Lernziele
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sind Ihnen die aktuellen Methoden der humangenetischen Diagnostik und deren Anwendungsbereiche bekannt,
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kennen Sie die Besonderheiten der molekulargenetischen Abklärung bei augenärztlichen Fragestellungen,
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wissen Sie, bei welchen ophthalmologischen Krankheitsbildern eine humangenetische Abklärung indiziert ist,
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sind Sie darüber informiert, für welche hereditären Augenerkrankungen personalisierte Therapien bzw. zumindest Therapieansätze bestehen.
Einleitung
Humangenetische Diagnostikmethoden
Einzelgenanalyse
Panelanalyse
Exomanalysen
Genomanalysen
Weitere humangenetische Diagnostikmethoden
Besonderheiten bei der Diagnostik genetischer Augenerkrankungen
Intronische Varianten
Schwer zu analysierende Bereiche
Was bringt Genetik? – Stellenwert der humangenetischen Abklärung
Sichere Diagnose und Ursachenklärung
Sichere Abgrenzung einer isolierten gegenüber einer syndromalen Erkrankung
Visusprognosen
Therapeutische Optionen
Ausgewählte Krankheitsbilder und Leitbefunde
Kongenitales Glaukom und Vorderkammerdysgenesien
Kongenitale Katarakt
Linsenluxation
Differenzialdiagnose hohe Myopie
Hereditäre Netzhautdystrophien
Hereditäre Optikusatrophien
OPA1 | LHON | DNAJC30 | OPA3 | TMEM126A | WFS1 | |
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Erbgang | Autosomal-dominant | Maternal | Autosomal-rezessiv | Autosomal-dominant | Autosomal-rezessiv | Autosomal-dominant |
Manifestationsalter | Kindheit | Junges Erwachsenenalter ♂ ≫ ♀ | Junges Erwachsenenalter ♂ > ♀ | Späte Kindheit | Kindheit | Kindheit bis Erwachsenenalter |
Klinik | Langsam progredient, Tritanomalie | Plötzlicher Visusabfall, Beginn häufig unilateral | Plötzlicher Visusabfall, Beginn häufig unilateral | Ggf. zusätzlich Katarakt | Sehr früh manifest, mit deutlicher Progredienz | Sehr variabel |
Visusverlust | Meist moderat (bis subklinisch) | Sehr ausgeprägt | Sehr ausgeprägt | Moderat bis ausgeprägt | Sehr ausgeprägt | Variabel |
Mögliche extraokuläre Befunde | Bei ca. 20 % der Patienten neurologische Auffälligkeiten (z. B. Ataxie, Neuropathie) | Evtl. leichte neurologische Auffälligkeiten; MS-ähnliche Symptomatik | Nicht bekannt | In höherem Lebensalter leichte neurologische Auffälligkeiten möglich | Subklinische Schwerhörigkeit | Fakultativ Schwerhörigkeit; gestörte Glukosetoleranz; Verhaltensauffälligkeiten |
Differenzialdiagnose kongenitaler Nystagmus
Erkrankung | Involvierte Gene (häufige Ursachen) | Klinische Auffälligkeiten | Individuelle Besonderheiten |
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Ophthalmologische Krankheitsbilder | |||
Achromatopsie | CNGA3, CNGB3, ATF6, GNAT2, PDE6C, PDE6H | Photophobie, Zentralskotom, gestörtes Farbsehen, Hyperopie | Gentherapiestudien für CNGA3 und CNGB3 |
Lebersche kongenitale Amaurose (LCA) und früh manifeste schwere Netzhautdystrophie (EOSRD) | CEP290, CRB1, RDH12, RPE65, RPGRIP1, SPATA7, LCA5, AIPL1 | Nystagmus, reduzierte Fixation, okulodigitales Zeichen, Lichthunger, Nachtblindheit, „erloschenes ERG“ | (Gen‑)Therapie bei RPE65-assoziierter Erkrankung |
PAX6-assoziierte Erkrankung | PAX6 | Hypoplasie der Iris, Foveahypoplasie, Katarakt, Keratopathie | Nicht zwangsläufig manifeste Aniridie, isolierte Foveahypoplasie möglich |
Kongenitale stationäre Nachtblindheit (CSNB) | CACNA1F, NYX | Nachtblindheit, Myopie, Farbsehen und Fundus unauffällig | – |
Okulärer und okulokutaner Albinismus | GPR143, TYR, OCA2, LYST, SLC24A5, SLC45A2, TYRP1, C10orf11, LRMDA | Helle bis fehlende Iris‑/Funduspigmentierung, zum Teil reduzierte Pigmentierung Haut und Haare; Fehlkreuzung Sehnervenfasern | Haut- und Irisbefunde können sehr subtil sein, insbesondere bei Vorliegen des komplexen TYR-Allels |
Syndromale Erkrankungen | |||
Pelizaeus-Merzbacher-Syndrom | PLP1 | Hypotonie, Entwicklungsverzögerung, progrediente Spastik im Verlauf | – |
Joubert-Syndrom | AHI1, CPLAE1, CC2D2A, CEP290, CSPP1, INPP5E, KIAA0586, MKS1, NPHP1, RPGRIP1L, TCTN2, TMEM67, TMEM216 | Hypotonie, Entwicklungsverzögerung, Nierenzysten, Kleinhirnhypoplasie, Atemauffälligkeiten | „Molar tooth sign“ in der MRT |
Rechtliche Grundlagen humangenetischer Diagnostik
Fazit für die Praxis
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Humangenetische Untersuchungen sind in der Routinediagnostik angekommen.
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Bei Patienten mit Verdacht auf eine hereditäre bzw. monogene Augenerkrankung sollte eine humangenetische Untersuchung aufgrund der erheblichen Konsequenzen für die Patienten frühzeitig initiiert werden. Dies kann entweder durch den betreuenden Augenarzt erfolgen, alternativ kann eine Vorstellung der Patienten in einer humangenetischen Sprechstunde erfolgen.
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Praxen und Institute, die eine humangenetische Sprechstunde und Diagnostik anbieten, können über die Deutsche Gesellschaft für Humangenetik e. V. (www.gfhev.de) sowie den Berufsverband deutscher Humangenetiker e. V. (www.bvdh.de) abgefragt werden.