Skip to main content
Die Anästhesiologie
Info
Publiziert am: 15.05.2017

Septische Kreislaufinsuffizienz

Verfasst von: Jan-Hinrich Baumert
Im Vergleich zum Trauma weist die Stressantwort auf Sepsis/SIRS eine Besonderheit auf: Die Kreislaufreaktion ist durch eine anhaltende, ausgeprägte Reduktion des peripheren Gefäßwiderstandes gekennzeichnet, deren Folge eine therapierefraktäre Hypotension sein kann. Ziel der Therapie soll eine hyperdyname „Kreislaufeinstellung“ mit zumindest normalen Werten für Herzindex, arteriellen Mitteldruck und zentralvenöse Sauerstoffsättigung sein.

Pathophysiologie

Eine Kreislaufumstellung ähnlich wie nach einem Trauma wird bei systemischer Entzündungsreaktion beobachtet. Dabei ist es für das Reaktionsmuster sekundär, ob tatsächlich eine Infektion (Sepsis im eigentlichen Sinne) oder lediglich die entsprechende klinische Situation des „systemic inflammatory response syndrome“ (SIRS) ohne Nachweis eines Erregers vorliegt. Eine Schlüsselrolle für die Ausprägung des Syndroms spielt die Interaktion von Gefäßendothel, zirkulierenden Zellen und Mediatoren. Zwar sind Permeabilitätserhöhung und Ödembildung, Störung der Vasomotorik und Gerinnungsaktivierung zunächst lokal begrenzt. Über die Verstärkerfunktion verschiedener Mediatoren („Cytokinsturm“) und aktivierter Zellen können diese Phänomene jedoch auch systemisch auftreten und so die Grundlage für sekundäre Organschäden wie Nieren- oder Lungenversagen sein.
Im Vergleich zum Trauma weist die Stressantwort auf Sepsis/SIRS eine Besonderheit auf: Die Kreislaufreaktion ist durch eine anhaltende, ausgeprägte Reduktion des peripheren Gefäßwiderstands gekennzeichnet, deren Folge eine therapierefraktäre Hypotension sein kann.
Im Gegensatz dazu ist der pulmonale Gefäßwiderstand meist erhöht, eine Störung der pulmonalen Funktion zählt zu den häufigsten Organmanifestationen der Sepsis.
Von zahlreichen Untersuchern wird auch eine direkte myokardiale Funktionseinschränkung in der Sepsis beschrieben und einem „myocardial depressant factor“ (MDF) zugeschrieben, der möglicherweise mit Interleukin 6 identisch ist [21]. Es ist noch nicht klar, ob es sich bei MDF auch um mehrere verschiedene Substanzen handeln könnte. Zusammenhänge mit der Freisetzung von plättchenaktivierendem Faktor (PAF) und Tumornekrosefaktor α (TNF-α) sowie Angiotensin II und Stickstoffmonoxid sind zwar beschrieben, aber die Konzentrationen der Cytokine korrelieren nicht mit der kardialen Dysfunktion [15]. Eine lastunabhängige Reduktion der kardialen Funktion lässt sich experimentell durch Infusion von Endotoxin erzeugen [27], aber auch mit der sog. Takotsubo- oder Stressmyopathie gibt es Überschneidungen.
Cave
Trotz Abfall des peripheren Gefäßwiderstands und Erhöhung der Vorlast durch Volumensubstitution sinkt bei den meisten septischen Patienten die linksventrikuläre Ejektionsfraktion (EF).
Untersuchungen, wonach der koronare Blutfluss im septischen Schock normal ist und das Myokard aus dem Koronarblut sogar Laktat aufnimmt, machen eine globale Ischämie als Ursache der Myokarddepression unwahrscheinlich. Zwar könnten Patienten mit anfänglich eingeschränkter kardialer Funktion eine bessere Prognose haben, wie vergleichende Untersuchungen von Gesunden, nichtseptisch kritisch Kranken und Patienten mit septischem Schock zeigen. Die Überlebenden zeigten am Beginn der Intensivtherapie eine signifikant niedrigere links- und rechtsventrikuläre EF und ein niedrigeres Verhältnis von maximalem systolischem Druck zu endsystolischem Volumenindex. Im Verlauf der Behandlung besserten sich diese Parameter bei den Überlebenden deutlich, während sie bei den Gestorbenen unverändert blieben [20]. Allerdings widerspricht eine größere klinische Untersuchung dieser Hypothese und zeigt durchaus einen negativen Vorhersagewert einer niedrigen Ejektionsfraktion und der Freisetzung von BNP als Marker der globalen myokardialen Schädigung [28].
