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Proktologie

Verfasst von: Alexander Kreuter und Andreas Dietrich
Die Proktologie ist ein medizinisches Teilgebiet, das Krankheitsbilder der Perianal-/Analregion und des Enddarms umfasst. Proktologische Erkrankungen werden von unterschiedlichen medizinischen Fachrichtungen behandelt. Die Dermatologie hat im Bereich der Proktologie eine besondere Stellung, da entzündliche, erregerbedingte, sexuell übertragbare, prämaligne und maligne Erkrankungen der Perianal-/Analregion ein dermatologisches Kerngebiet darstellen und sich Patienten deshalb nicht selten zuerst beim Dermatologen vorstellen. Proktologische Krankheitsbilder sind häufig und nehmen mit steigendem Alter zu. Trotz der Vielzahl verschiedener proktologischer Erkrankungen gibt es wenige Kardinalsymptome, die zusammen mit einer ausführlichen Anamnese und einfachen Untersuchungstechniken helfen, die richtige Diagnose zu stellen. Proktologische Erkrankungen werden aufgrund der Tabuisierung der Perianal-/Analregion meist in einem fortgeschrittenen Stadium vom Proktologen gesehen. Nicht selten führen Vorbehandlungen mit diversen Hausmitteln und freiverkäuflichen Präparaten durch eine veränderte Morphologie zu Problemen bei der Diagnosestellung. In dem Kapitel wird eine Übersicht über die für das Fach Dermatologie relevanten Erkrankungen der Perianal-/Analregion gegeben und auf spezielle, dermatologisch relevante Aspekte eingegangen.

Einführung

Die Proktologie als medizinische Fachrichtung umfasst Krankheitsbilder der Perianal-/Analregion sowie des Enddarms. Zum Enddarm gehören das Rektum und der Analkanal. Proktologische Krankheitsbilder werden von unterschiedlichen medizinischen Fachrichtungen behandelt, hierzu zählen neben der Allgemeinmedizin, Chirurgie, Gynäkologie und Urologie auch die Dermatologie und Allergologie. Proktologische Krankheitsbilder sind häufig und nehmen mit steigendem Alter zu. Sie manifestieren sich meistens primär, aber auch sekundär, in der Perianal-/Analregion (Stein 2003).
Trotz der Vielzahl unterschiedlicher proktologischer Erkrankungen existieren lediglich fünf Kardinalsymptome, die zur Konsultation eines Proktologen führen:
  • Juckreiz/Brennen,
  • Blutung,
  • Nässen und
  • Fremdkörpergefühl.
Aufgrund dieser Symptome stellen sich Patienten nicht selten zuerst beim Dermatologen vor, was die Proktologie als festen Bestandteil der Dermatologie unterstreicht (Kreuter 2016). Die diagnostische Abklärung ist durch eine ausführliche Anamnese und Inspektion sowie einfache Untersuchungstechniken schnell und in der Regel schmerzlos durchführbar. Aufgrund der Tabuisierung von proktologischen Symptomen erfolgen häufig eigenständig initiierte Vorbehandlungen durch den Patienten mit diversen Hausmitteln und freiverkäuflichen Präparaten. Proktologische Krankheitsbilder werden deshalb vom behandelnden Arzt nicht selten erst in fortgeschrittenem Stadium oder mit veränderter Morphologie gesehen, was Diagnose und Therapie erschweren (Lenhard 2016; Stein 2003).
Anamnese
Die Vielzahl an proktologischen Krankheitsbildern lässt sich entsprechend der Kardinalsymptome: Juckreiz, Brennen, Blutung, Schmerz, Nässen und Fremdkörpergefühl einteilen. Je detaillierter die Anamnese der Symptome ist, desto einfacher können Verdachtsdiagnosen eingegrenzt oder ausgeschlossen werden. Wichtig sind ferner Fragen nach der Stuhlqualität (Konsistenz, Farbe und Geruch des Stuhls), der Stuhlfrequenz, der Kontinenz, der Toilettenhygiene und des Sexualverhaltens. Bei Erstkontakt sollten außerdem Allgemeinerkrankungen, B-Symptomatik, atopische Diathese, Allergien und Dermatosen abgefragt werden.
Anatomische Besonderheiten der Perianal-/Analregion
Durch die Sekretion ekkriner und apokriner Drüsen und die permanente Okklusion durch das Aneinanderliegen der Nates wird die Ausbildung eines Feuchtraummilieus mit Mazeration und konsekutiver Störung der epidermalen Barriere begünstigt. Verstärkende Faktoren hierfür sind Adipositas, sitzende Tätigkeit, Immobilität, Inkontinenz, Trichteranus, vorgeschädigte epidermale Barriere bei atopischer Diathese, unzureichende oder übertriebene Analhygiene, chronisch-entzündliche Dermatosen und Langzeitanwendung von topischen Glukokortikosteroiden.
Proktologische Untersuchung
Vorbereitung und Lagerungspositionen
Vor Beginn der proktologischen Untersuchung muss der Patient in eine der drei gebräuchlichen Lagen gebracht werden: Steinschnittlage, Linksseitenlage (nach Sims) oder Knie-Ellenbogenlage. Die Wahl der Lagerung richtet sich nach der vorhandenen Ausstattung, der Erfahrung des Untersuchers und des Körpergewichts des Patienten. Die Steinschnittlage ist durch die bequeme Position für den Patienten und die gute Arzt-Patienten-Kommunikation mit Blickkontakt am weitesten verbreitet. Die Linksseitenlage ist bei adipösen und immobilen Patienten vorteilhaft und auf einer gewöhnlichen Patientenliege oder im Patientenbett möglich. Die Knie-Ellenbogenlage ist für den Patienten meist beschwerlich und wird als unangenehm empfunden, weshalb diese Lagerung im klinischen Alltag nur selten eingesetzt wird. Die Lokalisation von Befunden wird stets in Steinschnittlage gemäß dem Uhrzifferblatt angegeben (das Perineum liegt bei 12 Uhr).
Inspektion
Durch das Spreizen der Nates und des Anus lässt sich inspektorisch bereits eine Vielzahl von proktologischen Krankheitsbildern diagnostizieren. Bei pigmentierten und nichtpigmentierten Läsionen kann die Dermatoskopie weitere wertvolle Hinweise liefern. Im Valsalva-Pressversuch lassen sich ein Hämorrhoidalleiden, ein Anal- und Rektumprolaps sowie eine Analfissur erkennen.
Digitale Untersuchung
Die digitale Untersuchung erfolgt mit dem Zeigefinger, einem Fingerling oder Handschuh sowie ausreichend Gleitmittel (Ultraschallgel, Vaseline oder anästhesierendes Gel). Die Untersuchung sollte langsam und behutsam erfolgen. Beurteilt werden der Sphinktertonus, die gesamte Zirkumferenz des Analkanals und des distalen Rektums („kleine Hafenrundfahrt“) sowie die Prostata oder Portio vaginalis. Je nach Länge des untersuchenden Zeigefingers und dem Anpressdruck beträgt der Untersuchungsradius bis zu 10 cm.
Endoskopie des Enddarms
Die starren Endoskope zur Untersuchung des Enddarms lassen sich je nach Länge in Anoskope (bis zu 7 cm), Proktoskope (bis zu 15 cm) und Rektoskope (bis zu 30 cm) einteilen. Die Durchmesser variieren von 1 cm (für Säuglinge und Kleinkinder; Passage von Stenosen) bis zu 3 cm (für Eingriffe). Die Instrumente werden mit Kaltlicht beleuchtet, das von einer Lichtquelle über ein Fiberglasbündel in das Endoskop geleitet wird. Proktoskope gibt es mit vorderer und seitlicher Öffnung. Eine Weiterentwicklung der Endoskopie ist die hochauflösende Anoskopie, die über ein herkömmliches gynäkologisches Kolposkop eine bis zu 30-fache Vergrößerung erlaubt. Die hochauflösende Anoskopie wird insbesondere zur Diagnostik von analen intraepithelialen Neoplasien eingesetzt.

