Thermische Verletzungen – Verbrennung und Verbrühung
An den verbrannten/verbrühten Arealen wird eine Vielzahl von Entzündungsmediatoren freigesetzt. Dies hat eine lokale und systemische Erhöhung der Gefäßpermeabilität mit massiven Volumenverschiebungen vom Gefäßbett ins Interstititum zur Folge. Es resultiert eine je nach Ausmaß der Verletzung mehr oder weniger ausgeprägte
Hypovolämie bis hin zum Kreislaufschock. Durch die erforderliche Volumensubstitution kommt es z. T. zu massiven generalisierten
Ödemen, die eine sekundäre lokale Minderperfusion der verbrannten Areale begünstigen, außerdem kann sich ein Lungenödem entwickeln. Bei ausgedehnten Verbrennungen >40 % VKOF kommt es zu einem ausgeprägten Hypermetabolimus mit erhöhtem Grundumsatz und einem hohen Risiko für eine prolongierte Katabolie. Diese führt neben Gewichtsverlust und Muskelabbau auch zu einer gestörten Wundheilung und einer Dysfunktion des Immunsystems mit Auftreten schwerer Infektionen. Ein schweres Inhalationstrauma kann neben einer CO-/Cyanid-Vergiftung auch eine obstruktive Schleimhautschwellung der Atemwege oder ein
ARDS nach sich ziehen. Nicht zu unterschätzen ist aber auch die teils schwerwiegende und gelegentlich lebenslange psychische Traumatisierung einer schweren Verbrennung mit ästhetischen und funktionellen Langzeitfolgen.
Da aber eine Überinfusion genauso nachteilige Auswirkungen hat (Lungenödem, Verstärkung der Hautödeme) wie eine zu geringe Flüssigkeitssubstitution sollte die Zufuhr anhand der Urinbilanz 2- bis 4-stündlich angepasst werden. Ziel ist eine Urinausscheidung von 1–2 ml/kg/Stunde. Der Flüssigkeitsersatz erfolgt mit balancierter Vollelektrolytlösung. Ab dem 2. Tag kann bei >20 % VKOF auch die Gabe von
Humanalbumin 20 % erwogen werden. Für eine korrekte Bilanzierung ist die Anlage eines Blasenkatheters notwendig.
Beatmung: Alle Patienten mit einem Verbrennungstrauma, unabhängig vom Vorliegen eines Inhalationstraumas und auch diejenigen mit schweren Verletzungen im Gesichts-, Kopf- oder Halsbereich sollten schnellstmöglich in eine Spontanatmung überführt werden. Die zur Beatmungstoleranz erforderliche Analgosedierung bewirkt eine arterielle Hypotension, deren Therapie sowohl mit Volumen als auch mit Vasopressoren, vor allem in der Initialphase ungünstige Auswirkungen für den Lokalbefund aber auch für die Organfunktionen hat.
Ernährung: Eine frühe enterale Ernährung soll nach 4–6 Stunden, spätestens nach 24 Stunden begonnen und zügig gesteigert werden. Gegebenenfalls soll die Ernährung über Magen- oder Duodenalsonde mit (hoch)kalorischen Sondennahrungen erfolgen. Insbesondere bei Verbrennungen >40 % VKOF ist eine hochkalorische Ernährung indiziert. Dadurch wird die Katabolie (mit der Folge Gewichtsverlust, Muskelabbau, verzögerte und gestörte Wundheilung) reduziert und die endogene Ausschüttung von
Katecholaminen,
Kortisol und
Glukagon (Hypermetabolismus) reduziert. Ein Hypermetabolismus mit gesteigertem Grundumsatz ist bei allen ausgedehnten Verbrennungen (>40 % VKOF) nachzuweisen, der resultierende Katabolismus ist aber erst bei Kindern >2,5 Jahre relevant. Eine Therapie mit Propranolol hat sich hier als vorteilhaft erwiesen, um den Grundumsatz zu senken. Außerdem hat die Kombination mit dem Anabolikum
Insulin in Studien einen positiven Effekt gezeigt. Auf eine ausreichende altersangepasste Aminosäurezufuhr ist zu achten. Eine parenterale Ernährung soll allenfalls ergänzend erfolgen.
Analgesie/Juckreiz: Neben einer adäquaten Analgesie/Analgosedierung ist im Verlauf die Therapie eines oft quälenden Juckreizes relevant. Hier hat sich neben
Antihistaminika (z. B. Cetirizin) vor allem
Gabapentin in der Kombination als effizient erwiesen.
Antibiotika: Es besteht keine Indikation zur prophylaktischen Behandlung.
Wundinfektionen werden lokal antiseptisch behandelt. Bei Verdacht auf
Sepsis (
Fieber >39,5 °C, Kreislaufzentralisierung) erfolgt die antibiotische Therapie nach mikrobiologischem Abstrichbefund (relevante Keime sind Staphylococcus aureus, koagulasenegative
Staphylokokken, im längeren Verlauf
Pseudomonas aeruginosa). Zu beachten ist, dass alle schwerbrandverletzten Patienten im Rahmen des
SIRS fiebern und dann auch immer eine CRP-Erhöhung vorliegt (ca. 5 mg/l/% VKOF).
Inhalationstrauma/CO-Vergiftung: Das Vorliegen einer Verbrennung des Gesichtes, versengte Gesichts- und Nasenbehaarung, Ruß im Gesicht sowie Zeichen der Atemwegsobstruktion (Stridor, Ödem, oropharyngeale Schleimhautschädigung) deuten auf ein Inhalationstrauma hin. Ebenso ist eine Bewusstseinsstörung nach Rauchexposition ein Hinweis auf eine CO-Vergiftung. Da eine CO-Vergiftung weder über die
Pulsoxymetrie noch über das paO
2 diagnostiziert werden kann, muss das CO-Hb über die
Blutgasanalyse bestimmt werden. Ein intubierter Patient mit Verdacht auf Inhalationstrauma sollte diagnostisch bronchoskopiert werden. Eine Spülung bzw. das ausgiebige Absaugen von Ruß sollte nicht erfolgen. Ein spontanatmendes Kind mit Verdacht auf Inhalationstrauma sollte bei fehlender sonstiger Indikation nicht intubiert oder bronchoskopiert werden. Ein nachgewiesenes Inhalationstrauma soll weder topisch noch systemisch mit
Kortikosteroiden behandelt werden. Bei Verdacht auf CO-Intoxikation ist die Gabe von 100-prozentigem Sauerstoff die Therapie der Wahl (
Beatmung oder über
Maske mit Reservoir und hohem Flow). Erst mit Normalisierung des CO-Hb-Wertes erfolgt die Reduktion der O
2-Konzentration nach SpO
2- bzw. paO
2-Werten. Bei CO-Hb-Werten >40 % oder hypoxischen Organschäden ist eine hyperbare Oxygenierung in speziellen Zentren zu diskutieren.