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Erschienen in: Forum der Psychoanalyse 4/2010

01.12.2010 | Originalarbeit

65 Jahre später

Zeitzeugen des „Hamburger Feuersturms (1943)“ im lebensgeschichtlichen Interview

verfasst von: Priv.-Doz. Dr. med. Dipl.-Psych. Ulrich Lamparter, Dr. med. Christa Holstein, Jun.-Prof. Dr. phil. Malte Thießen, Prof. Dr. Dorothee Wierling, Dr. rer. nat. Dipl.-Psych. Silke Wiegand-Grefe, Dr. phil. Dipl.-Psych. Birgit Möller

Erschienen in: Forum der Psychoanalyse | Ausgabe 4/2010

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Zusammenfassung

Die langfristigen psychischen Folgen des Zweiten Weltkriegs über die Generationen hinweg stellen ein zentrales psychoanalytisches Forschungsthema dar. Dabei ist eine interdisziplinäre Herangehensweise unverzichtbar. Im Projekt „Zeitzeugen des Hamburger Feuersturms (1943) und ihre Familien“ werden die langfristige Verarbeitung der Bombenangriffe vom Juli 1943 in Hamburg und ihre familiäre Tradierung in einer interdisziplinären Zusammenarbeit von Psychoanalytikern und Historikern untersucht. Die vorliegende Arbeit berichtet von den Befunden aus lebensgeschichtlichen Interviews mit 64 Zeitzeugen, 34 Frauen und 30 Männer mit einem mittleren Alter von 75 Jahren, die als Kinder oder Jugendliche dem „Hamburger Feuersturm“ von 1943 ausgesetzt waren. Sie wurden mit einem semistrukturierten Interview untersucht. Eine „nacherzählend gedeutete Verarbeitungsgeschichte“ und das Interviewtranskript waren die Ausgangspunkte für eine typologische Ordnung durch die Forschungsgruppe, die zu insgesamt 9 prototypischen Fällen führte. An diesen Fällen lassen sich neben psychostrukturell-biografischen Verläufen auch mentalitätsgeschichtliche und kulturgeschichtliche Traditionslinien reflektieren. Insgesamt sieht die Untersuchungsgruppe ihr Erleben im Hamburger Feuersturm als sehr wichtig und oft zentral im Lebensverlauf an. Die Analyse der Verarbeitung im Lebensverlauf muss die Gestaltung des Lebensschicksals beim Kriegsende und den so genannten Aufbaujahren historisch adäquat berücksichtigen. Die Untersuchungen stoßen auf großes Interesse der damaligen „Kriegskinder“.
Fußnoten
1
Wir danken Sabine Börsch, Sabine Cassel-Bähr, Antje Haag, Miriam Haagen, Paul Keibel, Brigitte Niemann, Birgitta Rüth-Behr, Ursula Sassenberg, Angelika Steiner, Ulrich Stuhr, Ulrich Wirth.
 
2
Die anonymisierten Transkripte der Interviews stehen in der „Werkstatt der Erinnerung“ der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg (Leiterin Dr. Linde Apel) nach Abschluss des Projekts für weitere Forschungsarbeit zur Verfügung.
 
3
In der Vorbereitung der Untersuchung hatte sich eine methodische Differenz ergeben. Die Historiker, der Tradition der „oral history“ verpflichtet, sahen ihre Hauptaufgabe im Interview, Erzählungen zu generieren. Die Psychoanalytiker gingen „konstruierender“ vor, hatten mehr die interpersonalen Beziehungen sowie die Prozesse der psychischen Repräsentation und der Affekte im Fokus ihrer Aufmerksamkeit und bezogen das eigene Interviewerleben systematischer ein. Nach dem überwiegenden Eindruck der Beteiligten führten die Zweitinterviews zu einem noch etwas schärferen Bild, ohne dass sich dabei grundsätzlich Neues oder ganz Anderes ergab.
 
