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Uroonkologie
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Publiziert am: 29.09.2022

Lebensqualität in der Uroonkologie

Verfasst von: Beate Bestmann und Thomas Küchler
Lebensqualität (LQ) ist nach der Überlebenszeit das wichtigste Behandlungsziel für Krebspatienten. Dies gilt von der Diagnosestellung an für den gesamten Krankheits- und Behandlungsverlauf. Für Patienten mit nicht malignen bzw. nicht lebensbedrohlichen Erkrankungen sind Lebensqualität oder spezifische Aspekte davon zum Teil sogar primäre Therapieziele.

Einleitung

Lebensqualität (LQ) ist nach der Überlebenszeit das wichtigste Behandlungsziel für Krebspatienten. Dies gilt von der Diagnosestellung an für den gesamten Krankheits- und Behandlungsverlauf. Für Patienten mit nicht malignen bzw. nicht lebensbedrohlichen Erkrankungen sind Lebensqualität oder spezifische Aspekte davon zum Teil sogar primäre Therapieziele. Dass gesundheitsbezogene Lebensqualität keineswegs ein „weicher“ Parameter ist, sondern mit wissenschaftlichen Methoden zuverlässig messbar, schlägt sich auch in nationalen und internationalen Guidelines (z. B. IQWiG-Methodenpapier, FDA Guidance for Industry -Patient-Reported Outcomes Measures). Auch in S3-Leitlinien hat die systematische Erfassung der Lebensqualität Einzug gefunden. Es lassen sich so Auswirkungen von Krankheit und Therapie systematisch darstellen und vergleichen. Dies gilt insbesondere für die Uroonkologie, aber auch für das Gesamtgebiet „Urologie“. Aus den bisherigen 30 Jahren der Erfahrung der Lebensqualitätsmessung ist abzuleiten, dass dies von Patienten keineswegs als Belastung („Noch mehr Diagnostik“), sondern als ein Teil der Humanisierung in der onkologischen Behandlung erlebt wird („Endlich interessiert sich jemand mal dafür, wie es mir geht, nicht nur meinem Tumor“). Im Bereich wissenschaftlicher Studien in der Onkologie stellt die systematisch erfasste Lebensqualität – entweder als primärer oder sekundärer Endpunkt – zusammen mit der Überlebenszeit das wesentlichste Prüfkriterium dar. In der tagtäglichen klinischen Praxis ist die Verbesserung der Lebensqualität genuines Ziel aller medizinischen Bemühungen, und in allen Prozessen, die im weitesten Sinne dem Managed-care-Konzept zuzuordnen sind, ist Lebensqualität ein wichtiger Parameter des Qualitätsmanagements.
Mit dieser kurzen Einleitung ist ein sehr weites Feld umrissen, das gleichzeitig aber aufgrund seiner Vielseitigkeit eine Tendenz zur Unübersichtlichkeit hat. Im nachfolgenden Beitrag werden daher zunächst das Konstrukt „Lebensqualität“ insgesamt betrachtet, die heute gültigen Messmethoden zusammengefasst, organbezogene Lebensqualitätsstudien (-ergebnisse) vorgestellt und Empfehlungen für die Uroonkologie in Bezug auf Lebensqualitätsfragen ausgesprochen.
Dies geschieht in klarer Abgrenzung zu jenem inflationär/schlagwortartigen Gebrauch des Begriffes „Lebensqualität“, wie er sich vor allem in der Pharmawerbung in den letzten Jahren eingebürgert hat.

Das Lebensqualitätskonzept

Lebensqualität ist wenigstens ein philosophischer, ein politischer, ein ökonomischer, ein sozialwissenschaftlicher und neuerdings eben auch ein medizinischer Begriff. Je nach Perspektive geraten unterschiedliche Aspekte von Lebensqualität in den Blick. So ist z. B. aus rein philosophischer Sicht das allgemeine Verständnis von Lebensqualität direkt von Platon und Aristoteles bis Kant in den Grundlagen gut nachvollziehbar und verweist letztlich auf den „richtig“ handelnden Menschen.
Das Lebensqualitätskonzept in der Medizin kommt deutlich bescheidener daher: Es nimmt (scheinbar) ausschließlich die gesundheitsbezogene Lebensqualität in den Blick und hat daher – sinnvollerweise – vor allem an behandlungsrelevanten Aspekten Interesse. Entsprechend standen in den letzten ca. 30 Jahren vor allem die Entwicklung von Messinstrumenten und die damit verbundenen Probleme im Vordergrund. Es mag überraschen, dass diese Entwicklung durchaus ohne eine Definition (bzw. mit Hunderten von Definitionen) von Lebensqualität auskam. Da jedoch gleichzeitig eine weitgehende (und weltweite) Einigkeit bezüglich der wesentlichen Bereiche von Lebensqualität („domains“) bestand und weiterhin besteht (nämlich eine psychische, eine körperliche und eine soziale Dimension, beginnend mit der Konsensuskonferenz „Lebensqualität in der Onkologie“ 1990 bis zur akademisch breit aufgestellten IQWIK – Symposium 2013), lässt sich diese praxisorientierte Entwicklung auch akademisch/wissenschaftlich rechtfertigen. Weitgehende Einigkeit besteht darin, dass Lebensqualität – in Anlehnung an die WHO-Definition von Gesundheit,- als multidimensionales Konzept verstanden wird.
Dem interessierten Leser sei zur Vertiefung z. B. der Vergleich der Konzepte von Küchler (1989) und Spilker (1996) empfohlen. Es ist an dieser Stelle jedoch auch auf eine Gefahr, die jedem Pragmatismus innewohnt, hinzuweisen: Dem Lebensqualitätskonzept könnte bald ein ähnliches Bonmot zuteilwerden wie dem Intelligenzkonzept in den 1960er-Jahren: „Lebensqualität ist das, was Lebensqualitätsfragebögen messen!“ Anders ausgedrückt: Waren in den 80er-Jahren die Publikationen zum Thema überwiegend theoretisch/ konzeptionell, so steht seitdem die Empirie im Vordergrund. Diese wünschenswerte Entwicklung darf jedoch nicht den Blick darauf verstellen, dass auch für langfristige, Jahrzehnte währende Prozesse der PDCA-Zyklus der Qualitätssicherung gilt, d. h. die konzeptuelle Grundlage der entwickelten Tools ist immer wieder neu zu überprüfen.

