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Die Anästhesiologie
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Publiziert am: 15.03.2018

Postoperative Schmerztherapie: Grundlagen, Organisation und Ausblick

Verfasst von: Robert Angster
Schmerz das individuelle, äußerst subjektive Erleben eines körperlichen Phänomens und ein komplizierter Prozess sensorischer Wahrnehmung, der sensorisch-diskriminative, autonom-somatosensorische, kognitiv-verhaltensbestimmende und emotional-affektive Komponenten beinhaltet. Schmerz ist nicht nur Begleitsymptom, sondern als eigenständiger krankmachender Faktor, der sowohl Morbidität als auch Letalität beeinflussen kann. Daher darf Schmerztherapie nicht dem Zufall oder dem Engagement Einzelner überlassen bleiben, sondern muss organisiert sein.

Grundlagen

Definition von Schmerz
Schmerz wird von der International Association for the Study of Pain (IASP) definiert als:
ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit aktueller oder potenzieller Gewebeschädigung einhergeht oder mit den Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben wird [1].
Demzufolge ist Schmerz das individuelle, äußerst subjektive Erleben eines körperlichen Phänomens und ein komplizierter Prozess sensorischer Wahrnehmung, der sensorisch-diskriminative, autonom-somatosensorische, kognitiv-verhaltensbestimmende und emotional-affektive Komponenten beinhaltet. Während der letzten 3 Jahrzehnte sind zahlreiche Mechanismen der Schmerzentstehung und -modulation aufgeklärt worden.
Eine der wesentlichen neuen Erkenntnisse ist, dass Schmerz nicht nur als Begleitsymptom im Rahmen von Krankheitsverläufen angesehen wird, sondern als eigenständiger krankmachender Faktor, der sowohl Morbidität als auch Letalität beeinflussen kann.
Nicht oder ungenügend behandelte Schmerzen können die physiologische Homöostase, das psychologische Gleichgewicht und die Funktionsfähigkeit von Organen stören.
Schmerzverarbeitung
Die 4 Komponenten der Schmerzverarbeitung sind
  • die sensorisch-diskriminative Komponente zur Wahrnehmung von Lokalisation, Intensität, Dauer und Art des Stimulus,
  • die autonom-somatosensorische Komponente mit motorischen und vegetativen Reflexen als Reaktion auf den schmerzhaften Stimulus,
  • die kognitiv-verhaltensbestimmende Komponente, der vergleichenden Einordnung und Bewertung auf der Basis früherer Schmerzerfahrungen, der gegenwärtigen Situation und vorherrschenden Erwartungen dienend,
  • die emotional-affektive Komponente, die Schmerz als individuelles Erleben von Leid widerspiegelt.
Warnfunktion akuter Schmerzen
Von Bonica, einem der Pioniere moderner Schmerzforschung und -therapie, stammt folgende Definition von akutem Schmerz:
Acute pain is a complex constellation of unpleasant sensory, perceptual, and emotional experiences and certain associated autonomic, psychologic, emotional and behavioral responses.
Akuter Schmerz ist unangenehm, jedoch primär ein physiologisches Warnsignal, um drohenden, potenziell schädigenden exogenen oder endogenen Einflüssen (Noxen) zu entgehen und Verletzungen zu vermeiden. Diese Warnfunktion regelt reflektorisch z. B. das unbewusste Zurückziehen der betroffenen Extremität aus einem Gefahrenbereich. Die schmerzbedingte Erfahrung induziert einen Lernprozess, um früher erfahrenen Schaden in der Zukunft bewusst zu vermeiden.
Nach größeren Verletzungen ermöglichen endogene Systeme zur Schmerzhemmung den Rückzug des Individuums aus dem Gefahrenbereich durch Reduktion der Schmerzintensität oder durch Schmerzfreiheit für kurze Zeit. Danach sorgen Schmerzen im Verletzungsareal und dem angrenzenden gesunden Gewebe für die Ruhigstellung, einer wichtigen Voraussetzung für die Rekonvaleszenz. In deren Verlauf klingt akuter Schmerz in der Regel innerhalb eines überschaubaren Zeitraums von Tagen bis Wochen ab.
Grundlagen der postoperativen Schmerztherapie
Traumen und Operationen werden ausnahmslos von akuten Schmerzen begleitet. Die frühe postoperative Phase kann Patienten durch Schmerzen hoher Intensität physisch und psychisch stark belasten.
Mehr als 50 % operativ behandelter Patienten geben an, zumindest intermittierend unter mittelstarken bis starken Schmerzen zu leiden [2].
Ursachen einer unzureichenden postoperativen Schmerztherapie sind:
  • Unterdosierung durch Unterschätzung der Schmerzintensität, z. B. aufgrund ungenügender Kommunikation mit dem Patienten,
  • ungenügende Therapiekontrolle, Analgetikagabe ausschließlich bei Bedarf, Zeitmangel,
  • Überforderung aufgrund von mangelnder Kenntnis über Analgetika und deren richtigen Einsatz,
  • Angst vor Nebenwirkungen oder Erzeugung psychischer Abhängigkeit.
Dieser Erkenntnis sollte bereits präoperativ durch überlegte Planung der postoperativen Analgesie Rechnung getragen werden, zumal moderne Therapieoptionen nahezu immer eine zufriedenstellende Schmerzlinderung gewährleisten.
Voraussetzungen für eine differenzierte postoperative Schmerztherapie
  • Aktives Erfragen von Intensität, Charakter und Lokalisation von Schmerz durch Pflegepersonal und Ärzte
  • Gute Kenntnisse der Pharmakologie geeigneter Analgetika und moderner Methoden der Schmerztherapie
  • Regelmäßige Überprüfung des Therapieerfolgs
  • Interdisziplinäre Kooperation und Regelung der Kompetenzen
Ziele postoperativer Schmerztherapie
  • Prävention und Therapie von akutem Schmerz vor und nach einem operativen Eingriff
  • Prävention der Schmerzchronifizierung als Folge einer operativen Intervention
  • Prävention von (Organ)komplikationen
  • Begünstigung von Heilungsprozess und Rekonvaleszenz
  • Reduktion von Morbidität und Mortalität

