Zugelassene Wirkstoffe
Durch die Entwicklung und Verfügbarkeit von neuen, „zielgerichteten“ PAH-Medikamenten („advanced“ oder „targeted therapies“), die mittlerweile für PAH im Erwachsenenalter zugelassen sind, hat sich die Lebenserwartung und -qualität auch der pädiatrischen PAH-Patienten erheblich verbessert [
21]. Dennoch ist weiterhin der Verlauf der Erkrankung in den meisten Fällen chronisch progressiv: Im Endstadium einer pulmonalen Hypertonie (PH) mit Lungengefäßerkrankung [
11,
15] kommt therapeutisch nur eine Lungentransplantation [
16] infrage.
Es werden verschiedene Formen der pulmonalen Hypertonie (World Symposium Pulmonary Hypertension [WSPH] Gruppen 1–5 PH) unterschieden, wobei insbesondere im Kindes- und Jugendalter Überlappungen zwischen den Gruppen häufig sind [
7,
17]. Die europäische Zulassungsbehörde, European Medicines Agency (EMA), hat für das Kindesalter bislang nur den Phosphodiesterase(PDE)-5-Inhibitor Sildenafil und den Endothelinrezeptorantagonisten Bosentan (ab dem abgeschlossenen 12. Lebensmonat) zur Therapie der pulmonal-arteriellen Hypertonie (PAH, WSPH Gruppe 1 PH) zugelassen. Zur Therapie der PAH im Erwachsenenalter [
4,
5] hat darüber hinaus eine ganze Reihe weiterer Medikamente die EMA-Zulassung erhalten (Tab.
1).
Tab. 1.
Zielgerichtete Medikamente bei pulmonalarterieller Hypertonie (PAH)
PDE5-Inhibitoren |
Sildenafil | PDE-5-Inhibitor | EMA (2005) und FDA (2005) für WSPH-Gruppe 1 (IPAH/HPAH) in WHO FC II und III | EMA >12 abgeschlossene Lebensmonate |
Tadalafil | PDE-5-Inhibitor | EMA (2008) und FDA (2009) für Gruppe 1 (IPAH/HPAH) | Nein |
Guanylatzyklase-Aktivator |
Riociguat | Guanylatzyklase-I-Aktivator | FDA (2013) und EMA (2014) für WSPH-Gruppe 1 (IPAH/HPAH) und Gruppe 4 (CTEPH) als Monotherapie oder Kombination mit ERA | Nein |
Endothelinrezeptor-Antagonisten |
Bosentan | Dualer ETA- und ETB-Rezeptor-Antagonist | FDA (2001) und EMA (2002) für WSPH-Gruppe 1 (IPAH/HPAH) | EMA und FDA >12 abgeschlossene Lebensmonate |
Ambrisentan | Selektiver ETA-Rezeptor-Antagonist | FDA (2007) und EMA (2008) für WSPH-Gruppe 1 (IPAH/HPAH) | Nein |
Macitentan | Dualer ETA- und ETB-Rezeptor-Antagonist | EMA (2013) und FDA (2014) für WSPH-Gruppe 1 (IPAH/HPAH) | Nein |
Prostazyklinderivate (Prostanoide) und IP-Rezeptor-Agonist (Prostazyklin-Mimetic) |
Epoprostenol | Prostazyklinanalogon | FDA (1995) und EMA (1996) für WSPH-Gruppe 1 (IPAH/HPAH) und mit Bindegewebserkrankungen in WHO III/IV | Nein |
Treprostinil | Prostazyklinanalogon | FDA (2002) und EMA (2007) für WSPH-Gruppe 1 (IPAH/HPAH) | Nein |
Iloprost | Prostazyklinanalogon | EMA (2003) und FDA (2003) für WSPH-Gruppe 1 (IPAH/HPAH) | Nein |
Selexipag | Oraler Prostazyklinrezeptor(IP)-Agonist | FDA (2015) und EMA (2016) für WSPH-Gruppe 1 (IPAH/HPAH, korrigierte CHD shunt-PAH, CTD-PAH), in WHO FC II/III | Nein |
Pharmakokombinationstherapien
Die internationalen Therapieempfehlungen des WSPH 2018 sehen für Erwachsene spätestens ab einer mittleren bis hohen Risikoklasse eine Kombination von PAH-Medikamenten aus 2 bis 3 der in Tab.
1 aufgeführten Substanzklassen vor [
4], die über verschiedene Mechanismen v. a. zu einer Herabsetzung des pulmonalen Gefäßtonus führen. Analog dazu sehen die aktuellen internationalen Empfehlungen für PH im Kindesalter [
9] eine initiale Kombinationstherapie mit mindestens 2 oralen PAH-Medikamenten bei mittlerem bis hohem Risiko vor. Bei entsprechender Erkrankungsschwere werden 2 bis 3 orale PAH-Medikamente mit einer parenteralen Therapie kombiniert (inhalativ, i.v.; [
4,
5,
9]).
