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DGIM Innere Medizin
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Publiziert am: 16.12.2014

Nebennierenrindeninsuffizienz

Verfasst von: Katharina Lang und Stefanie Hahner
1855 beschrieb Thomas Addison ein Syndrom, welches sich durch allgemeinen Verfall und Hyperpigmentation auszeichnete. Ätiologisch war eine Zerstörung der Nebennieren festzustellen.
Man unterscheidet hinsichtlich der Lokalisation der auslösenden Störung die primäre von der sekundären (bzw. tertiären) Nebennierenrindeninsuffizienz (NNR-Insuffizienz), wobei immer ein Mangel an Endprodukten der adrenalen Steroidbiosynthese vorliegt. Allen Formen gemeinsam ist die insuffiziente oder fehlende Produktion des Glukokortikoids Kortisol und meist adrenaler Androgenvorläufer. Bei der primären NNR-Insuffizienz liegt zudem ein Mangel an dem Mineralokortikoid Aldosteron vor.

Definition

1855 beschrieb Thomas Addison ein Syndrom, welches sich durch allgemeinen Verfall und Hyperpigmentation auszeichnete. Ätiologisch war eine Zerstörung der Nebennieren festzustellen.
Man unterscheidet hinsichtlich der Lokalisation der auslösenden Störung die primäre von der sekundären (bzw. tertiären) Nebennierenrindeninsuffizienz (NNR-Insuffizienz), wobei immer ein Mangel an Endprodukten der adrenalen Steroidbiosynthese vorliegt. Allen Formen gemeinsam ist die insuffiziente oder fehlende Produktion des Glukokortikoids Kortisol und meist adrenaler Androgenvorläufer. Bei der primären NNR-Insuffizienz liegt zudem ein Mangel an dem Mineralokortikoid Aldosteron vor.

Pathophysiologie

Bei der primären NNR-Insuffizienz (Morbus Addison) ist die Störung im Bereich der Nebennieren selbst lokalisiert. Im Fall der sekundären bzw. tertiären NNR-Insuffizienz liegt diese in der Hypophyse bzw. dem Hypothalamus. Sie betrifft die insuffiziente Freisetzung von ACTH und/oder CRH und damit fehlende Stimulierung der Nebennierenrinde zur Produktion von Kortisol. Tabelle 1 stellt die möglichen Ursachen der unterschiedlichen Formen der NNR-Insuffizienz dar (Bancos et al. 2014).
Tab. 1
Ursachen der NNR-Insuffizienz abhängig von der Lokalisation der Störung
Primäre NNR-Insuffizienz
Sekundäre (tertiäre) NNR-Insuffizienz
Autoimmunadrenalitis
Infektiöse Adrenalitis (TBC, HIV, Mykosen)
Tumoren im Bereich der Hypothalamus-Hypophysen-Region (Kraniopharyngeom, Meningeome, Metastasen)
Kongenitale Erkrankungen (Adrenoleukodystrophie, AGS, Triple-A-Syndrom, familiäres Glukokortikoid-Defizienz-Syndrom, Nebennierenhypoplasie, IMAGe-Syndrom
Radiatio im Bereich von Hypothalamus/Hypophyse
Beidseitige Nebenniereneinblutung
Lymphozytäre Hypophysitis
Tumorinfiltration
Hypophysenapoplexie/Sheehan-Syndrom
Bilaterale Adrenalektomie
Hypophyseninfiltration (TBC, Sarkoidose, Wegener-Granulomatose)
Medikamenteninduziert (Mitotane, Aminoglutethimid, Etomidat, Ketokonazol)
 
Kongenital (z. B. Mutationen von POMC, TPIT, PC1)
 
