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Viszeral- und Allgemeinchirurgie
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Publiziert am: 26.03.2023

Kolonkarzinom: palliative Chirurgie

Verfasst von: Jörg C. Kalff, Burkhard Stoffels und Jana Enderes
Das Kolorektale Karzinom (KRK) ist eines der häufigsten Karzinome weltweit. Bei Diagnosestellung weisen ein Fünftel der Patienten bereits ein fortgeschrittenes Stadium mit Ausbildung von Metastasen auf. Diese Patienten wurden vor einigen Jahren noch fast ausschließlich palliativ behandelt. Heutzutage kann durch einen multidisziplinären Behandlungsansatz mit radikaler Primarius- und Metastasenchirurgie sowie lokal ablativen Verfahren in Kombination mit einer systemischen Therapie eine deutliche Lebenszeitverlängerung, in manchen Fällen sogar eine Heilung, erzielt werden. Selbst in der rein palliativen Situation können durch supportiv-chirurgische Ansätze tumorbedingte Komplikationen wie der Ileus, eine Tumorperforation oder -blutung behandelt und dadurch Beschwerden gelindert werden, um eine bestmögliche Lebensqualität zu erzielen.

Einleitung

Das Kolonkarzinom ist die fünfthäufigste Krebsart weltweit. Im Jahr 2020 wurden 1,1 Millionen Neuerkrankungen mit 580.000 Todesfällen gezählt. Für KRK sind es sogar 1,9 Millionen Neuerkrankungen mit 900.000 Todesfällen (Sung et al. 2021). Zum Zeitpunkt der Diagnosestellung weisen 20 % der Frauen und 21 % der Männer bereits ein fortgeschrittenes Stadium auf mit Vorhandensein von Metastasen (mKRK) (Erdmann et al. 2021). Die Auswahl der interdisziplinär festgelegten bestmöglichen individuellen Behandlungsstrategie ist hierbei entscheidend. Maßgebend sind der Allgemeinzustand des jeweiligen Patienten und die damit verbundene Toleranz einer intensivierten Therapie, das Ausmaß der Tumormanifestation, insbesondere in Hinblick auf Lokalisation und Resektabilität, sowie die Molekularpathologie des Tumors für einen zielgerichteten Behandlungsansatz.

Molekularpathologie bei mKRK:

RAS-Gene (kRAS)
Bei Vorliegen eine RAS-Mutation wird die Gabe einer Chemotherapie-Doublette ± Bevacizumab empfohlen. Bei Vorliegen eines RAS-Wildtyp in rechtsseitigen KRK wird ebenso eine Chemotherapie-Doublette ± Bevacizumab empfohlen. Bei Vorliegen eines RAS-Wildtyp in linksseitigen KRK wird eine Chemotherapie-Doublette ± Panitumumab und Cetuximab empfohlen, da hierdurch eine Verbesserung des Gesamtüberlebens erzielt werden konnte.
BRAF-Mutationen
BRAF-Mutationen, insbesondere eine BRAF-V600-Mutation, sind mit einer äußerst schlechten Prognose assoziiert, weshalb bei Nachweis dieser Mutation frühzeitig eine intensivierte Chemotherapie-Triplette ± Bevacizumab empfohlen wird.
Mikrosattelitenstatus
Bei Patienten mit einer Mikrosatteliteninstabilität wird eine Monotherapie mit Pembrolizumab empfohlen, da hier das progressionsfreie Überleben im Vergleich zu einer Chemotherapie verlängert werden konnte (André et al. 2020).
Bei Patienten mit mKRK, die sich in einem guten Allgemeinzustand befinden und dadurch für eine intensivierte Therapie geeignet sind, wird primär eine Resektion sowohl des Primarius als auch der Metastase in kurativer Intention empfohlen, gegebenenfalls in Kombination mit einer Chemotherapie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF [Leitlinienprogramm Onkologie o. J.]; van Cutsem et al. 2016). Selbst bei Vorhandensein einer Oligometastasierung, die sich auf ein oder zwei Organe beschränkt, gibt es kurative Therapieansätze. Bei primär nicht-resektabler Metastasierung wird eine systemische Chemotherapie mit regelmäßiger Reevaluation einer Resektion empfohlen. Theoretisch kann auch hierdurch ein potenziell kurativer Ansatz verfolgt werden. Bei Patienten in eher schlechtem Allgemeinzustand empfehlen sich nebenwirkungsarme Therapien. Im Vordergrund steht hierbei nicht die Kuration, sondern die Verlängerung des Überlebens. Patienten in schlechtem Allgemeinzustand, die selbst eine nebenwirkungsarme Therapie nicht vertragen, erhalten eine supportiv-symptomatische Therapie im Sinne einer „best supprotive care“.
Insbesondere die beiden letztgenannten Gruppen sind schwierig zu behandeln, da es hierzu kaum prospektive Untersuchungen gibt und für jeden Patienten ein individueller Therapieansatz in Abhängigkeit der Symptome, der Erwartungen des Patienten sowie der verbleibenden Lebenszeit gewählt werden muss.