Entzündliche Erkrankungen der Perianal-/Analregion

Perianal- und Analekzem

Ätiopathogenese und Klinik
Das Perianal-/Analekzem gehört zu den häufigsten proktologischen Krankheitsbildern. Der intertriginöse Raum und anatomische Besonderheiten, zum Beispiel ein Trichteranus, begünstigen die Entstehung eines Feuchtraummilieus. Dies führt über Mazerationen zur Störung der epidermalen Barriere. Entsprechend der Ätiopathogenese können drei Ekzemformen unterschieden werden, wobei Mischformen häufig sind:
  • irritativ-toxisch,
  • atopisch und
  • kontaktallergisch.
Betroffen ist in der Regel das verhornende Plattenepithel der Perianal-/Analregion. Das nichtverhornende Plattenepithel des Anoderms kann jedoch unter Ausbildung von Rhagaden, die bis zur Linea dentata reichen können, mitbetroffen sein – insbesondere bei atopischer Diathese. Das akute Perianal-/Analekzem zeigt sich als nässendes Erythem mit Juckreiz und Brennen. Bei bakterieller oder mykotischer Superinfektion kann Fötor bestehen. Schmerzen, Schmierblutungen und Fremdkörpergefühl können auftreten. Das chronische Perianal-/Analekzem zeigt Lichenifikationen mit dem Leitsymptom Juckreiz (Kap. Toxische und allergische Kontaktdermatitis; Atopisches Ekzem zum Thema Ekzemerkrankungen; Proske et al. 2004).
Irritativ-toxisch
Bei Einwirkung exogener, irritativer Noxen kommt es zu einer nichtimmunologisch bedingten Entzündung mit direkter Schädigung der epidermalen Barriere. Als irritative Noxen gelten unter anderem fäkulente ammoniakhaltige Sekrete als Folge von proktologischen Erkrankungen mit Störung der sensorischen Feinkontinenz (z. B. Hämorrhoidalleiden, Marisken, Anal-/Rektumprolaps) und muskulären Kontinenz (postoperativ, degenerativ) oder als Folge von Fistelleiden. Eine Rolle spielen ebenso sekretabsondernde Erkrankungen wie die Acne inversa/Hidradenitis suppurativa, Proktitiden oder ulzerierte Tumorerkrankungen des Enddarms. Eine bedeutende Rolle kommt ebenfalls der Analhygiene zu. Eine übertriebene Reinigung mit irritierenden Detergenzien (Seifen, feuchte Toilettenpapiertücher) oder mit mechanischer Reizung durch raues Toilettenpapier kann ebenfalls ein irritativ-toxisches oder, bei dauerhafter Einwirkung, ein kumulativ-toxisches Perianal-/Analekzem hervorrufen (Abb. 1).
Atopisch
Atopische Diathese oder manifeste Atopie können durch die genetisch determinierte Störung der epidermalen Barrierefunktion zur Entstehung eines atopischen Analekzems beitragen. Klinisch zeigen sich Erytheme, Kratzartefakte bei starkem Juckreiz, teilweise Rhagadenbildung und Lichenifikationen bei chronischem Verlauf (Abb. 2). Mykotische und bakterielle Superinfektionen sind häufig. Die Diagnose erfolgt aufgrund der atopischen Diathese (Familien- und Eigenanamnese), des Erlanger Atopie-Scores, des klinischen Bildes und allergologischer In-vivo-und In-vitro-Testverfahren (Gesamt IgE, spezifisches IgE, Pricktest, Atopie-Patchtest).
Kontaktallergisch
Dieser Ekzemform liegt eine allergische Typ-IV-Reaktion nach Coombs und Gell zugrunde. Die Kontaktallergene (Cinchocain-HCl, Mafenid, Hexylresorcin, Lidocain-HCl, Albothyl, Kamillenextrakt, Chininsulfat und Menthol) finden sich als Konservierungs- und Duftstoffe sowie Lokalanästhetika in Pflegecremes, Intimsprays, feuchten Toilettentüchern und Proktologika. Bei dem akuten kontaktallergischen Perianal-/Analekzem mit typischer scharfer Begrenzung und Streuherden in der Umgebung ist aufgrund des anamnestisch zeitlichen Zusammenhangs zum Auftreten der Hautveränderungen das auslösende Allergen häufig rasch identifiziert. Beim häufigeren chronischen kontaktallergischen Perianal-/Analekzem durch längerfristigen Allergenkontakt muss das ursächliche Allergen zunächst anamnestisch eingegrenzt und die Sensibilisierung im erscheinungsfreien Intervall mittels Epikutantestung entsprechend den Richtlinien der Deutschen Kontaktallergiegruppe (DKG) eruiert werden (Abb. 3).
Therapie
Je nach Ekzemform sind die Sanierung der proktologischen Grunderkrankung sowie die Meidung von Irritanzien und (potenziellen) Allergenen erforderlich. Auch bei einem geringgradigen Hämorrhoidalleiden (Grad 1) kann eine Sklerosierungsbehandlung zu einer schnellen Besserung führen. Zur täglichen Reinigung der Perianal-/Analregion empfiehlt sich klares lauwarmes Wasser. Auf Detergenzien sollte möglichst verzichtet werden. Anschließend kann die Perianal-/Analregion mit einem Föhn oder weichem Toilettenpapier getrocknet und ein pflegendes zinkhaltiges Topikum (z. B. Pasta zinci molis DAB 10, Lotio alba aquosa DAC) aufgetragen werden. Bei zu weicher oder harter Stuhlkonsistenz können zur Stuhlregulierung indische Flohsamen eingenommen werden. Auf eine ausreichende Trinkmenge ist zu achten. Zur Reduktion des Feuchtmilieus in der Perianal-/Analregion empfiehlt sich mehrmals täglich die Einlage von Vlieskompressen. Zusätzlich können adstringierende Externa oder Sitzbäder zur Anwendung kommen. Bei Adipositas sollte eine Gewichtsreduktion angestrebt werden.
Eine kurzzeitige antientzündliche Lokaltherapie mit schwach bis stark wirksamen Glukokortikosteroiden (Wirkstoffklasse I–III) ist in der Regel unumgänglich. Die Externagrundlage (lipophile, hydrophile, feste Grundlage) sollte sich nach der Ekzemmorphe richten. Eine längerfristige topische Behandlung mit Glukokortikosteroiden ist zu vermeiden, wenn auch glukokortikosteroidbedingte Nebenwirkungen wie die Hautatrophie viel seltener beobachtet werden als gemeinhin angenommen. Als Alternative zu Glukokortikosteroiden sind zur topischen Therapie des mittelschweren bis schweren atopischen Ekzems mit Beteiligung der Perianal-/Analregion Tacrolimus und Pimecrolimus aus der Gruppe der Calcineurininhibitoren zugelassen (Schauber et al. 2009).
Differenzialdiagnose
Als Differenzialdiagnose oder Triggerfaktoren des Perianal-/Analekzems kommt eine Vielzahl von Krankheitsbildern infrage, die sich nicht selten auch monolokulär in der Perianal-/Analregion manifestieren können (Tab. 1). Nachfolgend sind einige wichtige Differenzialdiagnosen aufgeführt.
Tab. 1
Differenzialdiagnose und Triggerfaktoren des Analekzems
Entzündlich
Hereditär
„Klassisch-proktologisch“
Erregerbedingt
Sexuell übertragbar
Neoplastisch
Acne inversa
Pemphigus vegetans
Morbus Hailey-Hailey
Condylomata lata
Extramammärer Morbus Paget
Perianale/Anale Acanthosis nigricans
Analprolaps, Rektum prolaps
Mollusca contagiosa
Chlamydien-Infektion (Serovare D–K)
Perianale-/Anale intraepitheliale Neoplasie (PAIN/AIN)
Perianaler/Analer Lichen ruber planus
Seltene Tumorerkrankungen der Perianal-/Analregion:
-Langerhanszell-Histiozytose
Perianaler/Analer Lichen sclerosus
Perianale Streptokokkendermatitis
Herpes analis
Perianaler/Analer Morbus Crohn
Tinea perianalis/analis
Lymphogranuloma venereum (Serovare L1–L3)
Perianale/Anale Psoriasis
Perianalvenenthrombose
Verruca vulgaris
 