Iatrogen nach Glukokortikoid-Langzeittherapie
Die primäre NNR-Insuffizienz
wird in den Industrienationen am häufigsten (in 80–90 %) durch eine Autoimmunadrenalitis verursacht. Diese kann isoliert oder im Rahmen eines polyglandulären Autoimmun-Sydnroms auftreten. Hierbei lassen sich häufig Nebennieren-spezifische Autoantikörper feststellen, die meistens gegen die adrenale 21-Hydroxylase gerichtet sind und Autoimmunadrenalitis mit konsekutiver Zerstörung des Nebennierengewebes bewirken. In den Entwicklungsländern findet sich ursächlich am häufigsten die infektiöse Adrenalitis (meist tuberkulös, aber auch im Rahmen von Aids und diversen Mykosen).
Die sekundäre (und tertiäre) NNR-Insuffizienz
wird am häufigsten durch Raumforderungen der Hypothalamus-Hypophysen-Region verursacht. Oft sind hier auch noch weitere Hormonachsen betroffen. Darüber hinaus führt die chronische Applikation von Glukokortikoiden iatrogen zu einer Atrophie der hypophysären kortikotrophen Zellen.

Epidemiologie

In der kaukasischen Bevölkerung zeigt die primäre NNR-Insuffizienz aktuell eine Prävalenz von 93–140 pro Millionen Einwohner, die sekundäre NNR-Insuffizienz von 150–280 pro Millionen Einwohner. Bei beiden Formen sind Frauen häufiger betroffen als Männer. Der Alterspeak für die Erstdiagnose liegt für die primäre NNR-Insuffizienz um 35 Jahre, für die sekundäre in der 6. Lebensdekade (Bancos et al. 2014).

Klinik

Die Erkrankung manifestiert sich zumeist schleichend und mit unspezifischen Symptomen, weshalb auch heute noch viel Zeit zwischen dem Auftreten der ersten Symptome und der Diagnosestellung liegen kann. Fast immer werden Leistungsabfall und starke Ermüdbarkeit berichtet. Weiterhin kommt es häufig zu Gewichtsverlust und Anorexie, weshalb sich in der Krankengeschichte von Patienten mit primärer NNR-Insuffizienz öfter Diagnosen wie Anorexia nervosa oder psychiatrische Vordiagnosen wie Depression finden. Häufig kommt es außerdem zu abdominellen Beschwerden, Übelkeit oder Erbrechen. Da das Glukokortikoiddefizit zu vermehrter Insulinempfindlichkeit bei verminderter Glukoneogenese führt, kann es vor allem bei Kindern und bei präexistentem Typ 1 Diabetes zu Hypoglykämien kommen (Bancos et al. 2014).
Etwas spezifischer fällt bei der primären NNR- Insuffizienz häufig eine Hyperpigmentation der Haut auf. Durch den primären Glukokortikoidmangel kommt es zu einer Überstimulation der Produktion von ACTH und seinen Beiprodukten wie MSH aus dem Vorläuferpeptid Proopiomelanocortin (POMC). Diese Hyperpigmentation zeigt sich vor allem an Stellen erhöhter mechanischer Beanspruchung wie Handlinien, Narben, Schleimhäuten oder den Mamillen. Das Aldosteron-Defizit bei der primären NNR-Insuffizienz kann zu orthostatischer Hypotension und Salzhunger führen. Der Mangel an DHEA kann bei Frauen zu Verlust der Sekundärbehaarung und Libidoverlust führen (Husebye et al. 2014).
Tabelle 2 fasst die möglichen Symptome abhängig von den jeweiligen hormonellen Defiziten zusammen.
Tab. 2
Klinik in Abhängigkeit der jeweiligen Hormonstörung
Glukokortikoiddefizit
- Müdigkeit, Leistungsmangel
- Anorexie, Gewichtsverlust
- Übelkeit, Erbrechen, abdom. Beschwerden
- Myalgien, Gelenkschmerzen
- Anämie, Lymphozytose, Eosinophilie
- TSH-Anstieg (primäre NNR-Insuffizienz)
- Hyperkalzämie (primäre NNR-Insuffizienz)
- Hypoglykämie
Mineralokortikoiddefizit (bei primärer NNR-Insuffizienz)
- Hypotonie
- Hyponatriämie
- Hyperkaliämie
- Salzhunger
Androgendefizit (bei Frauen)
- Verlust der Sekundärbehaarung
- Haartrockenheit
- Libidoverlust
Gesteigerte Produktion von POMC (primäre NNR-Insuffizienz)
Hyperpigmentation
Verminderte Produktion von POMC (sekundäre NNR-Insuffizienz)
Blasses Hautkolorit
Im Rahmen von auslösenden Faktoren wie Infektionen oder psychischen/physischen Belastungssituationen sowie bei fulminanten Verläufen kann es zum Auftreten von akut lebensbedrohlichen Nebennierenkrisen kommen. Diese manifestieren sich durch schwere Hypotonie mit Dehydratation bis hin zum hypovolämen Schock, weiterhin durch Fieber, Erbrechen und abdominelle Beschwerden. Häufig wird hier ein akutes Abdomen fehldiagnostiziert.

