Erschienen in:
01.06.2014 | Übersichten
Schmerz aus Muskeln und anderen tiefen somatischen Geweben
verfasst von:
Dr. U. Böhni, R. Gautschi
Erschienen in:
Manuelle Medizin
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Ausgabe 3/2014
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Zusammenfassung
Alle tiefen somatischen Gewebe sind intensiv nozizeptiv und propriozetiv innerviert. Viele dieser Sensoren sind im Normalzustand nur auf starke mechanische Reize schmerzsensibel, können aber im Falle von persistierenden Schmerzreizen oder von lokoregionären Entzündungsvorgängen im Rahmen der Sensibilisierung niederschwellig werden und ihren Charakter ändern. Daher sind der Schmerz und die nozireaktiven Veränderungen stark vom Sensibilisierungsgrad und auch von der zeitlichen Dauer eines Reizes oder der Dysfunktion abhängig. Zwar existieren einige Unterschiede in der Anlage von Gelenk- und Muskelafferenzen, generell gibt es aber keine gewebespezifischen Rezeptoren und keine spezifische spinale bzw. zentrale Verarbeitung. In diesem Sinne „verhalten“ sich die verschiedenen tiefen somatischen Afferenzen nicht unterschiedlich. Die afferente multisensible Konvergenz der ersten Neuronen aller tiefen somatischen Afferenzen am spinalen Hinterhorn führt zum Reizsummenprinzip. Dies bedeutet, dass verschiedene Afferenzen summativ eine verstärkte motorische Reaktion und Schmerzempfindung zur Folge haben können. Gleichzeitig wird die zentrale Verarbeitung bezüglich Reizquellen (Nozigeneratoren) unspezifisch. Konvergenz bedeutet immer auch Informationsverlust bezüglich Diskriminierbarkeit. Die zentralen reflektorischen Verarbeitungsmuster wie auch der Muskeltonus sind komplexen Mechanismen mit multiplen spinalen und supraspinalen Einflüssen unterworfen. Es gibt keinen isolierten γ-gesteuerten Muskeltonus. Der „psychomotorische Link“ funktioniert über die Formatio reticularis, die retikulospinalen Bahnen wirken über den spinalen Interneuronenpool auf die α-/γ-Motoneuronen-Aktivität, die immer als α-/γ-Koaktivierung erfolgt.