Lebensqualität in der Uroonkologie

Auch im Bereich der Uroonkologie hat die Untersuchung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität mehr und mehr Bedeutung gewonnen. Sie ist mittlerweile ein etabliertes Beurteilungskriterium von diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen. In der S3-Leitlinie „Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur Früherkennung, Diagnose und Therapie der verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms“ (Version 5.0 – April 2018) findet sich ein Kapitel (8), das die wichtigsten Aspekte der Lebensqualitätserfassung skizziert. In anderen wesentlichen Leitlinien wird das Lebensqualitätsthema ebenfalls thematisiert. Hier soll der Stand der Dinge in der Uroonkologie, bezogen auf Lebensqualitätsmessung (Instrumentenentwicklung) und Lebensqualitätsforschung bezogen auf das Prostatakarzinom, das Harnblasenkarzinom, das Nierenzellkarzinom und das Hodenkarzinom aktualisiert werden.
Die wachsende Bedeutung der Lebensqualität auch für Zulassungs- und Kostenerstattungsentscheidungen schlägt sich auch nationalen und internationalen Methodenpapieren, z. B. dem IQWiG-Methodenpapier (IQWiG 2011) oder dem EMEA „Reflection Paper on Health Related Quality of Life“ (EMEA 2005) nieder und ist heute als outcome – Parameter unstrittig.

Instrumente zur Erfassung der Lebensqualität

Bevor die wichtigsten, international gebräuchlichen Instrumente zur Erfassung der Lebensqualität dargestellt werden, ist auf eine Selbstverständlichkeit hinzuweisen, die sich im Lichte der vorliegenden Literatur nicht immer als ganz selbstverständlich erweist: Es gibt nicht den einen, richtigen Lebensqualitätsfragebogen, die Auswahl eines klinischen Untersuchungsinstrumentes ist in erster Linie abhängig von der zu beantwortenden Fragestellung! Anders ausgedrückt: in dem Maße, in dem Lebensqualitätserhebungen „en vogue“ kamen, war dies nicht immer auch mit echten Fragestellungen verbunden, sondern „Lebensqualität“ wurde teilweise einfach der Vollständigkeit halber mit ins Studienprotokoll aufgenommen. Daher ist zu fordern, dass bei Einbeziehung von Lebensqualitätsparametern eine genuine Fragestellung und ein entsprechendes Studiendesign vorliegen. Hierbei lassen sich zwei grundsätzlich unterschiedliche Fragestellungen benennen:
  • Lebensqualität stellt dann den primären Endpunkt einer Studie dar, wenn keine signifikanten Überlebenszeitunterschiede zu erwarten sind. Dies gilt in der Regel bei palliativen Ansätzen, ebenso dann, wenn die zu prüfende Therapie vor allem auf Befindlichkeits- (auch Verträglichkeits-) Optimierung zielt.
    Entsprechend lautet die generelle Fragestellung in diesem Bereich: Welche Aspekte der Lebensqualität werden durch die zu prüfende Therapie beeinflusst?
  • Sind hingegen Überlebenszeitunterschiede zu erwarten oder sind definierte Funktionsparameter Zielkriterien, kann Lebensqualität als sekundärer Endpunkt in die Studie aufgenommen werden.
    Die grundsätzliche Fragestellung bezieht sich dann auf die Relation von Überlebenszeit zu Lebensqualität (bzw. Funktionsverbesserung/Lebensqualität). Die – eigentlich selbstverständliche – Benennung expliziter Fragestellungen mit Lebensqualität als primärem bzw. sekundärem Endpunkt fehlt noch immer in vielen wissenschaftlichen Veröffentlichungen.
Dies ist nicht nur ein wichtiges Qualitätskriterium bei der Bewertung von Lebensqualitätsstudien (vgl. Efficace et al. 2003), sondern spielt auch bei Fallzahlüberlegungen eine zentrale Rolle. Die Fallzahlberechnung ist unter anderem abhängig vom primären Endpunkt und richtet sich nach der statistischen Power (1-β-Fehler), mit der die Hauptfragestellung beantwortet werden soll. Für den Fall dass Lebensqualität den sekundären Endpunkt darstellt und aufgrund der Inzidenz einer Tumorerkrankung die Gefahr besteht, eine zu niedrige Power zu erreichen, ist zu empfehlen, entweder die Lebensqualitätsuntersuchung ganz wegzulassen (viel Arbeit für alle Beteiligten, keine interpretierbaren Ergebnisse!) oder ein multizentrisches Studiendesign anzustreben.
Die Übersicht fasst diese grundsätzlichen Fragestellungen zusammen.
Fragestellung/Hypothesen: Relation Überlebenszeit/Lebensqualität
  • Lebensqualität als primärer Endpunkt, wenn keine Überlebenszeitunterschiede zu erwarten sind. Fragestellung/Hypothesen: Welche Aspekte der Lebensqualität werden durch die zu prüfende Therapie beeinflusst?
  • Lebensqualität als sekundärer Endpunkt, wenn Überlebenszeit oder definierte Funktionsparameter Zielkriterien sind.

