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Antibiotika und Antibiotic Stewardship

Verfasst von: Bernd Salzberger, Wulf Schneider-Brachert und Winfried. V. Kern
Antibiotika haben eine Reihe von Therapiemodalitäten der modernen Medizin (z. B. zytoreduktive Chemotherapie von Tumoren, Organtransplantationen) erst möglich und viele andere sicherer gemacht. Ihr Einsatz hat sich in den letzten Jahren stark ausgeweitet, heute werden Antibiotika etwa bei jedem zweiten hospitalisierten Patienten eingesetzt.

Einführung

Antibiotika haben eine Reihe von Therapiemodalitäten der modernen Medizin (z. B. zytoreduktive Chemotherapie von Tumoren, Organtransplantationen) erst möglich und viele andere sicherer gemacht. Ihr Einsatz hat sich in den letzten Jahren stark ausgeweitet, heute werden Antibiotika etwa bei jedem zweiten hospitalisierten Patienten eingesetzt.
Resistenzen gegen Antibiotika sind bei vielen humanpathogenen Bakterien schon länger auf einem hohen Niveau, ESBL-bildende Enterobakterien (ESBL = „extended-spectrum β-lactamases“) haben rasch zugenommen (Abb. 1). Resistenzentwicklung und deren Ausbreitung sind schon seit Beginn der Antibiotikaära immer eng mit dem Einsatz dieser Substanzen verknüpft gewesen, in der Tiermedizin und Tierhaltung wie auch bei behandelten Patienten und in deren Umgebung (Abb. 2). Die Beschleunigung dieser Entwicklung mit der weltweiten Ausbreitung von ESBL-Bildnern hat nun dazu geführt, dass mittlerweile an vielen Orten Bakterienstämme isoliert werden, die nicht mehr durch Antibiotika abzutöten sind.
In den ersten Jahren der Antibiotikatherapie konnten neu aufgetretene Resistenzen jeweils durch Neuentwicklungen von Antibiotika begegnet werden, so zum Beispiel mit β-Laktamase-festen Penicillinen bei Staphylococcus aureus, da hier rasch nach klinischer Einführung des Penicillins zunehmend β-Laktamasen auftraten. Zuletzt aber hat die Antibiotikaforschung mit der Zunahme der Resistenzen nicht mehr Schritt gehalten, sie hinkt der Resistenzentwicklung nach. Damit ist das wichtige Gut Antibiotika in großer Bedrängnis, manche Experten haben bereits den Beginn der „postantibiotischen Ära“ beschworen. In dieser Situation sind dringend zusätzliche Maßnahmen geboten, die dem Trend der Resistenzentwicklung entgegenwirken, um damit die Behandlungsmöglichkeiten in vielen Gebieten der Medizin zu erhalten.
Wenn der Einsatz von Antibiotika so eng mit der Resistenzentwicklung assoziiert ist, muss die Frage gestellt werden, ob der Einsatz von Antibiotika richtig und rational geschieht. Bereits der Vergleich des Einsatzes von Antibiotika in den Ländern der EU zeigt dramatische Unterschiede, die nicht durch geographische oder andere Eigenheiten erklärbar sind. Insgesamt wird geschätzt, dass je nach Region bzw. Nation bis zu 50 % aller Antibiotikagaben von in der Humanmedizin nicht indiziert bzw. notwendig sind. Zusätzlich werden beim Einsatz noch in erheblichem Ausmaß Fehler in der Auswahl der Substanzen, der Dosierung und der Therapiedauer gemacht.