Ziele der palliativen Chirurgie

Das Ziel des ärztlichen Handelns „Primum non nocere, secundum cavere, tertium sanare“ („Erstens nicht schaden, zweitens vorsichtig sein, drittens heilen.“) wurde erstmalig in Abhandlungen des vermutlich griechischen Arztes Scribonius Largus 50 nach Christus gefunden, findet sich auch im hippokratischen Eid wieder und ist bis in die Gegenwart beständig. Die Ursachenbekämpfung einer Krankheit steht hierbei im Vordergrund. Im Gegensatz dazu verfolgt die palliative Chirurgie das Ziel, die Beschwerden einer Krankheit zu lindern, um die Lebensqualität des Patienten zu verbessern, in Anlehnung an Scribonius sozusagen „Erstens nicht schaden, zweitens vorsichtig sein.“. Darüber hinaus sollte bei jeder Entscheidung der Patientenwille mit einbezogen werden, entweder im direkten Gespräch mit dem Patienten selbst oder, insofern dies nicht möglich ist, durch das Hinzuziehen von Bevollmächtigten bzw. den Angehörigen.

Palliative Chirurgie bei mechanischem Ileus

Definition Ileus

Unter einem Ileus versteht man eine Herabsetzung oder Unterbrechung der Stuhlpassage einhergehend mit konsekutivem Stuhlverhalt, Übelkeit und Erbrechen sowie abdominellen Schmerzen.

Epidemiologie

3–15 % der Patienten mit einer fortgeschrittenen Tumorerkrankung entwickeln einen Ileus. Dies wird am häufigsten bei Patienten mit Ovarialkarzinom (20–50 %) sowie bei Patienten mit Kolorektalem Karzinom (10–29 %) beobachtet (Tuca et al. 2012).

Ätiologie/Pathogenese

Ätiologisch kann der sogenannte mechanische Ileus vom funktionellen Ileus abgegrenzt werden. Beim mechanischen Ileus kommt es entweder durch Kompression von außen, einer pathologischen Wandveränderung oder einer intraluminalen Pathologie zu einer Stenosierung des Darmlumens. Ein funktioneller Ileus hingegen wird durch eine verminderte Kontraktion der glatten Muskulatur der Darmwand hervorgerufen (Vilz und Kalff 2019). Sowohl beim mechanischen als auch beim funktionellen Ileus können benigne und maligne Ursachen zugrunde liegen. Untersuchungen in einer groß angelegten retrospektiven Analyse mit 490 Tumorpatienten, die sich mit einer Ileussymptomatik präsentierten, zeigten, dass in 68 % der Fälle die Genese tatsächlich Tumor-bedingt war, allerdings wurden in 20 % der Fälle die Symptome durch benigne Adhäsionen verursacht und bei 12 % der Patienten blieb die Genese unklar (Pujara et al. 2017). Zum einen ist es daher nicht nur von großer Bedeutung einen mechanischen von einem funktionellen Ileus zu unterscheiden, sondern insbesondere bei Patienten mit fortgeschrittener Tumorerkrankung, Tumor-assoziierte Ursachen von beispielsweise benignen Adhäsionen abzugrenzen.
Die Ursachen für einen Ileus bei fortgeschrittener Tumorerkrankung sind in Tab. 1 gelistet.
Tab. 1
Ursachen für einen Ileus bei fortgeschrittener Tumorerkrankung
Ätiologie
Pathophysiologie
Mechanisch
Benigne Ursachen
Postoperative Adhäsionen
 
Postradiogene Adhäsionen
 
Strangulation um Adhäsionen
Maligne Ursache
Maligne Adhäsionen
 
Strangulation um Tumormassen
 
Tumormasse mit infiltrierendem Wachstum/Kompression von außen oder intraluminaler Stenosierung
Funktionell
Benigne Ursachen
Medikamenten-assoziiert (Opioide, Antidepressiva)
 