Reliables und valides Lebensqualitätsmessinstrument

Voraussetzung für die zuverlässige Erfassung der Lebensqualität ist die Verwendung eines geeigneten Messinstrumentes. Hierbei ist zu betonen, dass es keinen Goldstandard, also nicht „den einen“ Fragebogen zur Messung der Lebensqualität gibt. Die Auswahl des geeigneten Fragebogens ist immer von der jeweiligen zu untersuchenden Fragestellung abhängig. Nichtsdestotrotz herrscht in der Onkologie weitgehend Konsens über bestimmte Minimalanforderungen an einen geeigneten Lebensqualitätsfragebogen. Er sollte:
  • tumorspezifisch sein,
  • in der Regel vom Patienten selbst auszufüllen sein,
  • multidimensional sein, d. h. somatische, psychische und soziale Dimensionen der Lebensqualität erfassen,
  • vorwiegend aus Skalen und weniger aus Einzelitems bestehen,
  • ausreichende psychometrische Eigenschaften (vor allem Reliabilität, Validität und Sensitivität) besitzen,
  • möglichst kurz sein, in der Regel maximal 10–15 min Ausfüllzeit,
  • kulturell übergreifend anwendbar sein.
Ohne an dieser Stelle detailliert auf die Geschichte der Lebensqualitätsforschung eingehen zu wollen, sind doch zwei Aspekte hervorzuheben:
  • Ungefähr 1985 hat die Entwicklung von reliablen Instrumenten zur Erfassung der Lebensqualität begonnen; Ziel war es (z. B. in der EORTC Studygroup on Quality of Life), zu international vergleichbaren, also kulturell übergreifenden Instrumenten zu kommen, die gleichzeitig multidimensional und trotzdem patientenfreundlich, also kurz und verständlich sein sollten. Dieses Ziel ist heute erreicht.
  • Nahezu alle heute verwendeten Instrumente fokussieren die subjektiv erlebte Lebensqualität, werden also von den Patienten selbst ausgefüllt. Die grundlegenden methodischen Probleme, die mit einem solchen Ansatz verbunden sind, können ebenfalls heute als gelöst angesehen werden, auch wenn die methodische Entwicklung in diesem Bereich keineswegs abgeschlossen ist.
Die genannten Voraussetzungen werden von einer ganzen Reihe von Instrumenten erfüllt, wobei drei Lebensqualitätsfragebögen im Zusammenhang mit onkologischen Studien hervorzuheben sind:
Es sind dies der EORTC QLQ-C30 (Aaronson et al. 1993), der SF-36 (Short Form 36, Ware Jr und Sherbourne 1992 bzw. für die deutsche Übersetzung und Testung Monika Bullinger 1995) sowie der FACT (Functional Assessment of Cancer Therapy, David Cella et al. 1993). Diese drei Fragebögen sind nicht nur allgemein in der Onkologie, sondern auch speziell in der Uroonkologie die Fragebögen, die häufigsten eingesetzt werden. In größtmöglicher Kürze lassen sich diese Instrumente wie folgt charakterisieren:
Der EORTC QLQ-C30 stellt derzeit das Standardinstrument in Europa dar. Er liegt in standardisierter Übersetzung in derzeit mehr als 100 Sprachen vor und wurde in mehr als 5000 Studien eingesetzt. Er besteht aus einem Kernfragebogen (30 Fragen), der für alle Tumorentitäten gültig ist, und wird ergänzt durch diagnose- und/oder behandlungsspezifische Module (Anzahl der Fragen variiert). Im Bereich der Uro(onko)logie steht für Studien bisher allerdings lediglich ein begrenzter Fundus an spezifischen Modulen zur Verfügung. Alle Schritte der Validierung durchlaufen hat nur das Prostatamodul (PR-25). Weitere deutschsprachige Module befinden sich derzeit in verschiedenen Stadien der Entwicklung bzw. psychometrischer Überprüfung. für die Bereiche Harnblasen- (QLQ-BLM30 Muscle Invasive Bladder Cancer, QLQ-NMIBC24 Non-Muscle-Invasive Bladder Cancer) sowie Hodenkarzinom (QLQ-TC26 Testicular Cancer). Darüber hinaus werden spezifische Module angeboten, die speziell auf die eingesetzte Therapie abzielen (z. B. High Dose Chemotherapy) oder die ausführlich Nebenwirkungen bestimmter Therapien abbilden (Radiation Proctitis). Der aktuelle Stand des Validierungs-Prozesses dieser Module findet sich unter www.eortc.be/qol/questionnaires_modules.htm.
Der FACT stellt derzeit das Standardinstrument im amerikanischen Sprachraum dar. Der Aufbau ist vergleichbar mit dem EORTC QLQ-C30. Auch wenn die in der ersten Version stark kulturell verankerte Itemselektion (Beispiel:Could you walk one block?, eine Maßeinheit, die jeder Amerikaner, aber kaum ein Europäer zuverlässig einschätzen kann) inzwischen „internationalsiert“ wurde, bleibt die Anwendung in europäischen Studien eher die zweitbeste Möglichkeit. Zwar bietet der FACT den Vorteil der größten Sammlung spezifischer Module, deren Reliabilität allerdings für den deutschen Sprachraum nur teilweise getestet worden ist.
Der SF-36 wurde für Gesunde und für Patienten entwickelt, d. h. er ist ein sogenannter generischer Fragebogen, der diagnoseübergreifend eingesetzt werden kann. Er bietet den Vorteil von Normwerten für verschiedene Populationen, wobei darauf hinzuweisen ist, dass der nahe liegende Vergleich der Lebensqualität von z. B. Gesunden mit den Ergebnissen onkologischer Populationen aufgrund der radikal veränderten Bewertung von Lebensqualitätsaspekten bei Tumorpatienten grundsätzlich problematisch bleibt. Abb. 1 fasst den Stand der Instrumentenentwicklung zusammen.

