Erschienen in:
01.04.2014 | Stand der Wissenschaft
Mesenterialischämie bei selektiver Hirnperfusion
„Low-flow“-Perfusion der unteren Körperhälfte bei 28 °C im Rahmen komplexer Aortenbogenchirurgie
verfasst von:
Dr. P.L. Haldenwang, T. Klein, K. Neef, M. Zeriouh, T. Riet, A. Sterner-Kock, H. Christ, T. Wahlers, J.T. Strauch
Erschienen in:
Zeitschrift für Herz-,Thorax- und Gefäßchirurgie
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Ausgabe 2/2014
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Zusammenfassung
Hintergrund
Obwohl die mesenteriale Durchblutung bei komplexen Aortenbogeneingriffen mit hypothermem Kreislaufstillstand („hypothermic circulatory arrest“, HCA) und selektiver zerebraler Perfusion („selective cerebral perfusion“, SCP) kompromittiert ist, bietet tiefe Hypothermie hierbei ausreichenden Ischämieschutz. Dem Trend der letzten Jahre folgend, werden Eingriffe an der thorakalen Aorta jedoch zunehmend bei moderater (25–29 °C) bzw. milder Hypothermie (≥ 30 °C) durchgeführt. Unter diesen Bedingungen bleibt eine mesenteriale Schädigung nicht aus.
Ziel der Arbeit
Ziel der experimentellen Studie am Großtiermodel war die Evaluierung einer zusätzlich zu der SCP durchgeführten „Low-flow“-Perfusion der unteren Körperhälfte („lower body perfusion“, LBP) bzw. deren Einflusses auf den viszeralen Blutfluss, der oxidativen Schädigung sowie der unspezifischen inflammatorischen Antwort in Jejunum und Kolon bei prolongiertem Kreislaufstillstand.
Material und Methode
Nach Anschluss an die extrakorporale Zirkulation (EKZ) wurden 14 weibliche Schweine (35–45 kgKG) auf 28 °C gekühlt und zunächst einem 10-minütigen HCA ausgesetzt. Danach wurden die Tiere randomisiert für 60 min wie folgt perfundiert: SCP-Gruppe (n = 7): SCP-Fluss: 10 ml/kgKG/min + Ischämie der unteren Körperhälfte, „Combined-selective-cerebral-and-lower-body-perfusion“(CLBP)-Gruppe (n = 7): SCP-Fluss: 10 ml/kgKG/min + LBP-Fluss: 20 ml/kgKG/min. Nach Beendigung der SCP wurden sämtliche Tiere systemisch erwärmt, die EKZ nach Erreichen der Normothermie ausgeschlichen und die Tiere für weitere 60 min hämodynamisch überwacht. Mesenteriale Blutflussmessungen (via Injektion fluoreszierender Mikrosphären), die Bestimmung der Entzündungsmarker Interleukin(IL)-6, Tumor-Nekrose-Faktor(TNF)-α und p38 im mesenterialen Gewebe [immunhistologische Untersuchung/“real-time polymerase chain reaction“ (RT-PCR)] sowie der flusszytometrische Nachweis einer oxidativen DNA-Schädigung im portalvenösen Blut [“Fluorescence-activated-cell-sorting“(FACS)-Analyse] wurden perioperativ zu 6 Messzeitpunkten durchgeführt: Baseline (vor Anschluss der EKZ); nach 5 und 60 min SCP; 5 min, 30 min und 60 min nach Weaning von der EKZ.
Ergebnisse
Die isolierte SCP erbrachte einen mesenterialen Residualfluss von lediglich 3 % der physiologischen Blutflussrate von 76 ± 40 ml/min/100 g (Kolon) bzw. 53 ± 29 ml/min/100 g (Jejunum), gefolgt von einer reaktiven mesenterialen Hyperperfusion von bis zu 200 % in der Reperfusionsphase. Hingegen führte die CLBP zu einem mesenterialen Residualfluss von 50 %, mit annähernd normaler mesenterialer Durchblutung nach Entwöhnung von der EKZ. Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass bei moderater Hypothermie die kombinierte Perfusion mit einer signifikant niederen Laktatkonzentrationsanstiegen einhergeht (11 vs. 15 mmol/l). Die FACS-Analyse belegte, dass die 70-minütige viszerale Minderperfusion – unabhängig davon, ob mit oder ohne Perfusion der unteren Körperhälfte – in einem Anstieg der oxidativ-geschädigten DNA im viszeral-zirkulierenden Blut resultierte; hierbei fiel die Schädigung unter alleiniger SCP höher aus. Die semiquantiative immunhistologische Analyse des Darmgewebes und die quantitative RT-PCR ergaben eine signifikant höhere immunologische Aktivierung bei isolierter SCP im Vergleich zu CLBP.
Schussfolgerung
Die kombinierte CLBP mit unterschiedlichen Low-flow-Blutflussraten ist praktisch durchführbar. Die zusätzliche Perfusion der unteren Körperhälfte führt bei 28 °C zu einer deutlichen Verbesserung der mesenterialen Durchblutung, einem geringeren Laktatkonzentrationsanstieg und zu einer weniger ausgeprägten immunologischen Aktivierung im mesenterialen Gewebe.