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08.08.2022 | Kardiologie | Nachrichten

Warum Kardiologen nach den Wechseljahren fragen sollten

verfasst von: Veronika Schlimpert

Frauen, bei denen die Menopause früh einsetzt, haben ein erhöhtes Risiko für Herzinsuffizienz und Vorhofflimmern, legen aktuelle Daten nahe. Expertinnen empfehlen deshalb, die reproduktive Gesundheit von Frauen in das kardiovaskuläre Risikoassessment mehr einzubeziehen.

Frauen mit einem frühen Menopausen-Beginn scheinen einem erhöhten Herzinsuffizienz- und Vorhofflimmern-Risiko ausgesetzt zu sein. Ein entsprechender Zusammenhang zeigte sich in einer retrospektiven Analyse aus Südkorea, für die über 1,4 Millionen Patientinnendaten ausgewertet wurden.

„Die Ergebnisse unsere Studie haben wichtige klinische Implikationen“, machen die Autorinnen und Autoren der Studie um Dr. Jean Shin von der Korea University College of Medicine in Seoul deutlich. Denn sie sprechen dafür, dass die gynäkologische Anamnese von Frauen zusätzlich zu den anderen traditionellen kardiovaskulären Risikofaktoren routinemäßig abgeklärt werden sollte.

Frühe Menopause ist laut AHA/ACC-Leitlinien ein „Risk Enhancer“

Dass ein früher bzw. vorzeitiger Beginn der Menopause ein kardiovaskulärer Risikofaktor darstellt, ist keine wirklich neue Erkenntnis mehr. Eine 2016 publizierte Metaanalyse hat beispielsweise gezeigt, dass Frauen, die zu Beginn ihrer Menopause unter 45 Jahre alt waren, ein um 50% höheres relatives KHK-Risiko aufweisen als zu diesem Zeitpunkt ältere Frauen. So richtig in den Köpfen der Menschen vorgedrungen, ist diese Erkenntnis bisher aber nicht.

Immerhin haben die ACC/AHA-Leitlinien einen vorzeitigen Beginn der Wechseljahre (vor dem 40. Lebensjahr) als „Risk Enhancer“ für atherosklerotische Erkrankungen aufgeführt. In den europäischen Leitlinien fehlt ein solcher Hinweis allerdings. Und in den konventionellen Risikokalkulatoren wird der Menopausen-Beginn nicht berücksichtigt. Geschlechterspezifische Risikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen seien traditionell runtergespielt worden, geben Shin und ihr Team zu bedenken. Da man fälschlicherweise dachte, dass kardiovaskuläre Erkrankungen primär Männer betreffen.

Erhöhtes Risiko für Herzinsuffizienz und Vorhofflimmern

Um das Verständnis für solche reproduktiven Einflussfaktoren zu stärken, haben Shin und Kolleginnen sich vorgenommen, den potenziellen Zusammenhang zwischen Menopause und Herzinsuffizienz bzw. Vorhofflimmern zu untersuchen. Dafür werteten sie über 1,4 Millionen Versichertendaten von Frauen aus, die sich in der Postmenopause befanden und im Jahr 2009 in Südkorea einen Gesundheitscheck vorgenommen hatten. Diese Frauen wurden im Schnitt 9,1 Jahre nachverfolgt. Die während dieser Zeit registrierten Krankenhauseinweisungen bzw. Arztbesuche wegen erstmaliger Herzinsuffizienz/Vorhofflimmern-Diagnosen wurden mit den Angaben der Frauen zu ihrem Menopausen-Beginn in Beziehung gesetzt.

In einer multivariablen Regressionsanalyse zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Einsetzen der Wechseljahre und dem Risiko für die Entwicklung einer Herzinsuffizienz und von Vorhofflimmern, nach Adjustierung auf klassische kardiovaskuläre Risikofaktoren. Frauen, deren Menopause vor dem 40. Lebensjahr einsetzte, hatten ein um 33% höheres relatives Herzinsuffizienz-Risiko als Frauen mit einem späteren Menopausen-Beginn (Hazard Ratio, HR: 1,33; p ˂ 0,001). Das Vorhofflimmern-Risiko war bei frühem bzw. vorzeitigen Menopausen-Beginn um 9% erhöht (HR: 1,09; p= 0,008). Dabei war das Risiko tendenziell umso höher, je früher die Wechseljahre einsetzten.

Alter bei Menopause als kardiovaskulären Risikofaktor betrachten

Angesichts dieser Ergebnisse sprechen sich Expertinnen um Tina Torbati dafür aus, das Alter bei der Menopause als einen Risikoprädiktor für eine Herzinsuffizienz zu betrachten. „Diese neue Studie liefert weitere Belege, dass die reproduktive Vergangenheit von Frauen für die Beurteilung des künftigen kardiovaskulären Risikos wichtig ist“, schreiben die in Los Angeles tätigen Medizinerinnen in einem Editorial.  

Es liegt wohl nicht nur am Östrogen

Torbati und Kolleginnen machen für die beobachtende Risikoerhöhung nicht allein die nachlassende Östrogenproduktion bei Einsetzen der Wechseljahre verantwortlich: „Es scheint so, als kann man Östrogen nicht allein die Schuld geben.“ Ihre Vermutung begründen sie mit der Tatsache, dass in der aktuellen Studie die Einnahme einer Hormonersatztherapie keinen Einfluss auf die beobachten Zusammenhänge hatte. Neben dem bekannten Einfluss von Östrogen könnte ihrer Einschätzung nach der Verlust der Ovarialfunktion eine Rolle spielen könnte, weil diese u.a. mit einem Anstieg von bestimmten Inflammationsmarkern einhergeht. Eine vaskuläre Inflammation könne die Entwicklung einer koronaren mikrovaskulären Dysfunktion und dadurch die Entstehung einer HFpEF begünstigen, erläutern sie. Das wiederum würde erklären, warum die Inzidenz der HFpEF (Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion) insbesondere bei Frauen ansteigt. Torbati und Kolleginnen hoffen, dass aus diesen Erkenntnissen in Zukunft neue Therapiestrategien zur Prävention der HFpEF entwickelt werden können.

Eine frühe Menopause könnte nach Ansicht der US-Expertinnen aber auch einfach ein Ausdruck bzw. ein Marker für beschleunigtes Altern sein. In kürzlich publizierten Studien wurde nämlich gezeigt, dass eine frühe Menopause wegen genetischer Einflüsse mit einer raschen Akkumulation von DNA-Schäden assoziiert ist.  

Literatur

Shin J et al. Age at menopause and risk of heart failure and atrial fibrillation: a nationwide cohort study. Eur Heart J 2022 00, 1–10
https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehac364

Torbati T et al. Premature menopause and cardiovascular disease: can we blame estrogen? Eur Heart J 2022, 00, 1–3
https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehac321

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