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Nikotinsäure-Test

Verfasst von: A. M. Gressner und O. A. Gressner
Nikotinsäure-Test
Synonym(e)
Nikotinsäurebelastungstest; Nikotinsäureprovokationstest
Englischer Begriff
nicotinic acid test
Definition
Bei dem zur Diagnose des Gilbert-Meulengracht-Syndroms eingesetzten Test wird der Bilirubinanstieg im Serum nach intravenöser Gabe von Nikotinsäure (Niacin) gemessen.
Durchführung
Vor und 4 Stunden nach intravenöser Injektion von 50 mg Nikotinsäure innerhalb von 30 Sekunden erfolgt jeweils eine Blutentnahme zur Konzentrationsbestimmung von Bilirubin (gesamtes und unkonjugiertes Bilirubin) im Serum, um dessen Anstieg relativ zur Ausgangskonzentration zu ermitteln.
Funktion – Pathophysiologie
Das durch intermittierenden Ikterus mit Bilirubinkonzentrationen zwischen 1,5 und 2,5 mg/dL gekennzeichnete, autosomal dominant vererbte, klinisch aber harmlose Gilbert-Meulengracht-Syndrom kann durch diesen Provokationstest diagnostisch abgesichert werden. Es ist gekennzeichnet durch eine chronische, geringgradige unkonjugierte Hyperbilirubinämie bei ansonsten gesunden Patienten. Pathogenetische Untersuchungen mit dem ursprünglich von Fromke und Miller (1972) eingeführten Nikotinsäureprovokationstest haben später zeigen können, dass dem Anstieg des unkonjugierten Bilirubins im Serum nach Gabe von Nikotinsäure i.v. folgende komplexe Mechanismen zugrunde liegen:
  • Erhöhte Fragilität der Erythrozyten
  • Erhöhte Aktivität der Hämoxigenase (Bilirubin) in der Milz
  • Erhöhte Bilirubinproduktion in der Milz
  • Reduzierte hepatische Bilirubin-Clearance, die besonders den Grad der unkonjugierten Hyperbilirubinämie bestimmt
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen
Präanalytik
Patient sollte seit 12 Stunden nüchtern sein und 30 Minuten vor Testbeginn liegen.
Analytik
Bilirubinbestimmung.
Referenzbereich – Erwachsene
Anstieg der Bilirubinkonzentration im Serum nach 4 Stunden <0,9 mg/dL.
Referenzbereich – Kinder
S. Erwachsene.
Indikation
Verdacht auf Gilbert-Meulengracht-Syndrom.
Interpretation
Ein pathologischer Ausfall des Testes hat eine nahezu 100 %ige Sensitivität (Sensitivität, diagnostische) und Spezifität (Spezifität, diagnostische) für das genannte Krankheitsbild.
Diagnostische Wertigkeit
Ergänzend kann der Abfall des Bilirubins nach Gabe von Phenobarbital, Glutethimid oder Clofibrat und der Anstieg des Bilirubins beim Fasten diagnostisch für das Gilbert-Meulengracht-Syndrom herangezogen werden.
Literatur
Fromke VL, Miller D (1972) Constitutional hepatic dysfunction (CHD; Gilbert’s disease); a review with special reference to a characteristic increase and prolongation of the hyperbilirubinemic response to nicotinic acid. Medicine 51(6):451–464CrossRefPubMed
Horak J, Pokorna B, Mertl L et al (1989) The nicotinic acid test in the evaluation of unconjugated hyperbilirubinemia. Z Gastroenterol 27:629–632PubMed
Ohkubo H, Musha H, Okuda K (1979) Studies on nicotinic acid interaction with bilirubin metabolism. Dig Dis Sci 24(9):700–704CrossRefPubMed
Röllinghoff W, Paumgartner G, Preisig R (1981) Nicotinic acid test in the diagnosis of Gilbert’s syndrome: correlation with bilirubin clearance. Gut 22:663–668CrossRefPubMedPubMedCentral