Organisation der postoperativen Schmerztherapie

Integration von Pflegekräften

Schmerztherapie darf nicht dem Zufall oder dem Engagement Einzelner überlassen bleiben, sondern muss organisiert sein. Dies betrifft insbesondere die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Pflegepersonal.
Krankenschwestern und -pfleger erwerben während der postoperativen Betreuung von Patienten besondere Kenntnisse über deren psychische oder psychosoziale Situation und tragen damit erheblich zum Erfolg der Schmerzbehandlung bei. Allerdings kann es einem Patienten, der längere Zeit starke Schmerzen ertragen bzw. unnötig lange auf ein Analgetikum warten muss, schwerfallen, ein Vertrauensverhältnis zum Pflegepersonal aufzubauen.
Die unverzügliche Therapie starker Schmerzen muss daher für alle Pflegekräfte und Ärzte selbstverständlich sein.
Pflegekräfte besitzen zudem häufig spezielle Kenntnisse nichtmedikamentöser Maßnahmen zur Schmerzlinderung, wie z. B. Optimierung von Lagerung, Verbandstechnik, Kälte- oder Wärmeapplikation. Neben einer guten medikamentösen Schmerztherapie sollten daher auch diese Verfahren durch das Pflegepersonal Eingang in die postoperative Schmerzbehandlung finden. Zudem sind pflegerische Routine und Physiotherapie bei einem ausreichend schmerzbehandelten Patienten leichter und effektiver durchzuführen.
So wird durch gute postoperative Schmerztherapie auch dem Anspruch auf ganzheitliche Pflege Rechnung getragen. Erfahrungsgemäß kann diese Sichtweise dazu beitragen, das Pflegepersonal für die anfallende Mehrarbeit zu motivieren.
Integration des Pflegepersonals in die postoperative Schmerztherapie
  • Schriftliche Absprache zwischen ärztlicher Leitung der beteiligten Fachdisziplinen und Pflegedienstleitung zur Festlegung von Kompetenzen und Zuständigkeiten
  • Ausbildung und regelmäßige Fortbildung des Pflegepersonals in der postoperativen Schmerzbehandlung
  • Schriftliche, individuelle Anordnung von Analgetika, Dosierung, Applikationsart und Applikationsintervall als Voraussetzung für die Delegation
    • Dabei muss die Anordnung von dem Arzt getroffen werden, der absprachegemäß für die Therapie verantwortlich ist. Es führt zu erheblicher Verunsicherung des Pflegepersonals, wenn von Ärzten verschiedener Disziplinen möglicherweise widersprüchliche Anordnungen gegeben werden.
  • Erreichbarkeit und Verfügbarkeit eines schmerztherapeutisch kompetenten Arztes rund um die Uhr
  • Regelmäßige Teambesprechungen zum Thema Schmerztherapie