Hier ist ein offensichtliches Potenzial für Verbesserungen vorhanden, das es auszuschöpfen gilt. Aufklärung, Aus- und Fortbildung sind hier allein nicht ausreichend. Prinzipiell sind die Regeln der Therapie schon aus dem Studium bekannt, in vielen Bereichen haben sich jedoch Therapiegewohnheiten herausgebildet, die gerade durch die Erfolge der Antibiotikatherapie und auch durch die gute Verträglichkeit der Substanzen begründet worden sind. Die Schwelle für den Einsatz von Antibiotika ist immer niedriger geworden, ein Beispiel ist die häufige Verordnung bei oberen Atemwegsinfektionen, die nahezu ausschließlich durch Viren verursacht werden. Lange eingeschliffene Gewohnheiten und Verhaltensmustern gilt es hier zu verändern. In der Infektionsmedizin haben sich seit den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts Initiativen gebildet, die für dieses Problem Lösungsstrategien gesucht und entwickelt haben. Der initiale Ansatz war klinisch und sollte individuell die Therapie optimieren: Es sollte das optimale Antibiotikum mit der optimalen Dosierung und Therapiedauer mit den geringsten Nebenwirkungen eingesetzt werden. Rasch wurde klar, dass dies nur erreicht werden konnte, wenn nicht nur die individuelle Therapie, sondern auch Therapiegewohnheiten verbessert werden.
Für diese Strategie hat sich die Bezeichnung Antibiotic Stewardship (ABS) eingebürgert, ein neuer Begriff, der nicht einfach zu übersetzen ist. „Stewardship“ ist abgeleitet von „Steward“ (Hausdiener bzw. Verwalter) und stand zuerst für die verantwortungsvolle Übernahme häuslicher Pflichten. Hier und in Kombination mit dem Antibiotikaeinsatz bezeichnet er die Planung und das Management beim Einsatz dieser Ressourcen, auch mit der Übernahme der Verantwortung für das gesellschaftliche Gut Antibiotika. Klinische, mikrobiologische und pharmakologische Expertise sind notwendig, aber zusätzlich ist der Einsatz von Managementmethoden essenziell. Diese beinhalten beispielsweise die Auswahl und den Einsatz geeigneter Strategien zur Überzeugung und Motivierung der verschreibenden Ärzte, spezifische Interventionen in Kliniken oder Abteilungen, das Monitoring des Erfolgs und die Rückkopplung der Ergebnisse, also Elemente, die deutlich über die eigentliche klinische Tätigkeit hinausgehen.
Mittlerweile sind solche Programme weltweit in vielen Krankenhäusern etabliert und haben wichtige Erfolge erzielt. Weniger etabliert sind bisher Programme in ambulanten Behandlungsstrukturen, prinzipiell sind sie aber dort ebenso anwendbar. Diese Strategie ist gleichfalls übertragbar auf andere Antiinfektiva (z. B. antivirale und antimykotische Substanzen). Dabei sind Antibiotika jedoch die weitaus größte und am häufigsten eingesetzte Substanzgruppe, hier sind auch die Probleme der Resistenzentwicklung am dramatischsten. In einigen Programmen ist diese Erweiterung des Fokus durch die Namensänderung auf Antimicrobial Stewardship verdeutlicht worden. Diese Begriffe werden auch synonym verwendet.
Im Folgenden sollen die Ziele, Kernelemente, Maßnahmen und Methoden, Erfolge und nicht zuletzt die rechtlichen Grundlagen dieser Programme und damit dieser Methode zum rationalen Einsatz von Antibiotika dargestellt werden. Prinzipiell gelten diese Überlegungen auch für andere Antiinfektiva (antivirale, antimykotische und antiparasitäre Medikamente).

