Erschienen in:
13.01.2017 | Nicht epileptische Anfälle | Leitthema
Hypothesen zur Genese dissoziativer Anfälle anhand der Anfallsschilderungen
verfasst von:
J. Opp, B. Frank-Job
Erschienen in:
Clinical Epileptology
|
Ausgabe 1/2017
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Zusammenfassung
In „The Borderland of Epilepsy“ sind dissoziative Anfälle die Anfallsform, die am häufigsten als Epilepsie verkannt wird. Neben vielen klinischen und psychiatrischen Charakteristika zeichnen sich dissoziative Anfälle auch durch die besondere Art aus, in der Patienten über diese Anfälle berichten. Für die vorliegende Arbeit untersuchen wir sprachwissenschaftlich die Anfallsschilderungen von sieben Jugendlichen mit dissoziativen Anfällen mit dem Ziel, Hypothesen zur Pathogenese dieser Erkrankung zu formulieren. Es zeigt sich, dass das wesentliche Merkmal der Schilderungen ist, dass das subjektive Anfallserleben weggeblendet wird. Die genaue Analyse all der Dinge, die zum Anfall berichtet werden, zeigt, dass die Patienten alles Mögliche schildern, aber nicht das Anfallserleben selbst, sie versuchen auch nicht, den Beginn des Anfalls zu rekonstruieren, wie Epilepsiepatienten dies typischerweise tun. Dort, wo sie durch die Fragen des Arztes gedrängt werden, doch mehr zum Anfall sagen, sind es oft globale Aussagen („ich kipp einfach immer um“), die nicht ausdifferenziert werden, oder die Patienten berichten v. a. von äußeren Umständen und nutzen Vermeidungsstrategien, um das Anfallsgeschehen selbst nicht schildern zu müssen. Häufig kommen dabei holistische Negationen in Bezug auf das Anfallsgeschehen zum Einsatz („ich war nicht da“).
Die herausgearbeiteten Merkmale in der Schilderung dissoziativer Anfälle können im Alltag gut genutzt werden, um anhand der Patientenberichte epileptische von dissoziativen Anfällen zu unterscheiden.