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Kortisol

Verfasst von: W. Hubl
Kortisol
Synonym(e)
Hydrokortison; Reichstein’s Substanz M; Kendall’s compound F; 17-Hydroxykortikosteron
Englischer Begriff
cortisol
Definition
Nebennierenrindenhormon mit Glukokortikoidwirkung.
Struktur
Preg-4-en-3,20-Dion, C21H30O5.
Molmasse
362,5 g.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
Synthese: Kortisol wird in der Zona fasciculata der Nebennierenrinde aus dem Cholesterin gebildet. Hierbei sind verschiedene spezifische Enzyme beteiligt: das Cholesterinseitenketten-abspaltende Enzym CYP11A1 (P450SCC) führt zum Pregnenolon, die C-17-Hydroxylase CYP17 (P450C17α) bildet das 17-α-Hydroxypregnenolon, die 3β-Hydroxysteroiddehydrogenase 3β-HSD bildet das 17-α-Hydroxyprogesteron, mithilfe der C-21-Hydroxylase CYP21A2 (P450C21) wird 11-Desoxykortisol gebildet und die C-11-Hydroxylase CYP11B1 (P450C11β) synthetisiert schließlich das Endprodukt Kortisol (s. Syntheseschema unter Steroidhormone).
Transport: Im Blut ist Kortisol zu 90 % an das hochaffine Transkortin (kortisolbindendes Globulin; CBG) jedoch mit niedriger Kapazität gebunden, und andererseits ist es zu 7 % an Albumin mit geringer Affinität, aber hoher Kapazität gebunden. Lediglich ca. 3 % des Kortisols liegen in freier, biologisch aktiver Form vor.
Abbau: In der Leber erfolgt die enzymatische Reduktion am A-Ring sowie an der Ketogruppe zum Tetrahydrokortisol, das zum wasserlöslichen Glukuronid oder Sulfat verestert und somit im Urin ausgeschieden wird.
Halbwertszeit
60 Minuten.
Funktion – Pathophysiologie
Hyperkortisolismus (Cushing-Syndrom): Als häufige Ursache kommt die bilaterale NNR-Hyperplasie in Betracht als Folge einer ACTH-Überproduktion der Hypophyse (Adenome) oder einer ektopen ACTH-Produktion durch nicht endokrine Tumoren. Als weitere Ursache des Cushing-Syndroms werden Nebennierentumoren (Adenom oder Karzinom) beobachtet. Am häufigsten kommt das Cushing-Syndrom nach iatrogener Verabreichung von Glukokortikoiden vor.
Unterfunktion der NNR: primäre NNR-Insuffizienz (Morbus Addison) als Folge einer Zerstörung der NNR über 90 %. Als Ursache kommen eine idiopathische Atrophie mit einer Autoimmunerkrankung bzw. eine Tuberkulose in Betracht. Sekundäre NNR-Insuffizienz infolge eines ACTH-Mangels, der selektiv oder mit dem Mangel weiterer Hypophysenhormone auftreten kann.
Adrenogenitales Syndrom: Der 21-Hydroxylase- bzw. in selteneren Fällen der 11β-Hydroxylase-Defekt führen zum Abfall der Kortisolsynthese mit einem Stau der Vorläufer der Biosynthese vor dem jeweiligen Enzymblock (17-Hydroxyprogesteron bzw. 11-Desoxykortisol).
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen
Speichel: Sammlung mithilfe eines Wattetupfers oder Zellstoffröllchen (5 Minuten Verweildauer im Mund), Zentrifugation, Einfrieren, nochmalige Zentrifugation.
Probenstabilität
Blut, Serum, Plasma: 20–25 °C und 4–8 °C 7 Tage; Serum, Plasma: –20 °C 3 Monate.
Präanalytik
Ausgeprägte Tagesrhythmik mit 2- bis 3-fach höheren Werten am Morgen im Vergleich zum Abend bzw. nachts.
Einflussfaktoren: erhöhte Werte bei Stress, in der Gravidität, Estrogenapplikation, Einnahme von Ovulationshemmern, Glukokortikoid-(Prednisolon-)Therapie.
Analytik
Konventionelle Einheit
μg/dL.
Internationale Einheit
nmol/L.
Umrechnungsfaktor zw. konv. u. int. Einheit
nmol/L × 0,036 = μg/dL.
Referenzbereich – Erwachsene
Kortisol in Plasma, Serum, Speichel:
Entnahmezeitraum
Kortisolkonzentration (nmol/L)
Speichel
6–10
140–600
2,0–26,7
15–18
70–280
0,4-5,5
20–24
20–170
0,2–3,0
Kortisol im 24-Stunden-Sammelurin: 50–250 nmol/24 Stunden
Referenzbereich – Kinder
S. auch Erwachsene.
Kortisolreferenzbereich in Plasma und Serum von Kindern:
Analyt
Alter
Kortisolkonzentration (nmol/L)
Serum, Plasma (Entnahmezeit 6–9 Uhr)
1.–7. Tag
204–927
8. Tag–12 Monate
66–630
2–15 Jahre
69–630
16–18 Jahre
66–800
Kortisolreferenzbereich im Speichel von Kindern:
Alter
Kortisolkonzentration im Speichel (nmol/L)
Entnahmezeit 7 Uhr
Entnahmezeit 13 Uhr
Entnahmezeit 19 Uhr
1–4 Wochen
20,4–48,3
11,3–44,1
3,3–43,3
1–12 Monate
11,3–50,8
3,3–30,9
0,6–9,4
1–2 Jahre
5,8–42,2
2,2–9,7
0,3–3,0
2–15 Jahre
3,0–54,9
1,1–20,7
0,2–8,7
Indikation
Nebennierenrindenerkrankungen:
Interpretation
Nebennierenrindenerkrankungen:
  • Erhöht: M. Cushing, NNR-Adenom/-Karzinom, ektope ACTH-Produktion
  • Erniedrigt: M. Addison, sekundäre (hypophysäre, hypothalamische) NNR-Insuffizienz
  • Ergänzende Untersuchungen: Dexamethason-Hemmtest bei Verdacht auf M. Cushing, ACTH-Test bei Verdacht auf eine NNR-Unterfunktion, Kortisol im Urin
Diagnostische Wertigkeit
Basisdiagnostik des Hyper- bzw. Hypokortisolismus.
Weiterführende Differenzialdiagnostik mit ACTH-Test bzw. Funktionstesten.
Literatur
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