Ziele und Kernelemente von ABS-Programmen

Die klaren Ziele von Antibiotic-Stewardship-Programmen (ABS-Programme) sind die Optimierung der Antibiotikatherapie für einzelne Patienten, Optimierung des klinischen Outcomes und die Verringerung der lokalen Resistenzraten. Die Verbindung der individuellen Therapieoptimierung mit der Entwicklung von Resistenzraten impliziert, dass eine Reduktion des Einsatzes von Antibiotika auf das indizierte Maß umgesetzt wird, also eine rational begründete Optimierung der Therapie. Allerdings ist die Reduktion nicht Ziel an sich, sie wird jedoch in den meisten Interventionsprogrammen erreicht.
Die Kernelemente von ABS-Programmen sind auf den Grundlagen erfolgreicher Initiativen entwickelt worden und am prägnantesten in den Empfehlungen der Centers of Disease Control and Prevention (CDC) zusammengefasst (Tab. 1).
Tab. 1
Kernelemente eines Antibiotic-Stewardship-Programms (CDC 2014)
Kernelement (Original)
Erläuterung
Leadership Commitment
Unterstützung der Krankenhausleitung
Accountability
Verantwortung für das Programm ist fest definiert und liegt beispielsweise bei einem Spezialisten für Infektionsmedizin
Drug Expertise
Einbeziehung eines spezialisierten Pharmazeuten/Apothekers, zum Beispiel als stellvertretender Leiter
Action
Implementierung mindestens einer Intervention, zum Beispiel Monitoring und Beratung zum rechtzeitigen Absetzen von Antibiotika
Tracking
Monitoring des Antibiotikaeinsatzes und der Resistenzentwicklung
Reporting
Rückmeldung der Verbrauchs- und Resistenzdaten an Ärzte, Pflegepersonal und Klinikleitung
Education
Regelmäßige Fortbildung bezüglich Antibiotikaresistenz und adäquaten Antibiotikaeinsatz
Die Unterstützung der Klinikleitung ist wichtig für die Legitimation und Akzeptanz des Programms und sichert die Bereitstellung der notwendigen Ressourcen (vor allem Personal). In den anderen Kernelementen werden Verantwortung, Leitungsfunktionen, Surveillance von Antibiotikaverbrauch und Resistenzentwicklung, Interventionen, deren Rückkopplung und Fortbildungsmaßnahmen benannt. Die Verantwortung für das Programm wird an Spezialdisziplinen geknüpft, hier Infektiologie und Pharmakologie. Diese Zuschreibung ist prinzipiell dem amerikanischen Gesundheits- bzw. Krankenhaussystem zuzuschreiben: Klinische Infektiologen sind dort in allen Krankenhäusern der tertiären Versorgungsstufe vorhanden, auch sind klinisch tätige Krankenhausapotheker regelhaft in die direkte Patientenversorgung integriert. In Ländern, in denen diese Berufsgruppen wenig ausgeprägt sind bzw. andere Funktionen ausüben, werden auch andere Disziplinen genannt. In Deutschland sind die wichtigsten Berufsgruppen für die Beteiligung an ABS-Programmen Infektiologen, Krankenhausapotheker, Medizinische Mikrobiologen und Krankenhaushygieniker. Nach Möglichkeit sollten alle diese Berufsgruppen integriert werden, gerade die interdisziplinäre Arbeit ist sinnvoll und erfolgversprechend.

Maßnahmen, Methoden und Werkzeuge in ABS-Programmen

Einige Einzelmaßnahmen sind in vielen Programmen integriert und sollen hier kurz (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) dargestellt werden.

Erarbeitung und Einsatz lokaler Leitlinien

Die Befolgung von evidenzbasierten Leitlinien verbessert bei einer Reihe von Erkrankungen das Behandlungsergebnis. Dies gilt auch für Infektionen, beispielsweise bei der Behandlung von Pneumonien und Bakteriämien mit S. aureus. Deshalb wird in vielen Programmen angestrebt, den Einsatz solcher Leitlinien zu verbessern. Bei Leitlinien zur Antibiotikatherapie muss in der Regel auch die lokale Resistenzsituation beachtet werden. Dies gibt die Gelegenheit, Leitlinien lokal anzupassen und zu spezifizieren. Hiermit ergeben sich Synergien: Sowohl die Formulierung lokaler Leitlinien für Diagnostik und Therapie wie auch deren bessere Anwendung haben viele positive Effekte, unter anderem auf die ärztliche Fortbildung und auch auf eine Teambildung in der betreffenden Einrichtung.

Restriktion von Antibiotika

Eine Restriktion von spezifischen Antibiotika, zum Beispiel von Reservesubstanzen (Glykopeptide, Oxazolidinone, Lipopeptide, Tigecyclin u. a.), ist in den meisten Programmen integriert. Sie soll den unnötigen Einsatz von Breitspektrum- und Reserveantibiotika reduzieren und damit die Resistenzentwicklung gegen diese Substanzen bremsen. Ihr Einsatz wird manchmal kritisch als Einschränkung der Therapiefreiheit angesehen und muss organisatorisch gut umgesetzt werden. Die Therapiesicherheit muss beispielsweise durch initialen nicht restriktiven Einsatz in Einheiten mit hoher Resistenzrate gesichert werden, eine zeitnahe Überprüfung kann dann ggf. zur Revision des Einsatzes genutzt werden.