4
Wahrscheinlich haben Historiker und Psychoanalytiker einen unterschiedlichen Erlebnis- und Erinnerungsbegriff.
 
Literatur
Zurück zum Zitat Apel L (2007) Das Oral-History-Archiv „Werkstatt der Erinnerung“ und die Zeitzeugen des „Feuersturms“. In: Radebold H, Bohleber W, Zinnecker J (Hrsg) Kriegskindheiten – transgenerationale Weitergabe. Juventa, Weinheim, S 223–228 Apel L (2007) Das Oral-History-Archiv „Werkstatt der Erinnerung“ und die Zeitzeugen des „Feuersturms“. In: Radebold H, Bohleber W, Zinnecker J (Hrsg) Kriegskindheiten – transgenerationale Weitergabe. Juventa, Weinheim, S 223–228
Zurück zum Zitat Bohleber W (1997) Trauma, Identifizierung und historischer Kontext. Über die Notwendigkeit, die NS-Vergangenheit in den psychoanalytischen Deutungsprozess einzubeziehen. Psyche – Z Psychoanal 51:958–995 Bohleber W (1997) Trauma, Identifizierung und historischer Kontext. Über die Notwendigkeit, die NS-Vergangenheit in den psychoanalytischen Deutungsprozess einzubeziehen. Psyche – Z Psychoanal 51:958–995
Zurück zum Zitat Bracker J (Hrsg) (2003) Hamburgs Weg in den Feuersturm. Memo. Begleitpublikation zur Ausstellung „… wenn alles in Scherben fällt“ – Hamburgs Weg in den Feuersturm. Museum für Hamburgische Geschichte. Holstenwall 24, 20355 Hamburg, ohne Verlagsangabe Bracker J (Hrsg) (2003) Hamburgs Weg in den Feuersturm. Memo. Begleitpublikation zur Ausstellung „… wenn alles in Scherben fällt“ – Hamburgs Weg in den Feuersturm. Museum für Hamburgische Geschichte. Holstenwall 24, 20355 Hamburg, ohne Verlagsangabe
Zurück zum Zitat Brunswig H (2003) Feuersturm über Hamburg. Die Luftangriffe im 2. Weltkrieg und ihre Folgen. Motorbuch, Stuttgart (1. Aufl. 1978) Brunswig H (2003) Feuersturm über Hamburg. Die Luftangriffe im 2. Weltkrieg und ihre Folgen. Motorbuch, Stuttgart (1. Aufl. 1978)
Zurück zum Zitat Buder V (2010) 65 Jahre später: Leiden Zeitzeugen des „Hamburger Feuersturms“ (1943) an einer posttraumatischen Belastungsstörung? Dissertation, Medizinische Fakultät, Hamburg (im Druck) Buder V (2010) 65 Jahre später: Leiden Zeitzeugen des „Hamburger Feuersturms“ (1943) an einer posttraumatischen Belastungsstörung? Dissertation, Medizinische Fakultät, Hamburg (im Druck)
Zurück zum Zitat Ehlers A, Steil R, Winter H, Foa EB (1996) Deutschsprachige Übersetzung der Posttraumatic Diagnostic Scale von Foa (1995) – PDSd-1. University Warneford, Oxford Ehlers A, Steil R, Winter H, Foa EB (1996) Deutschsprachige Übersetzung der Posttraumatic Diagnostic Scale von Foa (1995) – PDSd-1. University Warneford, Oxford
Zurück zum Zitat Lamparter U, Holstein C, Möller B, Wiegand-Grefe S (2008) Der Bunker im Erleben der Zeitzeugen des „Hamburger Feuersturms“ (1943) über 60 Jahre später. In: Marzolek I, Buggeln M (Hrsg) Bunker. Kriegsort, Zuflucht, Erinnerungsraum. Campus, Frankfurt a. M., S 29–44 Lamparter U, Holstein C, Möller B, Wiegand-Grefe S (2008) Der Bunker im Erleben der Zeitzeugen des „Hamburger Feuersturms“ (1943) über 60 Jahre später. In: Marzolek I, Buggeln M (Hrsg) Bunker. Kriegsort, Zuflucht, Erinnerungsraum. Campus, Frankfurt a. M., S 29–44