Diagnostik

Im Routine-Labor zeigen sich Elektrolytverschiebungen im Sinn einer Hyponatriämie und Hyperkaliämie (durch Mangel an Gluko- und Mineralokortikoiden). Die chronische Dehydratation kann zum Ansteigen der Nierenretentionswerte führen. Durch gesteigerte intestinale Kalziumresorption und verminderte renale Kalziumausscheidung können in selteneren Fällen Hyperkalzämien auffallen. Im Blutbild sind häufig eine leichte Anämie, Lymphozytose und Eosinophilie auffällig. Da die Freisetzung von TSH physiologischerweise durch Kortisol gehemmt wird, finden sich erhöhte TSH-Spiegel.
Die Sekretion von ACTH und Kortisol folgt einer zirkadianen Rhythmik und wird zudem bedarfsgerecht reguliert. Vor diesem Hintergrund ist eine Bestimmung der Basalwerte wenig zielführend zur Diagnosestellung. Aufgrund des morgendlichen Peaks ist die Kombination aus stark erhöhtem Plasma-ACTH und erniedrigtem Kortisol zu dieser Tageszeit noch am ehesten wegweisend für die Diagnose einer primären NNR-Insuffizienz. Sie dient vor allem der Abgrenzung gegenüber der sekundären Form.
Als Standardtest in der Funktionsdiagnostik gilt der ACTH-Kurztest. Vor und 60 Minuten nach i.v.-Gabe von 250 μ synthetischem ACTH (1-24-ACTH) wird das Serum-Kortisol bestimmt. Physiologischerweise steigt das Serum-Kortisol nach Stimulation auf > 550 nmol/l bzw. > 20 μg/dl an. Bei geringerem Anstieg kann die Diagnose einer NNR-Insuffizienz gestellt werden. Die Sensitivität des ACTH-Tests ist jedoch insbesondere bei sekundärer NNR-Insuffizienz relativ gering. Hilfreich ist hier die ergänzende Bestimmung des Dehydroepiandrosteron-Sulfats (DHEA-S). Bei erniedrigtem SHEA-S und bei klinischem Verdacht ist ggf. eine ergänzende Testung notwendig. Als Goldstandard der Diagnostik einer NNR-Insuffizienz gilt nach wie vor der Insulin-Hypoglykämie-Test. Dieser ist jedoch mit Risiken behaftet und darf u. a. bei Patienten mit Epilepsie oder kardiovaskulären Grunderkrankungen wie einer koronaren Herzkrankheit nicht eingesetzt werden.
Zur weiteren Differenzialdiagnostik wird das Plasma-ACTH bestimmt. Bei der primären NNR-Insuffizienz liegt dieses aufgrund des fehlenden Feedbacks meist deutlich über 22 pmol/l. Bei der sekundären NNR-Insuffizienz finden sich dagegen erniedrigte Werte.
Der Feststellung eines Mineralokortikoid-Defizits bei primärer NNR-Insuffizienz dient die Bestimmung von Serum aldosteron und Plasma-Renin-Konzentration. Häufig zeigt sich im Rahmen der primären NNR-Insuffizienz ein erniedrigtes Aldosteron bei gegenregulatorisch hohem Renin. In 80 % der Patienten mit Autoimmunadrenalitis lassen sich Nebennieren-Autoantikörper feststellen (meist gegen die 21-Hydroxylase oder weitere Enzyme der Steroidhormonbiosynthese). Bei Verdacht auf Vorliegen eines polyglandulären Autoimmun-Syndroms sollten eine Bestimmung von TSH und Nüchternglukose zum Ausschluss weiterer Organbeteiligungen erfolgen. Bei Jungen/Männern (Alter bei ED < 50 Jahre) mit primärer NNR-Insuffizienz ohne Hinweis auf eine Autoimmungenese werden die Konzentrationen der überlangkettigen Fettsäuren im Serum zum Ausschluss einer Adrenoleukodystrophie/Adrenomyeloneuropathie bestimmt.
Die Bildgebung der Nebennieren mittels Computertomografie oder Kernspintomografie erfolgt nicht regulär, sondern nur bei Verdacht auf Hämorrhagie oder Tumorinfiltration. Der Erstdiagnose einer sekundären oder tertiären NNR-Insuffizienz muss die kranielle MRT-Bildgebung folgen.