Einschränkung der Dauer der perioperativen Prophylaxe

Die Dauer der Antibiotikatherapie ist für viele Syndrome nicht exakt definiert, wohl aber für die chirurgische perioperative Prophylaxe. Verlängerungen von Prophylaxen sind in der Regel nicht mit besserer Wirksamkeit, aber mit höheren Nebenwirkungsraten verknüpft. Die Optimierung der chirurgischen präoperativen Prophylaxe ist ein klassischer Aspekt in ABS-Programmen. Für eine gute Adhärenz zu adäquatem Absetzen bzw. Wiederholung von prophylaktischen Dosen müssen Analysen über „Fehler“ in der Prophylaxe erstellt werden und enge Rückkopplung mit dem Operationsteam erfolgen.

Optimierung der Dosis nach patientenspezifischen Faktoren

Eine zu niedrige Dosierung führt zur verminderten Wirkung, eine zu hohe Dosierung zu vermehrten Nebenwirkungen von Antibiotika, wie dies bei den meisten anderen Pharmaka der Fall ist. Für die Optimierung müssen patientenspezifische Faktoren (Alter, Gewicht und Organfunktion), Erregereigenschaften (z. B. minimale Hemmkonzentration, MHK) und auch die Schwere der Infektion einbezogen werden. Gerade bei schweren Infektionen sind initial beispielsweise Veränderungen des Verteilungsvolumens häufig, eine Anpassung der Initialdosis wäre dann sinnvoll oder gar notwendig. Die MHK von bestimmten Erregern kann eine Erhöhung der Dosierung bzw. eine Verlängerung der Infusionsdauer zur Verbesserung der Pharmakodynamik sinnvoll machen.
Nieren- und Leberfunktionen können bereits initial beeinträchtigt sein oder sich aber gerade bei schweren Infektionen im Verlauf ändern. Hier muss eine adäquate Reaktion auf Veränderungen dieser Parameter erfolgen. Die Optimierung der Dosierung nach der Organfunktion und pharmakokinetischen Prinzipien ist dabei auf zeitnahe Spiegelbestimmungen der wichtigsten Antibiotika und den Einsatz von pharmakokinetischen Modellrechnungen angewiesen und erfordert infektiologisches und pharmakologisches Spezialwissen. Für die Etablierung ist deshalb ein hoher personeller und struktureller Aufwand notwendig.