Aufgaben des Pflegepersonals bei der Durchführung der Schmerztherapie

Patientenüberwachung
.Ein wesentlicher Bestandteil der Aufgaben des Pflegepersonals ist die Umsetzung einer effizienten und sicheren Schmerztherapie. So müssen Vitalparameter nach einem festgelegten Zeitintervall kontrolliert und dokumentiert werden. Die Einschätzung der Vigilanz und die Kontrolle der Atemfunktion sind einfache, aber effektive Mittel zur Überwachung einer systemischen oder rückenmarknahen Opioidapplikation. Das regelmäßige Austesten des Analgesieniveaus und die Überprüfung der motorischen Funktionen während einer periduralen Analgesie ist vielen Pflegekräften zunächst wenig vertraut und bedarf daher eines speziellen Trainings. Besondere Bedeutung hat die Überwachung der Therapieeffizienz durch die Einschätzung der Schmerzintensität.
Patienteninformation
Die Wiederholung der Patienteninformation durch das Pflegepersonal während der postoperativen Betreuung ist wichtig. Insbesondere präoperativ nicht ausreichend aufgeklärte oder postoperativ kognitiv noch beeinträchtigte Patienten sind häufig nicht in der Lage, z. B. eine PCA-Pumpe adäquat zu bedienen. Ist das Pflegepersonal nicht ausgebildet oder nicht motiviert, dem Patienten entsprechende Informationen und Anweisungen zu vermitteln, ist der Erfolg der PCA gefährdet.
Logistik
Weitere Aufgaben sind die Herstellung von Infusionslösungen, Bakterienfilter- und Verbandskontrollen bzw. deren Wechsel bei regionalen Katheteranalgesieverfahren, Bevorratung und Bereitstellung spezieller Geräte (PCA-Pumpen, Spritzenpumpen) sowie des Verbrauchsmaterials. Die technische Ausrüstung (in erster Linie PCA- bzw. Spritzenpumpen) und die Formulare bezüglich Überwachungs- und Therapiestandard sowie Dokumentation sollten zentral, z. B. im Aufwachraum, deponiert sein.
Auf den ersten Blick bedeutet eine gut organisierte postoperative Schmerztherapie zunächst mehr Arbeitsaufwand für das Pflegepersonal. Während die Vorteile einer besseren Analgesie für den Patienten noch vergleichsweise leicht zu vermitteln sind, ist es häufig schwieriger, aber letztlich ebenso wichtig, ein Gefahrenbewusstsein für Nebenwirkungen und Komplikationen zu entwickeln, zu bewahren und die Notwendigkeit entsprechender Überwachungsmaßnahmen plausibel zu machen. Letztlich werden jedoch auch für den Bereich des Pflegepersonals die Arbeitsabläufe auf Station ökonomischer werden, wenn bei einer gut organisierten und standardisierten sowie individualisierten Schmerztherapie nicht jede Schmerzäußerung eines Patienten erneut zur Rücksprache mit dem Arzt führen muss.