Differenzialdiagnostik

Im Hinblick auf die unspezifische und sich oftmals schleichend entwickelnde Symptomatik gibt es eine lange Liste möglicher Differenzial- und insbesondere Fehldiagnosen bei NNR-Insuffizienz (Bancos et al. 2014; Husebye et al. 2014). Im Folgenden sollen daher nur die wichtigsten aufgezählt werden.
  • Hyponatriämie/Hyperkaliämie anderer Genese
  • Maligne- oder andere konsumierende Erkrankung
  • Depression oder andere psychiatrische Erkrankung
  • Akutes Abdomen und weitere Differenzialdiagnosen des unklaren Abdomens

Therapie

Glukokortikoid-Substitutionstherapie

Die Sekretion von ACTH und Kortisol erfolgt pulsatil (Kortisol mit etwa 15 Minuten Verzögerung zu ACTH) und gemäß einer zirkadianen Rhythmik. Das Kortisolmaximum liegt zwischen 6 und 9 Uhr morgens, gefolgt von einem stetigen Abfall mit dem Nadir zwischen 23 und 2 Uhr.
Als physiologisches Glukokortikoid ist Hydrokortison das Mittel der Wahl zur Hormon-Ersatztherapie bei NNR-Insuffizienz.
Um die zirkadiane Rhythmik zu imitieren, wird Hydrokortison in 2–3 Einzeldosen appliziert. Dabei wird morgens die Hälfte bis zwei Drittel der Dosis gegeben. Die tägliche Substituitionsdosis liegt in der Regel bei 15–25 mg Hydrokortison.
Ein Hydrokortison-Präparat mit verzögert freigesetzter Wirkstoffkomponente (z. B. Plenadren) ist seit 2012 in Deutschland verfügbar. Durch eine einmalige morgendliche Einnahme wird im Tagesverlauf ein gleichmäßigeres, der physiologischen Rhythmik angenähertes Kortisolprofil erreicht. Ein weiteres Hydrokortisonpräparat, welches abends eingenommen wird und auch den frühmorgendlichen Kortisolanstieg imitiert, befindet sich derzeit in präklinischer Testung (Bancos et al. 2014; Johannsson et al. 2012).
Alternativ wird auch das im Vergleich zu Hydrokortison 4- bis 5-fach potentere Prednisolon verwandt, welches aufgrund der längeren Halbwertszeit einmal täglich morgens eingenommen wird.
Derzeit existiert kein verlässlicher Parameter um die Wirksamkeit der Substitutionstherapie abzuschätzen. Zur Ermittlung der richtigen Dosierung müssen daher klinische Verlaufsparameter und insbesondere Symptome der Über- (Gewichtszunahme, Schlaflosigkeit, Ödembildung) und Unter-Substitution (Müdigkeit, Schwäche, Gewichtsverlust, Übelkeit) berücksichtigt werden (Husebye et al. 2014).
Zu beachten ist zudem die Begleitmedikation. Induktoren von CYP3A4 wie z. B. Carbamazepin oder Mitotan können einen gesteigerten Kortisolmetabolismus bewirken und eine Dosiserhöhung notwendig machen (Tab. 3).
Tab. 3
Spezielle Behandlungssituationen
Situation
Behandlung
Schichtarbeit
Anpassung der Glukokortikoid- und Mineralokortikoid-Substitution entsprechend dem Schlaf-Wach-Rhythmus. Einnahme der höchsten Dosis nach dem Aufstehen
Intensive körperliche Aktivität (> 1 h)
Kleiner kohlehydratreicher Snack und zusätzliche Einnahme von 5–10 mg Hydrokortison vor Beginn
Ausreichende Flüssigkeitszufuhr
Hohe Außentemperaturen und Hypotonie
Ggf. vorübergehende Erhöhung der Fludrocortisondosis um 0,05–0,1 mg bei niedrigen Plasma-Renin-Werten
Gesteigerter Metabolismus von Kortisol durch Schilddrüsenhormon
Dosiserhöhung von Hydrokortison bei Hyperthyreose
Beginn einer L-Thyroxin-Substitutionstherapie erst nach etablierter Glukokortikoidsubstitution
Ggf. Reduktion der Fludrocortisondosis. Sonst Optimierung der Glukokortikoid-Substitution, ggf. Einsatz ACE-Hemmer oder AT1-Rezeptor-Blocker
Medikation mit CYP3A4-induzierenden Medikamenten (z. B. Carbamazepin, Phenobarbital, Phenytoin, Johanniskraut, Mitotane)
Steigerung der Hydrokortisondosis um 50–100 %