Einsatz von Qualitätsindikatoren zur Bewertung und Rückkopplung

Das Erfassen und die Rückkopplung von Daten zur Erreichung der Ziele an die beteiligten Kliniker und die Klinikleitung sind ein wichtiger Teil jedes Programms und dienen der Erfolgskontrolle. Daten zum Verbrauch bzw. zur Verschreibungsdichte von Antibiotika oder auch von Antibiotikaklassen sind ein wichtiges Instrument, ebenso die Aufzeichnung der aktuellen Resistenzentwicklung.
Allerdings ist die Reduktion des Verbrauchs nicht das primäre Ziel, und die Qualität des Einsatzes ist nicht direkt mit dem Verbrauch zu korrelieren. Die Entwicklung der Resistenzraten ist dagegen eine eher langsame Entwicklung und als schnelle Erfolgskontrolle oder -orientierung nicht gut geeignet. Deshalb sind Qualitätsindikatoren für ABS-Programme als Surrogatmarker für das schwer zu messende Ziel einer adäquaten Antibiotikatherapie entwickelt worden.
Ein Qualitätsindikator muss valide sein, das heißt gut mit dem eigentlichen Zielparameter korrelieren. Zusätzlich muss er gut und zuverlässig messbar sein, er muss Verbesserungspotenzial beinhalten und auch für einen Vergleich zwischen verschiedenen Programmen (Benchmarking) dienen können. Gerade die Messbarkeit im klinischen Alltag und das mögliche Verbesserungspotenzial sind wichtige Kriterien für die Auswahl, da die Faktoren bereits zwischen verschiedenen Kliniken stark variieren können. Sie müssen deshalb auch lokal angepasst werden: In den Niederlanden war beispielsweise in einer Studie der Qualitätsindikator vorhandener Leitlinien nicht einsetzbar – lokale Leitlinien waren überall vorhanden, sodass sich also kein Verbesserungspotenzial ergibt.
Prozessbezogene Qualitätsindikatoren müssen in der Regel für spezifische Interventionen (z. B. Pneumonie oder Harnwegsinfektion) eigens ausgewählt werden, es gibt bisher keine gut extern validierten, „generischen“, prozessorientierten Qualitätsindikatoren, die auf alle Infektionen anwendbar sind. Sowohl in der deutschen S3-Leitlinie zu Antibiotic Stewardship wie auch in einer Kooperation der ECDC und der CDC sind Beispiele für Qualitätsindikatoren aufgeführt (Tab. 2).
Tab. 2
Beispiele für Qualitätsindikatoren für ABS-Programme nach der deutschen S3-Leitlinie. (Nach: de With et al. 2013)
Indikatoren
Beispiele
Strukturelle Indikatoren
Multidisziplinäres ABS-Team, von der Krankenhausleitung berufen und beauftragt, geleitet von einem Infektiologen (bzw. geschulten ABS-Experten) und Krankenhausapotheker
Hausinterne Vorgaben zur Präanalytik (inkl. Rückweisungskriterien) für mikrobiologische Proben
Indikatoren zu Antibiotika/Antiinfektiva Surveillance
Antiinfektivaverbrauchszahlen (in DDD, RDD oder PDD pro 100 Pflegetage und/oder Fall) mindestens jährlich für mehrere Abteilungen/Abteilungsgruppen (abteilungsbezogen und/oder konservative versus operative Abteilungsgruppen und/oder Normal- versus Intensivstationen) gesamt und für die wichtigsten Antibiotikaklassen
Sonstige Resistenzraten und zugehörige Inzidenzzahlen (klinische Isolate) mindestens jährlich klinikweit oder für mindestens eine Abteilung
Inzidenzzahlen für C.-difficile-assoziierte Diarrhö mindestens jährlich für mehrere Abteilungen/Abteilungsgruppen (abteilungsbezogen und/oder Normal- versus Intensivstationen)
Prozessorientierte Indikatoren
• Abnahme von Blutkulturen (2 Sets) am Tag des Beginns der Antibiotikatherapie
• Therapiedauer nicht länger als 7 Tage (Patienten auf Normalstation)
Bei Bakteriämie/Fungämie:
Transösophageale Echokardiographie innerhalb von 10 Tagen nach erster positiver Blutkultur (Patienten mit Bakteriämie/Sepsis durch S. aureus, Streptokokken, (nicht nosokomiale) Enterokokken, HACEK)
• Kontrollblutkulturen Tag 4–7 nach Abnahme der ersten, später positiv gewordenen Blutkultur (Patienten mit S.-aureus-Bakteriämie/Sepsis und Patienten mit Fungämie)
Bei Harnwegsinfektion:
• Vorliegen einer positiven Urinkultur (signifikante Bakteriurie, keine Mischflora)
• Therapiedauer nicht länger als 10 Tage (Pyelonephritis, Patienten auf Normalstation)
DDD, defined daily doses; PDD, prescribed daily doses; RDD, recommended daily doses

