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Erschienen in: Gynäkologische Endokrinologie 2/2023

Open Access 28.03.2023 | Hormonsubstitution | Journal Club

Einfluss einer HRT auf das Risiko für eine Depression

verfasst von: Prof. Dr. Petra Stute

Erschienen in: Gynäkologische Endokrinologie | Ausgabe 2/2023

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Redaktion

Deutsche Menopause Gesellschaft e. V.
Petra Stute, Bern
Katrin Schaudig, Hamburg
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Originalpublikation
Wium-Andersen MK et al (2022) Association of hormone therapy with depression during menopause in a cohort of Danish women. JAMA Netw Open 5(11):e2239491.
Hintergrund.
Erst im August 2022 wies das Positionspapier der Nordamerikanischen Menopause Gesellschaft (NAMS; [1]) darauf hin, dass (1) die antidepressive Wirkung von Östrogenen ähnlich stark ist wie die von Antidepressiva, wenn sie depressiven Frauen in der Perimenopause mit oder ohne Hitzewallungen verabreicht werden (Level II), und (2) transdermales Östradiol mit sequenziellem, mikronisiertem Progesteron depressiven Symptomen bei euthymischen Frauen in der Perimenopause vorbeugen kann (Level II). Diese Statements werden nun von einer prospektiven Kohortenstudie (Level IV) infrage gestellt.
Zusammenfassung.
In einer dänischen registerbasierten, prospektiven Kohortenstudie wurden alle Frauen, die im Zeitraum 1995–2017 45 Jahre alt wurden, eingeschlossen (n = 825.238). Das Follow-up endete 2018 und war somit für die eingeschlossenen Frauen unterschiedlich lang (ca. 1–23 Jahre). Während des Follow-ups wurden 13.069 Frauen (1,6 %) aufgrund einer Depression hospitalisiert (Inzidenz 17,3 Fälle pro 10.000 Personenjahre). Während des Follow-ups initiierten 189.821 Frauen (23 %) eine systemische (Östrogen mono [ET], Östrogen-Gestagen-Kombination [EPT]) oder lokale Hormonersatztherapie (HRT). Das mediane Alter bei HRT-Start war 55 Jahre. Im Median wurden 33 HRT-Verschreibungen eingelöst, wobei ca. 2/3 der Frauen mindestens fünf Verschreibungen einlösten, am häufigsten für eine lokale HRT (lokal 65,8 % vs. ET 7,8 % vs. EPT 26,4 %). Die Prävalenz einer früheren Depression war insgesamt gering (2,4 %), wobei HRT-Anwenderinnen jedoch seltener davon betroffen waren als Nichtanwenderinnen (1,2 % vs. 2,8 %). Die Prävalenz einer früheren Anwendung von Antidepressiva (19 %) und Schlafmedikamenten (14,4 %) war jedoch deutlich höher! Das Ziel der Studie war es, die Assoziation zwischen einer HRT und einer späteren Depressionsdiagnose zu untersuchen. Die Assoziationen wurden unter Verwendung von Cox-proportional-hazards- und Fixed-effects-Poisson-Regressionsmodellen untersucht. Alle Hazard Ratios (HR) wurden für Bildungsniveau, Ehestatus, Geburten, frühere Anwendung von hormonalen Kontrazeptiva und Schlafmedikamenten (aber nicht Antidepressiva!) und Komorbiditäten (Diabetes, Bluthochdruck, Apoplex, Herzerkrankung, frühere Depression) adjustiert. Nur eine systemische, nicht aber eine lokale HRT war mit einem erhöhten Risiko für eine hospitalisierungspflichtige Depression verbunden; und dies v. a. bei 48- bis 50-jährigen HRT-Starterinnen (HR 1,50; 95 %-KI 1,24–1,81) sowie v. a. im 1. Jahr nach Beginn einer Behandlung mit ET (HR 2,03; 95 %-KI 1,21–3,41) bzw. EPT (HR 2,01; 95 %-KI 1,26–3,21). Die Fallzahlen waren allerdings recht klein: Von den 649.279 45-jährigen Frauen ohne Depression in der Vorgeschichte wurden innerhalb des 1. Beobachtungsjahrs 74 Frauen aufgrund einer Depression hospitalisiert (vs. 534 der Nichtanwenderinnen). Eine lokale HRT nach 54 Jahren war dagegen mit einem signifikant geringeren Depressionsrisiko verbunden. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass eine systemische HRT mit einem höheren Depressionsrisiko verbunden ist, insbesondere in den Jahren unmittelbar nach Behandlungsbeginn, während eine lokal verabreichte Hormonbehandlung mit einem geringeren Depressionsrisiko für Frauen ab 54 Jahren verbunden ist.