Entzündlich
Hinsichtlich eines Analekzems kommen differenzialdiagnostisch aus der Gruppe der entzündlichen Krankheiten die perianale/anale Psoriasis, der perianale/anale Lichen planus und der perianale/anale Lichen sclerosus in Betracht.
Perianale-/Anale Psoriasis
Typisch für die perianale-/anale Psoriasis sind scharf begrenzte, erythematöse Plaques mit medianer Rhagade in der Rima ani. Der Okklusionseffekt der Perianal-/Analregion führt dazu, dass die charakteristische silbrig-weiße Schuppung fehlt. Die Scherkräfte durch die Bewegung der Nates können einen isomorphen Reizeffekt auslösen (Köbner-Phänomen). Nicht selten fehlen richtungsweisende psoriatische Veränderungen an anderen Stellen des Integuments, was die Diagnose zusätzlich erschweren kann. Perianale Psoriasis ist ein Risikofaktor für die Entwicklung einer Psoriasis-Arthritis (Abb. 4).
Perianaler/Analer Lichen planus
Der Lichen planus der Perianal-/Analregion zeigt ebenso wie im Bereich der Mundschleimhaut häufig, jedoch nicht immer, die typische netzförmig weiße Streifung (Wickham-Streifung). Der häufig bestehende starke perianale-/anale Juckreiz führt durch Scheuern und Kratzen zu krankheitsspezifischen Effloreszenzen eines isomorphen Reizeffekts an vorher nicht beeinträchtigter Haut. Die klinische Morphologie und das Verteilungsmuster können vielgestaltig sein (Lichen ruber planus erosivus, hypertrophicus, verrucosus), weshalb im Zweifel eine histologische Sicherung angestrebt werden sollte. Auf dem Boden eines chronisch aktiven Lichen planus können Plattenepithelkarzinome entstehen (Abb. 5).
Perianaler-/Analer Lichen sclerosus
Der Lichen sclerosus kann sich isoliert in der Perianal-/Analregion manifestieren oder ein anogenitales Muster mit „8“-förmiger Anordnung zeigen. Es imponieren starker Juckreiz bis hinzu Schmerzen bei der Defäkation und Geschlechtsverkehr (Dyspareunie), jedoch können die Veränderungen initial auch symptomlos sein. Klinisch dominieren weißlich-atrophe porzellanartige Plaques, teilweise mit entzündlichem lividem Randsaum. Im Verlauf kommt es häufig zu schmerzhafter Rhagadenbildung mit Blutung und Atrophie. Superinfektionen treten nicht selten auf. Bei jahrelangem Verlauf kann es zur Ausbildung von Plattenepithelkarzinomen kommen (Abb. 6). (Kap. Sklerodermie).
Erregerbedingt
Hinsichtlich eines Analekzems kommen differenzialdiagnostisch aus der Gruppe der erregerbedingten Krankheiten die perianale/anale Kandidose, die perianale/anale Tinea und die perianale Streptokokkendermatitis in Betracht.
Perianale/Anale Kandidose
Haut- und Schleimhautinfektionen mit potenziell humanpathogenen Candida-Spezies, am häufigsten Candida albicans, treten vor allem im Bereich der Intertrigines auf. Der monolokuläre Befall der Perianal-/Analregion zeigt als Infektionsquelle häufig eine vermehrte Kolonisation des Darms mit Candida albicans. Weitere prädisponierende Faktoren sind Adipositas, Diabetes mellitus, Immunsuppression, übermäßiges Schwitzen und mangelnde Hygiene. Klinisch finden sich scharf begrenzte, peripher schuppende Erytheme. Häufig finden sich Papeln und Pusteln mit spritzerartigen Satelliten im Randbereich sowie weißliche abstreifbare Beläge im Zentrum (Abb. 7).
Perianale/anale Tinea
Die Erreger der Tinea im Bereich der Perianal-/Analregion sind wie bei der Tinea corporis vor allem Trichophytum rubrum und Trichophytum mentagrophytes. Die Infektion erfolgt häufig durch Schmierinfektion bei bestehender Tinea pedis, beispielsweise beim Anziehen der Unterwäsche. Haus- und Nutztiere sind häufig Erregerreservoire. Klinisch zeigen sich stark juckende, rundliche Erytheme mit geringer randbetonter Schuppung, zentrifugaler Ausbreitung und zentraler Abheilungstendenz (Abb. 8). Beim Befall von Haarfollikeln bilden sich follikuläre Papeln und Pusteln aus. Häufig ist die klassische Morphologie der Tinea durch Vorbehandlung mit topischen Glukokortikosteroiden stark verändert, was die Diagnose erschwert.
Perianale Streptokokkendermatitis
Diese, dem Bild eines akut-nässenden Perianal-/Analekzems ähnelnde Dermatose wird meist durch β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A hervorgerufen und betrifft vor allem Kinder (meist Jungen), seltener auch Erwachsene. Klinisch entstehen erythematöse nässende Papeln, gelegentlich Pusteln, mit starkem Juckreiz. Häufig kommt es zu schmerzhafter Defäkation, Obstipation und Blutauflagerungen auf dem Stuhl, in seltenen Fällen tritt Fieber auf. Zur Sicherung ist neben dem klinischen Bild die bakteriologische Erregerbestimmung durch Abstriche und Kultur notwendig.
Bei jedem Kind mit perianaler-/analer Dermatitis sollte ein Abstrich auf Streptokokken erfolgen, bevor eine Therapie eingeleitet wird.
Die topische antiseptische und systemische antibiotische Therapie mit Penicillin führt in der Regel zu einer raschen Abheilung. Da die Übertragung der Streptokokken über Schmierinfektion erfolgt, sollte bei Rezidiven eine Untersuchung von Kontaktpersonen angestrebt werden (Abb. 9).
Neoplastisch
Aus der Gruppe der Neoplasien ist differenzialdiagnostisch in Bezug auf das Perinanal-/Analekzem der extramammäre Morbus Paget abzugrenzen.
Extramammärer Morbus Paget der Perianal-/Analregion
Diese seltene Form des Morbus Paget tritt in Körperregionen mit apokrinen Schweißdrüsen auf, dazu gehört auch die Perianal-/Analregion. Es handelt sich um ein intraepidermal wachsendes Adenokarzinom. Bei der primären Form des extramammären Morbus Paget handelt es sich um ein Carcinoma in situ der apokrinen Schweißdrüsen, wohingegen die sekundäre Form eine intraepidermale Ausbreitung assoziierter apokriner Karzinome der Haut oder in topografisch unmittelbar benachbarte Organe (der Anorektalregion) darstellt (Wagner und Sachse 2011). Klinisch finden sich scharf begrenzte, erythematöse Plaques mit flächiger Ausbreitung im weiteren Verlauf. Es können sich nässende Erosionen, Krusten, Schuppung und pflastersteinartig angeordnete Papeln zeigen. Therapeutisch sollte die Exzision im Gesunden, möglichst schnittrandkontrolliert, erfolgen und durch weiterführende Diagnostik ein assoziiertes Karzinom ausgeschlossen werden (Abb. 10).