Mineralokortikoid-Substitutionstherapie

Ein Aldosteron-Defizit und damit die Notwendigkeit zur Substitution besteht nur bei Patienten mit primärer NNR-Insuffizienz. Dabei gilt zu beachten, dass die Aldosteron-Sekretion abhängig von der Stimulation durch Angiotensin II und Kalium ist und nur geringfügig einer zirkadianen Rhythmik unterliegt. Zur Substitution wird das synthetische Mineralokortikoid Fludrocortison verwendet, welches als morgendliche Einzeldosis von 0,05–0,2 mg appliziert wird.
Der Therapie- Überwachung dienen Blutdruck, Serum-Natrium und -Kalium und die Plasma-Renin-Konzentration (Zielspiegel ist der mittlere bis obere Normbereich).

DHEA-Substitutionstherapie

Vor allem bei Frauen mit NNR-Insuffizienz zeigt sich oft ein ausgeprägter Androgenmangel. Eine Substitutionstherapie mit DHEA wirkt sich häufig positiv auf Stimmung, Sexualität und subjektives Wohlbefinden aus. Um die Androgen-Serumspiegel innerhalb des Normalbereichs zu halten, ist eine morgendliche Dosis von 25–50 mg DHEA ausreichend. Aufgrund der eingeschränkten Studienlage sollte die DHEA-Substitutionstherapie auf Patienten mit starker Einschränkung von Wohlbefinden oder Libido trotz suffizienter Substitution mit Gluko- und Mineralokortikoiden beschränkt bleiben. Die DHEA-Substitution ist keine Standardtherapie und muss individuell entschieden werden.

