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Erschienen in: Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie 4/2010

01.11.2010 | Journal Club

Kriminologischer Beitrag

Konsequenzen aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur Sicherungsverwahrung

verfasst von: PD. Dr. Christian Laue

Erschienen in: Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie | Ausgabe 4/2010

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Auszug

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat mit dem Urteil vom 17.12.2009 (19359/04) die mit Wirkung vom 31.01.1998 Gesetz gewordene rückwirkende Aufhebung der Höchstfrist der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung von 10 Jahren für unvereinbar mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK; zu diesem Urteil s. [1]) erklärt. Im Einzelnen liege ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 lit. a EMRK vor, der zwar eine (auch unbefristete) Freiheitsentziehung „nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht“ gestatte. Die Freiheitsentziehung müsse aber in einem engen ursächlichen Zusammenhang mit der Verurteilung wegen einer Straftat stehen. Dies sei bei einer rückwirkenden gesetzlichen Anwendung der unbefristeten Sicherungsverwahrung auf „Altfälle“, d. h. auf Straftäter, die wegen vor dem 31.01.1998 begangener Straftaten zu Sicherungsverwahrung verurteilt wurden, nicht gegeben. Darüber hinaus verstoße die deutsche Regelung auch gegen das in Art. 7 Abs. 1 EMRK normierte Verbot rückwirkenden Strafens. Zwar hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG; [2]) im Februar 2004 entschieden, dass das strafrechtliche Rückwirkungsverbot auf die Sicherungsverwahrung nicht anzuwenden sei, weil es sich dabei nicht um eine Strafe, sondern um eine Maßregel der Besserung und Sicherung handle. Dieser formalen Betrachtungsweise stellte der EGMR eine eher materielle Beurteilung entgegen, mit dem Ergebnis, dass es sich bei der Praxis der Sicherungsverwahrung um eine Strafe handelt, die dem Rückwirkungsverbot des Art. 7 Abs. 1 EMRK unterfällt. …
Literatur
1.
Zurück zum Zitat Laue C (2010) Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur Sicherungsverwahrung. Forens Psychiatr Psychol Kriminol 4:147–150CrossRef Laue C (2010) Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur Sicherungsverwahrung. Forens Psychiatr Psychol Kriminol 4:147–150CrossRef
2.
Zurück zum Zitat BVerfG v. 05.02.2004 – 2 BvR 2029/01, BVerfGE 109, 133 BVerfG v. 05.02.2004 – 2 BvR 2029/01, BVerfGE 109, 133
3.
Zurück zum Zitat BVerfG v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307 („Görgüllü“) BVerfG v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307 („Görgüllü“)
4.
Zurück zum Zitat LG Marburg v. 17.05.2010 – 7 StVK 220/10 LG Marburg v. 17.05.2010 – 7 StVK 220/10
5.
Zurück zum Zitat OLG Frankfurt v. 24.06.2010 – 3 Ws 485/10 mit Anm. Boetticher, jurisPR-Strafrecht 15/2010, Anm. 4 OLG Frankfurt v. 24.06.2010 – 3 Ws 485/10 mit Anm. Boetticher, jurisPR-Strafrecht 15/2010, Anm. 4
6.
Zurück zum Zitat BGH v. 12.05.2010 – 4 StR 577/09, StV 2010, 482 BGH v. 12.05.2010 – 4 StR 577/09, StV 2010, 482
7.
Zurück zum Zitat OLG Koblenz v. 07.06.2010 – 1 Ws 108/10 OLG Koblenz v. 07.06.2010 – 1 Ws 108/10
8.
Zurück zum Zitat OLG Stuttgart v. 01.06.2010 – 1 Ws 57/10 OLG Stuttgart v. 01.06.2010 – 1 Ws 57/10
9.
Zurück zum Zitat BGH v. 21.07.2010 – 5 StR 60/10 mit Anm. Peglau, jurisPR-Strafrecht 17/2010, Anm. 1 BGH v. 21.07.2010 – 5 StR 60/10 mit Anm. Peglau, jurisPR-Strafrecht 17/2010, Anm. 1
10.
Zurück zum Zitat OLG Stuttgart v. 19.08.2010 – 1 Ws 57/10 OLG Stuttgart v. 19.08.2010 – 1 Ws 57/10
Metadaten
Titel
Kriminologischer Beitrag
Konsequenzen aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur Sicherungsverwahrung
verfasst von
PD. Dr. Christian Laue
Publikationsdatum
01.11.2010
Verlag
Springer-Verlag
Erschienen in
Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie / Ausgabe 4/2010
Print ISSN: 1862-7072
Elektronische ISSN: 1862-7080
DOI
https://doi.org/10.1007/s11757-010-0085-0

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