Lebensqualität unter der Behandlung eines Prostatakarzinoms

Die Zahl der Neuerkrankungen an Prostatakrebs lag im Jahr 2014 bei rund 57.400 Fällen. Die altersstandardisierte Erkrankungsrate ist nach einem Anstieg über fast zwei Jahrzehnte seit 2003 weitgehend konstant und seit 2011 sogar deutlich rückläufig. Eine ähnliche Entwicklung ist in vielen anderen westlichen Industrienationen zu beobachten und dürfte auf eine lange Zeit steigende, zuletzt aber wohl eher zurückgehende Nutzung des PSA­Tests (prostataspezifisches Antigen) als Früherkennungsuntersuchung zurückzuführen sein. Im Gegensatz zur Erkrankungsrate hat sich die altersstandardisierte Sterberate bis zum Jahr 2007 kontinuierlich verringert und verläuft seitdem annähernd stabil. (RKI 2006)
Bei einem klinisch lokal begrenzten Prostatakarzinom werden mit kurativem Therapieansatz operativ durch die radikale Prostatektomie sowie konservativ durch die Strahlentherapie unterschiedliche Therapiemodalitäten angeboten. Betrachtet man als Endpunkt lediglich die Überlebensraten, so zeigten retrospektive Untersuchungen für die operativen bzw. konservativen Therapieansätze beim lokal begrenzten Prostatakarzinom vergleichbare Ergebnisse (Middleton et al. 1995). Bis dato standen jedoch Daten zu den Überlebensraten und den unterschiedlichen therapiebedingten Komplikationen lediglich aus retrospektiven Analysen zur Verfügung. Ferner beziehen sich die operativen Ergebnisse meist auf pathologische Stadien, während die Strahlentherapiedaten auf klinischen Stadieneinteilungen beruhen. Mehrere Autoren verglichen die posttherapeutische Lebensqualität bei bestrahlten und operierten Patienten lediglich retrospektiv, d. h. ein Vergleich mit einer prätherapeutischen Baseline existiert derzeit nicht. Diese Studien berichten übereinstimmend von höheren Raten an Harninkontinenz bei radikal prostatektomierten Patienten, während Irritationen der Harnblasen- und Darmfunktion häufiger bei bestrahlten Patienten dokumentiert worden sind (Davis et al. 2001; McCammon et al. 1999; Krupski et al. 2000). Litwin et al. (1999) beschreiben aus einer Auswertung der longitudinalen Datenbank CaPSURE eine Verbesserung der Sexualfunktion in allen Therapiegruppen im ersten Jahr nach abgeschlossener Therapie, jedoch im zweiten Jahr wieder eine Verschlechterung.
Fulmer et al. fassten in einer prospektiven Studie verschiedene Bestrahlungsregimes als ein Kollektiv zusammen und verglichen dies mit den Subkollektiven uni- oder bilateral nerv-erhaltend operierter Patienten unter Berücksichtigung einer erhobenen Baseline. Die Arbeitsgruppe konnte zeigen, dass nach initial schlechteren Werten auf dem „Sexual Function Score“ operierte Patienten nach 18 Monaten sich auf das Niveau bestrahlter Patienten verbesserten. Daten über einen längeren Beobachtungszeitraum stehen derzeit noch nicht zur Verfügung (Fulmer et al. 2001).