Prävention und Management von Nebennierenkrisen

In akuten Stresssituationen können die Spiegel an Serum-Kortisol um ein vielfaches ansteigen. Kommt es, gemessen an dem erhöhten Bedarf, zu einem insuffizienten Steroidangebot, entstehen akut lebensbedrohliche Nebennierenkrisen. Auslösende Faktoren können z. B. gastrointestinale Infektionen oder Fieber sein.
Grundlegend für die Krisenprävention ist eine intensive und repetitive Patientenschulung hinsichtlich der Notwendigkeit einer Erhöhung der Glukokortikoid-Dosis in Stresssituationen. Darüber hinaus erfolgt die Ausstellung eines Notfallausweises (Allolio et al. 2011; Allolio 2014).
Bezüglich der Hydrokortison-Dosisanpassung gelten folgende Faustregeln:
  • Bei leichten Stresssituationen (z. B. leichter fieberhafter Infekt, lokaler operativer Eingriff): Verdopplung der regulären Dosis für den Zeitraum der Beschwerden (auf ca. 30–50 mg Hydrokortison täglich)
  • Bei schweren Stresssituationen (z. B. Operation in Vollnarkose, größeres Trauma, Entbindung): Bolusgabe von 50–100 mg Hydrokortison i. v. und Applikation von 100–150 mg Hydrokortison in 5 % Glukose als Dauerinfusion über 24 h über den Akutzustand hinweg (z. B. während Intensivpflichtigkeit). Danach Umstellung auf 50 mg Hydrokortison täglich (z. B. 20–10–10) und je nach Klinik rasche Reduktion auf die gewohnte Substitutionsdosis.
Bei umschriebener psychischer oder körperlicher Belastung (z. B. sportliche Aktivität, Prüfungssituation) kann der Patient 1–2 h vorher eine Extradosis von 5–10 mg Hydrokortison einnehmen.
Bei Auftreten von Erbrechen oder Diarrhö muss Hydrokortison, oder alternativ ein anderes Glukokortikoid mit entsprechender Potenz, parenteral substituiert werden. Die Patienten sollten für solche Situationen mit einem Notfallset ausgestattet sein. Dieses sollte ein Präparat zur parenteralen Applikation (z. B. 100 mg Hydrokortison-21-Hydrogensuccinat) enthalten, wobei im Notfall auch eine i.m.- oder s.c.-Injektion entsprechende Wirkspiegel aufbauen kann. Patienten und Angehörige sollten im Umgang mit der Glukokortikoid-Eigeninjektion geschult sein (Tab. 4).
Tab. 4
Maßnahmen zur Prävention von Nebennierenkrisen
Geeignete Präventivmaßnahmen
Notfallausweis oder Notfallhalsband
 
Wiederholte Schulungen von Patient und Angehörigen:
- Rationale für die Glukokortikoid-Dosisanpassung
- Diskussion klassischer Situationen, die eine Dosisanpassung notwendig machen
- Notwendigkeit der parenteralen Verabreichung von Glukokortikoiden bei Erbrechen und Diarrhö
- Symptome einer beginnenden Nebennierenkrise
Ausstattung mit Hydrokortison-Ampulle (100 mg Hydrokortison-21-Hydrogensuccinat) und/oder Glukokortikoid-Zäpfchen (z. B. Rectodelt) für Notfallsituationen, ausreichende Versorgung bei geplanten Auslandsreisen
 
Schulung in der Eigeninjektion von Hydrokortison (intramuskulär/subkutan)
 
In der akuten Nebennierenkrise gilt es, schnellstmöglich Glukokortikoid i. v. zu substituieren. Dies geschieht in der Regel mittels Hydrokortison 100 mg als Bolus gefolgt von einer Dauerinfusion mit 100–200 mg über 24 h. Weiterhin entscheidend sind Flüssigkeitssubstitution und Ausgleich des Elektrolythaushalts sowie kausale Therapie der auslösenden Problematik (z. B. Antibiotikatherapie). Eine Hydrokortisondosis von mehr als 50 mg täglich übt ausreichend mineralokortikoide Wirkung aus, so dass eine Substitution von Aldosteron in diesen Fällen nicht mehr notwendig ist (Allolio 2014).
In der akuten Nebennierenkrise darf die ausstehende Diagnostik die Therapieeinleitung nicht verzögern!
Bei Patienten, die neben einer Hydrokortisonsubstitution auch Schilddrüsenhormon substituieren, muss die Einleitung der Hydrokortisonsubstitution vor Beginn einer L-Thyroxin-Gabe stehen, da Schilddrüsenhormone einen beschleunigten Kortisolmetabolismus bewirken können.

