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DGIM Innere Medizin
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Publiziert am: 16.11.2015

Kryptitis, Analfistel und Perianalabszess

Verfasst von: Jürgen Feisthammel und Arne Dietrich
Die Kryptitis, die Analfistel und der Analabszess sind unterschiedliche Formen derselben Krankheitsentität. Eine Kryptitis ist das oftmals noch reversible Anfangsstadium. Während die Fistel eher dem chronischen Verlauf entspricht, handelt es sich beim Abszess um eine akute Exazerbation. Ein Abszess ist ein kurzfristig interventionsbedürftiges Geschehen. Eine Kryptitis äußert sich über dumpfe Beschwerden am Anus, ggf. auch durch eine Eiterabsonderung. Während Patienten mit Fisteln oft beschwerdearm sind, haben Patienten mit Abszess ausgeprägte Schmerzen. Die Diagnostik erfolgt durch gründliche Inspektion, gelegentlich auch durch Sonographie oder Endosonographie. Die Therapie der Kryptitis erfolgt meist konservativ, die der Fisteln durch Spaltung oder Fadendrainage. Abszesse bedürfen einer umgehenden operativen Therapie.

Definition

Die Kryptitis, die Analfistel und der Analabszess sind unterschiedliche Formen derselben Krankheitsentität. Eine Kryptitis ist das oftmals noch reversible Anfangsstadium. Während die Fistel eher dem chronischen Verlauf entspricht, handelt es sich beim Abszess um eine akute Exazerbation. Ein Abszess ist ein kurzfristig interventionsbedürftiges Geschehen.
Es werden intersphinktäre (ca. 60 %), ischiorektale (ca. 30 % ) sowie die selteneren intrasphinktären und pelvirektalen Abszesse unterschieden (Leitlinie Analabszess 2011).
Die überwiegende Mehrzahl der Fisteln zeigt einen intersphinktären oder transphinktären Verlauf. Suprasphinktäre Fisteln sind selten. Ebenfalls selten finden sich extrasphinktäre Fisteln, die dann aber keine kryptoglanduläre Ursache haben. Die oberflächlich verlaufenden submukösen Fisteln haben ebenfalls meist keine kryptoglanduläre Ursache (Park S 1976; Leitlinie Kryptogland Analfistel 2011).

Pathophysiologie

Auslöser der Erkrankung ist eine Entzündung einer Proktodealdrüse. Es kommt zu einer pustelartigen Eiteransammlung, die sich spontan in das Darmlumen entleert, was einer Kryptitis entspricht. Falls es nicht zur spontanen Entleerung kommt, bahnt sich die Entzündung einen Weg durch das perianale Gewebe entlang anatomischer Strukturen in bekannten Mustern. Falls dieser Gang Anschluss nach außen findet, entwickelt sich eine sezernierende Fistel. Falls die Fistel nicht bis außen durchbricht, kommt es zu einem Abszess. Ebenfalls ein Abszess bildet sich, wenn eine bestehende Fistel verklebt und die weitere Sekretdrainage nicht mehr möglich ist.
Sekundäre Fisteln, z. B. bei einem Morbus Crohn (Kap. Morbus Crohn), unterscheiden sich in wesentlichen Punkten von den hier dargestellten Krankheitsbildern und werden in den entsprechenden Kapiteln näher beschrieben.

Epidemiologie

Exakte Angaben zur Epidemiologie finden sich nicht. Das mittlere Alter des Auftretens liegt bei 40 Jahren. Männer sind doppelt so häufig betroffen wie Frauen.

Klinik

Kryptitis

Eine Kryptitis äußert sich über dumpfe Beschwerden am Anus, oft nach dem Stuhlgang auftretend und für mehrere Stunden anhaltend. Manche Patienten beschreiben eine Eiterabsonderung oder Eiterauflagerungen auf dem Stuhl (Brühl 2003).

Fistel

Insbesondere Patienten mit Fisteln sind oft sehr beschwerdearm und berichten über die Fistel als teilweise schon seit Jahren bestehende sezernierende Stelle. Manche Patienten berichten auch von einem schubartigem Verlauf mit in variablem Abstand rezidivierend zunehmenden Beschweren (Druckgefühl, Schmerzen) und spontaner Besserung nach Druckentlastung des Abszesses über eine vorübergehend verklebte Fistel (Siehe Abb. 1, Santoro 2010).