In Deutschland wurden vom „Referenzzentrum Lebensqualität in der Onkologie“ (gefördert durch die Deutsche Krebshilfe e. V.) fünf retrospektive Studien zu einem relativ großen (n = 1185) Patientenkollektiv zusammengefasst und mit Hilfe einer empirischen Metaanalyse evaluiert. Dabei konnte die Darstellung erster Ergebnisse zur Lebensqualität von Patienten mit einem Prostatakarzinom auch zwischen verschiedenen Behandlungsformen differenzieren. Die klinischen Ergebnisse dieser Metaanalyse lassen sich wie folgt zusammenfassen: Insgesamt unterscheiden sich die Therapieoptionen wenig hinsichtlich des postoperativen Verlaufes der Lebensqualität. Die relativ schlechteren Ergebnisse der primären Strahlentherapie sind in dieser Studie wohl eher dem behandelten Kollektiv als dem Verfahren zuzuschreiben. Bemerkenswerterweise hat bei Unterscheidung in niedriges TNM-Stadium (T1–T2, N0, M0) und hohes TNM-Stadium (T3–T4, N1, M0/MX) dieses nur einen numerisch geringen Einfluss auf die subjektive Lebensqualität. Der PSA-Wert hat – bei grober Unterscheidung in hoch/niedrig – kaum Einfluss auf die postoperative Lebensqualität mit Ausnahme der Skala „Schlaflosigkeit“ (= Beunruhigung?).
Am deutlichsten sind Effekte einer adjuvanten Hormontherapie auf die Lebensqualität nachweisbar: diejenigen Patienten, bei denen eine adjuvante Hormontherapie durchgeführt wurde (n = 135), weisen in den Funktionsskalen statistisch und tendenziell auch klinisch signifikante Mittelwertsunterschiede (im Sinne von Verschlechterung) in den Bereichen „role functioning“, „social functioning“ und „global health“ auf. Bei den Symptomskalen finden sich ebenso höhere Mittelwerte für die Patienten mit adjuvanter Hormontherapie. Statistisch signifikant sind die Mittelwertsunterschiede der Skalen „constipation“ und „financial difficulties“. Auf den Modulskalen zeigen sich statistisch signifikante Unterschiede auf den Skalen „Miktionsstörungen“, „Inkontinenz“, „Erektionsstörung“, „Probleme mit der Sexualität“, „Hitze“ und „psychische Belastung“ (p < 0,05). Die Unterschiede bei „Inkontinenz“, „Probleme mit der Sexualität“ und „Hitze“ sind klinisch signifikant.
Pardo et al. verglichen prospektiv die Lebensqualität von Patienten mit externer Bestrahlung, Brachytherapie und radikaler Prostatektomie mit dem SF-36 und dem Expanded Prostate Cancer Index Composite (EPIC) Fragebogen. Hier zeigten sich in der Prostatektomie-Gruppe höhere Einschränkungen im Bereich Inkontinenz und sexuelle Funktion im Vergleich zur Brachytherapie-Gruppe. Die Patienten mit externer Bestrahlung berichten signifikant höhere Einschränkungen im Bereich Darmsymptomatik (Pardo et al. 2010).
Bemerkenswert sind die Ergebnisse der 2017 publizierten HAROW-Studie (Herden et al. 2016, www.harow.de), auch und gerade weil sie kontrovers diskutiert werden: hier wurden unter Versorgungsforschungsaspekten bei fast 3000 Patienten mit lokal begrenztem Prostatakarzinom und einer Laufzeit von fünf Jahren die Lebensqualität dieser Patienten untersucht. Neben den „üblichen“ Verfahren Strahlentherapie, Operation und Hormontherapie, die bekanntermaßen deutliche Einschränkungen der Lebensqualität mit sich bringen, werden hier auch schonendere Verfahren wie „Active Surveillance“ und „Watchful Waiting“ betrachtet. Insgesamt stellte sich die Lebensqualität in diesem speziellen Kollektiv überraschend positiv dar, sodass sich die Autoren klar für eine Stärkung dieser Therapieoption in der Versorgung des Niedrigrisiko – Patienten aussprechen. Indirekt lässt sich aus der HAROW – Studie auch schließen, dass die Nebenwirkungen der konventionellen Therapien in ihren Auswirkungen auf die Lebensqualität von den behandelnden Ärzten anders bewertet werden als von den Patienten selbst. Zu vergleichbaren Ergebnissen kommen Sparano et al. 2019.

