Epidemiologie
Harnsteine bei Kindern werden in der Literatur mit 1–4 % des gesamten Steinkollektivs beschrieben (Daudon et al.
2004, Jungers
1999, Miyake et al.
1998, Braun et al.
2002). Obwohl in den letzten 100 Jahren die Inzidenz im Westen deutlich abgenommen hat, scheinen sich die Fälle in den letzten 10 Jahren, analog zu den Steinerkrankungen bei Erwachsenen, wieder zu häufen (Sarica
2006, VanDervoort et al.
2007).
Die Prävalenz der kindlichen Steinerkrankung wird stark von geographischen und soziokulturellen Umständen beeinflusst. So kann man global 3 verschiedene Steinregionen mit unterschiedlichen epidemiologischen Eigenschaften ausmachen: Entwicklungsländer, Schwellenländer und die westlichen Länder.
In Entwicklungsländern, wie z. B. Pakistan oder Indien, liegt der Anteil an Kindern im Gesamtpatientenkollektiv der Steinträger mit 5–15 % deutlich höher als die 1–4 %, über die in den Industrieländern berichtet wird.
Blasensteine, Ammoniumurat- und Harnsäuresteine sind ebenfalls wesentlich häufiger vorzufinden, während jene in westlichen Regionen wie den USA oder Europa bei Kindern eine Seltenheit sind (Rizvi et al.
2002). Der überwiegende Teil der Steine in diesen Ländern liegt im oberen Harntrakt und besteht zumeist aus Kalziumoxalat. Tab.
1 vergleicht die Angaben der Literatur bezüglich der Steinzusammensetzung bei Kindern und Erwachsenen.
Tab. 1
Steinzusammensetzung bei Kindern und Erwachsenen (Krombach
2008)
Kalziumoxalat | 37–90% | 60–90% |
Kalziumphosphat | 4–31% | 4–22% |
| 5–27% | 4–20% |
| 2–16% | 5–10% |
Zystin | 0,2–8% | 0,5–3% |
Die Geschlechtsverteilung männlich : weiblich schwankt zwischen 1–3:1, wobei der Unterschied in endemischen Ländern wie Pakistan oder Tunesien am höchsten ist. Auch hier zeichnet sich jedoch ein deutlicher Trend zum Gleichstand ab. 30–50 % der Kinder haben eine positive Familienanamnese (Stapleton
2002).
Häufig diagnostizierte
Risikofaktoren bei Kindern sind vor allem metabolischen Ursprungs, Tab.
2. Es finden sich jedoch ebenfalls anatomische oder infektiöse Ätiologien.
Tab. 2
Identifizierte Risikofaktoren in regionaler Abhängigkeit (Krombach
2008)
N | 1440 | 215 | 661 |
Metabolisch | 25% | 25% | 44–96% |
Anatomisch | 12% | 7,5–9% | 5–37% |
Infektiös | 27% | 33–70% | 23–49% |
Idiopathisch | 55% | 25% | 4–26% |
Bei den metabolischen Risikofaktoren dominiert die Hyperkalzurie und die Hypozitraturie. Die familiär vererbliche idiopathische Hyperkalzurie ist die häufigste Variante der Hyperkalzurie und ist somit für den größten Teil der Steinbildner verantwortlich.
Die Hyperoxalurie ist ein weiterer häufiger Risikofaktor. Der Oxalatpool wird durch die endogene Produktion, die orale Aufnahme mit der Nahrung, die Absorption im Dünndarm und die Ausscheidung über die Niere bestimmt. Außer bei der primären Hyperoxalurie ist die Oxalurie also größtenteils durch die Nahrung bedingt. Bei Kindern unter 10 Jahren ist die Oxalatausscheidung im Vergleich zu Erwachsenen deutlich vermindert.
Harnsäuresteine entstehen bei einem pH <5,5. Diese können auch als Matrix für eine heterogene Kristallisation dienen und zu einem Kalziumoxalatstein führen.
Gründe für eine Hyperurikosurie sind eine purinreiche Ernährung oder myeloproliferative Syndrome und genetische Defekte (Lesh-Nyhan, Glykogenspeichererkrankungen, wie z. B. ein Glukose-6-Phophatase Defizit).
Andere seltenere Risikosituationen sind die Ceftriaxon-Einnahme, das Vorhandensein einer Transplantatniere, die
Frühgeburt und die
Nephrokalzinose.