Klassische proktologische Erkrankungen

Hämorrhoidalleiden

Ätiopathogenese
Hämorrhoiden sind ringförmig angeordnete arteriovenöse Gefäßpolster und entsprechen dem Corpus cavernosum recti, dass als submuköser Schwellkörper im proximalen Analkanal für die Feinkontinenz zuständig ist. Die Prädilektionsstellen der Hämorrhoiden bei 3:00, 7:00 und 11:00 Uhr in Steinschnittlage erklären sich durch die arterielle Versorgung des Corpus cavernosum recti aus den 3 Ästen der A. rectalis superior, die in Höhe der Linea dentata auf 3:00, 7:00 und 11:00 Uhr in Steinschnittlage die Rektumwand durchbrechen. Der venöse Abfluss wird durch den M. sphincter ani internus gesteuert. Bei Füllung der Rektumampulle mit Stuhl gewährleistet der Tonus der Muskulatur durch Drosselung des venösen Abflusses eine Abdichtung, wohingegen ab einem bestimmten Füllungsgrad die Muskulatur relaxiert, der venöse Abstrom das Corpus cavernosum recti zum Abschwellen bringt und die Defäkation eingeleitet wird. Hämorrhoiden ohne Symptome haben keinen Krankheitswert. Erst bei symptomatischen Hämorrhoiden durch pathologische Vergrößerung infolge vaskulärer Stauung spricht man von einem Hämorrhoidalleiden.
Die Ätiopathogenese des Hämorrhoidalleidens ist nicht abschließend geklärt und häufig nicht mit ausreichender Evidenz belegt. Ais Risikofaktoren werden eine genetische Disposition, unphysiologisches Defäkationsverhalten, fehlerhafte Ernährung mit chronischer Obstipation und kleinen Stuhlvolumina, Adipositas und höheres Lebensalter diskutiert. Kleine Stuhlvolumina führen nicht zu einer Relaxation des M. sphincter ani internus und erfordern dadurch den forcierten Einsatz der Bauchpresse zur Defäkation. Durch dieses unphysiologische Defäkationsverhalten kommt es zum Anpressen der Stuhlsäule gegen das gefüllte Corpus cavernosum recti, das dadurch mit nach distal bewegt wird. Das Gerüst muskulärer und fibroelastischer Fasern, welches das Corpus cavernosum recti fixiert, kann bei dauerhafter Traumatisierung hierdurch Schaden erleiden und zu einer dauerhaften Distalverlagerung der Hämorrhoidalpolster führen.
Klinik
Die Symptome des Hämorrhoidalleidens bestehen aus hellroter Blutung, Blutspuren am Toilettenpapier, Juckreiz, Feinkontinenzstörung mit Nässen, Fremdkörpergefühl, Stuhldrang und Gefühl der inkompletten Entleerung. Anhand der Größe und Dislokation der Hämorrhoidalpolster lässt sich das Hämorrhoidalleiden in vier Stadien einteilen:
  • Stadium 1: Nur proktoskopisch sichtbare vergrößerte Polster, die nie die Linea dentata überschreiten. Die hellrote Blutung ist Leitsymptom des Hämorrhoidalleidens im Stadium 1.
  • Stadium 2: Prolaps der Hämorrhoidalpolster bei der Defäkation bis in den distalen Analkanal oder auch vor den After mit spontaner Retraktion. Es kann zur Inkarzeration im Analkanal mit sekundärer Thrombosierung und Schmerzen kommen (Abb. 11).
  • Stadium 3: Die prolabierten Hämorrhoidalpolster retrahieren nicht mehr spontan und sind nur manuell reponibel. Der sekundäre Analprolaps kann über die anale Sekretion zu analem Juckreiz und einem sekundären Analekzem führen.
  • Stadium 4: Der Prolaps ist irreponibel aufgrund von Fibrosierung oder Thrombosierung. Der Funktionsablauf der Defäkation ist erheblich gestört.
Differenzialdiagnose
Unter dem Leitsymptom Blutung kann eine Vielzahl von Differenzialdiagnosen zum Hämorrhoidalleiden in Erwägung gezogen werden. Der sichere Ausschluss eines kolorektalen Karzinoms sollte hierbei die höchste Priorität haben. Anamnestische Angaben zur Blutfarbe (dunkelrot: eher blutende Läsion im Kolon, hellrot: eher blutende Läsion im distalen Rektum/Analkanal) und zur Blutungsqualität (Blutauflagerung, Blutvermischung mit Stuhl, spritzende Blutung, Blut am Toilettenpapier) können das weitere diagnostische Procedere beeinflussen. Im Zweifel sowie bei höherem Alter und positiver Familienanamnese bezüglich kolorektaler Karzinome sollte die weitere endoskopische Abklärung erfolgen. Weitere Differenzialdiagnosen mit dem Leitsymptom Blutung sind das Analkarzinom sowie benigne Erkrankungen wie Adenome, Fissuren und perforierte Thrombosen.
Das Leitsymptom Juckreiz tritt differenzialdiagnostisch häufig bei analen und perianalen Dermatosen wie dem Perianal-/Analekzem, bei anorektalen Prolapsformen sowie Analfisteln auf.
Schmerz ist ein sehr seltenes Symptom eines Hämorrhoidalleidens und tritt normalerweise nur bei Thrombosierung eines Hämorrhoidalpolsters auf. Differenzialdiagnostisch kommen eine Analvenenthrombose, ein eingeklemmter Analprolaps, eine Analfissur sowie ein Analabszess in Betracht.
Ein Hämorrhoidalleiden kann durch chronische Sekretion zu einem Analekzem mit sekundären Infektionen führen. Die Schädigung der Hautbarriere in Kombination mit der Verwendung von diversen Analtherapeutika führt nicht selten zu Kontaktallergien.
Therapie
Die Therapie des Hämorrhoidalleidens ist individuell unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Stadien zu gestalten. Ziel ist die Wiederherstellung der physiologischen Verhältnisse ohne Zerstörung der gesamten Hämorrhoidalpolster.