 
Aszites durch Hypoalbuminämie durch Leberinsuffizienz/Malnutrition
Maligne Ursachen
Peritonealkarzinose
 
Maligner Aszites
Durch die Distension oral des stenosierenden Darmabschnittes bei Vorliegen einer mechanischen Komponente, aber auch beim funktionellen Ileus ubiquitär vorhandenen distendierten Darmschlingen kommt es zu einer vermehrten intraluminalen Ansammlung von Flüssigkeit mit konsekutiver Druckerhöhung, mikrobieller Fehlbesiedelung und einer Störung der Mikrozirkulation. Hierdurch wird die intestinale Barrierefunktion geschädigt, es kommt zur bakteriellen Translokation, was sich klinisch bis hin zu einem septischen Krankheitsbild äußern kann (Vilz und Kalff 2019).

Diagnostik

Auch bei Patienten mit fortgeschrittenem Tumorleiden gilt die beim Ileus allgemein empfohlene Diagnostik mit Anamnese, körperlicher Untersuchung und Laborentnahme. Orientierend kann eine sonografische Untersuchung angeschlossen werden. Allerdings stellt die Computertomografie (CT) das Diagnostikum der Wahl bei Patienten mit fortgeschrittener Tumorerkrankung dar. Die CT weist verglichen zu anderen Untersuchungsmodalitäten nicht nur die höchste Sensitivität und Spezifität zur Diagnosestellung eines mechanischen Ileus auf (Li et al. 2019), sie gibt ebenso Aufschluss über das Vorliegen einer absolute Operationsindikation, wie besispielsweise die Perforation, die Strangulation, das Closed Loop Syndrom und den Volvulus. Ebenfalls von großer Bedeutung ist, dass die CT-Untersuchung gleichzeitig zur Beurteilung der aktuellen Tumorlast und der sich daraus ergebenen Prognose dient, was für die Entscheidungsfindung hinsichtich des weiteren Vorgehens maßgebend ist.

Therapieprinzipien

In der Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenem Tumorleiden in der palliativen Situation sollte die klinische Verfassung des Patienten, vorhandene Komorbiditäten, das Tumorstadium, die geschätzte Lebenserwartung und insbesondere auch der Patientenwille berücksichtigt werden.
Bei der Verdachtsdiagnose eines Ileus sollte bereits in der Notaufnahme noch vor Einleitung weiterer apparativer Diagnostik mit supportiven Maßnahmen begonnen werden.
Zunächst sollte der Patient einen intravenösen Zugang erhalten, sodass rasch mit einer Volumensubstitution begonnen werden kann, um die oft mit dem Ileus einhergehende Hypovolämie auszugleichen. Das Legen einer Magensonde kann durch die gastrointestinale Dekompression oft schon die in den meisten Fällen vorliegende quälende Übelkeit erheblich lindern. Insbesondere eine durch das Erbrechen bedingte Hypokaliämie sollte umgehend ausgeglichen werden. Bei systemischen Anzeichen auf eine Infektion empfiehlt sich die Einleitung einer kalkulierten antibiotischen Therapie. Ebenso sollte nach erfolgter körperlicher Untersuchung eine adäquate Analgesie erfolgen. Darüber hinaus sollte der Patient nüchtern belassen werden.
Nach erfolgter Diagnostik (siehe Abschn. 3.4) muss die Frage geklärt werden, ob es sich um einen mechanischen oder funktionellen Ileus handelt, letzterer wird konservativ-symptomatisch behandelt.
Beim Vorliegen eines mechanischen Ileus muss zunächst geklärt werden, ob eine absolute Operationsindikation vorliegt. Im Falle einer absoluten Operationsindikation (Akutes Abdomen mit Peritonismus, hämodynamische Instabilität, radiologischer Nachweis einer Perforation, Strangulation, Closed-Loop-Syndrom oder Volvulus) sollte eine schnellstmögliche chirurgische Exploration angeboten werden, insofern dies mit dem individuellen Therapiekonzept einhergeht. Allerdings sollte hierbei auch die Prognose eines jeden Patienten nach erfolgter Operation berücksichtigt werden. Zur Abschätzung der Prognose kann das Heranziehen eines Scoring-Systems hilfreich sein. Henry et al. entwickelten zwei Normogramme bei Patienten mit Malignom-assoziierter Obstruktion: das Normogramm zur Abschätzung der 30-Tagemortalität basierend auf mehreren Risikofaktoren (Tab. 2) sowie das Normogramm zur Abschätzung eines Benefits durch eine Operation (Tab. 3) (Henry et al. 2012).
Tab. 2
Normogramm zur Abschätzung der 30-Tagemortalität bei Patienten mit Malignom-assoziiertem Ileus. (nach Henry et al. 2012)
Kriterien
Punktzahl
Radiologische Zeichen
 