Krankheitsspezifische Messinstrumente zum Messen der Lebensqualität bei Patienten mit Prostata Karzinom

In den USA stehen mit dem University of California, Los Angeles Prostate Cancer Index (UCLA PCI, Litwin et al. 1998) und dem Prostate Cancer Specific Quality of Life Instrument (PROSQOLI, Stockler et al. 1999) zwei validierte Fragebögen für Patienten mit einem Prostatakarzinom zur Verfügung.In Europa kommen gegenwärtig die prostataspezifischen Module QLQ-PR25 (Aaronson et al., EORTC) sowie speziell für den deutschsprachigen Raum das prostataspezifische Modul von Bestmann et al. unter Studienbedingungen zum Einsatz. Diese Module sind nach den Richtlinien (Guidelines for Developing Questionnaire Modules) der EORTC Quality of Life Study Group konzipiert worden (www.EORCT.be). Die Dimensionen Miktionsbeschwerden und sexuelle Funktionsfähigkeit zeigen gute bis zufriedenstellende psychometrische Eigenschaften (Cronbachs Alpha = 0,70−0,86), die Skalen Darmfunktion und Nebenwirkungen der Hormontherapie sollten vorsichtig interpretiert werden, da die Reliabilität hier begrenzt ist (<0,70, vgl. van Andel et al. 2008).
Das prostataspezifische Modul von Bestmann et al. fragt die Komponenten Miktionsstörungen, Inkontinenz, Erektionsstörungen, Durchfall, Probleme mit der Sexualität, Probleme in der Partnerschaft, Schmerz, Hitze, Ernährungsprobleme und psychische Belastung ab und zeigte gute bis zufriedenstellende psychometrische Eigenschaften (Cronbachs Alpha > 0,70, vgl. Bestmann et al. 2006). Mit diesem validierten Instrument ist es möglich, besonders die Einflüsse unterschiedlicher Therapien und ihrer Komplikationsprofile auf die individuelle Lebensqualität aussagekräftig abzubilden.
Ein als Goldstandard akzeptiertes Zusatzmodul für die Erfassung der Lebensqualität unter oder nach der Behandlung eines Prostatakarzinoms existiert derzeit nicht. Neuere Entwicklungen versuchen, entweder kürzere Fragebögen zu entwickeln, die einen teilweisen Verlust an sowohl Messgüte als auch an Detailinformation zugunsten von Praktikabilität in Kauf nehmen (z. B. Lebeau et al. 2005), oder es wird – gegenteilig – versucht, über ausführlichere Fragebögen mehr Details zu spezifischen Aspekten der jeweiligen Krankheit/Behandlung zu evaluieren.

Lebensqualität unter der Behandlung eines Nierenzellkarzinoms

Das mittlere Erkrankungsalter liegt für Männer bei 67 Jahren und für Frauen bei 72 Jahren. Die Prognose des Nierenkarzinoms ist vergleichsweise günstig, das relative 5 ­Jahres-­Überleben liegt bei 77 % für Männer und Frauen. Etwa drei Viertel aller Tumoren werden in relativ frühen Stadien (T1 und T2) diagnostiziert. Durch den breiten Einsatz moderner bildgebender Verfahren werden Nierenzellkarzinome zunehmend schon in frühen Stadien diagnostiziert. Bei Männern und Frauen machen die frühen Stadien einen Anteil von ca. 74 % aus. Dementsprechend seltener sind Nierenzellkarzinome zum Zeitpunkt der Diagnosestellung bereits metastasiert. Die durchschnittliche relative 5-Jahres-Überlebensrate für Nierenkrebs liegt für Männer und Frauen bei 75 % (RKI 2006).
Der kurative Therapieansatz besteht in einer radikalen Nephrektomie, neo- oder adjuvante Therapien können die Prognose derzeit nicht wesentlich verbessern (vgl. Preiß et al. 2004).
Beim metastasierten Nierenzellkarzinom gab es bis ca. 2000 keine allgemein akzeptierte Therapie (Boeckmann und Jackse 2001), für die neueren Therapien (Interferon-α/Vinblastin) gibt es bisher keine Ergebnisse zur Lebensqualität. Die Ausprägung und Art der Symptomatik werden im Wesentlichen von der Tumorausdehnung bestimmt. Die klassischen Leitsymptome wie Hämaturie, Flankenschmerz und tastbarer Tumor (klassische Trias) finden sich nur bei einem kleinen Prozentanteil der Patienten und vorwiegend in lokal fortgeschrittenen Stadien (Rossi et al. 2018).

Krankheitsspezifische Messinstrumente zum Messen der Lebensqualität bei Patienten mit Nierenzellkarzinom

Auch wenn sich der Stand der Forschung über die gesundheitsbezogene Lebensqualität von Patienten mit Nierenzellkarzinom in den letzten Jahren ein wenig verbessert hat, gibt es immer noch wenig gesicherte Erkenntnisse. Der am häufigsten verwendete Fragebogen ist der Functional Assessment of Cancer Therapy – Kidney Cancer Symptom Index (FKSI). Es handelt sich hierbei also um ein Modul des FACT, der im amerikanischen Raum sehr verbreitet ist. In Ermangelung validierter diagnose-spezifischer Fragebögen finden sich darüber hinaus Publikationen mit dem FACT-Kernfragebogen (ohne Nierenspezifisches Modul), dem EORTC QLQ-C30 Kernfragebogen und dem SF-36 sowie vereinzelt dem EQ-5D. In aussagekräftiger Fallzahl wurde die Lebensqualität entweder in Validierungsstudien oder als sekundäres Zielkriterium im Rahmen von Zulassungsstudien für Cytokine oder Multi-Kinase-Inhibitoren bei Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzimom untersucht (z. B. Negrier et al. 2007), Herrmann et al. (2010) konnten zeigen, dass sich das rezidivfreie Überleben anhand von Lebensqualitätsdaten zur Baseline (d. h. vor Beginn der Therapie) vorhersagen lässt.
Rossi et al. (2018) kommen nach einem systematischen Literatur – review zu dem Schluss, dass Patienten mit einem lokal begrenzten Nierenzell Karzinom heute eine gute bis sehr gute Therapieergebnisse erwarten können und sehen eine klare Tendenz „towards maximizing health-related quality of life“. Gleichzeitig stellen die Autoren fest, dass die methodische Heterogenität der einbezogenen Studien belastbare Vergleiche und damit Empfehlungen schwierig macht. Auch un diesem Bereich sehen sie die Notwendigkeit der (Weiter-) Entwicklung von validierten Nierenzell – Karzinom – spezifischen Lebensqualitätsinstrumenten.