Zurück zum Zitat Lamparter U, Stuhr U, Deneke F-W (2009) Das zentrale Selbstkonzept von Gesunden. Ein retrospektiver Blick auf das „Hamburger Gesunden-Projekt“. Forum Psychoanal 25:363–377CrossRef Lamparter U, Stuhr U, Deneke F-W (2009) Das zentrale Selbstkonzept von Gesunden. Ein retrospektiver Blick auf das „Hamburger Gesunden-Projekt“. Forum Psychoanal 25:363–377CrossRef
Zurück zum Zitat Lamparter U, Holstein C, Apel L, Thießen M, Wierling D, Möller B, Wiegand-Grefe S (2010) Die familiäre Weitergabe von Kriegserfahrungen als Gegenstand interdisziplinärer Forschung. Z Psychotraumatol Psychother Psychol Med 8:9–24 Lamparter U, Holstein C, Apel L, Thießen M, Wierling D, Möller B, Wiegand-Grefe S (2010) Die familiäre Weitergabe von Kriegserfahrungen als Gegenstand interdisziplinärer Forschung. Z Psychotraumatol Psychother Psychol Med 8:9–24
Zurück zum Zitat Möller B, Thießen M (2010) Familiäre Tradierung der Erlebnisse des „Hamburger Feuersturms“: Drei Generationen berichten. Z Psychotraumatol Psychother Psychol Med 8:25–39 Möller B, Thießen M (2010) Familiäre Tradierung der Erlebnisse des „Hamburger Feuersturms“: Drei Generationen berichten. Z Psychotraumatol Psychother Psychol Med 8:25–39
Zurück zum Zitat Radebold H (2004) Abwesende Väter und Kriegskindheit. Fortbestehende Folgen in Psychoanalysen, 3. Aufl. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen Radebold H (2004) Abwesende Väter und Kriegskindheit. Fortbestehende Folgen in Psychoanalysen, 3. Aufl. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen
Zurück zum Zitat Sydow V (2011) 65 Jahre später: Angst und Depressivität bei Zeitzeugen des „Hamburger Feuersturms“. Dissertation, Fachbereich Medizin, Hamburg (im Druck) Sydow V (2011) 65 Jahre später: Angst und Depressivität bei Zeitzeugen des „Hamburger Feuersturms“. Dissertation, Fachbereich Medizin, Hamburg (im Druck)
Zurück zum Zitat Thießen M (2007) Eingebrannt ins Gedächtnis. Hamburgs Gedenken an Luftkrieg und Kriegsende 1943 bis 2005. Dölling & Galitz, München Thießen M (2007) Eingebrannt ins Gedächtnis. Hamburgs Gedenken an Luftkrieg und Kriegsende 1943 bis 2005. Dölling & Galitz, München
Zurück zum Zitat Thießen M (2009a) Der „Feuersturm“ im kommunikativen Gedächtnis. Tradierung und Transformation des Luftkriegs als Lebens- und Familiengeschichte. In: Arnold J, Süß D, Thießen M (Hrsg) Luftkrieg. Erinnerungen in Deutschland und Europa. Wallstein, Göttingen, S 312–331 Thießen M (2009a) Der „Feuersturm“ im kommunikativen Gedächtnis. Tradierung und Transformation des Luftkriegs als Lebens- und Familiengeschichte. In: Arnold J, Süß D, Thießen M (Hrsg) Luftkrieg. Erinnerungen in Deutschland und Europa. Wallstein, Göttingen, S 312–331
Zurück zum Zitat Thießen M (2009b) Zeitzeuge und Erinnerungskultur. Zum Verhältnis von privaten und öffentlichen Erzählungen des Luftkriegs. In: Seegers L, Reulecke J (Hrsg) Die „Generation der Kriegskinder“. Historische Hintergründe und Deutungen. Psychosozial-Verlag, Gießen, S 157–182 Thießen M (2009b) Zeitzeuge und Erinnerungskultur. Zum Verhältnis von privaten und öffentlichen Erzählungen des Luftkriegs. In: Seegers L, Reulecke J (Hrsg) Die „Generation der Kriegskinder“. Historische Hintergründe und Deutungen. Psychosozial-Verlag, Gießen, S 157–182