Abszess

Patienten mit einer Abszessformation stellen sich typischerweise akut krank mit ausgeprägten Schmerzen vor. Insbesondere bei hochsitzenden und von außen nicht sichtbaren Abszessen fällt dem ungeübten Untersucher oft die Zuordnung der dann auch atypischen und dumpfen Schmerzen nicht leicht (Stein 2003).

Diagnostik

Kryptitis

Bei Verdacht auf Kryptitis muss proktoskopisch der Analkanal im Bereich der Linea dentata sorgfältig inspiziert werden. Mit der Hakensonde kann die vertiefte entzündete Krypte aufgefunden werden. Manchmal erleichtert eine entzündlich gerötete Umgebungsreaktion das Auffinden. Bei erfolgreicher Sondierung entleert sich typischerweise Eiter. Die entzündete Krypte findet sich meist an der hinteren Kommissur.

Fistel

Äußere Fistelöffnungen können meist problemlos aufgefunden werden. Gelegentlich wirken chronisch bestehende Fisteln wenig entzündet und unscheinbar, sodass erst die Sondierung mit der Knopfsonde die Läsion als Fistel entlarvt. Die Sondierung muss äußerst vorsichtig erfolgen. Einerseits ist dies für den Patienten schmerzhaft, andererseits muss das Setzen einer iatrogenen Fistel (Via falsa) unbedingt vermieden werden.
Falls sich nicht bereits bei der Inspektion spontan Eiter entleert, kann das Auffinden der inneren Fistelöffnung gelegentlich schwierig sein. Dies gilt insbesondere auch, weil chronische Fisteln manchmal keine Umgebungsrötung zeigen. Das Aufsuchen erfolgt analog der Kryptitis mit einer Hakensonde. Falls die innere Öffnung nicht auffindbar ist, kann bei vorhandener äußerer Fistelöffnung das dortige Einspritzen von blauem Farbstoff hilfreich sein. Die Kenntnis der Goodsall-Regel ist ebenfalls eine Hilfe beim Aufsuchen der Fistelöffnung: Laut dieser Regel verlaufen Fisteln der dorsalen Hälfte der Zirkumferenz meist bogenförmig zur hinteren Mittellinie, während die Fisteln der ventralen Zirkumferenz einen geraden radialen Verlauf nehmen.
Eine höher proximal gelegene Fistel ist atypisch und spricht für das Vorliegen einer sekundären Fistel (Morbus Crohn, iatrogen, Verletzungsfolge etc.).
Die meisten Fisteln lassen sich klinisch nach Injektion blauen Farbstoffs sonographisch und/oder endosonographisch darstellen. Hilfreich kann die Unterstützung durch Sonokontrastmittel sein. Bei unklaren Verhältnissen kann eine Magnetresonanztomographie (MRT) der Region eine Darstellung des Fistelverlaufs ermöglichen.

Abszess

Tiefliegende ischiorektale Abszesse können bei der Inspektion oft als gerötetes, prall-elastisches, prominentes und druckdolentes Areal gefunden werden. Höher gelegene Abszesse lassen sich manchmal als prall-elastische Struktur bei der digital-rektalen Untersuchung tasten.

Differenzialdiagnostik

Die äußere Fistelöffnung ist oft ebenso leicht zu identifizieren wie tiefsitzende Abszesse. Differenzialdiagnostische Probleme bereiten gelegentlich hochsitzende Abszesse. Bei rezidierenden oder in zeitlichem oder örtlichem Verlauf atypischen Fisteln muss eine chronisch entzündliche Darmerkrankung (Morbus Crohn) ausgeschlossen werden. Weiter dorsal am oder über dem Steißbein gelegene Fistelöffnungen müssen insbesondere bei jungen Männern an einen Pilonidalsinus denken lassen.
Bei der Akne inversa bestehen oft sehr viele fistelartige Öffnungen in oft fibrotisch veränderter umgebender Haut. Aus differenzialdiagnostischen Erwägungen sollte in dieser Situation eine rektale Fistelöffnung ausgeschlossen werden.

Therapie

Kryptitis

Eine Kryptitis ohne Hinweis auf Fistel oder Abszess spricht meist gut auf eine konservative Therapie an. Der Patient sollte harten Stuhlgang vermeiden. Dies kann gut mit ausreichender Flüssigkeitsaufnahme und ballaststoffreicher Kost erreicht werden, ggf. unterstützt durch Flohsamenschalenpulver oder makrogolhaltigen Laxanzien. Eine proktoskopische Verlaufskontrolle zur Sicherung des Therapieerfolges sollte durchgeführt werden.