Ergebnisse von ABS-Maßnahmen und Programmen

Antibiotic-Stewardship-Programme müssen sich an ihren Ergebnissen messen lassen. Die Auswirkungen dieser Strategie sind in einer Reihe von Publikationen dargestellt, allerdings in der überwiegenden Mehrzahl als Vergleich der Perioden vor und nach Intervention oder in methodisch schwer zu beurteilenden Zeitreihenanalysen.
Eine Übersichtsarbeit der Cochrane Collaboration (Davey et al. 2013) und eine jüngere Übersichtsarbeit (Karanika et al. 2016) haben qualitativ höhere Interventionsstudien selektiert und bewertet. Die Cochrane-Übersichtsarbeit schließt 89 Studien mit insgesamt 95 einzelnen Interventionen ein, darunter 20 randomisierte Studien. Insgesamt zeigen die Studien übereinstimmend deutliche Effekte in der Reduktion des Einsatzes von Antibiotika bei gleichzeitig besserem klinischen Ergebnis (geringfügig niedrigere Mortalität). Allerdings beinhalten diese Studien auch einen möglichen Bias, sodass die Evidenz vor allem für das klinische Outcome (Mortalität) als niedrig bis mäßig eingestuft wird.
Nahezu einhellig positive Ergebnisse sind auch zu Infektionen bzw. Kolonisationen mit C. difficile, resistenten gramnegativen und grampositiven Bakterien zu finden. Zusammenfassend können diese Reduktionen nicht einfach bewertet werden, da in den Studien unterschiedliche Untersuchungszeitpunkte und -methoden angewandt wurden. Für die meisten Zielparameter waren die Effekte günstiger, wenn die Interventionen restriktiven Charakter hatten, also nicht rein edukativ waren.
Die spätere Metaanalyse wurde explizit auf den Effekt von Antibiotic-Stewardship-Programmen auf den Antibiotikaeinsatz ausgerichtet. Hier zeigte sich bei 26 Studien eine Reduktion des Einsatzes um 19 %, auf Intensivstationen sogar um 39 %.
Insgesamt stellt sich damit in den Analysen von methodisch höherwertigen Studien der angestrebte Effekt dieser Interventionen eindeutig als positiv dar (Tab. 3). Es zeigt sich vor allem auch, dass die Reduktion des Antibiotikaeinsatzes nicht mit einer höheren Mortalität assoziiert ist, also ohne Gefahr für die Patientensicherheit
Tab. 3
Wirksamkeit von ABS-Programmen und spezifischen Interventionen zur Verbesserung des Antibiotikaeinsatzes (nach Davey et al. 2013)
Intervention/Zielparameter
Zahl der Studien (N)
Ergebnis
Evidenzgrad
Reduktion des Einsatzes von Antibiotika nach Einführung von ABS-Programmen
Insgesamt
26
19 % Reduktion (signifikant)
Mäßig
Restriktiv eingesetzte Antibiotika
9
27 % Reduktion (signifikant)
Mäßig
Antibiotika auf Intensivstation
5
39 % Reduktion (signifikant)
Mäßig
Intervention zur besseren Adhärenz mit Leilinien bei Pneumonie
Mortalität
4
0,89 (signifikant reduziert)
Mäßig
Interventionen zur Reduktion von exzessivem Antibiotikaeinsatz
Mortalität
11
0,92 (nicht signifikant)
Mäßig
Aufenthaltsdauer
4
4 % Reduktion (nicht signifikant)
Sehr niedrig
Rate von Wiederaufnahmen
5
1,26 (signifikant erhöht)
Sehr niedrig
Infektionen/Kolonisierung mit C. difficile
5
Deutliche Reduktion, aufgrund Methodik keine zusammenfassende Effektschätzung
Niedrig
Infektion/Kolonisation mit gramnegativen resistenten Bakterien
10
s. oben, Ausnahme Antibiotikacycling-Strategie
Niedrig
Infektion/Kolonisation mit grampositiven Erregern
7
s. oben
Niedrig
erreicht werden kann.