Basistherapie
Vor Einleitung von konservativen oder operativen Therapieverfahren muss eine Basistherapie erfolgen. Dazu gehört die Stuhlregulierung durch Erhöhung des Stuhlvolumens mittels ballaststoffreicher Kost und ausreichender Trinkmenge. Starkes Pressen, Nachpressen und zu langes Toilettensitzen sollten vermieden werden. Zur Vermeidung von Irritationen sollte die Reinigung ausschließlich mit lauwarmem Wasser und weichem Toilettenpapier zum Trockentupfen erfolgen. Auf ausreichend körperliche Aktivität zur Verbesserung der Darmmotilität sowie auf eine eventuelle Gewichtsreduktion ist zu achten.
Konservative Therapie
Konservativ sind die topische Therapie, die Sklerosierung und die Gummibandligatur mögliche Optionen.
Topisch
Zur kurzzeitigen rein symptomatischen Therapie kommen Salben und Suppositorien mit Lokalanästhetika, Entzündungshemmern oder Adstringenzien wie Bismutgallat, Zinkoxid oder Harmamelisextrakt zur Anwendung. Auf eine längerfristige Anwendung sollte aufgrund des Risikos von Kontaktallergien, Glukokortikoidatrophie und Superinfektionen verzichtet werden.
Sklerosierungstherapie
Die Sklerosierungstherapie hat sich insbesondere beim Hämorrhoidalleiden im Stadium I–II bewährt. Bei der Sklerotherapie nach Blond wird eine sklerosierend wirkende Substanz, im Allgemeinen eine 3- bis 4 %-ige Polidocanollösung, in das Hämorrhoidalpolster sowie proximal davon injiziert. Die nachfolgende Sklerosierung führt zu einem Schrumpfen des hämorrhoidalen Gewebes. Eine Weiterentwicklung der Flüssigsklerosierung ist die Schaumsklerosierung. Bei der Technik nach Tessari wird durch die turbulente Mischung von Polidocanollösung und Luft im Verhältnis 1:4 ein feinblasiger Schaum hergestellt, welcher sofort in das Hämorrhoidalpolster injiziert wird. Die Schaumsklerosierung konnte eine höhere Wirksamkeit bei gleicher Sicherheit im Vergleich zur Flüssigsklerosierung zeigen. Die Sklerosierungstherapie nach Blanchard bewirkt ebenfalls eine Verkleinerung der Hämorrhoidalpolster. Allerdings erfolgt dies durch Drosselung des arteriellen Zuflusses über die Injektion einer öligen Substanz, in der Regel 5 %iges Phenolöl, direkt neben das zuführende arterielle Gefäß oberhalb des Hämorrhoidalpolsters. Die Sklerosierungstherapie ist zur Therapie des symptomatischen Hämorrhoidalleidens im Stadium I das Mittel der Wahl.
Gummibandligatur
Bei der Methode nach Barron wird Hämorrhoidalgewebe proktoskopisch mit einer Zange durch einen Ligaturzylinder gezogen oder angesaugt und mit einer elastischen Ligatur abgebunden. Das abgeschnürte Gewebe nekrotisiert und wird nach spätestens 3 Wochen abgestoßen. Gleichzeitig wird das nach distal verschobene Corpus cavernosum recti wieder nach proximal verlagert und dort fixiert. Zur Vermeidung eines vorzeitigen Abrutschens der elastischen Ligatur kann es sinnvoll sein, in das ligierte Hämorrhoidalgewebe eine kleine Menge Sklerosierungsflüssigkeit zu spritzen. Bei korrekter Applikation ausreichend proximal der Linea dentata kommt es nur sehr selten zu Schmerzen. In weniger als 1 % der Applikationen kann es nach der nekrotischen Abstoßung des Hämorrhoidalknotens zu Blutungen kommen, die mitunter massiv sein können. Der Patient muss entsprechend aufgeklärt werden. Als Kontraindikation gelten die Einnahme von Antikoagulanzien und Thrombozytenaggregationshemmern sowie eine hämorrhagische Diathese. Die Gummibandligatur ist zur Therapie des symptomatischen Hämorrhoidalleidens im Stadium II das Mittel der Wahl.
Operativ
In fortgeschrittenen Stadien des Hämorrhoidalleidens, spätestens bei irreponiblem Prolaps von Hämorrhoidalgewebe, sind operative Therapiemaßnahmen indiziert. Je nach Ausmaß des Prolapses, segmentär oder zirkulär, kommen verschiedene etablierte Verfahren zur Anwendung. Zu den segmentären Verfahren gehören die offene Hämorrhoidektomie nach Milligan-Morgan, die geschlossene Hämorrhoidektomie nach Ferguson oder die submuköse Hämorrhoidektomie nach Parks. Zu den zirkulären Verfahren gehören die rekonstruktive Hämorrhoidektomie nach Fansler-Arnold und die supraanodermale Hämorrhoidektomie nach Whitehead, die aufgrund häufig beobachteter narbiger Stenosierungen heutzutage obsolet ist. Zu den moderneren zirkulären Verfahren gehört die Stapler-Hämorrhoidopexie nach Longo. Hierbei erfolgt die zirkuläre Resektion des Hämorrhoidalgewebes mit angrenzender Rektummukosa ohne Beteiligung des Anoderms. Die Hämorrhoidopexie nach Longo ist mittlerweile das Mittel der Wahl zur Behandlung des zirkulären Hämorrhoidalleidens im Stadium III. Neuere minimal-invasive Verfahren für das Hämorrhoidalleiden im Stadium II und III sind unter anderem die dopplergesteuerte Hämorrhoidal-Arterien-Ligatur nach Morinaga (HAL) oder die Laserhämorrhoidoplastie. Diese Verfahren sind derzeit aufgrund geringer Evidenz noch nicht von Leitlinien empfohlen.