Zunehmend wird die Bedeutung der diastolischen Funktion des linken Ventrikels in diesem Zusammenhang untersucht; eine ausgeprägte Störung korreliert mit rechtsventrikulärer Dysfunktion und kennzeichnet eine schlechte Prognose [14]. Eine Anpassung der diastolischen Funktion des linken Ventrikels an eine erhöhte Vorlast wird als möglicherweise prognostisch positiv diskutiert, ist jedoch nicht bewiesen [29].
Als Parameter mit bewiesen positivem Vorhersagewert für das Überleben des septischen Schocks finden sich dagegen eine Herzfrequenz <106/min zu Beginn der Intensivtherapie sowie ein Abfall von Herzfrequenz (um 20/min) und Herzindex (um 0,5 l/min/m2) in den ersten 24 h der Behandlung.
Wenn speziell die Lunge im Rahmen der Sepsis geschädigt ist, hat das eine Erhöhung der rechtsventrikulären Nachlast zur Folge. Bei diesen Patienten kann das Versagen des rechten Ventrikels limitierend für die Kreislaufleistung sein.
Im weiteren Verlauf der Sepsis scheinen dann Patienten mit einer hyperdynamen Kreislaufsituation (Herzindex >4,5 l/min/m2, O2-Transportkapazität >600 ml/min/m2) eine bessere Prognose zu haben. Vergleichende Untersuchungen zeigen jedoch zwei Probleme auf: Erstens gelingt die therapeutische „Einstellung“ des hyperdynamen Kreislaufs nur bei einem Teil der behandelten Patienten, zweitens ist die Kreislaufsituation bei vielen Patienten schon ohne Intervention hyperdynam. In einer großen multizentrischen Studie konnte auch in den Untergruppen, in denen die hämodynamischen Therapieziele erreicht wurden (lediglich 45–67 % der behandelten Patienten!) kein Effekt gesichert werden: Weder ein hoher Herzindex noch eine „normale“ gemischtvenöse O2-Sättigung (SvO2) verbesserten die Überlebensrate der Patienten [12].

Diagnostik

Neben dem invasiv gemessenen arteriellen Blutdruck ist für die rationale Therapie der peripheren Vasodilatation in der Sepsis die Messung des HZV mit Berechnung der Gefäßwiderstände sinnvoll. Pulmonalarterienkatheter, die eine kontinuierliche Messung von HZV und gemischtvenöser O2-Sättigung (SvO2) erlauben, vereinfachen die Bestimmung von Sauerstofftransportkapazität (\( \dot{\mathrm{D}}{\mathrm{O}}_2 \)) und Sauerstoffverbrauch (\( \dot{\mathrm{V}}{\mathrm{O}}_2 \)). Mit Hilfe dieser Werte kann die Kreislaufleistung als nicht ausreichend, normal oder hyperdynam klassifiziert werden (Tab. 1).
Tab. 1
Einschätzung der Kreislaufleistung anhand von Herzindex (CI) und O2-Transportkapazität (\( \dot{\mathrm{D}}{\mathrm{O}}_2 \))
Kreislaufleistung
Insuffizient
Normal
Hyperdynam
CI [l/min/m2]
<2,2
2,8–4,2
>4,5
\( \dot{\mathrm{D}}{\mathrm{O}}_2 \) [ml/min/m2]
<400
450–600
>650
Wenn der linksventrikuläre Füllungsdruck anhand des pulmonalarteriellen Verschlussdrucks (PCWP) überwacht wird, muss der Einfluss des positiven endexspiratorischen Drucks (PEEP) bedacht werden: Ab einem PEEP von ca. 10mbar kommt es zu einer signifikanten Erhöhung des gemessenen PCWP-Werts über den tatsächlichen linksatrialen Druck hinaus. In diesem Fall korreliert der nach kurzer Diskonnektion der Beatmung gemessene PCWP jedoch gut mit dem linken Vorhofdruck.