Einrichtung eines Akutschmerzdienstes

Effizienz und Sicherheit der postoperativen Schmerztherapie

Das gewachsene Problembewusstsein für akuten bzw. postoperativen Schmerz erfordert Organisationsformen, die eine Herausforderung für die Zusammenarbeit von Anästhesisten, Operateuren und Pflegepersonal darstellen.
Ursächlich für die bislang oft unzureichende postoperative Schmerzbehandlung sind nicht nur Zeitmangel und Unaufmerksamkeit der Verantwortlichen gegenüber dem Patienten, sondern auch lückenhafte Kenntnisse über sichere und etablierte Therapiemöglichkeiten. Zudem verhindern mangelhafte Organisationsstrukturen und die Angst vor Nebenwirkungen sowie deren jurististischen Konsequenzen eine optimale Ausschöpfung schmerztherapeutischer Verfahren. Durch Einführung eines Akutschmerzdiensts können die Effizienz der Schmerzbehandlung gesteigert sowie die Häufigkeit und das Ausmaß therapiebedingter Komplikationen gesenkt werden. Organisatorische Verbesserungen auf diesem Sektor sind daher besonders erfolgversprechend [3].
Für die Mehrzahl der Patienten sind konventionelle Analgesiemethoden ausreichend. Für ca. 20–30 % der Patienten ist ein spezielles Analgesiekonzept notwendig, dessen Umsetzung auf der Normalpflegestation nur durch Unterstützung eines 24-stündig aktiven Akutschmerzdiensts geleistet werden kann. Konzepte für eine postoperative Schmerztherapie sollten als allgemeine Leitlinie und womöglich prozedurenspezifisch sowie für besondere Patientengruppen in Form eines Therapiekonzepts festgelegt sein.
Wie für jede Form der interdisziplinären Kooperation müssen Absprachen zwischen den beteiligten Fachdisziplinen erfolgen, um die Kompetenzen für die Durchführung der postoperativen Schmerztherapie zu regeln. Diese – optimalerweise – schriftlichen Vereinbarungen auf Chefarztebene orientieren sich an den lokalen Gegebenheiten der Kliniken und hängen vom Engagement der beteiligten Disziplinen ab.
Mehrere Modelle zur prinzipiellen Organisation der postoperativen Schmerztherapie wurden in der Vereinbarung der Berufsverbände Deutscher Anästhesisten und der Deutschen Chirurgen bereits 1992 skizziert [4]:
Modelle zur Organisation postoperativerSchmerztherapie
  • Konsiliarische Tätigkeit des Anästhesisten im Einzelfall
  • Übernahme spezifischer schmerztherapeutischer Leistungen durch den Anästhesisten
  • Übernahme der gesamten Schmerztherapie durch den Anästhesisten
  • Einrichtung eines fachübergreifenden Schmerzdiensts
In der Folge müssen unter Einbeziehung des Krankenhausträgers die organisatorischen Voraussetzungen, z. B. die Einrichtung personeller und apparativ-technischer Kapazitäten, geschaffen werden. Vermutlich benötigt nicht jede Klinik einen Akutschmerzdienst, jedoch einen „Rund-um-die-Uhr-Ansprechpartner“ (Anästhesist) für Chirurgen und Pflegepersonal.