 Aszites
1
 Peritonealkarzinose
1
 Komplette Obstruktion
1
Laborparameter
 
 Hypoalbuminämie
1
 Leukozytose
1
Auswertung
Anzahl der Punkte
30-Tagemortalität
0
9 %
1
15 %
2
22 %
3
39 %
4
43 %
5
69 %
Tab. 3
Normogramm zur Abschätzung eines Benefits durch eine Operation bei Patienten mit Malignom-assoziiertem Ileus. (nach Henry et al. 2012)
Kriterien
Punktzahl
Peritonealkarzinose
1
Leukozytose
1
Normwertiges Albumin
1
Primarius nicht-gynäkologisch
1
Unter Einbeziehung beider Normogramme ergibt sich ein Algorithmus, welcher zur Entscheidungshilfe bei Malignom-assoziiertem Ileus herangezogen werden kann (Abb. 1).
Wenn sich gegen eine Operation entschieden wird, ist das Hinzuziehen der Palliativmediziner und die Einleitung einer palliativmedizinischen Betreuung im Sinne einer „best supportive care“ sinnvoll (Tab. 4).
Tab. 4
Medikamentöse Therapie im Sinne einer “best supportive care” bei Malignom-assoziierter Obstruktion. (nach Laval et al. 2014)
Medikamentöse Therapie/“best supportive care”
Antiemetisch
 Haloperidol
 Droperidol
 Metoclopramid oder Neostigmin bei inkompletter Obstruktion
Antisekretorisch
 Butylscopolamin
 Somatostatinanaloga
Antiödematös/antiemetisch
 Dexamethason
Analgetisch/spasmolytisch
 Buscopan
Mögliche Therapieprinzipien lassen sich in endoskopische und operative Verfahren einteilen, wobei zur Auswahl des Verfahrens die Lokalisation des mechanischen Hindernisses berücksichtigt werden muss (Pujara et al. 2017). So kann der Ileus bei fortgeschrittener Tumorerkrankung vorliegen als:
  • Magenausgangsstenose (16 %)
  • Dünndarmileus (64 %)
  • Dickdarmileus (29 %)

Magenausgangsstenose

Insbesondere beim Vorliegen einer Peritonealkarzinose ist auch beim KRK eine Magenausgangsstenose möglich. In diesem Falle gibt es zwei Therapieoptionen: die operative Anlage einer Gastroenterostomie oder alternativ die Möglichkeit einer endoskopischen Stentimplantation. In einer Cochrane-Analyse, die die Vor- und Nachteile einer operativen Gastroenterostomie im Vergleich zu einer Stentimplantation analysierten, konnten keine Unterschiede hinsichtlich kurzfristigem Outcome, Komplikationen und Patientenzufriedenheit festgestellt werden, allerdings konnten in die Analyse nur zwei Studien eingeschlossen werden (Upchurch et al. 2018).
Durch die aufgezeigten operativen Verfahren kann im Vergleich zu nicht-operativen Verfahren bei Patienten mit Malignom-assoziiertem Ileus eine geringerer Re-Obstruktionsrate, eine längere Zeitspanne bis zur Re-Obstruktion sowie ein längeres Überleben erreicht werden, allerdings geht eine Operation auch mit einer längeren Krankenhausverweildauer einher (Henry et al. 2012). Zudem ist das Auftreten schwerwiegender Komplikationen nach erfolgter Operation mit 7–44 % und die 30-Tage-Mortalität mit 6–32 % als durchaus nicht gering anzusehen (Henry et al. 2012; Paul Olson et al. 2014), weshalb zusammenfassend, wie bereits einleitend erwähnt, eine interdisziplinäre Entscheidung in Abhängigkeit des Allgemeinzustandes des Patienten, vorliegende Prädiktoren für das postoperative Outcome sowie des Patientenwillens getroffen werden sollte.