Analvenenthrombose

Die Analvenenthrombose ist ein in der Proktologie sehr häufig vorkommendes, meist perianal lokalisiertes Krankheitsbild. Als auslösende Faktoren werden bei der Analvenenthrombose Temperaturschwankungen, hormonelle und nutritive Veränderungen sowie erhöhter intraabdomineller Druck durch Pressen bei der Defäkation und lokale Traumata diskutiert.
Therapie
Da sich die bei der Analvenenthrombose entstehenden Thromben in der Regel nach kurzer Zeit organisieren und zurückbilden, wird bei geringen Schmerzen konservativ mit systemischen nichtsteroidalen Antiphlogistika therapiert. Bei starker Schmerzsymptomatik besteht die adäquate Behandlung in einer kompletten Entfernung des Thrombus oder Blutkoagels durch spindelförmige Exzision. Die alleinige Inzision einer Analvenenthrombose mit Expression des Thrombus führt fast immer zu einem Rezidiv.

Marisken

Bei Marisken handelt es sich um harmlose, in der Regel asymptomatische Bindegewebsläppchen der Perianalregion. Marisken werden von den betroffenen Patienten häufig als Hämorrhoiden fehlgedeutet. Die Entstehung von Marisken wird durch Analfissuren, zurückliegende Analvenenthrombosen, chronische Entzündungen sowie mechanische Reizung begünstigt.
Therapie
In der Regel müssen Marisken nicht behandelt werden. Wenn es jedoch zu ausgedehnten, hypertrophierten Marisken kommt, die die Analhygiene erschweren oder in Folge derer Analekzeme oder sekundären Infektionen resultieren, kann eine chirurgische Exzision erwogen werden. Die Indikationsstellung bei zirkumferenten Marisken sollte jedoch aufgrund potenzieller Vernarbungen und Stenosen zurückhaltend gestellt werden.

Analfissur

Bei der Analfissur handelt es sich um ein spindelförmiges Ulkus im Analkanal, das in der Regel im Bereich der hinteren Kommissur bei 6° Steinschnittlage lokalisiert ist. Erhöhter Sphinktertonus und verstärkte Analdehnung werden als zugrunde liegende Faktoren diskutiert. Klinisch zeigt sich die akute Analfissur als glattrandiger, bis zur Muskulatur reichender Einriss. Bei der Defäkation bestehen starke, stechende Schmerzen. Bei länger bestehenden, chronischen Analfissuren besteht wenig bis keine Schmerzsymptomatik. Typisch für die chronische Fissur ist die am kranialen Fissurende lokalisierte hypertrophe Analpapille sowie die am kaudalen Ende gelegene Vorpostenfalte.
Therapie
Die Therapie der akuten Analfissur besteht in einer adäquaten Schmerzreduktion durch lokale muskelrelaxierende Substanzen (diltiazem-, glycerolnitrathaltige Salben) oder Salben auf der Basis von Kalziumantagonisten. Rezidivierend auftretende Einrisse im Rahmen chronischer Analfissuren können mittels Silbernitrat verätzt werden. Die Therapie der Wahl bei der chronischen Analfissur ist jedoch die direkte Fissurektomie mit Exzision des gesamten Ulkus und Schaffung einer frischen sekundären Wundfläche. Intramuskuläre Botulinumtoxin-Injektionen sind als effektive Behandlungsalternative bei chronischem Sphinkterspasmus beschrieben worden.

Analfistel und Analabszess

Analabszesse und Analfisteln stellen ein Spektrum proktologischer Erkrankungen dar. In Abhängigkeit von der Aktivität der Entzündung steht entweder der Abszess als akutes Krankheitsbild oder die Fistel als chronischer Prozess klinisch im Vordergrund. Im Gegensatz zur schlagartig auftretenden Schmerzsymptomatik der akuten Analfissur kommt es beim Analabszess zu sich langsam entwickelnden Schmerzen mit Schwellung und Erythem und begleitender Allgemeinsymptomatik wie Fieber oder Schüttelfrost. Pathogenetisch scheint eine kryptoglanduläre Keimausbreitung mit Ausbreitung in die Perianalräume eine wichtige Rolle zu spielen. In Abhängigkeit von der Lokalisation werden intersphinktäre, ischiorektale und pelvirektale Abszesse unterschieden.
Als Analfisteln bezeichnet man erworbene oder angeborene Gänge, die sich klinisch entweder als komplette (Verbindung von Hautoberfläche zu Analkanal oder Rektum) oder inkomplette Fisteln (nach außen offene Fistel endet blind im Körperinneren) manifestieren können. Je nach Lage zum Schließmuskel werden inter-, trans-, supra- und extrasphinktäre Fisteln unterschieden.
Therapie
Die Therapie der Wahl beim Abszess besteht in einer frühen und ausreichenden chirurgischen Eröffnung. Analfisteln werden operativ behandelt, wobei immer eine komplette Spaltung des Fistelgangs erzielt werden sollte.