Organisatorischer Stufenplan und Aufgabenverteilung

Bereits präoperativ bereitet der Anästhesist die spätere Schmerztherapie vor, indem er den Patienten über das geplante Verfahren aufklärt, Nutzen und Risiko erörtert und Alternativen aufzeigt. Dabei sollte der Patient über Sinn und Zweck von Analogskalen zur Selbsteinschätzung seiner Schmerzintensität in Ruhe und insbesondere bei Belastung informiert werden. Gleichermaßen wichtig ist, den Patient zu motivieren, sich bei einer Zunahme der Schmerzintensität zu melden, insbesondere dann, wenn diese Krankengymnastik oder Mobilisation behindern. Ein aufgeklärter Patient kann nach der Operation mit Schmerzphasen höherer Stärke wesentlich besser und sicherer umgehen und wird mit der Schmerztherapie deutlich zufriedener sein als ein ungenügend oder nicht aufgeklärter.
Durch Hinzuziehung des Akutschmerzdiensts können diejenigen Patienten rechtzeitig identifiziert werden, bei denen spezielle Analgesiemaßnahmen erforderlich scheinen. Deren Vermerk auf dem Narkoseprotokoll erhöht die Aufmerksamkeit des Behandlungsteams und liefert frühzeitig Informationen für das Stationspflegepersonal.
Intraoperativ können Anästhesist und Operateur weitere vorbereitende Maßnahmen zur postoperativen Analgesie ergreifen, z. B. Wundinfiltration mit LA oder Auswahl geeigneter Opioide gegen Ende einer Allgemeinanästhesie.
Zum Aufgabengebiet des Arztes im Aufwachraum gehören die Einleitung bzw. Aufrechterhaltung der Schmerzbehandlung für alle Patienten sowie deren individuelle Anpassung in kurzen Zeitabständen (Titration von Dosis gegen Wirkung). Sowohl Effizienz als auch Verträglichkeit des primär gewählten Analgesieverfahrens können dort überprüft werden. So wird gewährleistet, dass alle Patienten mit einem suffizienten Analgesiekonzept auf die Normalstation verlegt werden. Voraussetzung für dessen Weiterführung durch das Pflegepersonal und die operativen Kollegen sind genaue schriftliche Anweisungen. Darüber hinaus können im Aufwachraum weitere Patienten identifiziert werden, die – obwohl präoperativ vielleicht nicht erwartet – nunmehr doch von speziellen Verfahren profitieren (z. B. einer PCIA). Die organisatorische Verknüpfung von Aufwachraumeinheit und Akutschmerzdienst hat sich daher sehr bewährt.
Die Verantwortung für die Durchführung der postoperativen Schmerztherapie auf Normalstation sowie der Überwachung der Patienten obliegt den Ärzten der bettenführenden Klinik und dem Pflegepersonal der jeweiligen Normalstation. Dies gilt sowohl für konventionelle als auch für spezielle Therapieverfahren, z. B. PCIA, periphere und rückenmarknahe Regionalanalgesie, PCEA etc. Der Akutschmerzdienst betreut auch weiterhin alle Patienten mit speziellen Therapieverfahren während einer mindestens einmal täglichen Visite zur Befragung und Untersuchung des Patienten, Überprüfung der Effizienz und ggf. Anpassung der Schmerztherapie, Früherkennung von Nebenwirkungen und Komplikationen sowie der Entscheidung über die weitere Notwendigkeit spezieller Methoden, der Umstellung auf konventionelle Verfahren oder der Beendigung der analgetischen Behandlung. Dazu gehören eindeutige, patientenbezogene, schriftlich fixierte Anordnungen auf speziellen Dokumentationsbögen. Therapiemodifikationen sowie das Ausschleichen und Beenden einer speziellen Schmerztherapie müssen stets in enger interdisziplinärer Kooperation mit dem Pflegepersonal und dem Stationsarzt erfolgen (tägliches Gespräch).
Gelingt unter Standardtherapie eine gute Schmerzlinderung nicht, wird der Patient dem Akutschmerzdienst konsiliarisch vorgestellt. Zudem bietet sich an, die Prophylaxe chronischer Schmerzsyndrome nach Operation oder Trauma in den Aufgabenbereich des Akutschmerzdiensts aufzunehmen. Darüber hinaus hat der Akutschmerzdienst die Aufgabe, neben Dokumentation und Qualitätssicherung regelmäßig Fortbildungen in postoperativer Schmerztherapie für das Pflegepersonal und die ärztlichen Mitarbeiter der Normalstationen durchzuführen („jour fixe“).