Verlauf und Prognose

Trotz adäquater Substitution berichtet ein signifikanter Anteil der Patienten über krankheitsassoziierte Symptome wie Müdigkeit, Energiemangel oder Depressivität. Oft ergibt sich infolgedessen eine Einschränkung der Berufstätigkeit bis hin zur kompletten Arbeitsunfähigkeit. Interindividuell findet sich hier allerdings eine sehr große Variabilität. Die Lebenserwartung bei Patienten mit NNR-Insuffizienz ist im Einzelfall bei adäquater Substitution etwa vergleichbar mit der Durchschnittsbevölkerung. Neuere Daten weisen jedoch auf eine im Schnitt etwas erhöhte Mortalität hin. Zurückzuführen ist dies auf das Auftreten von Nebennierenkrisen und vermutlich auch auf das unphysiologische Steroid- Tagesprofil unter der aktuell verfügbaren Hormonsubstitution (Bancos et al. 2014).

Substitution in der Schwangerschaft

Physiologischerweise steigen in der Schwangerschaft Gesamt-Serum-Kortisol und freies Kortisol schrittweise an. Bei Schwangeren mit NNR-Insuffizienz wurden in Einzelfällen Nebennierenkrisen aufgrund einer nicht erfolgten Dosisanpassung beschrieben. Vor diesem Hintergrund sollte eine engmaschige Überwachung und ggf. Dosiserhöhung von Hydrokortison um 50 % im letzten Trimenon erfolgen. Da in der Schwangerschaft ebenfalls die Spiegel an Aldosteron und Progesteron ansteigen, kommt es durch deren antimineralokortikoiden Effekt zu der Notwendigkeit, die Fludrocortisondosis ebenfalls zu erhöhen. Die Dosisanpassung muss hier in Abhängigkeit von Blutdruck und Kaliumwert erfolgen. Der Renin-Wert ist während der Schwangerschaft wenig wegweisend.
Peripartal sollte die Anpassung der Hydrokortisondosis wie für größere Stresssituationen empfohlen (Lebbe und Arlt 2013) parenteral erfolgen (Tab. 3).
Literatur
Allolio B (2014) Extensive expertise in endocrinology: adrenal crisis. Eur J Endocrinol. 2015 Mar 172(3):R115-24. doi:10.1530/EJE-14-0824. Epub 2014 Oct 6
Allolio B, Lang K, Hahner S (2011) Addisonian crisis in a young man with atypical anorexia nervosa. Nat Rev Endocrinol 7:115–121CrossRefPubMed
Bancos I, Hahner S, Tomlinson J, Arlt W (2014) Diagnosis and management of adrenal insufficiency. Lancet Diabetes Endocrinol doi:10.1016/S2213-8587(14)70142-1
Husebye ES, Allolio B, Arlt W, Badenhoop K, Bensing S, Betterle C, Falorni A, Gan EH, Hulting AL, Kasperlik-Zaluska A, Kämpe O, Løvås K, Meyer G, Pearce SH (2014) Consensus statement on the diagnosis, treatment and follow-up of patients with primary adrenal insufficiency. J Intern Med 275(2):104–115CrossRefPubMed
Johannsson G, Nilsson AG, Bergthorsdottir R, Burman P, Dahlqvist P, Ekman B, Engström BE, Olsson T, Ragnarsson O, Ryberg M, Wahlberg J, Biller BM, Monson JP, Stewart PM, Lennernäs H, Skrtic S (2012) Improved Kortisol exposure-time profile and outcome in patients with adrenal insufficiency: a prospective randomized trial of a novel Hydrokortisone dual-release formulation. J Clin Endocrinol Metab 97:473–481CrossRefPubMed
Lebbe M, Arlt W (2013) What is the best diagnostic and therapeutic management strategy for an Addison patient during pregnancy? Clin Endocrinol (Oxf) 78(4):497–502CrossRef