Kommentar

Die skandinavischen Registerstudien bestechen regelmäßig durch ihre hohen Fallzahlen. Dennoch lohnt sich ein kritischer Blick. Das Durchschnittsalter bei HRT-Start lag in der Postmenopause, was sich auch in der bevorzugt lokalen HRT-Verschreibung widerspiegelt. Die Indikation für die Verschreibung einer systemischen HRT ist unklar, was bei Registerstudien auch nicht anders zu erwarten ist. Allerdings heißt es im Ergebnisteil, dass dies die erste Beobachtungsstudie sei, die Frauen prospektiv beobachte, die eine HRT aufgrund einer klinisch diagnostizierten Depression begannen. Wenn das so stimmte, dann würde die Studie eher den Einfluss einer HRT auf das Hospitalisierungsrisiko (also den Schweregrad) einer Depression untersuchen. Wichtig an der Stelle ist, dass der Studienendpunkt die hospitalisierungspflichtige Depression war. Andere, auch schwächere, vielleicht auch positive Affektveränderungen wurden nicht erfasst. Die Prävalenz einer früheren Anwendung von Psychopharmaka ist deutlich höher als die der im Register dokumentierten früheren Depressionen; diese Diskrepanz wird nicht geklärt. Auch wird für die frühere Anwendung von Antidepressiva nicht adjustiert! Auch zur systemischen HRT bleiben viele Fragen offen: Unklar ist, welche Präparate eingesetzt wurden, welche Gestagene, welcher Applikationsmodus (oral, transdermal), welche Applikationsschemata (sequenziell, kontinuierlich-kombiniert), welche Dosis. Außerdem wird die HRT-Therapiedauer nicht angegeben, da nur in „eingelösten Rezepten“ gerechnet wird. Wie aber ist in Dänemark die Verschreibungseinheit definiert? Wie z. B. in Deutschland mit maximal drei HRT-Packungen pro Rezept? Oder eher wie in der Schweiz, wo vorwiegend Jahresrezepte ausgestellt werden? Oder ganz variabel? Als Fazit bleibt, dass nach wie vor viele Fragen zum Einfluss einer HRT auf die Stimmung offenbleiben. Eine einzelne Studie sollte uns aber nicht davon abhalten, Frauen mit klimakterischem Syndrom die 1st-line-Therapie HRT zu verschreiben.

Interessenkonflikt

P. Stute gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Literatur
1.
Zurück zum Zitat The 2022 Hormone Therapy Position Statement of The North American Menopause Society” Advisory Panel (2022) The 2022 hormone therapy position statement of The North American Menopause Society. Menopause 29(7):767–794CrossRef The 2022 Hormone Therapy Position Statement of The North American Menopause Society” Advisory Panel (2022) The 2022 hormone therapy position statement of The North American Menopause Society. Menopause 29(7):767–794CrossRef
Metadaten
Titel
Einfluss einer HRT auf das Risiko für eine Depression
verfasst von
Prof. Dr. Petra Stute
Publikationsdatum
28.03.2023
Verlag
Springer Medizin
Erschienen in
Gynäkologische Endokrinologie / Ausgabe 2/2023
Print ISSN: 1610-2894
Elektronische ISSN: 1610-2908
DOI
https://doi.org/10.1007/s10304-023-00508-3

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