MRT-Bedarf von Patienten mit implantiertem Neurostimulator
Mit dieser retrospektiven Arbeit publizieren wir erstmals Daten zum MRT-Bedarf von Patienten mit implantiertem Neurostimulator in Deutschland. Wir konnten zeigen, dass ca. 29 % der in unserem Klinikum implantierten Patienten im Betrachtungszeitraum von ca. 7½ Jahren mindestens eine MRT-Untersuchung in unserem Klinikum erhalten haben. Wir haben deutliche Anhaltspunkte, dass unsere Zahlen den MRT-Bedarf dieser Patientengruppe unterschätzen. Zum einen erhalten wir regelmäßig Anfragen aus anderen Kliniken zur MRT-Zulassung unserer Implantate, da dort die Indikation zur MRT-Untersuchung gestellt wurde. Zum anderen berichten uns unsere Patienten immer wieder von extern erfolgten MRT-Untersuchungen.
Im Vergleich mit den publizierten US-amerikanischen Registerdaten [
6,
9], nach denen 82–84 % der Patienten mit Neurostimulator eine MRT innerhalb von 5 Jahren benötigen, erscheint der MRT-Bedarf unserer Patienten geringer. In Deutschland erhielten etwa 7,19 % der Bevölkerung im Jahr 2009 mindestens eine MRT-Untersuchung [
2]. Von 2009 bis 2018 ist die Zahl der MRT-Untersuchungen pro 1000 Einwohner in Deutschland um ca. 50 % gestiegen [
15], somit ist zu erwarten, dass 10–11 % der Bevölkerung mindestens eine MRT-Untersuchung im Jahr 2018 hatten. Auch wir beobachten bei unseren Patienten eine deutliche Zunahme an durchgeführten MRT-Untersuchungen, im Jahr 2018 erhielten 9,0 % unserer Patienten mindestens eine MRT-Untersuchung; dies entspricht nahezu dem MRT-Bedarf der deutschen Durchschnittsbevölkerung, wobei extern erfolgte MRT-Untersuchungen unberücksichtigt bleiben.
Bei der Interpretation unserer Daten muss die stark eingeschränkte Zulassung der Neurostimulationssysteme für MRT-Untersuchungen berücksichtigt werden [
19]. 66,7 % der bei uns durchgeführten MRT-Untersuchungen betreffen den Rumpfbereich, welcher in Bezug auf die MRT-Zulassung der Implantate häufig problematisch ist. In vielen Fällen ist die Untersuchung nicht durch die Zulassung gedeckt, sodass zunächst die zugelassenen nichtinvasiven Verfahren der zweiten Wahl (Röntgen, Computertomographie, Sonographie) ausgeschöpft wurden und häufig auf die eigentlich indizierte MRT-Untersuchung aufgrund der fehlenden Zulassung verzichtet wurde. Farber und Kollegen beschreiben einen hohen Bedarf an Bildgebung und einen geringeren Anteil an MRT-Bildgebung [
9], diese Beobachtung können wir grundsätzlich bestätigen. Studien zur Sicherheit von MRT-Untersuchungen sind rar und beziehen sich mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung zumeist auf ältere, heute nur noch selten anzutreffende Implantate [
4,
13,
14,
17,
22].
Die stark eingeschränkte Zulassung führt zu einem Mehraufwand beim Radiologen: Häufig müssen am MRT-Gerät spezielle Einstellungen der technischen Parameter entsprechend den Empfehlungen der Hersteller vorgenommen werden, welche zuvor aufwendig recherchiert werden müssen. Dies führt dazu, dass diese Untersuchungen vielfach einen deutlich höheren Zeitaufwand erfordern, welcher schlecht mit den häufig eng getakteten Terminplanungen in Einklang zu bringen ist. Zudem bestehen bei vielen Radiologen Bedenken hinsichtlich der Patientensicherheit. Daher ist es nach wie vor nicht ohne Weiteres möglich, diese Patienten einer solchen Diagnostik zuzuführen.
In unserer Kohorte führte die MRT-Untersuchung bei 54,4 % der Fälle zu eindeutig therapierelevanten Befunden. Der Anteil relevanter Befunde variiert stark abhängig vom untersuchten Organsystem, der Fragestellung, Indikationsstellung und der Verfügbarkeit von MRT-Diagnostik. Daher ist ein Vergleich dieses Parameters bei unserem selektierten Patientengut mangels passender Vergleichsgruppen nicht möglich. Zudem kann auch der Ausschluss einer potenziell gefährlichen Erkrankung auf den zweiten Blick therapierelevant sein, sodass dieser Zahlenwert kein geeigneter Qualitätsparameter ist.
Im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung ist der hohe Anteil an Untersuchungen der Wirbelsäule auffällig [
2]. Dies ist sicherlich durch die Selektion des Patientenguts zu erklären. Ebenfalls überraschend ist der hohe MRT-Bedarf in den ersten 2,5 Jahren nach der Erstimplantation eines Neurostimulators, hierfür haben wir derzeit noch keine plausible Erklärung.
Vorhersagbarkeit künftiger MRT-Untersuchungen
Zur Frage der Vorhersagbarkeit zukünftig erforderlicher MRT-Untersuchungen zum Zeitpunkt der Implantation des Neurostimulators gibt es nach kritischer Durchsicht der verfügbaren Literatur noch keine Arbeiten.
Ein Großteil (63,7 %) der erforderlichen MRT-Untersuchungen steht in keinem Zusammenhang mit der (Schmerz‑)Indikation für den Neurostimulator. Zumeist nicht vorhersehbare neue akute Ereignisse (45,1 %) und auch akute Ereignisse bei vorbestehenden chronischen Erkrankungen (23,8 %) sind für einen überwiegenden Teil der Untersuchungen verantwortlich. Die chronischen Erkrankungen waren nur in 54,7 % der Fälle zum Zeitpunkt der Implantation bereits bekannt. Bei zum Zeitpunkt der Implantation noch nicht bekannten Erkrankungen kann die Vorhersagbarkeit ebenfalls eindeutig verneint werden.
Retrospektiv waren nur 22,3 % der MRT-Anforderungen vorhersehbar, eine prospektive Einschätzung des zukünftigen MRT-Bedarfs vor der Implantation erscheint deutlich schwieriger. Daher sollte aus unserer Sicht immer ein Neurostimulator mit möglichst umfassender MRT-Zulassung implantiert werden. Ein besonderer Bedarf liegt in der Bildgebung des Rumpfbereichs. Die Hersteller der Implantate sind aufgefordert, bei künftigen Produktentwicklungen diesen MRT-Bedarf zu berücksichtigen und die Implantate bzw. deren MRT-Zulassung zu verbessern. Wünschenswert ist eine Untersuchung des gesamten Körpers im Normalmodus des MRT-Geräts (spezifische Absorptionsrate ≤ 2 W/kg) unabhängig von der Platzierung der Elektroden. Zukünftig wird aufgrund besserer Bildqualität auch die Zulassung für Untersuchungen in 3‑Tesla-MRT-Geräten eine Rolle spielen [
20], für einige Indikationen konnte bereits ein Vorteil der Bildgebung mit höherer Feldstärke gezeigt werden [
3,
10,
12,
16].
Wesentliche Limitation unserer Arbeit ist das monozentrische, retrospektive und primär auf die Untersuchung der Sicherheit dieser MRT-Untersuchungen ausgelegte Studiendesign.