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Erschienen in: Ethik in der Medizin 2/2013

01.06.2013 | Originalarbeit

In dubio pro embryone? Schwierigkeiten eines Vorsichtsarguments gegen embryonale Stammzellenforschung

verfasst von: Dr. Hans-Jürgen Link

Erschienen in: Ethik in der Medizin | Ausgabe 2/2013

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Zusammenfassung

In der Debatte um die embryonale Stammzellenforschung führen die Verfechter der Würde des Embryos gerne eine Gemeinsamkeit von Embryonen und reversibel Komatösen an: Beide sind bloß potentiell Personen. Wenn aber Komatösen fraglos personale Würde zukommt, weshalb sollte man sie Embryonen absprechen? In ihrem AufsatzIn dubio pro embryone kombinieren G. Damschen und D. Schönecker diese Analogie mit einem Vorsichtsargument: Weil die Analogie zumindest gute Gründe für die Annahme biete, Embryonen komme eine menschliche Würde zu, sei angesichts der Schwere des möglichen Unrechts die embryonale Stammzellenforschung nicht zu verantworten. Im Folgenden möchte ich darlegen, weshalb die Analogie nicht ausreicht, um ein solches Vorsichtsargument zu etablieren. In einem ersten Schritt soll gezeigt werden, wie man der Analogie begegnen kann, weshalb das entsprechende Argument also nicht zwingend ist. Um ein Vorsichtsargument zu begründen, würde es allerdings genügen, wenn die Analogie „hinlänglich plausible“ Gründe zugunsten der Würde von Embryonen liefert. In einem zweiten Schritt soll daher – aufbauend auf allgemeinen Überlegungen zum Vorsichtsargument – dargelegt werden, dass die Analogie selbst unter dieser Annahme nicht überzeugen kann.
Fußnoten
1
Um sich nicht festzulegen, welche Eigenschaft die Würde des Menschen begründet, benutzt man die Variable „Φ“, die üblicherweise für Personeneigenschaften wie Autonomie oder das Haben von Präferenzen steht.
 
2
Zur Frage nach einem adäquaten Verständnis von Potentialität vgl. [1], S. 223–227.
 
3
Die numerische Identität eines Embryos mit der späteren Person ist für Damschen und Schönecker der Grund für die angenommene Potentialität von Embryonen (vgl. [1], S. 255 ff.).
 
4
Es liegt vielleicht nahe zu sagen, im Falle von Komatösen unterstütze man nur einen Heilungsprozess, während man im Fall der Parthenogenese z. B. durch eine gentechnische Manipulation die „Natur“ der Eizelle verändere. Abgesehen davon, dass aus anderen Debatten bekannt ist, mit welchen gravierenden Schwierigkeiten die Unterscheidung zwischen Heilen und Verbessern behaftet ist, lässt sich das Beispiel auch so umformulieren, dass diese Unterscheidung nicht mehr zum Tragen kommt.
 
5
Oben hatte ich G2 nur verkürzt angegeben. In voller Länge lautet G2: „Reversibel Komatöse (sowie Neugeborene und Schlafende) haben WürdeM, ohne daß sie aktual F sind“ ([1], S. 230).
 
6
M. Düwell hat eingewandt, dass wir Kronprinzen zwar nicht die Rechte eines Königs zusprechen, ihnen aber aufgrund ihres Status zumindest mehr Rechte zubilligen als „Normalsterblichen“ (vgl. [2], S. 227). Potentialität – so ließe sich an diese Überlegung anknüpfen – könne zwar für Embryonen nicht die gleichen Rechte begründen wie für normale Erwachsene, aber immerhin, dass sie überhaupt moralisch berücksichtigenswert seien. Ohne hier näher auf diese Argumentation eingehen zu können, sei lediglich angemerkt, dass in Bezug auf das P-Argument als Konsequenz Embryonen wie Komatösen gleichermaßen nur eingeschränkte personale Rechte zugesprochen werden könnten, was kaum im Sinne der Autoren sein dürfte.
 
Literatur
1.
Zurück zum Zitat Damschen G, Schönecker D (2003) In dubio pro embryone. Neue Argumente zum moralischen Status menschlicher Embryonen. In: Damschen G, Schönecker D (Hrsg) Der moralische Status menschlicher Embryonen. Pro und contra Spezies-, Kontinuums-, Identitäts- und Potentialitätsargument. de Gruyter, Berlin, S 187–267CrossRef Damschen G, Schönecker D (2003) In dubio pro embryone. Neue Argumente zum moralischen Status menschlicher Embryonen. In: Damschen G, Schönecker D (Hrsg) Der moralische Status menschlicher Embryonen. Pro und contra Spezies-, Kontinuums-, Identitäts- und Potentialitätsargument. de Gruyter, Berlin, S 187–267CrossRef
2.
Zurück zum Zitat Düwell M (2003) Der moralische Status von Embryonen und Feten. In: Düwell M, Steigleder K (Hrsg) Bioethik. Eine Einführung. Suhrkamp, Frankfurt, S 221–229 Düwell M (2003) Der moralische Status von Embryonen und Feten. In: Düwell M, Steigleder K (Hrsg) Bioethik. Eine Einführung. Suhrkamp, Frankfurt, S 221–229
3.
4.
Zurück zum Zitat Singer P (1994) Praktische Ethik, 2. Aufl. Reclam, Stuttgart Singer P (1994) Praktische Ethik, 2. Aufl. Reclam, Stuttgart
Metadaten
Titel
In dubio pro embryone? Schwierigkeiten eines Vorsichtsarguments gegen embryonale Stammzellenforschung
verfasst von
Dr. Hans-Jürgen Link
Publikationsdatum
01.06.2013
Verlag
Springer-Verlag
Erschienen in
Ethik in der Medizin / Ausgabe 2/2013
Print ISSN: 0935-7335
Elektronische ISSN: 1437-1618
DOI
https://doi.org/10.1007/s00481-012-0203-y

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