Neben der vasodilatierenden Wirkung haben einige der oben genannten PAH-Medikamente auch antiproliferative und antiinflammatorische Effekte [
8,
24]. So soll der pulmonale Gefäßumbau, der mit einer Erhöhung von Druck und Widerstand im Lungenkreislauf einhergeht, verhindert oder zumindest verlangsamt werden, und um einem Rechtsherzversagen [
24] vorzubeugen.
Während sich nach der Verfügbarkeit erster PAH-Medikamente zunächst eine stufenweise (sukzessive) Erweiterung der Therapie etabliert hatte, gibt es heute für Erwachsene, aber auch in retrospektiven multizentrischen Beobachtungsstudien bei Kindern [
12], zunehmende Evidenz, dass eine frühzeitige PAH-Kombinationstherapie von Vorteil ist. Im Hinblick auf ein Fortschreiten der Symptome im Krankheitsverlauf wirkt sich die Kombinationstherapie günstig auf die PAH aus und bietet offenbar auch einen Überlebensvorteil [
3,
4,
23,
25].
Da es nur sehr wenige randomisierte, kontrollierte Studien bei Kindern mit PH gibt, orientieren sich die aktuell gültigen Therapiealgorithmen für die Behandlung der PH im Kindesalter [
9] häufig an Erfahrungen und Ergebnissen von Studien, die vornehmlich auf Daten erwachsener Patienten mit PH beruhen [
3,
4,
23]. Einer der Hauptgründe für den Mangel an prospektiven oder gar randomisiert-kontrollierten Studien bei Kindern mit PH ist die Seltenheit des Krankheitsbildes im Kindesalter [
7,
14,
22]. Der Einsatz von bisher nicht für Kinder zugelassenen PAH-Medikamenten hat unserer Erfahrung nach gezeigt, dass durch diese wahrscheinlich in der Mehrzahl eine Verbesserung des Funktionsstatus und der Lebensqualität zu erreichen ist [
8].
Für den Prostazyklinrezeptor(IP)-Agonisten Selexipag konnte in der großen GRIPHON-Studie bei Erwachsenen mit PAH und Vormedikation zwar kein signifikanter Überlebensvorteil demonstriert werden [
19], jedoch zeigte sich eine Verbesserung im Hinblick auf den primären kombinierten klinischen Endpunkt „Mortalität oder PAH-assoziierte Komplikation“ (d. h. Hospitalisierung, Beginn einer parenteralen Prostazyklin- oder Sauerstofftherapie, Ballonatrioseptostomie; [
19]). In der Tat scheint Selexipag bei Erwachsenen relativ gut vertragen zu werden und das Fortschreiten der PAH zu verlangsamen [
2,
19].
Aufgrund unserer mehrjährigen Erfahrung mit den für Kinder (noch) nicht zugelassenen, neuen oralen PAH-Medikamenten wie Macitentan [
1,
18], Riociguat [
20] und Selexipag [
6,
10,
13], kann davon ausgegangen werden, dass die Kombinationstherapie im Kindesalter unter Verwendung der oben genannten Medikamente („off label“) Morbidität und Rehospitalisierungsrate wegen PAH-Exazerbation deutlich reduziert, und mittelfristig die Mortalität oder zumindest die Progression der PAH verringert. Die PAH ist per Definition eine seltene Erkrankung mit einer Prävalenz von nur 2–16 pro eine Millionen Kinder; daher ist nicht davon auszugehen, dass es in absehbarer Zeit hierzu randomisiert-kontrollierte Studien mit ausreichend hoher Patientenrekrutierung und statistischer Stärke („power“) geben wird [
7,
14,
22].
Für ausgewählte PH-Patienten, bei denen die medikamentöse Therapie nicht ausreichend wirksam ist, kommt neben der Pharmakotherapie gegebenenfalls eine kathetherinterventionelle oder chirurgische Maßnahme, wie die Anlage eines reversen Potts-Shunt oder eine atriale Septostomie infrage [
8,
9]. Selbst nach erfolgreicher Durchführung einer dieser risikobehaften Maßnahmen bleibt im weit fortgeschrittenen Stadium der PH meist nur eine Lungentransplantation als Therapieoption.
Das Ziel der kombinierten Pharmakotherapie bei PH muss sein, die Patienten medizinisch so zu behandeln, dass sie mit einer akzeptablen bis guten Lebensqualität selbstbestimmt leben und, abhängig von der Risikoklassifizierung [
9], dennoch engmaschig ambulant gesehen werden. Der zeitliche Aufschub einer Listung zur Lungentransplantation [
16], der meist durch eine PAH-Kombinationstherapie erreicht werden kann, ist ein weiterer, positiver Aspekt bei schwerer, progressiver PAH.