Analprolaps

Unter einem Analprolaps versteht man ein Prolabieren von anodermalem Gewebe aus dem Analkanal. Ätiologisch kommt eine Beckenbodeninsuffizienz nach gynäkologischen Eingriffen und bei Multiparität oder ein verminderter Sphinktertonus bei intaktem Halteapparat infrage. Typische klinische Zeichen sind Juckreiz, Blutung und Stuhlschmieren. Differenzialdiagnostisch abzugrenzen ist ein Hämorrhoidalprolaps, bei dem neben anodermalem Gewebe auch Schleimhautanteile des Rektums prolabieren.
Therapie
Behandlungsziel ist Rückverlagerung des anodermalen Gewebes in den Analkanal. Zeigen eine Sklerosierungstherapie oder eine Gummibandligatur keinen Erfolg, kommen operative Verfahren zur plastischen Rekonstruktion des Analkanals zur Anwendung, vergleichbar den Verfahren zur Behandlung des Hämorrhoidalleidens.

Proctalgia fugax

Als Proctalgia fugax wird die schmerzhafte, anfallsartig auftretende Verkrampfung der Beckenboden- und Schließmuskulatur bezeichnet. Die Schmerzanfälle treten tagsüber oder nachts, meist in den frühen Morgenstunden, auf und halten von wenigen Sekunden bis zu einer Stunde an. Die Ätiopathogenese ist nicht geklärt. Der Krankheitsgipfel liegt im 5. und 6. Lebensjahrzehnt, wobei Frauen doppelt so häufig betroffen sind wie Männer. Frequenz, Dauer und Intensität der Anfälle nehmen mit zunehmendem Alter ab. Die Diagnose wird anamnestisch gestellt.
Therapie
Zur Behandlung können Gehen, Hockstellung, lokale Wärme oder Massagen des Perineums und des Anorektums Linderung verschaffen. Weiterhin können nitroglycerinhaltige Präparate zur Anwendung kommen.

Sexuell übertragbare Erkrankungen der Perianal-/Analregion

Condylomata lata, Syphilis II

Im Gegensatz zu anderen Geschlechtserkrankungen wird die Syphilis aktuell in Westeuropa überwiegend bei Männern diagnostiziert, hauptsächlich bei Männern, die Sex mit Männern haben (MSM). Laut Robert Koch-Institut lag 2012 in Deutschland der Frauenanteil bei der Syphilis nur bei 6,7 %. Wie andere Geschlechtserkrankungen auch begünstigt die Syphilis eine Übertragung von HIV, sodass bei jedem betroffenen Patienten auch ein HIV-Test erfolgen sollte. Anale Primäraffekte werden meist aufgrund der fehlenden klinischen Symptomatik nur als proktologischer Zufallsbefund entdeckt. Bei jedem unklaren analen Ulkus sollte auch an eine Syphilis gedacht werden. Die hochkontagiösen Condylomata lata treten meist im Rahmen der Spätsyphilis auf. Für den direkten Erregernachweis haben Nukleinsäure-Amplifikationstechniken (NAT) auf Treponema pallidum eine zunehmende Bedeutung.
Therapie
Die Behandlung der Frühsyphilis besteht entsprechend der aktuellen S2k-Leitlinie der AWMF zur Syphilis in einer einmaligen intramuskulären Gabe von 2,4 Mio. Einheiten Benzathin-Benzylpenicillin (Kap. Syphilis).

Gonorrhoe

Die Gonorrhoe ist laut Schätzungen der WHO mit mehr als 100 Mio. Neuerkrankungen jährlich eine der häufigsten Geschlechtserkrankungen. Betroffen sind bei analem Befall überwiegend Männer, die Sex mit Männern haben. In mehr als 90 % aller Fälle ist der klinische Verlauf komplett asymptomatisch. Bei florider Proktitis kann es zu putridem Ausfluss kommen. Die NAT hat in der Diagnostik der Gonorrhoe die vergleichsweise aufwendige Kultur in den Hintergrund gedrängt. Aufgrund der Resistenzlage sollte jedoch bei jeder auf Gonokokken positiven PCR auch eine bakterielle Kultur erfolgen.
Therapie
In der aktuellen S2k-Leitlinie der AWMF wird aufgrund der weltweit zunehmenden Resistenzentwicklung aktuell eine duale Therapie aus 1 g Ceftriaxon und 1,5 g Azithromycin empfohlen (Kap. Gonorrhoe und andere Formen der Urethritis).

Chlamydieninfektion (Serovare D–K)

Infektionen durch Chlamydia trachomatis (Serogruppe D–K) gehören in Europa zu den häufigsten sexuell übertragbaren Infektionen. Überwiegend infizieren sich sexuell aktive, junge Heterosexuelle mit einer Prävalenz von etwa 5 % bei jungen Männern. Die Prävalenz von Chlamydia trachomatis liegt jedoch bei MSM, insbesondere HIV-positiven MSM, deutlich höher.
Die anale Chlamydieninfektion (Serovare D–K) verläuft fast immer asymptomatisch, in der klinisch-proktologischen Untersuchung liegen bei rektalem Befall jedoch häufig Hinweise für eine Proktitis vor. In der Diagnostik erfolgt der Nachweis von Chlamydia trachomatis in erster Linie durch NAT aus Analabstrichmaterial.
Therapie
Die Standardtherapie besteht aus einmalig 1 g Azithromycin oral oder 100 mg Doxycyclin 2-mal täglich oral für 7–10 Tage (Kap. Gonorrhoe und andere Formen der Urethritis).

Lymphogranuloma venereum (Serovar L1–L3)

Das Lymphogranuloma venereum (LGV) ist eine durch Chlamydia trachomatis der Serovare L1–L3 verursachte Erkrankung. Seit dem Jahr 2004 wird ein endemisches Auftreten von LGV bei HIV-positiven MSM in Großstädten der westlichen Welt beobachtet, wobei fast immer anorektaler Befall vorliegt. Charakteristisch sind schwere Proktitiden mit blutigem Ausfluss, Tenesmen, analen Schmerzen und Konstipation, jedoch sind auch bei LGV komplett asymptomatische Verläufe möglich. Eine Identifizierung des LGV-Genotyps kann durch spezifische PCRs erfolgen, wird jedoch nur von Speziallaboren angeboten.
Therapie
Die Therapie des LGV erfolgt nach der aktuellen Europäischen IUSTI/WHO Leitlinie mit 100 mg Doxycyclin 2-mal täglich für 21 Tage (Kap. Weitere venerische Erkrankungen).