Lebensqualität unter der Behandlung eines Harnblasenkarzinoms

Die Therapie des Harnblasenkarzinoms erfolgt in Abhängigkeit von Risikogruppen, Alter und Begleiterkrankungen sowie Wünschen der Patienten. Sofern möglich, wird versucht eine nervschonende Behandlung durchzuführen, um möglichst geringe Einschränkungen der Patienten in den Bereichen Inkontinenz und sexuelle Funktion zu erreichen.
Smith et al berichten eine signifikante Verschlechterung aller Lebensqualitätsbereiche bei Blasenkrebspatienten, insbesondere bei Patienten mit muskelinvasivem Krebs im Vergleich zu einer Kontrollgruppe, weisen aber ausdrücklich darauf hin, dass die bis dato verfügbaren Methoden „to better understand and address HRQoL these decrements“ unzureichend sind.
Diese Ergebnisse bestätigen ein systematisches review von Gopalakrishna et al. 2016, die „the limited evidence around lifestyle factors and quality of life in bladder cancer survivors“ betonen.

Krankheitsspezifische Messinstrumente zum Messen der Lebensqualität bei Patienten mit Harnblasenkarzinom

Zur Untersuchung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität sind derzeit verschiedene Fragebogenmodule (als diagnosespezifische Ergänzung zum EORTC QLQ-C30-Kernfrage-bogen) in Vorbereitung. Von der EORTC werden derzeit zwei Blasenmodule (QLQ-BLS24 für oberflächliche Blasentumoren bzw. QLQ-BLM30 für muskelinvasive Blasentumoren) weiterentwickelt. Beide Module beschreiben die Dimensionen „Miktion“, „Darmfunktion“ und „Sexualfunktion“. Das QLQ-BLM30 enthält darüber hinaus die Aspekte „Auswirkungen eines Urostomas“, „Notwendigkeit der Katheterisierung“ sowie „body image“ (EORTC Genitourinary Group, www.eortc.be/gugroup). Beide Module haben bisher Phase 3 (von insgesamt 4) durchlaufen, sodass eine abschließende Validierung noch aussteht.

Lebensqualität unter der Behandlung eines Hodentumors

Mit 3.970 Neuerkrankungen im Jahr 2008 gehört Hodenkrebs zu den selteneren Krebsarten. Der Inzidenzgipfel für Hodenkrebs liegt in der Altersgruppe der 25- bis 45-Jährigen, in der er der häufigste bösartige Tumor ist. Mit einem mittleren Erkrankungsalter von unter 38 Jahren und einer relativen 5-Jahres-Überlebensrate von 96 % gehört das Hodenkarzinom zu den prognostisch günstigsten Tumorerkrankungen (RKI 2006). Insgesamt lässt sich in Deutschland ein Anstieg der altersstandardisierten Inzidenz bei gleichzeitiger abnehmender Mortalität beobachten. Die Behandlung besteht in der Regel – in Abhängigkeit von Histologie und klinischem Stadium – aus einer Kombination von Orchiektomie, Radio- und Chemotherapie. Auch wenn davon ausgegangen wird, dass die einseitige Orchiektomie keinen Einfluss auf die Potenz hat, ist zumindest temporär mit therapieassoziierten Nebenwirkungen wie z. B. Einschränkungen in der Fertilität zu rechnen. Hinzu kommen „typische“ Komplikationen der Radiatio bzw. Chemotherapie wie Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö etc. In einem Review fanden Fossa et al. heraus, dass die Betroffenen gerade in der frühen Phase der Erkrankung unter einer sehr hohen psychischen Belastung leiden (Fosså et al. 2009). Die Lebensqualität von Langzeitüberlebenden ist mit nur geringen Einschränkungen (Nebenwirkungen der Chemotherapie) vergleichbar mit der gesunden Referenzpopulation. Die Daten zur Suizidalität in dieser Patientengruppe sind uneinheitlich, weisen aber auf die Notwendigkeit psychosozialer Nachsorge hin.