Wegen der hohen Invasivität und des fehlenden prognostischen Vorteils nimmt die Bedeutung des Pulmonaliskatheters ab, und die zentralvenöse O2-Sättigung ist als Zielparameter anstelle der gemischtvenösen untersucht worden. Meist wird ein Wert von 70 % oder höher angestrebt – allerdings ebenfalls ohne klare Vorteile für das Überleben der Patienten.
Zunehmend wichtig ist die regelmäßige echokardiographische Beurteilung der linksventrikulären Füllung und des Schweregrads der Myokarddepression. Aus dem Gesamtbild aller Befunde ergibt sich, wie die Komponenten der Kreislaufleistung therapeutisch beeinflusst werden müssen und damit die Gewichtung von Volumentherapie, positiv inotroper und vasopressorischer Medikation.

Therapie

Trotz fehlender Beweise für den Nutzen einer hyperdynamen „Kreislaufeinstellung“ sollten zumindest normale Werte für Herzindex (≥2,5 l/min/m2) arteriellen Mitteldruck (≥70 mmHg) und zentralvenöse O2-Sättigung (≥70 %) angestrebt werden.

Volumentherapie

Durch den gesteigerten Grundumsatz ist der Flüssigkeitserhaltungsbedarf in der Sepsis um bis zu 40 % erhöht. Zusätzlicher Bedarf entsteht durch die periphere Vasodilatation und die Störung der Kapillarpermeabilität. Diese Erkenntnis hat zum Konzept der „Fluid Resuscitation“ geführt. In den aktuellen Leitlinien wird entsprechend die Gabe von mindestens 30 ml/kgKG Flüssigkeit innerhalb der ersten sechs Stunden nach der Diagnose Sepsis/SIRS empfohlen [9]. Diese Menge wird von vielen Intensivmedizinern allerdings eher als Obergrenze angesehen, da die Lungenfunktion sich mit größeren Infusionsmengen deutlich verschlechtert und es Hinweise gibt, dass sehr hohe Volumina mit einem schlechten Ergebnis verbunden sind.
Für die Flüssigkeitssubstitution werden in allen Leitlinien kristalloide Lösungen empfohlen, da für die kolloidalen keine Vorteile belegt und Risiken nicht ausgeschlossen sind [6]. Für beide gilt aber, dass wegen der immer vorhandenen Schädigung der endothelialen Glykokalix ein großer Teil das Gefäßsystem verlässt und zu Ödembildung und damit myokardialer und pulmonaler Funktionseinschränkung führt. Die Transfusion von Blutbestandteilen muss wegen der bekannten Risiken und hoher Kosten ebenfalls restriktiv gehandhabt werden.
Die grundsätzliche Indikation für Kolloide wird weiterhin kontrovers diskutiert, denn auch neue, umfangreiche Studien zeigen keine Vorteile gegenüber kristalloiden Lösungen und widerlegen die Sorge um Nachteile für die Nierenfunktion nicht [18, 2224]. Falls die Kolloide nur kurzfristig zum Ersatz eines akuten Flüssigkeitsdefizits gegeben werden, ist der nachteilige Effekt auf die Nierenfunktion eventuell nicht vorhanden [1]; die entsprechende klinische Studie ist jedoch methodisch kritisiert worden. Zum Ende des Jahres 2013 hat aber die European Medicines Agency (EMA) aufgrund der zitierten Arbeiten die Empfehlung ausgesprochen, HES-Lösungen bei Patienten mit Sepsis oder Verbrennungen nicht zu verwenden [11].
Falls zum akuten Flüssigkeitsersatz beim septischen Patienten in einzelnen Fällen dennoch eine Indikation für kolloide Lösungen gesehen wird, müssen die Maximalmengen streng beachtet (20 ml/kgKG/Tag für ältere und 30–50 ml/kgKG/Tag für neue Präparate) und isoonkotische, balancierte Lösungen eingesetzt werden (Tab. 2).