Dünndarmileus

Beim Dünndarmileus kann nach Ausschluss einer absoluten Operationsindikation ein konservativer Therapieversuch erwogen werden, da insbesondere bei Briden als Ileusursache in 70 % der Fälle eine spontane Resolution zu erwarten ist. Wichtig hierbei ist das regelmäßige Assessment des Patientenzustandes und die damit verbundene Reevaluation des Vorgehens. Sollte ein konservativer Therapieversuch nicht erfolgreich sein, stehen mehrere chirurgische Verfahren in Abhängigkeit des Patientenzustandes und der Lebenserwartung zur Auswahl:
  • Tumorresektion mit primärer Anastomose
    Die Resektion des obstruierenden Tumors sollte angestrebt werden, sofern der Tumor gut zugänglich ist und eine vollständige Resektion des Tumors mit negativen Resektionsrändern erreicht werden kann. Eine Zytoreduktion wird hierbei nicht empfohlen. Eine Anastomose kann angelegt werden, wenn die intraabdominelle Tumorlast gering ist, der Patient in einem guten Allgemeinzustand ist und aboral der Anastomose keine Stenosierung nachweisbar ist.
  • Bypassoperation
    Kann eine Resektion des obstruierenden Tumors nicht durchgeführt werden oder wenn mehrere Engstellen hintereinandergeschaltet sind, eine Resektion nicht möglich erscheint und sich noch ausreichend gesunder Darm sowohl proximal als auch distal der Stenose befindet, kann eine Bypassoperation in Erwägung gezogen werden.
  • Stoma
    Können weder eine Resektion des obstruierenden Tumors noch eine Bypassoperation durchgeführt werden, kann als Ultima Ratio eine Anlage eines Stomas erfolgen, hierbei sollte der am weitesten distal gelegene Darmanteil ausgeleitet, sowie ca. 150 cm Restdünndarm in situ belassen werden, um ein drohendes Kurzdarmsyndrom zu vermeiden. In der Regel sollte ein doppelläufiges Stoma angelegt werden, um sowohl nach oral als auch nach aboral eine mögliche Entlastung zu ermöglichen.
Das mediane Überleben der jeweiligen Verfahren wird für die Tumorresektion mit 7,2 Monaten, für das Ileostoma mit 3,4 Monaten und für die Bypassoperation mit 2,7 Monaten angegeben (Shariat-Madar et al. 2014). So scheint es, dass mit der palliativen Tumorresektion das längste Überleben erzielt werden kann, allerdings ist bei der Interpretation dieser Daten Vorsicht geboten, da es sich vermutlich um einen Selektionsbias handelt.
Bei Patienten, die nicht für eine Operation in Frage kommen, kann das Legen einer Ablauf-PEG in Betracht gezogen werden.

Dickdarmileus

Für Patienten, die sich mit einem akuten Dickdarmileus bei lokal fortgeschrittenem KRK vorstellen, bestehen mehrere Behandlungsmöglichkeiten:
  • Tumorresektion
    Bei Vorliegen einer Perforation oder Kolonischämie und damit einer absoluten Operationsindikation sowie bei gut zugänglichen Tumoren, insbesondere auch im rechtseitigen Kolon sowie im Kolon transversum, wird die Resektion des obstruierenden Tumors empfohlen. In der palliativen Situation wird der Resektionseingriff oft mit der Anlage eines endständigen Stomas verbunden. Ist allerdings der proximale Darmabschnitt nur wenig dilatiert und die intraabdominelle Tumorlast gering, kann auch eine primäre Anastomose erwogen werden.
  • Kolostoma
    Kommt eine palliative Tumorresektion nicht infrage, kann die Anlage eines doppelläufigen Stomas erfolgen, um eine Entlastung sowohl nach oral als auch nach aboral zu gewährleisten.
  • Stent
    Alternativ kann die Implantation eines Stents evaluiert werden, welche nach Ausschluss einer absoluten Operationsindikation hauptsächlich bei Stenosen im linksseitigen Kolon empfohlen wird. Kontraindikationen für eine Stenteinlage sind das Vorliegen einer vollständigen Stenose, hintereinander geschaltete Stenosen, sowie ultra-tiefsitzende Stenosen im Rektum. Zur Auswahl stehen gecoverte und nicht-gecoverte Stents, welche beide bei Tumor-assoziierter Kolonstenose geeignet sind, allerdings weisen gecoverte Stents eine vermehrte Migrationsrate auf und nicht-gecoverte Stents besitzen eine höhere Wahrscheinlichkeit, erneut von Tumormassen infiltriert zu werden (Park et al. 2010). Als weitere Komplikation nach Stenteinlage kann es sowohl bei gecoverten als auch bei nicht-gecoverten Stents zu einer Perforation kommen.
Eine Metaanalyse, welche zehn Studien umfasst, hiervon neun retro- und eine prospektive Studie, zeigte eine höhere Mortalität und vermehrte Rate an Stomaanlagen nach chirurgischem Eingriff auf. Nach Stenteinlage konnten dafür mehr Perforationen und Spätkomplikationen (Takahashi et al. 2015) beobachtete werden. Ribeiro et al. analysierten vier randomisiert-kontrollierte Studien, die ausschließlich palliativ-geführten Patienten mit Tumor-assoziierten Kolonstenosen einschlossen (Ribeiro et al. 2018). Hier konnte kein Unterschied in Bezug auf die Mortalität, das Überleben, die Dauer des Aufenthaltes auf der Intensivstation sowie Frühkomplikationen festgestellt werden. Allerdings konnten Patienten, die eine Stentimplantation erhielten, früher aus dem Krankenhaus entlassen werden und wiesen ein geringeres Risiko auf, ein dauerhaftes Stoma zu erhalten. Darüber hinaus konnte bei Patienten nach Stentimplantation im Vergleich zu operativ behandelten Patienten auch eine bessere Lebensqualität beobachtet werden (Young et al. 2015).

