Erschienen in:
02.02.2016 | Rezension
Günther Feuerstein, Thomas Schramme (Hrsg) (2015) Ethik der Psyche. Normative Fragen im Umgang mit psychischer Abweichung
Campus Verlag, Frankfurt am Main, 519 Seiten, 39,90 €, ISBN 978-3-593-50190-1
verfasst von:
Prof. Dr. Theda Rehbock
Erschienen in:
Ethik in der Medizin
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Ausgabe 2/2016
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Auszug
Der Titel des Buches wie der AEM-Jahrestagung 2012, deren Ergebnisse hier dokumentiert werden, macht neugierig. Es ist von Psyche statt von Psychiatrie, von Abweichung statt von Krankheit oder Störung die Rede. Die dahinter stehende Absicht wird so erläutert, dass eine „Ethik der Psyche“ „nicht nur im medizinischen Sinne auf das Fehlfunktionieren des Geistes fokussiert, also auf das angestammte Gebiet der Psychiatrie“ (Einleitung, S. 12), sondern grundlegender frage, wie „das Psychische“ beschaffen bzw. theoretisch zu fassen sei. Der erste Beitrag des bekannten Psychiaters und Psychiatriekritikers Klaus Dörner zeigt, wie sehr diese philosophische Grundfrage von praktisch-ethischer Relevanz ist. Die Eigenart des Psychischen bestehe darin, als eine vom Körperlichen unabhängige Realität schwer oder gar nicht fassbar zu sein. Daraus werde der verfehlte Schluss gezogen, psychische Auffälligkeiten oder Störungen als somatische Krankheiten zu verstehen, damit die Psychiatrie zu medikalisieren und ihre philosophischen Wurzeln zu vergessen. Das Resultat sei ein „psychiatrisches Versorgungssystem“, das den psychisch Kranken institutionell ausgrenze und der herrschenden Norm medizinischer Leidbefreiung unterwerfe. Basierend auf philosophischen Konzepten des 20. Jahrhunderts (Plessner, Levinas, Jaspers u. a.) plädiert Dörner für ein leiblich, sozial und lebensweltlich fundiertes Verständnis des Psychischen und des psychisch Kranken als Grundlage für eine „menschengemäße“ psychiatrische Praxis. …