Tab. 2
Einfluss kristalloider und kolloider Volumenersatzmittel auf klinische Parameter bei septischen Patienten
Parameter
Kristalloide
Kolloide
Verbesserung der Makrozirkulation
+
+
Verbesserung der Mikrozirkulation
0
+a
Ödemneigung
+
(+)
Beeinträchtigung der Nierenfunktion
0
(+)b
Reduzierte Gerinnungsfunktion
0
(+)c
Anaphylaktische/anaphylaktoide Reaktionen
0
(+)d
aexperimentell nachgewiesen nur für Hydroxyethylstärke (HES) mit Molekulargewicht 200.000 und Substitutionsgrad 0,5
bGesichert bei hyperonkotischen, NaCl-basierten Präparaten
cNachgewiesen für Dextran, bei HES abhängig von der Molekülgröße
d Inzidenz <0,1 %
Um eine adäquate kardiale Vorlast zu erhalten, ist trotz aller dieser Einschränkungen eine Volumentherapie über den Erhaltungsbedarf hinaus – unter kontinuierlicher invasiver und möglichst engmaschiger echokardiographischer Therapiekontrolle – unverzichtbar.
Besonderes Augenmerk muss auf die Funktion des rechten Herzens gelegt werden, da bei der Sepsis die Bedingungen für den rechten Ventrikel durch Funktionseinschränkung, niedrigen koronaren Perfusionsdruck und hohe Nachlast besonders ungünstig sind.

Pharmakotherapie

Dobutamin
Für die septische Kreislaufinsuffizienz ist aufgrund der beschriebenen kardialen Funktionseinschränkung die Katecholamintherapie häufig unverzichtbar.
Bei normalem arteriellem Perfusionsdruck ist Dobutamin die Substanz der Wahl.
Im Dosisbereich von 5–15 μg/kgKG/min wird das HZV dosisabhängig gesteigert. Dobutamin senkt den meist erhöhten pulmonalen Vasotonus und entlastet so den rechten Ventrikel, wodurch die O2-Transportkapazität weiter verbessert wird. Daneben ist der günstige Effekt auf die intestinale und renale Perfusion erwünscht. Eine selektive Verbesserung der Splanchnikusperfusion ist zwar nicht in jedem Fall nachgewiesen, evtl. aber sogar noch in Kombination mit Adrenalin vorhanden.
Dosierung
Bei Kreislaufinsuffizienz bei hoher/normaler Nachlast:
  • Dobutamin 5–15 μg/kgKG/min i.v. per infusionem
Trotz der gesteigerten renalen Perfusion wird ein akutes Nierenversagen durch Dobutamin allerdings nicht verhindert.
Cave
Die dosisabhängige Erhöhung der Herzfrequenz limitiert den Einsatz von Dobutamin besonders bei niedrigem koronarem Perfusionsdruck, da in diesem Fall eine myokardiale Ischämie auftreten kann.
Noradrenalin
Zur Stabilisierung des arteriellen Perfusionsdrucks in der Sepsis ist Noradrenalin das Katecholamin der Wahl.
Noradrenalin erhöht dosisabhängig den peripheren Gefäßwiderstand und den venösen Tonus und verbessert so das myokardiale O2-Angebot (\( \dot{\mathrm{D}}{\mathrm{O}}_2 \)). Auf diese Weise kann der arterielle Blutdruck stabilisiert werden, ohne dass das HZV abnimmt. Falls keine Herzinsuffizienz vorliegt, ist der Anstieg des \( \dot{\mathrm{D}}{\mathrm{O}}_2 \) durch den besseren koronaren Perfusionsdruck deutlich ausgeprägter als der Anstieg des myokardialen O2-Bedarfs durch die erhöhte Nachlast. Bei Hypotension und hohem HZV („hyperdynamer Schock“) bessert Noradrenalin sogar die intestinale Perfusion und die Nierenfunktion, falls der Perfusionsdruck adäquat angehoben wird.