Klinikspezifische Organisationsfomen

Dem Akutschmerzdienst sollen ein bereits erfahrener Weiterbildungsassistent sowie möglichst auch eine speziell geschulte Pflegekraft angehören. Die Aufsichtsfunktion muss durch einen in der Schmerztherapie erfahrenen Facharzt kontinuierlich gewährleistet sein. In den meisten Fällen wird ein solcher Akutschmerzdienst anästhesiologisch besetzt sein. Wünschenswert ist aber zweifellos ein interdisziplinärer Ansatz, zumindest durch die Benennung eines sog. schmerzbeauftragten Arztes der jeweiligen operativen Abteilung.
Die personelle Mindestausstattung ist von der Zahl der zu betreuenden Patienten, den klinikspezifischen Gegebenheiten und damit dem zu erwartenden zeitlichen Aufwand abhängig. Nur selten wird es möglich sein, Mitarbeiter ausschließlich mit dieser Aufgabe zu betrauen. Neben der oben genannten Verknüpfung zwischen Akutschmerzdienst und Aufwachraum sind andere Organisationsformen denkbar, wie z. B. die Anbindung an die Intensivstation, die Kreißsaal- oder Notarztbereitschaft oder die Schmerzambulanz.
Der Akutschmerzdienst sollte „rund um die Uhr“ zur Verfügung stehen. Üblicherweise wird diese Aufgabe außerhalb der regulären Arbeitszeit von den Diensthabenden der beteiligten Fachdisziplinen wahrgenommen. Dies setzt voraus, dass ärztliches und pflegerisches Personal in ausreichender Zahl ausgebildet wurde und Übergaben der Patienten an den Bereitschaftsdienst erfolgen (z. B. mündlich und mittels Ausdruck eines Übergabebogens aus einem PC-gestützten Dokumentationssystem).
Andere Modelle sehen die Aktivierung des Akutschmerzdiensts nur dann vor, wenn eine konventionelle analgetische Therapie nicht greift. Dies setzt allerdings voraus, dass die Schmerzintensität, der Effekt der Schmerzbehandlung und die Kontrolle von Nebenwirkungen routinemäßig erhoben und in der Überwachungskurve dokumentiert werden sowie entsprechende Interventionsgrenzen und eindeutige Handlungsvorschriften (Algorithmen) festgelegt sind.