Herpes genitalis

Perianale Herpes-Infektionen sind zu etwa 80 % durch Herpes-simplex-Typ 2 verursacht. Bei 20 % der betroffenen Patienten kommt es zu chronisch-rezidivierenden Verläufen. Bei perianaler Lokalisation des Herpes simplex fehlen meist die ansonsten so typischen gruppierten Bläschen und es kommt zu flächigen Rötungen und Schwellungen mit Juckreiz und Schmerz. Hämorrhagisch-nekrotisierende, ulzerierende oder vegetierende Formen eines Herpes genitalis treten bei Immundefizienz auf.
Therapie
Die Behandlung des akuten perianalen Herpes simplex besteht aus dreimaliger Gabe von Aciclovir (400–800 mg) täglich für 2–7 Tage (Kap. Humane Herpesviren).

Condyloma acuminata

Infektionen mit humanen Papillomviren (HPV) im Anogenitaltrakt sexuell aktiver Menschen sind in bis zu 50 % der Fälle nachweisbar, werden jedoch überwiegend in einer Zeitspanne von 6–18 Monaten wieder vom Immunsystem eliminiert. Etwa 1 % aller sexuell aktiven Erwachsenen haben anogenitale Condylomata acuminata, und das geschätzte Lebenszeitrisiko liegt für HIV-Negative bei 10 %. Kondylome werden in mehr als 90 % aller Fälle durch die zwei Low-risk-HPVs 6 und 11 verursacht. Immunsuppression, zum Beispiel im Rahmen einer HIV-Infektion, begünstigt persistierende HPV-Infektionen und somit auch die Entstehung anogenitaler Kondylome.
Therapie
Die Therapieverfahren für Condylomata acuminata können in ablative und topische eingeteilt werden (Kap. Humane Papillomviren). Das gewählte Therapieregime hängt von Anzahl und Größe der Läsionen, anatomischer Lokalisation und Präferenz des Arztes und des Patienten ab. Die Entstehung HPV6- und HPV11-induzierte Kondylome kann durch prophylaktische HPV-Impfung verhindert werden. In Ländern mit hohen Impfraten wird mit einer fast vollständigen Elimination von Kondylomen in den nächsten Dekaden gerechnet, die aktuellen HPV-Impfraten in Deutschland sind hingegen mit etwa 40 % niedrig.

Tumorerkrankungen der Perianal-/Analregion

Perianale-/Anale intraepitheliale Neoplasie (PAIN/AIN)

HPV-induzierte anogenitale Karzinome können aus Vorläuferläsionen, den intraepithelialen Neoplasien, entstehen. Hochgradige anale intraepitheliale Neoplasien (AIN) sind praktisch immer durch High-risk-HPVs verursacht. Hochgradige anale Dysplasien sind bei über 50 % aller HIV-positiven MSM nachweisbar. Mehr als 75 % aller Dysplasien sind intra-anal an der Transformationszone (Linea dentata) lokalisiert. Im Jahr 2013 wurde in Deutschland eine S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von AIN und Analkarzinom bei Patienten mit HIV-Infektion veröffentlicht (Esser et al. 2015). Diese Leitlinie sieht vor, bei Hochrisikopatienten einmal jährlich ein Analabstrich zur Durchführung einer Analzytologie durchzuführen und bei pathologischem Befund eine hochauflösende Anoskopie zu erwägen. Die zytologische Beurteilung erfolgt anhand der revidierten Bethesda-Klassifikation, die histopathologische Einteilung der AIN erfolgt in 3 Grade.
Therapie
Die Therapie analer Dysplasien unterscheidet sich nicht wesentlich von den Behandlungsverfahren bei Kondylomen, bisher existieren jedoch nur wenige kontrollierte Studien.

Analkarzinom

Das Analkarzinom ist ein seltener Tumor, der nur etwa 1 % aller gastrointestinalen Tumorerkrankungen ausmacht, es existieren jedoch bestimmte Hochrisikogruppen. Die Einteilung des Analkarzinoms erfolgt in Analrand- und Analkanalkarzinom. Die digital-rektale Untersuchung ist die wichtigste klinische Untersuchung bei Verdacht auf Analkarzinom. Nach Sicherung eines Analkarzinoms sollte eine weiterführende Ausbreitungsdiagnostik (Magnetresonanztomografie des Beckens und Endosonografie des Enddarms) erfolgen.
Therapie
Analrandkarzinome im Stadium T1 können je nach Lokalisation primär exzidiert werden. Die Therapie der Wahl beim Analkanalkarzinom besteht in kombinierter Radiochemotherapie mit 5-Fluorouracil und Mitomycin.

Seltene Tumorerkrankungen der Perianal-/Analregion

Basalzellkarzinom

Perianale Basalzellkarzinome stellen eine proktologische Seltenheit dar. In der größten Studie zu 51 Basalzellkarzinomen der Genital- und Perianalregion wurde über 15 perianal lokalisierte Tumoren berichtet (Gibson und Ahmed 2001). Im Durchschnitt waren die Tumoren bei Erstvorstellung relativ groß (Durchschnitt: 1,95 cm) und in etwa 30 % bereits ulzeriert. Bei Basalzellkarzinomen an nicht-UV-exponierten Körperarealen scheinen andere, UV-unabhängige Faktoren eine pathogenetische Relevanz zu haben (Radiatio, Verbrennungen, Vernarbungen, chronische Wunden). Mithilfe des monoklonalen Antikörpers BerEP4 können Basal- und Plattenepithelkarzinome immunhistochemisch eindeutig voneinander unterschieden werden (Abb. 12).

Melanom

Das anorektal lokalisierte maligne Melanom ist extrem selten und macht weniger als 0,05 % aller kolorektalen Malignome aus. Aufgrund der Lokalisation und anatomischen Gegebenheiten kommt es beim anorektalen Melanom sehr früh zu einer lymphogenen Metastasierung. Mehr als 70 % der Patienten haben bereits Fernmetastasen bei Diagnosestellung. Die Überlebensrate liegt zwischen 8 und 18 Monaten. Bis zu 20 % aller mukosalen und akralen Melanome weisen eine c-Kit-Mutation auf. Bei positivem Mutationsstatus besteht daher die Möglichkeit einer Therapie mit einem c-KIT-Inhibitor (Imatinib, Dasatinib, Sunitinib oder Sorafenib).
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