Rechtliche Grundlagen, Empfehlungen und Leitlinien

Bisher gibt es keine rechtliche Verpflichtung zum Einsatz von Antibiotic-Stewardship-Programmen. Auch die Empfehlungen der CDC, dass jedes Krankenhaus ein Antibiotic-Stewardship-Programm implementieren soll, sind nicht rechtlich bindend. In der Regel muss ärztliche Tätigkeit am aktuellen Stand der Wissenschaft orientiert sein und damit haben Leitlinien in der Medizin zunehmend Bedeutung in juristischen Auseinandersetzungen. Dies gilt nicht unmittelbar oder in gleichem Maß für Leitlinien, die die Organisationebene betreffen, wie Leitlinien zum Antibiotic Stewardship.
Verpflichtend ist mittlerweile jedoch die Erfassung von Daten zum Verbrauch von Antibiotika und zur Resistenzentwicklung bei spezifischen Erregern in Krankenhäusern und Einrichtungen für ambulante Operationen. Diese Verpflichtung ist im Infektionsschutzgesetz (§ 23 Abs. 4) verankert. Auf der Ebene der Länder wird diese Aufgabe beispielsweise in Baden-Württemberg und Bayern von der Hygienekommissionen übernommen (§ 4 Abs. 3 Nr. 6 bzw. § 4 Abs. 3 Nr. 3 der entsprechenden medizinischen Hygieneverordnung). Art und Umfang dieser Aufzeichnungen gibt das Robert Koch-Institut vor (IfSG § 4 Abs. 2). Damit ist eine wichtige Grundlage gelegt, auf der Antibiotic-Stewardship-Programme aufbauen können, gleichzeitig ist der Zusammenhang zwischen Krankenhaushygiene und potenziellen Antibiotic-Stewardship-Programmen vorformuliert. Konsequent wäre eine Weiterentwicklung der Hygienekommissionen mit fester Beteiligung von Infektiologen und Pharmazeuten, um die Surveillance-Daten zum Antibiotikaeinsatz besser zu interpretieren und Interventionen gemeinsam zu gestalten.
Die CDC hat in den USA empfohlen, diese Programme in allen Krankenhäusern zu etablieren. Für Deutschland ist eine solche Empfehlung nicht von entsprechender Stelle vorhanden: In der DART 2020 wird vor allem der Surveillance von Antibiotikaeinsatz und -resistenzen breiter Raum gegeben, Antibiotic Stewardship wird als wichtiges Feld der ärztlichen Aus-, Weiter- und Fortbildung ohne klare Empfehlung für den Einsatz aufgeführt (BMEL/BMBF 2015).
International existiert mittlerweile eine Reihe von Leitlinien zur Etablierung und Durchführung von Antibiotic-Stewardship-Programmen. In den USA hat die Infectious Diseases Society of America (IDSA) bereits die zweite Version ihrer Leitlinie publiziert, in Europa existieren derzeit Leitlinien in Deutschland, Frankreich, Irland, den Niederlanden, Spanien und UK. In Deutschland wurde erstmalig 2014 unter der Federführung der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie eine S3-Leitlinie herausgegeben, die die aktuelle Evidenz in Empfehlungen für den Aufbau und die Durchführung solcher Programme fasst (de With et al. 2013). Die europäische Gesundheitsbehörde ECDC und die CDC in den USA haben in einer transatlantischen Kooperation gemeinsame Kriterien für solche Programme festgelegt (CDC/ECDC 2015). Die Kriterien entsprechen in weiten Teilen den strukturellen bzw. prozeduralen Qualitätsindikatoren der Tab. 2.

Ressourcen für ABS-Programme

Die notwendigen Ressourcen für den Aufbau und die Durchführung von ABS-Programmen sind nicht einfach zu definieren. Der Aufwand ist direkt verknüpft mit den spezifischen Aufgaben und muss so für spezifische Programme aufgrund der Struktur (Visiten auf Intensiv- und anderen Stationen, Messung und Bewertung von Resistenz- und Verbrauchsdaten, Rückkopplung und Fortbildung) spezifisch für unterschiedliche Krankenhäuser definiert werden. Notwendig sind Ärzte und Apotheker mit Expertise in der Behandlung von Infektionskrankheiten, Pharmakologie und Qualitätsmanagement. Zusätzlich müssen Informationen zu Antibiotikaeinsatz und -resistenz verfügbar gemacht werden (IT-Ressourcen) und ggf. auch Assistenzpersonal.
In der deutschen S3-Leitlinie findet sich auch eine Abschätzung der notwendigen personellen Ressourcen: eine Vollzeitstelle für einen akademischen Mitarbeiter für jeweils 350 Krankenhausbetten. Ähnlich wie in der amerikanischen Leitlinie wird für die Leitung ein klinischer Infektiologe vorgeschlagen. Allerdings kann der Personalbedarf nach Versorgungsgrad auch variieren, Schätzungen aus französischen Studien kommen auf einen Bedarf von 3 Vollzeitstellen für 500 Krankenhausbetten in Krankenhäusern der Maximalversorgung mit vielen hochspezialisierten Fachabteilungen.
Derzeit ist sicher das größte Problem die Verfügbarkeit entsprechender akademischer Fachkräfte. In vielen Krankenhäusern vor allem der Grundversorgung wird dies der größte Engpass noch vor der Zuordnung finanzieller Ressourcen beim Aufbau solcher Programme sein.