Eine mäßige Hypotension kann – bei ausreichender kardialer Vorlast – in der Regel mit einer Infusion von 0,02–0,1 μg/kgKG/min Noradrenalin gut stabilisiert werden. Bei schwerer Hypotension (Vasoplegie) im Rahmen des septischen Schocks ist als Akutbehandlung eine Bolusgabe von 50–100 μg Noradrenalin indiziert. Die Dosierung der anschließenden Dauerinfusion liegt üblicherweise im Bereich von 0,1–1,5 μg/kgKG/min. Bei fortbestehender Hypotension sind unter Kontrolle von HZV, peripherem Gefäßwiderstand und ventrikulärer Funktion (Echokardiographie) auch noch höhere Dosierungen indiziert, eine absolute Obergrenze lässt sich nicht angeben.
Dosierung
  • Septische Hypotension: 0,02–0,1 μg/kgKG/min Noradrenalin i.v.-Infusion
  • Septischer Schock:
  • 50–100 μg Noradrenalin i.v.-Bolus
  • 0,1–1,5 μg/kgKG/min Noradrenalin i.v.-Infusion
Falls HZV und \( \dot{\mathrm{D}}{\mathrm{O}}_2 \) nach Stabilisierung des Blutdrucks nicht ausreichend hoch sind, ist die Kombination mit einem stärker positiv inotropen Katecholamin sinnvoll. Substanz der Wahl ist wegen der günstigen Ergänzung der Wirkungsspektren Dobutamin im oben angegebenen Dosisbereich.
Adrenalin
Für die Therapie des septischen Schocks wird Adrenalin von einigen Autoren weiterhin empfohlen. In einzelnen Fällen von septischer Kreislaufinsuffizienz, die mit Dopamin oder Noradrenalin nicht stabilisiert werden konnte, wies Adrenalin eine bessere Wirksamkeit auf [4]. Im hohen Dosisbereich von 0,1–0,5 μg/kgKG/min ist die Wirkung auf β- und α-Rezeptoren nahezu gleich ausgeprägt, sodass sowohl der periphere Widerstand als auch die kardiale Inotropie gesteigert werden können.
Dosierung
  • Septischer Schock: 0,1–1,5 μg/kgKG/min Adrenalin i.v.-Infusion
Dennoch gibt es Hinweise, dass Adrenalin im Gegensatz zur Kombination Dobutamin/Noradrenalin den hepatischen und intestinalen Blutfluss reduziert. Auch eine Reduktion des Anteils der Nierenperfusion am HZV ist beschrieben. Diese Reduktion hatte in einer jüngeren Untersuchung allerdings keinen nachteiligen Effekt auf Kreatininclearance und Urinproduktion [7].
Adrenalin ist bei septischer Kreislaufinsuffizienz nicht das Katecholamin der 1. Wahl, ein Behandlungsversuch beim therapierefraktären Schock ist jedoch gerechtfertigt.
Dopamin
Dopamin war lange das Katecholamin der Wahl bei der septischen Kreislaufinsuffizienz und wird noch immer häufig eingesetzt, obwohl das Wirkprofil für diese Indikation nicht optimal ist. Bei einer Dosis mit gleicher positiv inotroper Wirkung hat Dopamin im Gegensatz zu Noradrenalin oder Dobutamin eine ausgeprägtere Tachykardie zur Folge und kann daher eine kardiale Ischämie induzieren. Bei schwerer Hypotension ist eine Stimulation der peripheren α-Rezeptoren erwünscht. Diese wird mit Dopamin erst im Dosisbereich oberhalb von 8–10 μg/kgKG/min erreicht, wo mit einer ausgeprägten Tachykardie und Arrhythmien zu rechnen ist [8]. Daher ist die Substanz im septischen Schock nicht indiziert.
Die Erwartungen in die adjuvante Anwendung von Dopamin zur Verbesserung der renalen und intestinalen Durchblutung haben sich ebenfalls nicht erfüllt: Schon in niedriger Dosis nimmt die Nierenperfusion hauptsächlich wegen einer Steigerung des HZV zu, keine Untersuchung konnte bisher eine präventive Wirkung der sog. „Nierendosis“ gegen das akute Nierenversagen belegen. Bei septischen Patienten war eine zunächst beobachtete Steigerung von Urinproduktion und Kreatininclearance nach 48 h nicht mehr nachweisbar. Auch hat Dopamin in „Nierendosis“ bei gleichzeitiger Therapie mit anderen Katecholaminen keinen Effekt, die Splanchnikusperfusion wird sogar eher verschlechtert.