Krankheitsspezifische Messinstrumente zum Messen der Lebensqualität bei Patienten mit Hodenkarzinom

Die Darstellung eines Standes der Forschung ist schwierig, da Studien zur Lebensqualität von Patienten mit Hodenkarzinomen – nicht zuletzt aufgrund der geringen Inzidenz – (vgl. Robert Koch Institut 2018) rar sind. Es finden sich vor allem einarmige Kohortenstudien, bei denen generische (diagnoseübergreifend einsetzbare) Fragebögen wie der EORTC QLQ-C30 oder der SF-36 eingesetzt wurden. In einem Literatur-Review für die Jahre 1980–2003 konnten Fleer und Mitarbeiter 26 Studien identifizieren, die methodische Mindeststandards erfüllten (Fleer et al. 2004). Diese 26 Studien unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Qualität teilweise jedoch sehr stark. So ist im überwiegenden Teil der Untersuchungen das Studiendesign retrospektiv oder als Querschnittsstudie angelegt, lediglich zwei (!) Studien (Tamburini et al. 1989; Fossa et al. 2003) untersuchen die Lebensqualität prospektiv. Die Fallzahlen variieren innerhalb der 26 Studien zwischen n = 11 und n = 666. In etwa der Hälfte der Studien wurden Fragebögen verwendet, die entweder selbst entwickelt wurden oder für die keine Angaben zu psychometrischen Eigenschaften vorliegen.
Lediglich in einer Studie (Fossa et al. 2003) kam ein modularer Ansatz (EORTC QLQ-C30 Kernfragebogen + diagnosespezifisches Zusatzmodul TC26) zum Einsatz. Das Modul TC26 hat die EORTC-Modulentwicklungs-Phase 3 abgeschlossen und kann in Studien bereits eingesetzt werden, die internationale Validierung (Phase 4) ist jedoch noch nicht abgeschlossen (vgl. http://groups.eortc.be/qol/qolg_projects.htm#testicular). Im Langzeitverlauf zeigt sich bei Patienten mit Hodenkarzinom eine vergleichbare Lebensqualität wie bei Befragten in der Referenzpopulation (Fossa et al. 2009). In einer systematischen Literaturrecherche fand sich nur eine einzige Studie, die hohe wissenschaftliche Evidenz (RCT) mit etablierten Lebensqualitätsinstrumenten verbindet (Grimison et al. 2010. Die in dieser Studie eingesetzten Fragebögen sind jedoch entweder nicht abschließend validiert (GLQ-8) beziehungsweise entsprechen nicht mehr dem aktuellen „State of the Art“ der Lebensqualitätsforschung. In Deutschland untersuchten Fegg et al. (2003) in einer historischen Kohorte das subjektive Befinden von n = 474 Patienten mit Hodenkarzinomen anhand des QLS („Questions on Life Satisfaction“, Henrich und Herschbach 2000) sowie zweier selbstentwickelter diagnose-spezifischer Fragebögen, über deren psychometrische Eigenschaften keine Informationen gegeben werden. Abschließend lässt sich also festhalten, dass es – zumindest im deutschsprachigen Raum – kein geeignetes und abschließend validiertes Fragebogeninstrument zur Messung der spezifischen gesundheitsbezogenen Lebensqualität für Patienten mit Hodenkarzinomen gibt. Auch an dieser Stelle ist auf die ständig laufende Aktualisierung in der EORTC hinzuweisen..

Ausblick

Nicht nur in Hinblick auf die demografische Entwicklung deutet sich an, dass die Zahl der Lebensqualitätsstudien in der Uroonkologie weiter zunehmen wird. Dies umso mehr, als auch die Industrie das Thema zunehmend für sich entdeckt. Umso wichtiger ist, dass der hohe wissenschaftliche Standard aufrechterhalten wird. Denn nur so sind die Ergebnisse auch interpretierbar.
Für das Prostatakarzinom, teilweise auch für das Hodenkarzinom liegt bereits ein Fundus an „Lebensqualitätswissen“ vor, auf dem sich aufbauen lässt. Für das Nierenzellkarzinom und insbesondere das Blasenkarzinom wird dies in den nächsten Jahren geschehen. Es wird weiterhin darum gehen, Lebensqualitätsdaten nicht nur mit Mortalitäts- und Morbiditätsdaten zu verbinden, sondern diese Daten auch mit ökonomischen Daten zu verknüpfen. Weiterhin wird es darum gehen, Langzeitüberlebende und deren gesundheitsbezogene Lebensqualität stärker in den Blick zu nehmen (Dahl et al. 2005).
Am wichtigsten wird es jedoch sein, Lebensqualitätsmessungen in die Evaluation neuerer Therapieverfahren zu integrieren, sei es bei chirurgischen (neue/modifizierte Techniken), onkologischen (neue Substanzen/ Dosierungen), radiologischen (z. B. Protonentherapie) oder kombinierten (neo-)adjuvanten Therapieschemata. Denn nur auf diese Weise wird sich nachhaltig zeigen lassen, dass die Uroonkologie nicht nur einen Beitrag zur Kostensteigerung im Gesundheitswesen, sondern vor allem einen messbaren Beitrag zu einem echten Fortschritt bei Patienten mit potenziell lebensbedrohenden urologischen Erkrankungen leistet.
Literatur
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