Effizienz und Sicherheit der postoperativen Schmerztherapie
Das gewachsene Problembewusstsein für akuten bzw. postoperativen
Schmerz erfordert Organisationsformen, die eine Herausforderung für die Zusammenarbeit von Anästhesisten, Operateuren und Pflegepersonal darstellen.
Ursächlich für die bislang oft unzureichende postoperative Schmerzbehandlung sind nicht nur Zeitmangel und Unaufmerksamkeit der Verantwortlichen gegenüber dem Patienten, sondern auch lückenhafte Kenntnisse über sichere und etablierte Therapiemöglichkeiten. Zudem verhindern mangelhafte Organisationsstrukturen und die Angst vor Nebenwirkungen sowie deren jurististischen Konsequenzen eine optimale Ausschöpfung schmerztherapeutischer Verfahren. Durch Einführung eines Akutschmerzdiensts
können die Effizienz der Schmerzbehandlung gesteigert sowie die Häufigkeit und das Ausmaß therapiebedingter Komplikationen gesenkt werden. Organisatorische Verbesserungen auf diesem Sektor sind daher besonders erfolgversprechend [
3].
Für die Mehrzahl der Patienten sind konventionelle Analgesiemethoden ausreichend. Für ca. 20–30 % der Patienten ist ein spezielles Analgesiekonzept notwendig, dessen Umsetzung auf der Normalpflegestation nur durch Unterstützung eines 24-stündig aktiven Akutschmerzdiensts geleistet werden kann. Konzepte für eine
postoperative Schmerztherapie sollten als allgemeine Leitlinie und womöglich prozedurenspezifisch sowie für besondere Patientengruppen in Form eines Therapiekonzepts festgelegt sein.
Wie für jede Form der interdisziplinären Kooperation müssen Absprachen zwischen den beteiligten Fachdisziplinen erfolgen, um die Kompetenzen für die Durchführung der
postoperativen Schmerztherapie zu regeln. Diese – optimalerweise – schriftlichen Vereinbarungen auf Chefarztebene orientieren sich an den lokalen Gegebenheiten der Kliniken und hängen vom Engagement der beteiligten Disziplinen ab.
Mehrere Modelle zur prinzipiellen Organisation der
postoperativen Schmerztherapie wurden in der Vereinbarung der Berufsverbände Deutscher Anästhesisten und der Deutschen Chirurgen bereits 1992 skizziert [
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In der Folge müssen unter Einbeziehung des Krankenhausträgers die organisatorischen Voraussetzungen, z. B. die Einrichtung personeller und apparativ-technischer Kapazitäten, geschaffen werden. Vermutlich benötigt nicht jede Klinik einen Akutschmerzdienst, jedoch einen „Rund-um-die-Uhr-Ansprechpartner“ (Anästhesist) für Chirurgen und Pflegepersonal.
Organisatorischer Stufenplan und Aufgabenverteilung
Bereits präoperativ bereitet der Anästhesist die spätere
Schmerztherapie vor, indem er den Patienten über das geplante Verfahren aufklärt, Nutzen und Risiko erörtert und Alternativen aufzeigt. Dabei sollte der Patient über Sinn und Zweck von Analogskalen zur Selbsteinschätzung seiner Schmerzintensität in Ruhe und insbesondere bei Belastung informiert werden. Gleichermaßen wichtig ist, den Patient zu motivieren, sich bei einer Zunahme der Schmerzintensität zu melden, insbesondere dann, wenn diese Krankengymnastik oder Mobilisation behindern. Ein aufgeklärter Patient kann nach der Operation mit Schmerzphasen höherer Stärke wesentlich besser und sicherer umgehen und wird mit der Schmerztherapie deutlich zufriedener sein als ein ungenügend oder nicht aufgeklärter.
Durch Hinzuziehung des Akutschmerzdiensts können diejenigen Patienten rechtzeitig identifiziert werden, bei denen spezielle Analgesiemaßnahmen erforderlich scheinen. Deren Vermerk auf dem Narkoseprotokoll erhöht die Aufmerksamkeit des Behandlungsteams und liefert frühzeitig Informationen für das Stationspflegepersonal.
Intraoperativ können Anästhesist und Operateur weitere vorbereitende Maßnahmen zur postoperativen Analgesie ergreifen, z. B. Wundinfiltration mit LA oder Auswahl geeigneter
Opioide gegen Ende einer
Allgemeinanästhesie.