Zusammenfassung und Ausblick

Nicht nur die Rechtspflicht des Arztes und ethische, sondern auch medizinische und ökonomische Gründe verpflichten zur Optimierung perioperativer Schmerzbehandlung. Diese erhöht den Patientenkomfort – inzwischen ein nicht zu vernachlässigendes Qualitatsmerkmal [5] – und kann die Auswahl des Krankenhauses durch den Patienten beeinflussen. Eine suffiziente perioperative Schmerztherapie leistet aber v. a. einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Rekonvaleszenz unter Senkung der Inzidenz perioperativer Komplikationen und dadurch womöglich zur Kostenminimierung [6, 7].
Deswegen verlangt der klinische Alltag standardisierte Therapiekonzepte, deren Erstellung und Etablierung evidenzbasiert und praktikabel sein müssen. Dafür bieten peridurale patientenkontrollierte Analgesieverfahren, kontinuierliche periphere Regionalanalgesieverfahren, jeweils mittels Katheter, und patientenkontrollierte intravenöse Analgesieverfahren in Kombination mit einem Nicht-Opioid-Analgetikum die meisten Vorteile (Konzept der balancierten multimodalen postoperativen Analgesie) [8].
Aus den damit gewonnenen Erfahrungen, insbesondere Hinweisen auf unterschiedliche Wirksamkeit von Analgetika im Rahmen verschiedener Operationen [9], werden seit einigen Jahren Therapieschemata entwickelt, insbesondere für große operative Eingriffe, die eine hohe postoperative Schmerzintensität nach sich ziehen. Diese sog. „procedure specific postoperative pain therapy“ wird von internationalen Experten forciert (www.postoppain.org), ist jedoch nicht von Kritik verschont geblieben bzw. nicht unumstritten [10].
Prozedurenspezifisches Schmerzmanagement kann jedoch, insbesondere nach großen Operationen, hilfreich sein. Deswegen hat es in die aktuelle S3-Leitlinie zur Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen [11] Eingang gefunden, um die Entwicklung klinikinterner Standardvorgehensweisen zu unterstützen.
Demgegenüber werden Patienten, die sich kleineren operativen Eingriffen unterziehen (60–80 % des Gesamtklientels) und daher keine regionalen Analgesieverfahren, keine patientenkontrollierte Analgesie und keine Betreuung durch einen Akutschmerzdienst erhalten, auf der peripheren Station noch zu häufig unzureichend analgetisch versorgt. Dies stellt eine erhebliche Herausforderung für die jeweilige Klinik dar, die angenommen und durch geeignete Schmerzbehandlungskonzepte für diese Patientengruppe gemeistert werden muss.
Schließlich und nicht zuletzt gewinnt die Prophylaxe von chronischem Schmerz nach Operationen wieder und immer mehr Aufmerksamkeit sowie einen immer größeren Stellenwert in der perioperativen Medizin.
Literatur
1.
Bonica J (1990) The management of pain. Lea & Febiger, Philadelphia/London
2.
Maier C (2010) Qualität der Schmerztherapie in deutschen Krankenhäusern. Dtsch Ärztebl 36:607–614
3.
McDonnell A, Nicholl J, Read SM (2003) Acute pain teams and the management of postoperative pain: a systematic review and meta-analysis. J Adv Nurs 41:261–273CrossRefPubMed
4.
Vereinbarung des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten und des Berufsverbandes der deutschen Chirurgen zur Organisation der postoperativen Schmerztherapie (1992) Chirurg 32: 222–236 und (1993) Anästh Intensivmed 34: 28–32
5.
Simanski C, Lefering R, Paffrath T et al (2006) Postoperative pain relief is an important factor for the patients’ selection of a clinic. Results of an anonymous survey. Schmerz 20:327–333CrossRefPubMed
6.
Kehlet H, Holte K (2001) Effect of postoperative analgesia on surgical outcome. Br J Anaesth 87:62–72CrossRefPubMed
7.
Kehlet H (2004) Effect of postoperative pain treatment on outcome-current status and future strategies. Langenbecks Arch Surg 389:244–249CrossRefPubMed
8.
Kehlet H, Wilmore DW (2002) Multimodal strategies to improve surgical outcome. Am J Surg 183:630–641CrossRefPubMed
9.
Gray A, Kehlet H, Bonnet F, Rawal N (2005) Predicting postoperative analgesia outcomes: NNT league tables or procedure-specific evidence? Br J Anaesth 94:710–714CrossRefPubMed
10.
Kehlet H, Wilkinson RC, Fischer HB, Camu F (2007) PROSPECT: evidence-based, procedure-specific postoperative pain management. Best Pract Res Clin Anaesthesiol 21:149–159CrossRefPubMed
11.
S3-Leitlinie Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen. Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Schmerztherapie (DIVS) e.V. AWMF-Register Nr. 041/001, Stand 21.05.2007 inkl. Änderungen vom 20.04.2009 (siehe http://​www.​uni.​duesseldorf.​de/​awmf/​ll/​041-001.​pdf)