Palliative Chirurgie bei perforiertem Tumor

Auch Patienten mit fortgeschrittenem Tumorleiden präsentieren sich bei Vorliegen einer Perforation häufig mit einem akuten Abdomen. Ursächlich hierfür wie bereits unter 3.4 erwähnt, empfiehlt sich auch in dieser Situation die Durchführung einer Computertomografie, welche letztlich über die Ursache des akuten Abdomens bzw. bei Vorliegen einer Perforation weitere Aufschlüsse über Lokalisation und Ausmaß geben kann. Das Akute Abdomen mit Perforation stellt eine absolute Operationsindikation dar, allerdings gelten auch hier die unter 3.5 erwähnten allgemeinen Therapieprinzipien bei palliativen Patienten. Unter Berücksichtigung dieser Punkte, sollte eine schnellstmögliche chirurgische Exploration angeboten werden. Abhängig vom intraoperativen Befund kann auch hier eine Resektion mit oder ohne Stomaanlage in Betracht gezogen werden.

Palliative Chirurgie bei blutendem Tumor

Die Tumorblutung bei fortgeschrittenem Kolorektalem Karzinom tritt im Vergleich zum Ileus und der Tumorperforation deutlich seltener auf, wird durch die heutzutage weit verbreitete Einnahme von Antikoagulanzien allerdings auch begünstigt. Die Patienten präsentieren sich mit peranalen Blutabgängen in unterschiedlichem Ausmaß, in seltenen Fällen sogar im hämorrhagischen Schock. Nach initialen allgemeinen Stabilisierungsmaßnahmen mit Legen eines großlumigen Zuganges und Transfusion von Erythrozytenkonzentraten, wenn erforderlich, sollte schnellstmöglich die Ursache bzw. Lokalisation der Blutung ausgemacht werden, um anschließend weitere Therapiemöglichkeiten einzuleiten. Auch hier gelten die unter 3.5 beschriebenen allgemeinen Therapieprinzipien bei palliativen Patienten. Eine definitive Blutungskontrolle kann durch die Resektion des Tumors (nicht-onkologisch, kleinstmöglicher Eingriff) erreicht werden, allerdings müssen hier auch die damit verbundene erhöhte Morbidität und Mortalität mitberücksichtigt werden. Bei im Rektum gelegenen blutenden Tumoren können transanale minimalinvasive Verfahren (TAMIS) oder eine Bestrahlung zur Blutungskontrolle zum Einsatz kommen, bei Letzterer treten allerdings innerhalb von fünf Monaten bei 45 % der Patienten erneut Symptome auf (Bae et al. 2011).

Fazit

Zwei Drittel der Patienten mit fortgeschrittener Tumorerkrankung wünschen sich eine schnellstmögliche Symptomlinderung und vertrauen bei der Verfahrenswahl auf die Expertise des behandelnden Chirurgen (Collins et al. 2013). Dies verdeutlicht die Verantwortung, die der Chirurg im Rahmen der Entscheidungsfindung für die bestmögliche Strategie bei der Behandlung aufgezeigter Komplikationen zusammen mit dem behandelnden multidisziplinären Team trägt. Entscheidend hierbei ist, wie bereits am Anfang erwähnt, unter Berücksichtigung des Patientenwillens, der klinische Verfassung des Patienten, der geschätzten Lebenserwartung und prognostischen Faktoren für das Outcome des jeweiligen Verfahrens stets nicht zu schaden und vorsichtig zu sein.
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