Zum Aufgabengebiet des
Arztes im Aufwachraum gehören die Einleitung bzw. Aufrechterhaltung der Schmerzbehandlung für alle Patienten sowie deren individuelle Anpassung in kurzen Zeitabständen (
Titration von Dosis gegen Wirkung). Sowohl Effizienz als auch Verträglichkeit des primär gewählten Analgesieverfahrens können dort überprüft werden. So wird gewährleistet, dass alle Patienten mit einem suffizienten Analgesiekonzept auf die Normalstation verlegt werden. Voraussetzung für dessen Weiterführung durch das Pflegepersonal und die operativen Kollegen sind genaue schriftliche Anweisungen. Darüber hinaus können im
Aufwachraum weitere Patienten identifiziert werden, die – obwohl präoperativ vielleicht nicht erwartet – nunmehr doch von speziellen Verfahren profitieren (z. B. einer PCIA). Die organisatorische Verknüpfung von Aufwachraumeinheit und Akutschmerzdienst hat sich daher sehr bewährt.
Die Verantwortung für die Durchführung
der
postoperativen Schmerztherapie auf Normalstation sowie der Überwachung der Patienten obliegt den Ärzten der bettenführenden Klinik und dem Pflegepersonal der jeweiligen Normalstation. Dies gilt sowohl für konventionelle als auch für spezielle Therapieverfahren, z. B. PCIA, periphere und rückenmarknahe Regionalanalgesie, PCEA etc. Der Akutschmerzdienst betreut auch weiterhin alle Patienten mit speziellen Therapieverfahren während einer mindestens einmal täglichen Visite zur Befragung und Untersuchung des Patienten, Überprüfung der Effizienz und ggf. Anpassung der
Schmerztherapie, Früherkennung von Nebenwirkungen und Komplikationen sowie der Entscheidung über die weitere Notwendigkeit spezieller Methoden, der Umstellung auf konventionelle Verfahren oder der Beendigung der analgetischen Behandlung. Dazu gehören eindeutige, patientenbezogene, schriftlich fixierte Anordnungen auf speziellen Dokumentationsbögen. Therapiemodifikationen sowie das Ausschleichen und Beenden einer speziellen Schmerztherapie müssen stets in enger interdisziplinärer Kooperation mit dem Pflegepersonal und dem Stationsarzt erfolgen (tägliches Gespräch).
Gelingt unter Standardtherapie eine gute Schmerzlinderung nicht, wird der Patient dem Akutschmerzdienst konsiliarisch vorgestellt. Zudem bietet sich an, die Prophylaxe chronischer
Schmerzsyndrome nach Operation oder Trauma in den Aufgabenbereich des Akutschmerzdiensts aufzunehmen. Darüber hinaus hat der Akutschmerzdienst die Aufgabe, neben Dokumentation und
Qualitätssicherung regelmäßig Fortbildungen in
postoperativer Schmerztherapie für das Pflegepersonal und die ärztlichen Mitarbeiter der Normalstationen durchzuführen („jour fixe“).
Klinikspezifische Organisationsfomen
Dem Akutschmerzdienst sollen ein bereits erfahrener Weiterbildungsassistent sowie möglichst auch eine speziell geschulte Pflegekraft angehören. Die Aufsichtsfunktion muss durch einen in der
Schmerztherapie erfahrenen Facharzt kontinuierlich gewährleistet sein. In den meisten Fällen wird ein solcher Akutschmerzdienst anästhesiologisch besetzt sein. Wünschenswert ist aber zweifellos ein interdisziplinärer Ansatz, zumindest durch die Benennung eines sog. schmerzbeauftragten Arztes der jeweiligen operativen Abteilung.
Die personelle Mindestausstattung ist von der Zahl der zu betreuenden Patienten, den klinikspezifischen Gegebenheiten und damit dem zu erwartenden zeitlichen Aufwand abhängig. Nur selten wird es möglich sein, Mitarbeiter ausschließlich mit dieser Aufgabe zu betrauen. Neben der oben genannten Verknüpfung zwischen Akutschmerzdienst und
Aufwachraum sind andere Organisationsformen denkbar, wie z. B. die Anbindung an die Intensivstation, die Kreißsaal- oder Notarztbereitschaft oder die Schmerzambulanz.
Der Akutschmerzdienst sollte „rund um die Uhr“ zur Verfügung stehen. Üblicherweise wird diese Aufgabe außerhalb der regulären Arbeitszeit von den Diensthabenden der beteiligten Fachdisziplinen wahrgenommen. Dies setzt voraus, dass ärztliches und pflegerisches Personal in ausreichender Zahl ausgebildet wurde und Übergaben der Patienten an den Bereitschaftsdienst erfolgen (z. B. mündlich und mittels Ausdruck eines Übergabebogens aus einem PC-gestützten Dokumentationssystem).
Andere Modelle sehen die Aktivierung des Akutschmerzdiensts nur dann vor, wenn eine konventionelle analgetische Therapie nicht greift. Dies setzt allerdings voraus, dass die Schmerzintensität, der Effekt der Schmerzbehandlung und die Kontrolle von Nebenwirkungen routinemäßig erhoben und in der Überwachungskurve dokumentiert werden sowie entsprechende Interventionsgrenzen und eindeutige Handlungsvorschriften (Algorithmen) festgelegt sind.