Erschienen in:
01.04.2011 | Originalien
Infrarotspektroskopie von alten Harnsteinen aus den Votivgaben der Wallfahrtskirche Grafrath
verfasst von:
Prof. Dr. C. Döhlemann, A. Ellert, M. Güntner, J. Durner, N. Gockerell, E. Meßmer, M. Vogeser
Erschienen in:
Die Urologie
|
Ausgabe 4/2011
Einloggen, um Zugang zu erhalten
Zusammenfassung
Hintergrund
Die Harnsteine, die als Votivgaben zur Wallfahrtskirche Grafrath gebracht wurden, bieten durch die Möglichkeit der Komponentenanalyse durch Infrarotspektroskopie Einblicke über die Harnsteinzusammensetzung der damaligen Harnsteinträger zu gewinnen. Es wurden 166 Proben an 139 Objekten (davon 5 Knochen, 4 Gipssteine), bei größeren Steinen z. T. in mehreren Schichten, abgenommen.
Material und Methode
Bei 127 Harnsteinen wurden typische Harnsteinspektren gefunden und wurden einer Gruppe von 98 zugesandten Steinproben (77 männlich, 21 weiblich) aus den Jahren 2007/2008 gegenüber gestellt.
Ergebnisse
Das prozentuale Vorkommen von Ammoniumhydrogenurat (NH4U) war mit 68,0% in Grafrath deutlich höher als in der Kontrollgruppe 2007/2008 (1,0%), während das der Harnsäure sich nur wenig unterschied. Die Oxalate Whewellit (Whe) und Weddelit (Wed) waren damals deutlich seltener (Whe 18,1%–69,4%, Wed 7,9%–26,5%). Die Phosphate unterschieden sich in ihrer Zusammensetzung zu Gunsten von Brushit bei den alten Harnsteinen.Der hohe NH4U-Gehalt der Harnsteine von Grafrath ist vergleichbar mit den NH4U-Komponenten der Sammlung aus Norwich vor 1900 und der Harnsteine aus endemischen Harnsteingebieten unterentwickelter Länder, wie Nordost-Thailand. Angaben über Alter, Geschlecht und Art des Abgangs finden sich in Grafrath nur indirekt durch die dort vorliegenden Mirakelbücher (1444–1728) mit 12.131 Eintragungen der Gebetserhörungen, davon 1165=8,6% mit urologischen Leiden. Über 70% der Harnsteinkranken waren Kinder, z. T schon vor dem 2. Lebensjahr.
Schlussfolgerung
Grafrath mit dem Einzugsgebieten Oberbayern, Schwaben kann anhand der hohen NH4U-Komponenten als ein endemisches Blasensteingebiet angesehen werden, mit häufigem Auftreten im frühen Kindesalter. Frühe Mehlbreibeikost, mangelndes Stillen und relativer Eiweißmangel könnten eine Ursache sein.