20.02.2019 | Enzephalitis | Leitlinie
S1-Leitlinie: Virale Meningoenzephalitis
Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie
Erschienen in: DGNeurologie | Ausgabe 2/2019
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Das Medikamentenspektrum für Viruskrankheiten wurde in den letzten Jahren erweitert. Zu nennen sind die Neuraminidasehemmer mit Wirksamkeit bei Orthomyxoviren (Zanamivir [inhalativ], Oseltamivir [oral] und Peramivir [i.v.]), die Breitspektrumantiherpetika Adefovir (auch gegen HIV [humanes Immundefizienzvirus] und HBV [Hepatitis-B-Virus] wirksam) sowie Lobucavir. Allerdings liegt für keines der genannten Präparate bislang eine kontrollierte Studie über die Wirksamkeit bei viralen Meningoenzephalitiden vor [1].
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Für die Therapie der durch Influenzaviren bedingten ZNS-Infektionen (ZNS: zentrales Nervensystem) können mit den Neuraminidasehemmern klinisch wirksame Medikamente eingesetzt werden [2]. Die Empfindlichkeit der zirkulierenden Virusstämme wird im Rahmen nationaler und internationaler Kontrollsysteme („surveillance“) überwacht.
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Für die Differenzialdiagnostik zwischen bakteriellen und viralen Meningoenzephalitiden bietet sich die Bestimmung der Prokalzitoninkonzentration im Serum an; sie ist nur bei bakteriellen Erkrankungen erhöht. Daneben ist der Laktatwert im Liquor für die Differenzierung zwischen viral und bakteriell sehr gut geeignet, hier steht jetzt auch eine patientennahe („point of care“) Bestimmungsmöglichkeit zur Verfügung. Die Erregerdiagnostik wird über den Liquor (Lumbalpunktion) meist mittels Polymerasekettenreaktion (PCR) durchgeführt.
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Differenzialdiagnostisch rücken Autoimmunenzephalitiden (v. a. ADEM [akute disseminierte Enzephalitis], NMDA-Rezeptor-Antikörper [NMDA: N‑Methyl-D-Aspartat], VGKC-Antikörper [VGKC: spannungsabhängiger Kaliumkanal]) in den Vordergrund, die für etwa 10–20 % der bislang ungeklärten meningoenzephalitischen Krankheitsbilder verantwortlich sind [3, 4].
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Ungewöhnliche Erreger viraler Meningoenzephalitiden werden in den westlichen Ländern zwar noch vereinzelt, aber zunehmend häufiger gefunden – z. B. das Nipah-Virus aus der Familie der Paramyxoviren, das West-Nil-Virus (WNV) und das japanische Enzephalitis-B-Virus (JEV) aus der Familie der Flaviviren sowie das Toskana-Virus (Phleboviren). Tollwut stellt weltweit nach wie vor mit geschätzt jährlich 55.000 Todesfällen die zehnthäufigste Infektionskrankheit dar, wobei die Dunkelziffern in Afrika und Asien hoch sind. Für das Jahr 2013 wurden in Europa und den angrenzenden Nachbarstaaten noch 5350, im Jahr 2016 nur noch 5 Tollwutfälle gemeldet, wobei v. a. Russland, die Ukraine, Polen und die Türkei betroffen waren [5]. Der letzte Tollwutfall in Deutschland trat 2007 bei einem nach Marokko gereisten Touristen nach einem Hundebiss auf [6]. Zuvor waren Patienten im Rahmen einer Transplantation von infizierten Spenderorganen erkrankt, die von einer nach Indien gereisten Touristin stammten. Bei Erhebung der Auslandsanamnese sollte stets daran gedacht werden, dass Tollwut eine variable Inkubationszeit von 3 Wochen bis 3 Monaten, in Einzelfällen bis zu mehreren Jahren hat. Nach den Kriterien der Weltorganisation für Tiergesundheit gilt Deutschland seit Ende 2008 als frei von klassischer Tollwut. Bei einheimischen Fledermäusen kommen ebenfalls Tollwutviren vor, die zu Infektionen und Erkrankungen des Menschen führen können. Im August 2010 ereignete sich der letzte Fall von Fledermaustollwut in Rheinland-Pfalz.
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EbolaDer Ebola-Ausbruch in Westafrika forderte 8371 Todesopfer seit Ende Dezember 2013, insgesamt wurden 21.171, davon 13.397 im Labor bestätigte Krankheitsfälle registriert [7]. Die klinische Symptomatik reicht von Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen bis hin zu einer Enzephalitis. Mit einer Letalität von 70–90 % entwickeln sich multifokale noduläre Enzephalitiden mit perivaskulären Hämorrhagien. Der Tod tritt meist nach 6–9 Tagen infolge eines hypovolämischen Schocks ein. Für die Labordiagnostik stehen verschiedene Methoden zur Verfügung: PCR, Virusisolierung und der serologische Nachweis mittels ELISA („enzyme-linked immunosorbent assay“), wobei die Diagnostik in Deutschland nur in bestimmten Laboratorien durchgeführt werden darf. Auch der Probenversand untersteht strengen Richtlinien [8].
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Zika-Virus (ZIKV)Seit 2015 breitet sich das ZIVK in Mittel- und Südamerika aus, der erste Ausbruch mit epidemischem Ausmaß wurde aus Brasilien berichtet. Durch Reisende wurde das Virus auch in die USA und nach Europa eingeschleppt. Der im Februar 2016 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) deklarierte globale Gesundheitsnotstand („global public health emergency“) wurde im November 2016 beendet, dennoch gibt es immer noch erhebliche Infektionsgefahren. Durch das ZIKV kann es auch zu einer Enzephalitis, Meningoenzephalitis, peripheren N. facialis-Parese, Myelitis sowie zum Guillain-Barré-Syndrom (GBS) kommen. Kongenital können durch ZIKV-Infektionen Mikrozephalien, multiple ZNS-Malformationen und Dysphagien hervorgerufen werden.