Zurück zum Zitat Thießen M (2009c) Zeitzeugen als Erzähler. Erinnerungen an den Luftkrieg im Spannungsfeld persönlicher, familiärer und öffentlicher Sinnstiftungen. In: Born M (Hrsg) Retrospektivität und Retroaktivität. Erzählen, Geschichte, Wahrheit. Königshausen & Neumann, Würzburg, S 99–106 Thießen M (2009c) Zeitzeugen als Erzähler. Erinnerungen an den Luftkrieg im Spannungsfeld persönlicher, familiärer und öffentlicher Sinnstiftungen. In: Born M (Hrsg) Retrospektivität und Retroaktivität. Erzählen, Geschichte, Wahrheit. Königshausen & Neumann, Würzburg, S 99–106
Zurück zum Zitat Thießen M (2009d) Generation „Feuersturm“ oder Generation Lebensmittelkarte? „Generationen“ als biografisches Argument und lebensgeschichtliche Erfahrung in Zeitzeugen-Interviews. In: Bohnenkamp B, Manning T, Silies EM (Hrsg) Generation als Erzählung. Neue Perspektiven auf ein kulturelles Deutungsmuster. Wallstein, Göttingen, S 33–52 Thießen M (2009d) Generation „Feuersturm“ oder Generation Lebensmittelkarte? „Generationen“ als biografisches Argument und lebensgeschichtliche Erfahrung in Zeitzeugen-Interviews. In: Bohnenkamp B, Manning T, Silies EM (Hrsg) Generation als Erzählung. Neue Perspektiven auf ein kulturelles Deutungsmuster. Wallstein, Göttingen, S 33–52
Zurück zum Zitat Wiegand-Grefe S (2007) Einige Anmerkungen zur methodischen Erfassung transgenerationaler Tradierung von Kriegserfahrung. In: Radebold H, Bohleber W, Zinnecker J (Hrsg) Kriegskindheiten – transgenerationale Weitergabe. Juventa, Weinheim, S 228–234 Wiegand-Grefe S (2007) Einige Anmerkungen zur methodischen Erfassung transgenerationaler Tradierung von Kriegserfahrung. In: Radebold H, Bohleber W, Zinnecker J (Hrsg) Kriegskindheiten – transgenerationale Weitergabe. Juventa, Weinheim, S 228–234
Zurück zum Zitat Wierling D (2007) Das Projekt Interdisziplinarität: Beiträge der Geschichtswissenschaft zur Untersuchung transgenerationeller Weitergabe von Kriegserfahrungen. In: Radebold H, Bohleber W, Zinnecker J (Hrsg) Kriegskindheiten – transgenerationale Weitergabe. Juventa, Weinheim, S 240–246 Wierling D (2007) Das Projekt Interdisziplinarität: Beiträge der Geschichtswissenschaft zur Untersuchung transgenerationeller Weitergabe von Kriegserfahrungen. In: Radebold H, Bohleber W, Zinnecker J (Hrsg) Kriegskindheiten – transgenerationale Weitergabe. Juventa, Weinheim, S 240–246
Metadaten
Titel
65 Jahre später
Zeitzeugen des „Hamburger Feuersturms (1943)“ im lebensgeschichtlichen Interview
verfasst von
Priv.-Doz. Dr. med. Dipl.-Psych. Ulrich Lamparter
Dr. med. Christa Holstein
Jun.-Prof. Dr. phil. Malte Thießen
Prof. Dr. Dorothee Wierling
Dr. rer. nat. Dipl.-Psych. Silke Wiegand-Grefe
Dr. phil. Dipl.-Psych. Birgit Möller
Publikationsdatum
01.12.2010
Verlag
Springer-Verlag
Erschienen in
Forum der Psychoanalyse / Ausgabe 4/2010
Print ISSN: 0178-7667
Elektronische ISSN: 1437-0751
DOI
https://doi.org/10.1007/s00451-010-0053-5

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