Bei septischer Kreislaufinsuffizienz sollte auf Dopamin verzichtet werden.
Dopexamin
Tierexperimentell sind mit Dopexamin eine Verbesserung des renalen Blutflusses und eine Umverteilung der intestinalen Durchblutung zugunsten der Mukosa beschrieben worden, welche bei Sepsis/SIRS ischämiegefährdet ist. Bei Patienten im septischen Schock steigt im Dosisbereich von 1–3 μg/kgKG/min das HZV deutlich an, ohne wesentliche Veränderung des arteriellen Mitteldrucks. Ein selektiver Effekt auf die Splanchnikusperfusion ist jedoch nicht bewiesen [13]. Oberhalb von 3–4 μg/kgKG/min wird durch zunehmende Tachykardie und Vasodilatation das Verhältnis von myokardialem O2-Angebot und O2-Bedarf ungünstig.
Cave
Oberhalb von 3–4 μg/kgKG/min Dopexamin besteht die Gefahr der Ischämieinduktion durch Tachykardie.
Die Dosierung von Dopexamin sollte mit 0,5 μg/kgKG/min einschleichend begonnen werden und ist durch Tachykardie und arterielle Hypotension limitiert. Bei Sepsis/SIRS ist daher wie für Dobutamin eine Kombination mit Noradrenalin zur Begrenzung der Vasodilatation sinnvoll. Vermutete Vorteile von Dopexamin gegenüber Dobutamin haben sich bisher nicht bestätigt.
Vasopressin
Bei Patienten im septischen Schock gelang in ersten Untersuchungen mit Vasopressin in einer Dosis von 0,04 U/min eine bessere Kreislaufstabilisierung als mit Katecholaminen allein. Während in der Vergleichsgruppe ein Teil der Patienten an therapierefraktärer Hypotension starb, konnte mit Vasopressin der Kreislauf stabilisiert und die Dosis von Noradrenalin und/oder Dopamin weitgehend reduziert werden [16, 17]. Der Effekt von Vasopressin ist im Tierexperiment nicht besser als der von Noradrenalin und nur in Kombination mit positiv inotropen Substanzen verbessert sich die Überlebensrate [10, 13]. Eine große klinische Untersuchung bestätigt dies, zeigt aber, dass evtl. die Patienten mit weniger schwerem Schock profitieren [26]. Vasopressin wird in den aktuellen Leitlinien der „Surviving Sepsis Campaign“ daher als Option additiv zu Noradrenalin empfohlen, denn in mehreren Studien waren Dosis und Behandlungsdauer mit Noradrenalin in der Kombination reduziert [9].
Hydrokortison
Eine Dysfunktion der Nebennierenrinde ist eine der Ursachen für die verminderte Wirksamkeit der Katecholamine in der Sepsis [3]. Entsprechend gelingen bei Nebennierenrindeninsuffizienz mit der Substitution einer „Stressdosis“ von ca. 200 mg Kortisol/Tag (als Dauerinfusion von 10–12 mg/h) eine Stabilisierung der Hämodynamik und eine Reduktion der Katecholamindosis, wodurch in einer prospektiven Untersuchung sogar die Überlebensrate des septischen Schocks gesteigert werden konnte [5]. Nachfolgende Untersuchungen und eine Metaanalyse können diesen Befund nicht bestätigen, zeigen aber ebenfalls reduzierten Bedarf an Vasopressoren sowie Kreislaufstabilität [30]. So ist nach dem derzeitigen Kenntnisstand Hydrokortison eine rationale Ergänzung der Katecholamintherapie im septischen Schock ([9]; Kap. Systematic Inflammatory Response Syndrome (SIRS), Sepsis und Multiorganversagen). Optimaler Zeitpunkt und genaue Indikation sind jedoch noch nicht klar, da die niedrigdosierte Kortikoidbehandlung v. a. ohne Katecholamintherapie (also bei Sepsis ohne Schocksymptome) mit einer leicht erhöhten Letalität in Verbindung gebracht wird [2] und eine hohe endogene Kortisolfreisetzung mit zerebraler Dysfunktion assoziiert ist [19].
