetische Daten durch die fortlaufende Videodokumentation (sog. „time-lapse“-Mikroskopie) bei Verfahren der assistierten Reproduktion als neue Prädiktionsparameter Aufschluss (Coticchio et al. 2017).
Neben der herausragenden Bedeutung des steigenden weiblichen Alters für das Auftreten von meiotischen Fehlverteilungen als Ursache einer Aneuploidie in der Eizelle wurden auch die Ursache des unerfüllten Kinderwunsches sowie die FSH-Dosis pro gewonnener Oozyte als Kovariablen identifiziert (Gianaroli et al. 2010).
Auf Seiten des weiblichen Gameten wird somit zukünftig zunehmend die Frage von Interesse sein, wie durch eine kontrollierte ovarielle Stimulation auch eine optimale Entwicklungskompetenz der Eizellen gewährleistet werden kann.
Direkte Zusammenhänge zu dem Einsatz von Gonadotropinen auf die posttranslationale Genmodifikation (= Imprinting) wurden beschrieben (Market-Velker et al. 2010). Hier wird das wachsende Verständnis über die bidirektionale Kommunikation zwischen Oozyte und umgebenden Granulosazellen eine besondere Rolle spielen (Gilchrist et al. 2008) und möglicherweise in Zukunft der auf die individuelle Patientin „maßgeschneiderte“ Einsatz von Gonadotropinen sowie ggf. zusätzliche gezielte Anwendung oozytenspezifischer oder anderer Wachstumsfaktoren mit Einfluss auf die Maturation (Yeo et al. 2008).
Unter anderem dürfte sich durch die oben beschriebene Komplexität der Eizellreifung und insbesondere auch durch die Bedeutung der zytoplasmatischen Maturation das bisher vergleichsweise geringere Entwicklungspotenzial der durch In-vitro-Maturation (IVM) gewonnenen Eizellen erklären (Smitz et al. 2011; Richani und Gilchrist 2017). Von besonderer Bedeutung könnte dies für Patientinnen mit einem Syndrom polyzystischer Ovarien sein, die auf der einen Seite ein erhöhtes Nebenwirkungsprofil bei der konventionellen ovariellen Stimulation aufweisen und bei denen zum anderen möglicherweise inhärente intra- oder extraovarielle Faktoren vorliegen mit negativen Auswirkungen auf die Oozytenmaturation (Qiao und Feng 2011).
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