Fistel

Oberflächliche Fisteln, die die Sphinktermuskulatur nicht oder nur oberflächlich durchbrechen, können ohne Gefahr für die Kontinenz gespalten werden. Bei tieferen Fisteln, bei denen eine Spaltung deutliche Anteile des Sphinkters durchtrennen würde, soll stattdessen eine Fadendrainage eingelegt werden. Diese verhindert Sekretstau und so die Ausbildung eines Abszesses. Wenn keine Sekretion mehr nachweisbar und die Fadendrainage an beiden Enden von Granulationsgewebe fest umschlossen ist, kann diese entfernt werden. Dieses Ergebnis ist allerdings nicht regelhaft zu erreichen. Alternativ sind aufwändigere Operationen, wie beispielweise ein plastischer Fistelverschluss mit einem mobilisierten Mukosalappen (z. B. Advancement-Flap) oder die Einlage von Fistelplugs beschrieben (Jacob 2010). Der von manchen Autoren propagierte Fistelverschluss mit Fibrinkleber scheint selten langfristig erfolgreich zu sein.
Für eine erfolgreiche operative Therapie ist die genaue Kenntnis des Fistelverlaufs essenziell. Falls diese Informationen präoperativ nicht mit ausreichender Sicherheit gewonnen werden können, können durch Injektion eines Farbstoffes sowohl die innere Fistelöffnung gut lokalisiert als auch fuchsbauartige Verzweigungen der Fistel gesehen werden.
Bei komplizierten Fisteln oder ausgeprägter Rezidivneigung kann ebenso wie bei Fisteln, die sich erfahrungsgemäß operativ nur schwer therapieren lassen (z. B. bei Morbus Crohn), in Einzelfällen die Langzeit-Fadendrainage ein gangbarer und vom Patienten oft gut akzeptierter Weg sein.

Abszess

Abszesse bedürfen einer umgehenden operativen Therapie. Eine Entlastungspunktion des Abszess kann allenfalls eine vorübergehende Maßnahme sein. Akute Abszesse werden großflächig entdeckelt, die Heilung erfolgt sekundär. Eine operative Versorgung der zuführenden Fistel erfolgt entweder während derselben Operation oder zu einem späteren Zeitpunkt nach Abklingen der Akutentzündung. Im diesem Fall empfiehlt sich die Einlage einer Fadendrainage in die Fistel bis zur definitiven Versorgung, um die erneute Abszessbildung zu vermeiden (Malik 2010).
Bei frustranem Heilungsverlauf oder Inkontinenz ist gegebenenfalls die Anlage eines (passageren) Anus praeter erforderlich.

Verlauf und Prognose

Fisteln neigen zu Rezidiven, insbesondere wenn keine komplette Fistelexzision bzw. Drainage derselben erfolgte. Es werden Rezidivraten von bis zu 30 % angegeben. Nach Operation treten leichte und meist vorübergehende Störungen der Kontinenz in bis zu 40 % der Fälle auf. Bei langjährigem Verlauf einer Fistel sind Fistelkarzinome beschrieben.
Literatur
Brühl W, Herold A (2005) Kryptitis, Analabszess und Analfistel. In: Brühl W, Wienert V, Herold A (Hrsg) Aktuelle Proktologie. Uni Med, Bremen, S 86–95
Jacob TJ, Perakath B, Keighley MRB (2010) Surgical intervention for anorectal fistula. Cochrane Database of Syst Rev (5):CD006319. doi:10.​1002/​14651858.CD006319.pub2
Leitlinie „Analabszess“ (2011), www.​AWMF.​de
Leitlinie „Kryptoglanduläre Analfisteln“ (2011), www.​AWMF.​de
Malik AI, Nelson RL, Tou S (2010) Incision and drainage of perianal abscess with or without treatment of anal fistula. Cochrane Database Syst Rev (7):CD006827. doi:10.​1002/​14651858.CD006827.pub2
Parks A, Gordon P, Hardcastle J (1976) A classification of fistula-in-ano. Br J Surg 63:1–12PubMedCrossRef
Santoro GA (2010) Anorectal fistulae. In: Santoro GA, Wieczorek AP, Bartram CI (Hrsg) Pelvic floor disorders. Springer, Berlin/Heidelberg/New York, S 655–676CrossRef
Stein E (2003) Periproktaler Abszess. In: Proktologie, Lehrbuch und Atlas. Springer, Berlin/Heidelberg/New York, S 101–111CrossRef