Inhalatives Stickstoffmonoxid (NO)
Falls eine rechtsventrikuläre Dysfunktion – speziell bei akutem Lungenversagen im Rahmen der Sepsis – limitierend für die Kreislaufleistung ist, muss neben der Stabilisierung des arteriellen Blutdrucks eine Nachlastreduktion für das rechte Herz erreicht werden. Dies gelingt zumindest bei einem Teil der Patienten durch Inhalation von NO im Dosisbereich von 1–10 ppm, was eine Vasodilatation in den ventilierten Bezirken der Lunge induziert.
Durch die – zeitlich auf etwa 24 h begrenzte – Verbesserung der Oxygenierung wird die pulmonale Vasokonstriktion teilweise aufgehoben und der rechte Ventrikel entlastet. Obwohl hohe Dosierungen von NO (>30 ppm) keine weitere Verbesserung der Oxygenierung bewirken, ist eine weitere Reduktion des pulmonalen Gefäßwiderstands beim Rechtsherzversagen beschrieben. In beiden Fällen ist aber eine Verbesserung der Überlebensrate durch NO bisher nicht nachgewiesen. Daher muss diese NO-Therapie der Sepsis mit ausgeprägter rechtsventrikulärer Dysfunktion weiterhin als experimentell betrachtet werden.
Insgesamt ist eine frühzeitige Erkennung und sofortige Behandlung der Sepsis (einschließlich adäquater, korrekt dosierter Antibiose) entscheidend für das Ergebnis; ein klares, konsequent befolgtes Behandlungsschema kann zumindest in diesem Sinne hilfreich sein [24, 25]. In Abb. 1 ist ein einfaches, praxisorientiertes Schema zur frühen Behandlung dargestellt.
Literatur
1.
Annane D, Siami S, Jaber S et al (2013) Effects of fluid resuscitation with colloids versus crystalloids on mortality in critically ill patients presenting with hypovolemic shock. JAMA 310:1809–1817CrossRefPubMed
2.
Beale R, Janes JM, Brunkhorst FM et al (2010) Global utilization of low-dose corticosteroids in severe sepsis and septic shock: a report from the PROGRESS registry. Crit Care 14:R102CrossRefPubMedPubMedCentral
3.
Bellissant E, Annane D (2000) Effect of hydrokortisone on phenylephrine – mean arterial pressure dose–response relationship in septic shock. Clin Pharmacol Ther 68:293–303CrossRefPubMed
4.
Bollaert PE, Bauer P, Audibert G, Lambert H, Larcan A (1990) Effects of epinephrine on hemodynamics and oxygen metabolism in dopamine-resistant septic shock. Chest 98:949–953CrossRefPubMed
5.
Briegel J, Forst H, Haller M et al (1999) Stress doses of hydrokortisone reverse hyperdynamic septic shock: a prospective, randomized, double-blind, single-center study. Crit Care Med 27:723–732CrossRefPubMed
6.
Brunkhorst FM, Engel C, Bloos F et al (2008) Intensive insulin therapy and pentastarch resuscitation in severe sepsis. N Engl J Med 358:125–139CrossRefPubMed
7.
Day NP, Phu NH, Mai NT et al (2000) Effects of dopamine and epinephrine infusions on renal hemodynamics in severe malaria and severe sepsis. Crit Care Med 28:1353–1362CrossRefPubMed
8.
DeBacker D, Biston P, Madl C et al (2010) Comparison of dopamine and norepinephrine in the treatment of shock. N Engl J Med 362:779–789CrossRef
9.
Dellinger RP, Levy MM, Rhodes A et al (2013) Surviving Sepsis Campaign: international guidelines for management of severe sepsis and septic shock. Crit Care Med 41:580–637CrossRefPubMed
10.
Dewachter P, Raeth-Fries I, Jouan-Hureaux V et al (2007) A comparison of epinephrine only, arginine vasopressin only and epinephrine followed by arginine vasopressin on the survival rate in a rat model of anaphylactic shock. Anesthesiology 106:977–983CrossRefPubMed
11.
European Medicines Agency (2013) Hydroxy-ethyl starch solutions no longer to be used in patients with sepsis or burn injuries or in critically ill patients. EMA/809470/2013. www.​ema.​europa.​eu
12.
