Erschienen in:
01.09.2013 | Leitthema
Grenzen des Mammographiescreenings
Aktuelle Kontroversen und Perspektiven
verfasst von:
Dr. K. Hellerhoff
Erschienen in:
Die Radiologie
|
Ausgabe 9/2013
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Zusammenfassung
Die Überdiagnostik steht aktuell im Fokus screeningkritischer Pressemitteilungen. Berechnungen zur Abschätzung von Überdiagnostik zeigen erhebliche Diskrepanzen, die darauf beruhen, dass epidemiologische Verfahren unterschiedlich und teils fehlerhaft angewendet werden. Realistische Angaben aus Studien mit hinreichend langer Nachbeobachtungszeit schätzen einen Anteil von unter 10 % aller im Screening diagnostizierten Karzinome. Eine besondere Betrachtung erfordern hierbei die intraduktalen In-situ-Karzinome im Screening. Ohne zuverlässige Kriterien zur Progressionsabschätzung wird diese Erkrankung bislang wie das invasive Mammakarzinom therapiert. Molekularpathologische Angaben zur Tumorbiologie, die über die bisherigen Gradingverfahren hinausgehen, sollten hier zukünftig an das individuelle Patientenrisiko angepasste, differenzierte Therapiestrategien ermöglichen.
Intervallkarzinome im Screening sind unvermeidbar, da Karzinome zu jedem Zeitpunkt entstehen und im Intervall bis zur Nachweisbarkeit heranwachsen können. Echte Intervallkarzinome wachsen bezogen auf das Untersuchungsintervall sehr rasch heran, sodass sie bereits vor der geplanten Folgeuntersuchung tastbar werden. Ein Teil dieser Intervallkarzinome ist auch zum Diagnosezeitpunkt mammographisch nicht erkennbar. Falsch-negativ befundete Karzinome bilden einen deutlich kleineren Anteil der Intervallkarzinome, der nach den europäischen Leitlinien zur qualitätsgesicherten Screeningmammographie 20 % nicht überschreiten darf. Qualitätssichernde Maßnahmen können helfen, diesen so niedrig wie möglich zu halten. Insbesondere unter den echten Intervallkarzinomen sind Tumoren mit prognostisch ungünstigen molekularpathologischen Eigenschaften überrepräsentiert. Eine generelle Verringerung von Intervallkarzinomen könnte daher die mortalitätssenkende Wirkung eines Screeningprogramms deutlich erhöhen. Voraussetzend für die Diskussion zukünftiger Vermeidungsstrategien ist die Evaluierung der Verteilung von Intervallkarzinomen in Subgruppen von Screeningteilnehmerinnen.