Zusammenfassung

Eine Fokussierung der Verwendung von Antibiotika in der Humanmedizin auf den rationalen Einsatz ist wichtig zur Verlangsamung der Entwicklung von Antibiotikaresistenzen und damit auch zum Erhalt der Wirksamkeit von Antibiotika. Antibiotic-Stewardship-Programme haben sich für dieses Ziel als wirksame und sinnvolle Plattformen erwiesen.
Antibiotic-Stewardship-Programme kombinieren klinische Interventionen mit klassischen Managementmethoden. Sie benötigen dafür die klare Unterstützung der Klinikleitung, ausreichende Ressourcen, klinische, pharmakologische und mikrobiologische Expertise und führen gezielte Interventionen in verschiedenen Bereichen (Stationen, Intensivstationen, Operationssälen, Ambulanzen) aus. Die Ergebnisse werden den Beteiligten zeitnah zurückgespiegelt, zusätzlich findet regelmäßige Fortbildung statt. Qualitätsindikatoren sind dabei wichtige Werkzeuge in der Beurteilung von Interventionen und müssen angepasst auf die Infrastruktur eingesetzt werden.
Die Erfahrungen mit solchen Programmen sind in vielen wissenschaftlichen Beiträgen dokumentiert. Auch wenn qualitativ hochwertige (vor allem randomisierte) Studien zur Evaluation einzelner Maßnahmen noch rar sind, ist die kumulative Evidenz überzeugend. Diese ist auch in nationalen und internationalen Leitlinien gut dokumentiert und bewertet.
Der Aufbau und die Einrichtung von interdisziplinären ABS-Programmen ist so eine wichtige Maßnahme zur Verbesserung der Qualität der Antibiotikatherapie und damit der Behandlungsqualität insgesamt. Ihr offensichtlicher Erfolg hat die CDC dazu veranlasst, die Einrichtung von ABS-Programmen in den USA für alle Krankenhäuser zu empfehlen. Dort sind sie auch rasch im Zertifikationsprozess ein wichtiges Kriterium geworden. Solche Empfehlungen liegen in Europa bisher nur in den Niederlanden, in den meisten anderen Ländern (Deutschland eingeschlossen) jedoch noch nicht vor. Allerdings sind Teile der ABS-Strategie (die Surveillance von Antibiotikaresistenz und Antibiotikaeinsatz) für Krankenhäuser in Deutschland im Infektionsschutzgesetz verankert.
Antibiotikaresistenzen existieren jedoch nicht isoliert in der Humanmedizin, Resistenzen entstehen auch in der Veterinärmedizin und Resistenzgene können zwischen Spezies bei Menschen, Tieren und in der Umgebung ausgetauscht werden (Abb. 2). Nur mit politischem Willen und gemeinsamem Handeln von Human-, Veterinärmedizin und anderen Disziplinen kann diesem Problem adäquat begegnet werden („one health initiative“).
Literatur
Antibiotikaresistenz, Antibiotikaentwicklung, Antibiotic-Stewardship-Programme
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WHO-Webresourcen zur Antibiotika-Resistenz mit Global Action Plan: http://​www.​who.​int/​topics/​antimicrobial_​resistance/​en/​. Zugegriffen am 06.06.2017