Gattinoni L, Brazzi L, Pelosi P et al (1995) A trial of goal-oriented hemodynamic therapy in critically ill patients. SvO2 Collaborative Group. N Engl J Med 333:1025–1032CrossRefPubMed
13.
Hiltebrand LB, Krejci V, Jakob SM, Takala J, Sigurdsson GH (2007) Effects of vasopressin on microcirculatory blood flow in the gastrointestinal tract in anesthetized pigs in septic shock. Anesthesiology 106:1156–1167CrossRefPubMed
14.
Landesberg G, Jaffe AS, Gilon D et al (2014) Troponin elevation in severe sepsis and septic shock: the role of left ventricular diastolic dysfunction and right ventricular dilatation. Crit Care Med 42:790–800CrossRefPubMed
15.
Landesberg G, Levin PD, Gilon D et al (2015) Myocardial dysfunction in severe sepsis and septic shock – no correlation with inflammatory cytokines in real-life clinical setting. Chest. doi:10.1378/chest.14-2259PubMed
16.
Lauzier F, Levy B, Lamarre P, Lesur O (2006) Vasopressin or norepinephrine in early hyperdynamic septic shock: a randomized clinical trial. Intensive Care Med 32:1782–1789CrossRefPubMed
17.
Malay MB, Ashton RC Jr, Landry DW, Townsend RN (1999) Low-dose vasopressin in the treatment of vasodilatory septic shock. J Trauma Inj Infect Crit Care 47:699–703CrossRef
18.
Myburgh JA, Finfer S, Bellomo R et al (2012) Hydroxyethyl starch or saline for fluid resuscitation in intensive care. N Engl J Med 367:1901–1911CrossRefPubMed
19.
Nguyen DN, Huyghens L, Zhang J et al (2014) Cortisol is an associated risk factor for brain dysfunction in patients with severe sepsis and septoc shock. Biomed Res Int 14:712–742
20.
Parker MM, Shelhamer JH, Bacharach SL et al (1984) Profound but reversible myocardial depression in patients with septic shock. Ann Intern Med 100:483–490CrossRefPubMed
21.
Pathan N, Hemingway CA, Alizadeh AA et al (2004) Role of interleukin 6 in myocardial dysfunction of meningococcal septic shock. Lancet 363:203–209CrossRefPubMed
22.
Perner A, Haase N, Guttormsen AB et al (2012) Hydroxyethyl starch 130/0.42 versus Ringer’s acetate in severe sepsis. N Engl J Med 367:124–134CrossRefPubMed
23.
Perner A, Haase N, Winkel P et al (2014) Long-term outcomes in patients with severe sepsis randomised to resuscitation with hydroxyethyl starch or Ringer’s acetate. Intensive Care Med 40:927–934CrossRefPubMed
24.
ProCESS Investigators (2014) A randomized trial of protocol-based care for early septic shock. N Engl J Med 370:1683–1693CrossRef
25.
Rivers E, Nguyen B, Havstad S et al (2001) Early goal-directed therapy in the treatment of severe sepsis and septic shock. N Engl J Med 345:1368–1377CrossRefPubMed
26.
Russell JA, Walley KR, Singer J et al (2008) Vasopressin versus noradrenalin infusion in patients with septic shock. N Engl J Med 358:877–887CrossRefPubMed
27.
Suffredini AF, Fromm RE, Parker MM et al (1989) The cardiovascular response of normal humans to the administration of endotoxin. N Engl J Med 321:280–287CrossRefPubMed
28.
Turner KL, Moore LA, Todd SR et al (2011) Identification of cardiac dysfunction in sepsis with B-type natriuretic peptide. J Am Coll Surg 213:139–146CrossRefPubMed
29.
Vieillard BA, Schmitt JM et al (2001) Early preload adaptation in septic shock? A transesophageal echocardiographic study. Anesthesiology 94:400–406CrossRef
30.
Wang C, Sun J, Zheng J et al (2014) Low-dose hydrocortisone therapy attenuates septic shock but does not reduce 28-day mortality: a meta-analysis of randomized controlled trials. Anesth Analg 118:346–357CrossRefPubMed