Erschienen in:
07.12.2020 | Gonadendysgenesie | Leitthema
Varianten der Geschlechtsentwicklung bei 46,XY-Frauen mit dem Risiko der malignen Entartung
Gonadoblastomlocus auf dem Y-Chromosom (GBY)
verfasst von:
Prof. Dr. rer. nat. P. H. Vogt, J. Zimmer
Erschienen in:
Gynäkologische Endokrinologie
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Ausgabe 1/2021
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Zusammenfassung
Frauen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung haben das Risiko einer malignen Entartung der Keimzellen in ihren dysgenetischen Gonaden, wenn diese ein Y‑Chromosom enthalten. Vermutliche Ursache ist die unkontrollierte Expression der 3 Y‑Gene DDX3Y, TSPY und UTY im Gonadoblastom-Y(GBY)-Locus. Ihre Funktion in der männlichen Keimbahn ist die Kontrolle der Proliferation fetaler und prämeiotischer Spermatogonien. Gonadoblastomzellen entstehen aus Keimzellen, wenn eine Veränderung in der geschlechtsspezifischen Gonadenentwicklung bereits sehr früh in der Entwicklung eines 46,XY-Embryos stattgefunden hat und dessen fetale, eigentlich männliche Keimzellen von Granulosazellen – spezifisch für die weiblichen Gonaden – umgeben sind. Eine 2. klinische Entität mit Varianten der Geschlechtsentwicklung findet sich bei Frauen mit 46,XY-Chromosomensatz und einer kompletten, oder partiellen Störung der Bindung von Testosteron und Dihydrotestosteron an den Androgenrezeptor durch Exonmutationen („Complete/Partial Androgen Insensitivity syndrome“ [CAIS/PAIS]). Histologisch sind in diesen Fällen die aberranten männlichen Keimzellen von Sertoli-Zellen umgeben. Die beiden Patientengruppen unterscheiden sich deutlich in ihrem Risiko einer malignen Entartung der aberranten Keimzellen; nur bei kompletter Gonadendysgenesie ist es hoch (22–66 %). Bei CAIS-Patienten ist es vor der Pubertät relativ niedrig (2–4 %). Zur Abschätzung des Risikos einer Tumorentwicklung ist neben der Diagnostik des GBY-Locus die immunhistochemische Diagnostik von OCT3/4 zu empfehlen. Eine nichtinvasive Risikoabschätzung bezüglich der malignen Entartung der Keimzellen durch Expressionsanalysen spezifischer Mikro-RNA-Populationen in einer Blutprobe könnte eine diagnostische Gonadenbiopsie in Zukunft überflüssig machen.