Erschienen in:
16.05.2019 | Thrombozytentransfusion | Originalien
Thrombozytenfunktionsstörung bei Traumapatienten, ein unterschätztes Problem? Ergebnisse einer monozentrischen Untersuchung
verfasst von:
V. Hofer, H. Wrigge, A. Wienke, G. Hofmann, PD Dr. med. P. Hilbert-Carius, DEAA
Erschienen in:
Die Anaesthesiologie
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Ausgabe 6/2019
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Zusammenfassung
Hintergrund
Plasmatische Gerinnungsstörungen bei Schwerverletzten sind häufig; zu thrombozytären Funktionsstörungen existiert nur wenig Evidenz. Ein Monitoring der Thrombozytenfunktion ist nicht etabliert.
Methodik
Retrospektive monozentrische Studie an einem überregionalen Traumazentrum von 2010–2016. Bei Patienten, die nach den Kriterien des DGU-Traumaregisters über den Schockraum als Direktzuweisung vom Unfallort aufgenommen wurden, war eine Bestimmung der Thrombozytenfunktion mittels Platelet Function Analyzer (PFA 100®) erfolgt. Nach Ausschluss aller Patienten mit gerinnungswirksamer Dauermedikation wurden mögliche Einflussfaktoren einer Thrombozytenfunktionsstörung ermittelt.
Ergebnisse
Von 310 Patienten (44,0 ± 14,7 Jahre, 76 % männlich, Verletzungsschwere im „Injury Severity Score“ [ISS] 28,4 ± 14,2 Punkte) zeigten sich eine verzögerte Thrombozytenaktivierung im Ansatz mit ADP bei 25,5 %, mit Epinephrin bei 31 %. In Laborparametern ergaben sich Hinweise auf einen höheren Blutverlust. Verlängerte Verschlusszeiten gingen einher mit einer erhöhten Transfusionsrate und einer erhöhten Mortalität. Logistische Regression identifizierte den Hb(Hämoglobin)- und Fibrinogenwert bei Aufnahme als unabhängige Prädiktoren einer Thrombozytenfunktionsstörung, sowohl im Ansatz mit Adenosindiphosphat (ADP) (p < 0,001, Cohens f = 0,61) als auch mit Epinephrin (p < 0,001, f = 0,42).
Interpretation
Bei einem Viertel bis einem Drittel der primär zugewiesenen Traumapatienten ohne gerinnungsaktive Dauermedikation zeigte sich eine verzögerte Thrombozytenaktivierung im PFA-100-Test. Bei Berücksichtigung aller Traumapatienten ist von einer noch höheren Rate auszugehen. Über den Hb- und den Fibrinogenwert im Schockraum ist eine orientierende Einschätzung möglich. Die Entwicklung differenzierungsfähiger Testverfahren der Thrombozytenfunktion für die Schockraumversorgung des individuellen Patienten erscheint dringend notwendig.